Der Konflikt im Südsudan (2013 -)

Sie berichten von Mord, Folter, Vergewaltigungen, von niedergebrannten Dörfern und erzwungenem Kannibalismus. […] Von Vergewaltigungen, die mit zerschmetterten oder abgeschnittenen Gliedern einhergingen. An verschiedenen Orten wurden Massengräber gefunden.[1]

Eigentlich sollte das Unabhängigkeitsreferendum des jüngsten Staates der Erde, dem Südsudan, den 22-jährigen Bürgerkrieg beenden, der bereits Millionen Opfer gefordert hatte.

Doch es kam anders: Grenzstreitigkeiten zwischen Sudan und Südsudan, die problematische Landrechtssituation, ethnisierte Konflikte und die katastrophale humanitäre Situation, welche durch Hungersnot und große Migrationsbewegungen bedingt sowie Streitigkeiten über die Ölvorkommen führten weiterhin zu Konflikten und hatten die Vertreibung hunderttausender zur Folge. Die Kämpfe zwischen dem Sudan und dem Südsudan flammten immer wieder auf und eskalierten schließlich, als am 10. April 2012 südsudanesische Truppen die Ölförderanlagen von Heglig besetzten. Überfälle von der Lord Resistance Army aus Uganda – die ebenfalls Einfluss zu üben sucht- destabilisieren bis heute die Region.

Szene aus einem UNMISS-Schutzlager für Zivilisten in Juba, Südsudan, Oktober 2015 (by UN Photo/JC McIlwaine [Fair use, non-profit]

Szene aus einem UNMISS-Schutzlager für Zivilisten in Juba, Südsudan, Oktober 2015 (by UN Photo/JC McIlwaine [Fair use, non-profit]

Im Dezember 2013 brach im Südsudan zudem ein Bürgerkrieg aus: Präsident Salva Kir, Angehöriger der größten Volksgruppe der Dinka, und Riek Machar, welcher der zweitgrößten Volksgruppe Nuer zugehörig ist kämpfen um Macht und Einfluss im jungen Land. Der Konflikt wird von ihnen entlang von Volkszugehörigkeiten ethnisiert. Beide Seiten, die südsudanesische Armee SPLA unter Präsident Kir und die Opposition SLPA-IO unter Machar begehen systematisch Massenverbrechen.[2] Mindestens 20.000 Menschen wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ermordet.[3] Die Instrumentalisierung von Gewalt entlang ethnischer Linien erinnert an den Völkermord in Ruanda. Wie dort 1994 wird auch im Südsudan über Radiosender zur Gewalt an der jeweilig anderen Bevölkerungsgruppe aufgerufen – im Falle von Südsudan sind es Nuer gegen Dinka.

Über 50.000 Tote hat der Bürgerkrieg im Südsudan bereits gefordert, ein Viertel der Bevölkerung wurde vertrieben. Es kam zu zahlreichen Massakern und Vergewaltigungen. Ein erfolgsversprechender, nachhaltiger Friedensprozess ist noch immer nicht in Sicht.[4] Trotz des 2015 geschlossenen Friedensabkommens befindet sich das Land auch Ende 2016 weiter in einem Kriegszustand. Mehr als 200.000 Menschen suchten Ende 2016 Zuflucht in den Lagern der UN-Mission UNMISS im Land.

Deutschland und der Konflikt im Südsudan

Obwohl während der Zeit des Bürgerkriegs im Südsudan Themen wie der Arabische Frühling, der bewaffnete Konflikt in Libyen, der Syrienkrieg oder die Flüchtlingskrise die deutschen Medien und das deutsche außenpolitische Handeln dominierten, wurde der blutige Konflikt in Deutschland immer wieder thematisiert. Die euphorische Anfangsphase der Unabhängigkeit des Südsudans und der damit verbundenen Hoffnung auf eine friedliche Zukunft des jungen Landes stellte den Höhepunkt der medialen Berichterstattung dar. Danach ging das Interesse jedoch zunächst zurück. Die deutschen Medien haben sich vermehrt, jedoch nicht ausschließlich anderen Konfliktherden angenommen. Über die dramatische humanitäre Situation, die Nahrungsunsicherheit und Migrationsbewegungen, sowie die eskalierende Gewalt im Südsudan wurde berichtet. Kurze Lichtblicke wie neue Waffenstillstandsabkommen sind überschattet von Berichten über erschreckende Gewalt und systematische Massenverbrechen.

