Sudan vor der Spaltung: Deutschland kann durch diplomatische Maßnahmen Zivilisten schützen – wenn es jetzt handelt
- Sich intensiv für eine Stärkung der UNO Blauhelmtruppen UNMIS (Südsudan) und UNAMID (Darfur) einsetzen. Das UNMIS Mandat wird im Juli auslaufen. Es muss nicht nur für den neuen Staat im Südsudan sondern auch für die kritischen Grenzgebiete im Nordsudan erneuert werden. Hierzu muss die Diplomatie alles daran setzten, Khartum in der Ablehnung einer Verlängerung umzustimmen. Außerdem muss die volle Mobilität beider Missionen garantiert werden. Die Praxis der sudanesischen Armee, Blauhelmen den Zugang zu Krisengebieten zu verweigern, darf nicht mehr toleriert werden. Und die nun Jahre andauernde Diskussion über 20 fehlende Helikopter für UNAMID muss endlich in Handeln umgesetzt werden. Zu guter Letzt sollten die truppenstellenden Länder gebeten werden, geographische Beschränkungen für den Einsatz ihrer Soldaten aufzuheben. (Weitere Details siehe GA Policy Brief vom Januar hier).
- Einen detaillierten Plan für seine Sudanpolitik zusammenstellen, in dem Krisenszenarien durchdacht sind und in dem politische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische und militärische Maßnahmen integriert werden. Die Bundesregierung hat zwar im Oktober ein neues „Sudankonzept“ angekündigt, doch dies besteht lediglich aus vier Seiten. Diplomatische Maßnahmen für die post-Referendum-Phase werden sogar auf nur einer halben Seite angerissen. Der Plan sollte vertieft und soweit wie möglich öffentlich gemacht werden.
- Druck auf Khartum und Juba (Südsudan) ausüben, die offenen Fragen des Unabhängigkeitsprozesses rasch zu klären. Insbesondere muss die Ungewissheit über die Zukunft der Öleinkommen beseitigt werden. Deutschland sollte die Verhandlungen über Öl, Schulden, Staatsangehörigkeit und Grenzkontrollen, Grenzziehung, usw. auf höchster Ebene beobachten (siehe nächsten Punkt). In Kooperation mit AU, USA und anderen Beobachtern sollte Bundeskanzlerin Merkel bereit sein, sich, falls notwendig, persönlich in die Gespräche einzuschalten. Deutschland sollte sich außerdem bereit erklären, wirtschaftliche Abkommen mittels Beobachtern zu garantieren.
- Einen hochrangigen Diplomaten als Sudanbeauftragten ernennen. Diese Person würde die diplomatischen Bemühungen in New York, Khartum, Brüssel und anderswo koordinieren; direkten Zugang zu Außenminister Westerwelle oder Kanzlerin Merkel haben; und die deutsche Beobachtung der Nord-Süd Verhandlungen leiten.
- Die richtigen Signale zu Darfur senden. Auch die Darfur-Friedensgespräche muss Deutschland auf höchster Ebene beobachten. Deutschland sollte sich öffentlich zu der internationalen Verpflichtung bekennen, die Rückkehr der über 2 Millionen Flüchtlinge und den Wiederaufbau ihrer Existenzen zu ermöglichen. Diplomatisch sollte Deutschland sich dafür einsetzen, dass Khartum die internationalen Anreize zu einer friedlichen Lösung im Süden nicht als Lizenz dafür sieht, in Darfur weiter auf Krieg zu setzen.
- Bereitschaft zeigen, diplomatische und wirtschaftliche Hebel anzuwenden. Dazu muss erst der politische Wille innerhalb der deutschen Politik aufgebaut werden. Wie im GA Policy Briefvom Januar beschrieben, kann Deutschland gegenüber Khartum, falls notwendig, mehrere Druckmittel einsetzen. Dazu gehören die Herabstufung bilateraler diplomatischer Beziehungen, die deutsche Ablehnung eines internationalen Schuldenerlasses für das Regime und eine Androhung von personenbezogenen Sanktionen, wie sie die EU zuletzt gegen den ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo beschlossen hat. Diplomatischen Einsatz leisten bedeutet auch, in der EU zu führen, nicht aber die Sudanpolitik im Konsens ersticken zu lassen. Im UNO-Sicherheitsrat gilt es, eine kraftvolle Stimme für die sudanesische Bevölkerung zu bilden, und gegebenenfalls auch nicht vor einer Unstimmigkeit mit China und Russland zurückzuschrecken. Die Bedeutung von Aufmerksamkeit auf höchster Ebene darf außerdem nicht unterschätzt werden. Wenn Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle ihre Besorgnis über den Sudan ausdrücken, setzt dies ein wichtiges Signal für die deutschen Medien, die deutschen Diplomaten und nicht zuletzt für das Regime in Khartum.
- Weiterhin humanitäre Hilfe sowie Entwicklungshilfe leisten und den Aufbau von Institutionen im Südsudan unterstützen. Um einen gescheiterten Staat sowie das Ausbrechen von Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen im Südsudan zu verhindern, muss die südsudanesische Bevölkerung Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen spüren. Wichtige Friedensdividenden in diesem Zusammenhang sind der Bau von Straßen, besserer Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung, und Beschäftigungsprogramme für Jugendliche. Des Weiteren sollte Deutschland den Aufbau von staatlichen Institutionen und Polizei unterstützen. Wie weitestgehend bisher geschehen, sollte die deutsche Hilfe stets die Dynamiken der verschiedenen Konflikte berücksichtigen.
Im Sudan geht es darum, den Frieden zu gewinnen. Deutschland darf dabei nicht fehlen.
David Dagan, Christoph Schlimpert, Sarah Brockmeier
Die PDF Version dieses Policy Briefs ist hier zu finden. Mehr Hintergrundinformationen zur Situation im Sudan sind zu finden im Genocide Alert Policy Brief vom Januar, sowie Genocide Alert Artikeln zu den Gefahren nach dem Referendum und derzeitigen Situation im Sudan.