Politische Bekenntnisse ohne Folgen – Die deutsche Politik und die zögerliche Umsetzung der internationalen Schutzverantung.

Gregor Hofmann von der Hessischen Stiftung Friedens und Konfliktforschung geht in einem aktuellen HSFK-Standpunkt auf die deutsche Politik zur Schutzverantwortung ein. Er vertritt den Standpunkt, dass das Bekenntnis der Bundesregierung zur Schutzverantwortung bislang vor allem auf deklaratorischer Ebene bleibt, eine Strategie zu ihrer Umsetzung aber fehle. Und dies obwohl auf europäischer und internationaler Ebene immer mehr die Frage im Vordergrund stehe, wie die von der Schutzverantwortung adressierten Verbrechen effektiver verhindert werden können.

Deutschland habe aber eine historische Verantwortung in dieser Thematik international voranzuschreiten und verfüge zudem über genug Einfluss in der Welt, um die Agenda der Schutzverantwortung voranzubringen. Die in Deutschland bereits existierenden Instrumente der Konfliktprävention – der Aktionsplan zivile Krisenprävention, die Leitlinien der Bundesregierung zum Umgang mit fragilen Staaten sowie das Rahmenkonzept zur Unterstützung von Sicherheitssektorreformen – böten wertvolle Anknüpfpunkte. Diese Instrumente müssten, so Gregor Hofmann, weiter gestärkt und neu ausgerichtet werden. Denn auch wenn sich schwere Gräueltaten häufig in bewaffneten Konflikten ereigneten, so träten sie allzu oft auch außerhalb dieser auf.

Eine schnelle Reaktion erfordere dann spezifische Instrumente, welche nicht zwingend deckungsgleich mit Mitteln der Krisenprävention seien. Diese Instrumente müssten daraufhin analysiert werden, wie sie effektiv angewendet werden können, um auch tatsächlich Gräueltaten verhindern oder zügig darauf reagieren zu können. Gregor Hofmann ist neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der HSFK ehrenamtlich als Mitglied des Vorstandes bei Genocide Alert aktiv.

Hier der Link zu dem vollständigen Artikel.

The Responsibility to Protect and Germany’s 2013 Elections

Genocide Alert Policy Brief, September 2013

The Responsibility to Protect (RtoP) or ‚Schutzverantwortung‘ has made significant inroads in terms of cementing itself on the German domestic political scene. With the elections just ten days away, how do the major parties plan to deal with the principle? How does it figure, if at all, in their policy platforms? What can we expect from the major parties regarding their support for RtoP for 2013 and beyond? This policy brief provides answers to these questions for an English-speaking audience.

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Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten von Bündnis 90/Die Grünen

Hier finden Sie die Antworten des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen: Weiterlesen

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten der FDP

Hier finden Sie die Antworten der FDP auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen: Weiterlesen

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten der SPD

Hier finden Sie die Antworten der SPD auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen: Weiterlesen

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten der CDU/CSU

Hier finden Sie die Antworten der CDU/CSU Fraktion auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen: Weiterlesen

Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten von Die Linke

Hier finden Sie die Antworten von Die Linke auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen: Weiterlesen

Pressemitteilung – Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl: Grüne Gewinner, Linke durchgefallen

Kurz vor der Bundestagswahl veröffentlicht die deutsche Menschenrechtsorganisation Genocide Alert e.V. eine Bewertung der Wahlprogramme. Benotet wurde die Menschenrechtspolitik der Bundestagsparteien. Die Grünen siegen vor den Liberalen, die Linke fällt als einzige Partei durch.

 

Berlin, 12. September 2013 – Mit der Note 1 (sehr gut) entscheiden die Grünen das Menschenrechtsranking klar für sich. Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Genocide Alert tritt keine andere Partei im Bundestag überzeugender für den Schutz der Menschenrechte ein. Überraschend auf Platz zwei landete die FDP mit der Note 2- (noch gut). Während SPD (3-) und CDU/CSU (4+) das Mittelfeld bilden, landet die Linke mit der Note 5 (mangelhaft) auf dem letzten Platz.

“Wir freuen uns über die sehr gute Note und Auszeichnung. Das Zeugnis macht klar, dass eine Stimme für die Grünen auch immer eine Stimme für gute Außenpolitik ist. Gerade beim Schutz von Menschenrechten hat Deutschland eine Verantwortung zu handeln. Das Menschenrechtszeugnis ist eine Bestätigung, dass wir mit unserer Politik auf dem richtigen Weg sind“, so Tom Koenigs, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag und Menschenrechtsexperte der Grünen bei der Zeugnisübergabe.

Das gute Ergebnis der FDP gründet sich in der großen Bedeutung, welche die Partei dem Thema Menschenrechte beimisst. So landen die Liberalen verdient auf dem zweiten Platz. Die Linke konnte mit ihrem menschenrechtspolitischen Programm nicht überzeugen. Als einzige Partei im Bundestag konstruiert sie einen Widerspruch zwischen Friedens- und Menschenrechtspolitik.

Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert e.V., erläutert die Ergebnisse der anderen Parteien: „Die Grünen sind verdient auf dem ersten Platz gelandet, weil sie die klarsten und konkretesten Vorschläge zum Thema Menschenrechtsschutz gemacht haben. Sowohl CDU/CSU als auch SPD sind solche klaren Antworten weitestgehend schuldig geblieben. Von Volksparteien darf man in der Tat mehr erwarten, als eher allgemein gehaltene Bekenntnisse zur Wichtigkeit der Menschenrechte.“

Das Ranking wurde durch die Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation anhand eines Fragenkataloges erarbeitet. Bereits zur Wahl 2009 hat die Organisation die Menschenrechtspolitik der Parteien beurteilt. Das Menschenrechtszeugnis dient als Orientierungspunkt zur Bundestagswahl 2013.

 

Download: Genocide Alert Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2013

 

Das Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl

Auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2005 verpflichteten sich ausnahmslos alle Staaten zur Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung, damit Zivilbevölkerungen in Zukunft besser vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschützt werden können. Die internationale Gemeinschaft hat sich hiermit die Aufgabe gegeben, Staaten bei der Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung zu unterstützen und im Notfall den Schutz bedrohter Bevölkerung zu erzwingen.

Mit diesem Zeugnis bewertet Genocide Alert, inwiefern die im Bundestag vertretenen Parteien sich dieser Verantwortung in der kommenden Legislaturperiode stellen wollen und für eine deutsche Außenpolitik eintreten, die dem Schutz der Menschenrechte, der Verhinderung schwerster Menschenrechtsverletzungen und einer Bestrafung solcher Verbrechen gewidmet ist.

Wie bereits beim letzten Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2009 stehen auch 2013 erneut Bündnis 90/Die Grünen an der Spitze. Das klare Bekenntnis der Grünen zum Menschenrechtsschutz und der Bekämpfung schwerster Menschenrechtsverbrechen bringt ihnen die Note 1 (sehr gut) ein. Auf Platz zwei liegt die FDP mit einer 2- (noch gut). Die Liberalen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm ausführlich für eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik aus, hätten jedoch mit der Nennung konkreterer Maßnahmen in den Themen Menschenrechtsschutz und Krisenpräventionnoch besser abschneiden können. Im Mittelfeld finden sich die SPD sowie die CDU/CSU. Die Sozialdemokraten erreichen die Note 3- (noch befriedigend). Die SPD betrachtet Menschenrechte und Demokratie stets im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit, äußert sich allerdings nur vergleichsweise kurz zu den Themen Krisenprävention, Schutzverantwortung und dem Internationale Strafgerichtshof. Die weltweite Anerkennung der Menschenrechte setzten sich die Unionsparteien in ihrem Wahlprogramm explizit zum Ziel. Da konkrete Aussagen dazu im Wahlprogramm und auch in den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine aber eher vage bleiben, erhalten die Christdemokraten mit der Note 4+ (voll ausreichend) ein für eine Regierungspartei ausbaufähiges Ergebnis. Abgeschlagen auf dem letzten Platz findet sich wie, bereits im Jahr 2009, Die Linke. Trotz häufiger Bekenntnisse zu Menschenrechten im Wahlprogramm, benennt die Linke keine Ideen, wie Deutschland aktiv zu einer besseren Einhaltung der Menschenrechte beitragen kann. Ihre Ablehnung UN-mandatierter Friedensmissionen und Skepsis gegenüber der Verwirklichung der internationalen Schutzverantwortung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverletzungen durch den Internationalen Strafgerichtshof zeichnen leider nicht das Bild einer verantwortungsbewussten Außenpolitik. Daher fällt die Linke mit der Note 5 (mangelhaft) als einzige Partei durch.

Das von Genocide Alert erarbeitete und herausgegebene Zeugnis umfasst eine Bewertung der Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien sowie ergänzende Antworten der Bundestagsfraktionen auf die von Genocide Alert an sie gerichteten Wahlprüfsteine. Die Bewertung der Wahlprogramme erfolgte auf Basis eines Fragebogens mit 15 Fragen zu unterschiedlichen Bereichen des Menschenrechtsschutzes (siehe Kapitel „Methodik“). Die Bewertung erfolgte durch die Mitglieder von Genocide Alert. Streitfälle wurden in der Gruppe im Konsens entschieden. Ergänzt wurde die Bewertung der Wahlprogramme durch die Vergabe von bis zu drei Zusatzpunkten, entsprechend der Qualität der Antworten auf die von Genocide Alert an die Bundestagsfraktionen gestellten Wahlprüfsteine.

