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Ein drohender Völkermord im Südsudan: Zivilisten im Südsudan brauchen jetzt mehr deutsches Engagement

Wenige Wochen nach dem Gedenken an den Völkermord in Ruanda im Bundestag warnt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung vor einem Völkermord im Südsudan. Nach Ausbruch eines Bürgerkrieges und ethnisch motivierten Tötungen schweben dort Hunderttausende Zivilisten in Lebensgefahr. Deutschland verfügt über die Mittel, den Schutz der Menschen im Südsudan merkbar zu verbessern. Hierfür sollte die Bundesregierung ihre Unterstützung der UN-Mission im Südsudan sowie ihre humanitäre Hilfe massiv ausweiten.

„Wir schulden [den Opfern von Menschheitsverbrechen], dass wir uns nicht dem Gefühl der Ohnmacht und schon gar nicht der Gleichgültigkeit hingeben – dass wir nicht nur anprangern, sondern alles tun, was in unserer Macht steht, um Völkermord zu verhindern!”

(Frank-Walter Steinmeier, 4. April 2014)

Wenige Wochen nach den Gedenkfeierlichkeiten des Bundestag zum Völkermord in Ruanda warnt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Christoph Strässer vor einem erneuten Völkermord im Südsudan. Deutschland und die internationale Gemein-schaft sind jetzt zum Handeln aufgerufen, solange sich dort eine weitere Eskalation verhindern lässt. In Kürze wird sich die Situation soweit verschlimmert haben, dass Hilfe deutlich schwerer und um ein Vielfaches teurer wird.

Die Situation im Südsudan: Mord, Vergewaltigung, Hunger und Krankheit

Im Südsudan eskaliert seit Dezember 2013 der Konflikt zwischen Präsident Salva Kiir, Angehöriger der Volksgruppe der Dinka, und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar, der zur Volksgruppe der Nuer gehört. Beide kämpfen um die Macht im 2011 unabhängig gewordenen Südsudan. Alle Bemühungen blieben bisher erfolglos, Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien voranzutreiben.

Mehr als 20.000 Menschen starben seit Dezember 2013 aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Die Vereinten Nationen dokumentierten zuletzt Massaker in der Stadt Bentiu, in denen hunderte Männer, Frauen und Kinder zunächst nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit selektiert und anschließend brutal ermordet wurden. Wie 1994 in Ruanda wurde im Radio zur Vergewaltigung von Frauen der anderen Ethnie aufgerufen.

Mehr als 60.000 Menschen suchten seit Ende Dezember Schutz auf den UN-Stützpunkten der Blauhelme vor Ort. Diese Menschen zu versorgen ist eine riesige Herausforderung. Es fehlt an Unterkunft, Nahrung, sauberen Wasser, Latrinen und Gesundheitsversorgung. Mit dem Beginn der Regenzeit könnten mehrere UN-Stützpunkte teilweise überschwemmt werden – mit fatalen Folgen für die Flüchtlinge. Das Risiko einer Cholera-Epidemie steigt rapide. Über eine Million Menschen im Land sind inzwischen auf der Flucht. Zeitgleich bahnt sich eine Hungerkatastrophe an.Mindestens 3,7 Millionen Zivilisten sind von akuter Lebensmittelknappheit betroffen. UNICEF warnt vor einer Hungersnot mit bis zu einer Millionen Toten.

Der UN-Sicherheitsrat beschloss am 24. Dezember die Aufstockung der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) von bisher 7.000 auf nun 12.500 Soldaten und Polizisten. Vier Monate später sind nur ca. 1.500 Soldaten von dieser Verstärkung im Südsudan eingetroffen. Laut Angaben der Vereinten Nationen werden insgesamt umgerechnet 917 Millionen Euro für humanitäre Hilfe gebraucht. Bisher wurde von Seiten der internationalen Gemeinschaft nur knapp ein Drittel dieser Summe zugesagt.

