Essay zum Völkermord in Ruanda – von Bej-Ali Simbargov

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Ein Wahnsinn der sich vermutlich schon lange aufbaute um 1400 und im Jahre 1994 mit einem unfassbaren Gewaltausbruch den Höhepunkt erreichte, – der Völkermord in Ruanda.

Immer noch stellt sich mir die Frage nach dem „Warum?“, noch vor der Frage nach den daraus zuziehenden Lehren. Es sind vor allem die Bilder, die mich dazu Bewogen haben, mich einmal schriftlich damit zu befassen. Die Kenntnis der Probleme und Ursachen scheint mir dabei ein Weg zur Vermeidung solcher Auswüchse zu sein.

Historische Hintergründe markieren schon ab dem Jahre 1400 n. Chr. ungleiche Macht- und Besitzverhältnisse zwischen den Volksgruppen der Tutsi und Hutu. Mit Macht- und Besitzverhältnissen ist beispielsweise die ungleiche Verteilung von Vieh, das bis heute viel Wert hat und ein Statussymbol darstellt, gemeint. Die eingewanderten Tutsi mit ihrem Vieh, waren die herrschende Schicht, die Hutus fühlten sich als Beherrschte.

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte ist das Kolonie- Stadium (1899- 1919), das nicht wirklich die Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen besserte, sondern genau das Gegenteil bewirkte. Die Kolonialmacht sorgte dafür, dass die Tutsis als „lokale Machtträger“ in das System eingebunden wurden, nicht aber die Hutus. Um ein Beispiel zu nennen, wurden die Menschen in Rassen eingeteilt, sie wurden „ biologisiert“. Man fixierte ethnische Zugehörigkeiten von Hutus und Tutsis, die in Verwaltungsregistern festgeschrieben wurden. Lange Zeit, sprich bis zum 2. Weltkrieg wird den Hutus der Zugang zur Bildung verwehrt, bis Missionare, in den Missionsschulen auch den Hutus,  den Zugang zu Bildung möglich machten. Bildung bedeutet Macht durch Wissen und somit stellt sich ein Gegengewicht gegenüber der Tutsiherrschaft ein.

Nach der Entkolonisation in den 1960er-Jahren, ließen die Kolonialherrscher in der Regel die Probleme hinter sich, beziehungsweise in der ehemaligen Kolonie.

Ruanda und andere Staaten in Afrika sind nach wie vor wirtschaftlich abhängig, vor allem von Europa beziehungsweise geraten je nach Lage und Bodenschätze in Vergessenheit.

Zurück nach Ruanda; Hier entwickeln sich Unstimmigkeiten in der Politik, die Tutsis werden in Ruanda als Minderheit aus öffentlichen Ämtern ferngehalten beziehungsweise mit Gewalt vertrieben und mussten zum Teil in die Nachbarländer flüchten, es kam vermutlich zu

10 000 Toten. Auch für die Entwicklungsprobleme des Landes werden die Tutsis als „Sündenböcke“ gesehen.

Wie Wellen, die hin und her schlagen, rächten sich nun die Tutsis an den Hutus, indem sie aus den Nachbarländern den bewaffneten Kampf gegen die Hutus in Ruanda führten. Nach den Schätzungen zu Folge sind 100 000- 150 000 Menschen gestorben. Als ob das Chaos nicht genug wäre, fand um 1973 eine Kaffeekrise statt, für Ruanda und die Nachbarländer bedeutet dies, Nahrungsmittelknappheit, Nutz- und Perspektivlosigkeit vor allem bei Jugendlichen, denen die Probleme einfach vor die Füße gelegt werden, sie sind der  Nährboden für eine „Sündenbocksuche“.

Von den Hutus wurde eine Ideologie verbreitet, die auf die Vernichtung der Tutsis abzielte.

1994 werden Kriegswaffen geliefert, vor allem Macheten. Der Völkermord nimmt seinen Lauf, als der Präsident Habyarimana von Ruanda, ein Hutu, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt. Hier wird die Schuld den Tutsis vorgeworfen, ohne jegliche Beweise.

Das Feuer ist entfacht und nicht mehr zu löschen, die Welt schaut weg, sorglos. Ein Blutrausch setzt ein, Hutus gegen Tutsis. Misshandlungen, Vergewaltigungen, Folter und Ermordungen, sind die alltäglichen Geschehnisse. Auf beiden Seiten werden Menschenrechtsverletzungen begangen. Die Massaker machen auch nicht vor Kindern halt, die Kinder werden sogar zu Tätern – und die Welt schaut immer noch zu. Sie sehen das Töten als Pflichterfüllung, weil sie nur die Ideologien kennen mit denen sie aufgezogen wurden. Die Blauhelme der UNO, die die Vertriebenen und Schutzlosen schützen sollten, wurden abgezogen, Schuldige und Unschuldigen sind unter sich. Man spricht von 800 000 Toten in 100  Tagen. Eine Zahl, die mich entsetzt, das sind täglich  8000 Menschen! Und alle suchen nach Gründen.

Dabei müsste die Weltöffentlichkeit um Genozide wissen, es ist keine ruandische Erfindung. Deutschland, Armenien, Amerika, Tschetschenien und so weiter waren davon betroffen und  es sind schreckliche Vorgänge, die heute noch nachwirken.

Die Nachwirkung in Ruanda zeigte sich in der Welle der „Rückeroberung“ des Landes durch die Tutsi von den umliegenden Ländern aus. Man kann nur hoffen, dass die derzeitige Beruhigung der Wellen eine dauerhafte ist.

Das Wegschauen aller Staaten und Organisationen ist auch heute noch für mich unerklärlich, die Gründe sind meiner Meinung nach Ausreden.

Ein Zitat des damaligen französischem Präsidenten Nicolas Sarkozy gibt hier ein Beispiel: „ Es hat eine Form von Blindheit gegeben, wir haben die Dimension des Völkermordes nicht wahrgenommen“. Meiner Meinung nach kann man nicht stärker Banalisieren.

Die Wellen in Ruanda haben sich äußerlich wieder beruhigt. Es ist aber zu befürchten, dass aus den Nachbarländern eine Welle der Rache aufkommen könnte. Nur durch Bildung und die Erziehung zu Offenheit und Achtung gegenüber anderen und die Sicherung des täglichen Auskommens auch im  Alter, scheinen mir persönlich eine Möglichkeit die Wellenbewegung Gewalt- Gegengewalt zu beruhigen. Vielleicht ist der unermüdliche Einsatz hierfür die letzte Ehre, die man den unschuldigen Opfern erweisen kann. Darüber hinaus betrachte ich ein frühzeitiges Reagieren der Weltöffentlichkeit auf Gefahren, die sich abzeichnen, als nötig. Wegschauen darf es nicht geben. Die UNO sollte hier als Organisation der Völkergemeinschaft mehr Rechte und Pflichten haben.

Zusammengefasst denke ich, dass die Verbesserung der Bildungs- und Lebenssituation ein Land, aber auch die Ausstattung der UNO mit mehr Rechten, die auch ein robustes Eingreifen ermöglichen, solche Ausbrüche wie in Ruanda verhindern könnten.

 

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