Hier können Sie das gesamte Genocide Alert Menschenrechtszeugnis herunterladen (pdf)

 

Hier kommen Sie direkt zu den Ergebnissen der einzelnen Parteien:

 

Wie antworteten die Fraktionen auf unsere Wahlprüfsteine? Hier finden Sie die Antworten im Detail:

 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Der Klassenprimus in Sachen Menschenrechte

Bündnis 90/Die Grünen streben einen umfassenden Wandel der deutschen Außenpolitik an. Allen Politikfeldern ist gemeinsam, dass die Partei die Einhaltung und Förderung universeller Menschenrechte als zentralen Pfeiler ihrer Politik begreift. Folglich setzt sich die Partei für eine Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes ein, um schwerste Menschenrechtsverletzungen effektiver bestrafen zu können. Das Konzept der Schutzverantwortung gilt dabei als zentrale Säule ihrer Außenpolitik.

Die Grünen betonen den Vorrang ziviler Krisenprävention und die Erkenntnis, dass Frieden niemals erzwungen werden kann. Jedoch machen sie auch deutlich, dass zum Schutz bedrohter Zivilbevölkerungen auch ein militärisches Eingreifen als letztes Mittel notwendig sein kann. Explizit fordern die Grünen eine größere Übernahme von Verantwortung Deutschlands in UN-Friedensmissionen sowie eine restriktivere Rüstungsexportpolitik.

Die Antworten auf unsere Wahlprüfsteine zeigen: Die Partei hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Schutzverantwortung auseinandergesetzt und den Menschenrechtsschutz als ein außenpolitisches Leitbild definiert. Es wurden mehrere Anträge in den Bundestag eingebracht und inhaltliche Diskussionsveranstaltungen organisiert. Strengere Regelungen für Waffenexporte gehören zu den neun zentralen Themenschwerpunkten dieses Wahlkampfes. Ihre Forderungen nach der Einrichtung einer nationalen Stelle für die Schutzverantwortung, der Etablierung eines europäischen Friedensforschungsinstituts sowie einer stärkeren Demokratisierung der Vereinten Nationen unterstreichen, dass die Grünen sich aktiv für eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik einsetzen wollen. Sie sind auch nicht der kontroversen Frage nach dem Einsatz von Gewalt ausgewichen, welches sie als letztes Mittel zur Verhinderung schwerster Menschenrechtsverbrechen ansehen. Hieran lässt sich ablesen, dass die Verfolgung idealistischer Ziele mit einer differenzierten und realistischen Sicht auf außenpolitische Gegebenheiten ins Gleichgewicht gebracht werden soll. Angesichts dessen fällt es nicht weiter ins Gewicht, dass Maßnahmen für eine zeitnahe und wirkungsvolle Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen konkreter hätte ausfallen können.

Bündnis 90/Die Grünen haben sich die Note 1 (sehr gut) redlich verdient und gehen als Klassenbeste in die Bundestagswahl 2013.

 

Zitate aus dem Wahlprogramm

 

“Wir verstehen das internationale Konzept der Schutzverantwortung, der responsibility to protect, als wichtige Säule der Krisenprävention und wollen sie wirksamer umsetzen.”

„Deutsche Politik muss im Hinblick auf den Schutz und die Förderung von Menschenrechten und Entwicklung kohärenter werden. Es darf nicht mehr passieren, dass ein Ressort im Dienste von Menschenrechten und Entwicklung arbeitet und ein anderes die Erreichung dieser Ziele mit eigenen, nicht abgestimmten Maßnahmen konterkariert oder gar zerstört. Wir wollen Kohärenz sicherstellen, z.B. durch ressortübergreifende Länderstrategien für Partnerländer der Entwicklungszusammenarbeit.”

„Die unter Rot-Grün geschaffenen zivilen Ansätze müssen weiterentwickelt und ihr Rückstand gegenüber den militärischen Kapazitäten aufgeholt werden.“

 “Rüstungsexporte in Staaten, die Menschenrechte mit Füßen treten, darf es nicht mehr geben. Eine grüne Regierungsbeteiligung gibt es daher nur mit einer anderen Rüstungsexportpolitik, die endlich mehr Transparenz und Kontrolle ermöglicht und restriktiv ist.”

„Für ein Ende der Straflosigkeit bei schwersten Menschenrechtsverletzungen durch Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs und des Völkerstrafrechts.”

„Es gibt Situationen, in denen gewaltsames militärisches Eingreifen notwendig ist, um schwerste Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord zu verhindern oder zu stoppen.”

„An der Vision, den VN eigene ständige Truppen zu unterstellen anstatt nationaler Militärkontingente, halten wir fest. Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland VN-Missionen – zivile wie militärische – nicht nur finanziell, sondern auch personell stärker unterstützt.”

 

 Hier können Sie das gesamte Genocide Alert Menschenrechtszeugnis herunterladen (pdf)

 

Fotoquelle: Pressestelle Bündnis 90/Die Grünen