Die Schutzverantwortung umsetzen: Deutschland braucht einen RtoP-Bestandsbericht

Die Bundesrepublik Deutschland ist auf internationaler Ebene ein starker Verfechter des Konzepts der Schutzverantwortung. Dennoch mangelt es nach wie vor an einer Strategie zur Umsetzung der Responsibility to Protect (RtoP) auf nationaler Ebene. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass eine effektive Prävention und Reaktion auf Massenverbrechen nicht an Informations- sondern an Handlungsdefiziten gescheitert ist. Damit auf verfügbare Erkenntnisse über Massenverbrechen in Zukunft rechtzeitig reagiert werden kann, sollte die Bundesregierung alle an der Umsetzung der Schutzverantwortung mitwirkenden Institutionen und Prozesse erfassen, integrieren und optimieren.

Vorhandene RtoP Informationen und Instrumente besser nutzen

Derzeit verfügen eine Vielzahl von Ministerien über Informationen und Instrumente, die für eine systematische Prävention, Verhinderung und Bestrafung von Massenverbrechen hilfreich sind. RtoP-relevante Informationen werden jedoch nicht systematisch gesammelt und nur unzureichend zusammengeführt und interpretiert. Wenn Deutschland sein Bekenntnis zur Schutzverantwortung ernst nimmt, bedarf es einer nationalen Strategie zur Implementierung der Responsibility to Protect, deren erster Schritt ein RtoP-Bestandsbericht ist. Dieser sollte analysieren, welche Informationsquellen und Instrumente der Bundesregierung zur Umsetzung der Responsibility to Protect auf nationaler Ebene zur Verfügung stehen, wo Mängel sind und wie sich diese beheben lassen. Verfügbare Informationen über drohende oder laufende Massenverbrechen sollten in Zukunft konsequent und systematisch zusammengeführt und verarbeitet werden. Das Ziel einer nationalen RtoP-Bestandsaufnahme ist es, der Bundesregierung eine größere Anzahl effektiver Handlungsoptionen zugänglich zu machen.

Ein nationaler RtoP-Bestandsbericht sollte folgende Fragen beantworten:

  • Welche RtoP-relevanten Instrumente stehen der Bundesregierung zur Prävention und Reaktion auf potentielle Massenverbrechen zur Verfügung? Wie werden existierende RtoP-relevante Analysekapazitäten und Informationen der verschiedenen Ministerien und Nachrichtendienste zusammengeführt?
  • Inwiefern ist das Ziel der Verhinderung von Massenverbrechen in die Arbeit von Ministerien und Diensten integriert? Wie werden z.B. Diplomaten und zivile und militärische Krisen- und Entwicklungshelfer darauf vorbereitet, die Gefahr von Massenverbrechen rechtzeitig zu erkennen und weiterzugeben?
  • Wie können regierungsinterne Prozesse und Instrumente zur Sammlung, Analyse und Zusammenführung von RtoP-relevanten Information optimiert sowie besser integriert werden?

Nationale RtoP-Bestandsberichte sind in der Vergangenheit bereits von anderen Staaten mit Erfolg durchgeführt worden. So haben die USA mit einer von Madelaine Albright geleiteten „Genocide Prevention Task Force“ einen entscheidenden Grundstein dafür gelegt, die Verhinderung von Massenverbrechen zu einem wichtigen Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik zu machen.1 Die Bundesregierung sollte umgehend einen umfassenden RtoP-Bestandsbericht als Grundlage einer Strategie zur Umsetzung der Schutzverantwortung anfertigen und eine erfolgreiche Umsetzung durch jährliche Fortschrittsberichte überprüfen.

 

1) Vgl. USIP

Den Policy Brief von Genocide Alert finden Sie hier: Download pdf. Policy Brief RtoP Bestandsbericht

Hier zum offenen Brief an Bundesaußenminister Westerwelle von Genocide Alert, Human Rights Watch und der Gesellschaft für bedrohte VölkerOffener Brief an Bundesaußenminister Westerwelle