Als 2014 die Gewalt eskalierte, wurde von Human Rights Watch vor einem zweiten Ruanda gewarnt.[5] Bundestagsabgeordnete artikulierten mehrmals die Notwendigkeit der deutschen Beteiligung um eine weitere Destabilisierung des Landes, aber auch der gesamten Region in Ostafrika zu verhindern. So wurde in mehreren Bundestagssitzungen, vor allem in den Jahren 2011 und 2012, fraktionsübergreifend die Stabilisierung des Südsudans und Sudans und eine Beilegung des Konflikts gefordert.

Deutsches Engagement im Südsudan ist einerseits durch die Entsendung von Bundeswehrsoldat*innen im Rahmen der UNMISS Mission, andererseits durch Entwicklungszusammenarbeit und ziviles Personal geprägt.[6] Kernziele der deutschen Beteiligung und des Bundestagsmandats sind vor allem der Schutz der Zivilbevölkerung, die Beobachtung und Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts.[7] Deutschland ist bereits seit Jahren auch mit einer Obergrenze von 50 Soldaten an der UN-Friedenstruppe beteiligt. Diese Zahl schließt sowohl die UNMIS (2005-2011) als auch die darauffolgende UNMISS (seit 2011) ein und wurde bis auf die Fraktion LINKE mit großer Mehrheit beschlossen. Die Fraktion LINKE erklärte das Mandat für unnötig und bezog sich dabei auf die Zusammenarbeit der UNMISS mit der südsudanesischen Regierung, außerdem warfen Sie der Regierung Untätigkeit vor um die Waffenlieferungen in die Region zu stoppen. Die beschlossene Obergrenze von 50 Soldaten spiegelt jedoch nur die theoretisch maximal einsetzbare Anzahl von Soldaten wider; aktuell sind 16 Personen im Einsatz. Das Mandat wurde zuletzt im Dezember 2016 vom Bundestag bis Ende 2017 verlängert. Die Soldaten sind vor allem in Führungs-, Beratungs-, und Militärbeobachtungsaufgaben tätig und unterstützen bei der technischen Ausrüstung und Ausbildung truppenstellender Nationen.

Um die Stabilisierung vor Ort zu fördern, investierte Deutschland – das sich stets für die Unabhängigkeit des Südsudan aussprach – nach Angaben des Auswärtigen Amtes außerdem zwischen 2009 und 2012 mehr als 800 Millionen Euro in den Staatsaufbau und die Stabilisierung des Südsudans und Sudans. Dies sollte die Eskalation des Konfliktes und eine weitere Destabilisierung in Ostafrika verhindern. Die Ende April 2014 versprochene humanitäre Soforthilfe der Bundesregierung belief sich auf 45,6 Millionen Euro. Diese Hilfe und der Besuch von Entwicklungsminister Müller im März 2014, bei dem er die problematische Menschenrechts- und Flüchtlingssituation thematisierte, zählten zu den wichtigsten Zeichen der deutschen Politik. Er forderte, Kiir müsse eine Aussöhnung mit seinem politischen Gegenspieler Riek Machar anstreben und für einen Waffenstillstand sorgen, ansonsten werde die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) nicht wieder ins Land zurückkehren.[8]

2015 begrüßte Außenminister Steinmeier das unterzeichnete Friedensabkommen, einige Tage später äußerte sich der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Strässer besorgt über die Situation. In Reaktion auf die erneut zunehmende Gewalt forderte Steinmeier im Juli 2016:

„Gerade der gestern begangene fünfte Jahrestag der Unabhängigkeit Südsudans sollte allen Seiten Mahnung sein, diesen furchtbaren Kreislauf von immer wieder neu aufbrechender Gewalt und Gegengewalt zu unterbrechen, an der Stabilisierung des Friedensprozesses und dem Wiederaufbau und der Entwicklung des Landes mitzuarbeiten und den ohnehin armen und leidgeplagten Menschen im Land nicht die letzte Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu nehmen.“[9]

Internationale Kritik erntete Deutschland im Juli 2016 für die Evakuierung von sieben deutschen Polizisten aus dem Südsudan, um diese vor der eskalierenden Gewalt im Land zu schützen. Farhan Haq, Sprecher von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kritisierte, dass die Evakuierung die Arbeit der Friedensmission UNMISS gestört hätte, speziell wenn Hunderte andere zivile Mitarbeiter, UN-Freiwillige und Blauhelme unter sehr schwierigen Bedingungen dort ausharren und weiterarbeiten.[10]

Obwohl ein Waffenembargo der Europäische Union gegen den Sudan aus dem Jahr 2005 auch auf den Südsudan ausgeweitet worden war, wirken sich Rüstungsgüter aus Deutschland und aus Südsudans Nachbarländer auf den Konfliktverlauf aus. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß startete 1961 umfangreiche Rüstungshilfen für das prowestliche Militärregime im Sudan, welche heute noch immer im Einsatz sind. Laut Greenpeace exportierte die Bundesrepublik Deutschland nicht nur Waffen, sondern gleich ganze Waffenfabriken, weshalb der Sudan später auch riesige Mengen G3-Gewehre aus saudischer, iranischer und pakistanischer Lizenzproduktion beziehen konnte. Heute produziert die von Fritz Werner Werkzeugmaschinen AG in Khartum errichtete Fabrik das G3 und die MP5 selbst.[11]

Erst 2016 forderte Ban Ki Moon erneut ein umfassendes Waffenembargo, jedoch scheint eine Einigung im UN-Sicherheitsrat unwahrscheinlich, da die ständigen Mitglieder Russland und China von den Ölvorkommen im Südsudan profitieren. Die Bundesrepublik versuchte Ende 2016 weiter auf internationaler Ebene zu vermitteln und eine politische Lösung des Konfliktes durch Mediation und Diplomatie voran zu treiben. Das Engagement Deutschlands im Südsudan wurde mehrfach in Plenarsitzungen des Bundestags unter Bezug auf die internationale Schutzverantwortung und das Interesse an einer Stabilisierung der begründet. Einen Bezug zu den deutschen Massenverbrechen von 1933 und 1945 und eine daraus resultierende Verantwortung der Rolle Deutschlands wurde nicht artikuliert. Vielmehr sei die deutsche Regierung als Teil der internationalen Gemeinschaft mitverantwortlich die Menschen im Südsudan vor Massenverbrechen zu schützen.

Quellen

Weitere Beiträge von Genocide Alert zum Thema

» Genocide Alert Monitor: Südsudan (Stand 2016)

» Ein drohender Völkermord im Südsudan: Zivilisten im Südsudan brauchen jetzt mehr deutsches Engagement

» Deutsche Soldaten für Südsudan: Außenansicht aus der Süddeutschen Zeitung

» Deutschland und die Umsetzung der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect)

Verweise im Text

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/suedsudan-afrikanische-union-dokumentiert-kriegsverbrechen-a-1060037.html

[2] https://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/suedsudan

https://www.genocide-alert.de/ein-drohender-voelkermord-im-suedsudan-zivilisten-im-suedsudan-brauchen-jetzt-mehr-deutsches-engagement/

[3] https://www.genocide-alert.de/ein-drohender-voelkermord-im-suedsudan-zivilisten-im-suedsudan-brauchen-jetzt-mehr-deutsches-engagement/

[4] http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-04/suedsudan-krieg-friedensvertrag-fluechtlinge-hunger

[5] http://www.spiegel.de/forum/politik/suedsudan-human-rights-watch-warnt-vor-voelkermord-wie-ruanda-thread-124695-1.html

[6] http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxu6Q0NScHKpRaUpWqV5qXm1lcrJeZl5avX5DtqAgAet3TxQ!!/

[7] http://www.sueddeutsche.de/politik/entwicklungsminister-mueller-in-suedsudan-und-mali-grenzen-der-entwicklungspolitik-1.1924124

[8] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw46_de_suedsudan/339828

[9] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2016/160710_BM_S%C3%BCdsudan.html?version=2

[10] http://www.fr-online.de/politik/suedsudan–deutsche-muessen-draussen-bleiben,1472596,34531992.html

[11] http://amnesty-sudan.de/amnesty-wordpress/waffenexporte-in-sudan/

https://www.greenpeace-magazin.de/der-export-des-krieges


Autorin: Helen Deacon