Deutschland kann und muss einen Beitrag leisten

Deutschland ist bereits seit Jahren im Südsudan aktiv und mit derzeit 14 Stabs- und Verbindungsoffizieren an der UN-Friedenstruppe beteiligt. Das Mandat der deutschen Soldaten wurde im November 2013 vom Bundestag verlängert: 541 Abgeordnete stimmten für eine Mandatsobergrenze von 50 Soldaten. Die Offiziere halfen bislang bei der Koordinierung von Kranken- und Verletztentransporten sowie der Lieferung von Trinkwasser.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes inves-tierte Deutschland zwischen 2009 und 2012 mehr als 800 Millionen Euro in den Staatsaufbau und die Stabilisierung des Sudan und Südsudan. Die Bundesrepublik und Europa haben ein Interesse daran, eine weitere Destabilisierung der Region Ostafrika zu verhindern. Deutschland hat als Teil der internationalen Gemeinschaft zudem eine Schutzverantwortung für die Menschen im Südsudan. Die Ende April 2014 versprochene humanitäre Soforthilfe der Bundesregierung belief sich auf 45,6 Millionen Euro. Diese Hilfe und der persönliche Besuch von Entwicklungsminister Müller im März 2014 waren wichtige Zeichen. In der aktuell eskalierenden Lage sollte Deutschland jedoch mehr tun:

  • Die UN-Mission hat eindringlich um mehr Soldaten und logistische Kapazitäten gebeten. Die Leiterin von UNMISS sagte in einem Treffen mit Entwicklungsminister Müller am 27. März 2014: „Im Hinblick auf deutsche Soldaten – Wenn es jemals einen Zeitpunkt für einen robusten und umfassenden Beitrag gegeben hat, dann ist dieser jetzt.“ Deutschland sollte in Absprache mit der UN deutlich mehr Soldaten und Polizisten entsenden, logistische Kapazitäten der Bundeswehr für den Transport von UN-Truppen in den Südsudan einsetzen sowie UNMISS Luftaufklärungsfähigkeiten und Hubschrauber zur Verfügung stellen. Seit Ausbruch des Konflikts wurden bereits zwei UN-Stützpunkte angegriffen. Deswegen werden Ingenieurs- und Pionierkapazitäten gebraucht, um den Ausbau der UN-Stützpunkte zu ermöglichen und um angemessene Einrichtungen für den Schutz von Flüchtlingen zu schaffen.
  • UNMISS muss bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zum Schutz von Zivilisten weniger von der Kooperation der südsudanesischen Regierung als eine der Konfliktparteien abhängig gemacht werden. Hierzu sollte Deutschland in New York eine dahingehende Überarbeitung des Mandates der UN-Mission unterstützen.
  • Um die politischen Bemühungen für eine Verhandlungslösung voranzubringen, sollte die Bundesregierung in enger Absprache mit den größten bilateralen Geldgebern des Südsudans den diplomatischen Druck auf Präsident Salva Kiir und Rieck Machar erhöhen. Hierzu sollten auch Reise- und Visasperren sowie Finanzsanktionen gegen solche Individuen unterstützt werden, die für die Organisation von Verbrechen verantwortlich sind. Auch sollte ein Waffen-embargo über den Südsudan verhängt werden, um den Bürgerkriegsparteien den Nachschub zu erschweren. Berlin sollte sich außerdem dafür einsetzen, dass Vertreter der südsudanesischen Zivilgesellschaft in die Verhandlungen mit eingebunden werden und diese Teilnahme finanziell unterstützen.
  • Für die zukünftige Entwicklung des Südsudans ist es wichtig, dass Menschen-rechtsverletzungen und systematische Brüche des humanitären Völkerrechts geahndet werden. Deutschland sollte daher auch in Absprache mit UNMISS Kapazitäten zur Ver-fügung stellen, um unabhängige Menschenrechtsbeobachter in den Südsudan zu senden, die gerichtsfestes Beweismaterial zu den Gewalttaten sichern können. Es sollten deutsche Staatsanwälte und Forensiker geschickt oder die Entsendung von Experten anderer Staaten finanziert werden. Dies ist ein wichtiger Beitrag gegen die Straflosigkeit.
  • Deutschland sollte die humanitäre Hilfe für den Südsudan signifikant erhöhen.

 

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Pressemitteilung: Genocide Alert e.V. fordert entschiedenes Engagement der Bundesrepublik für den Schutz von Zivilisten im Südsudan

24.12.2013, Berlin – Zehntausende Zivilisten im Südsudan schweben in akuter Lebensgefahr. Genocide Alert begrüßt die Aufstockung der UN-Friedensmission im Südsudan durch den UN-Sicherheitsrat und fordert ein entschiedenes deutsches Engagement zum Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung.  

 

„Der heutige Beschluss des UN-Sicherheitsrats zur Verstärkung der UN-Mission im Südsudan um 6.000 Soldaten und Polizisten ist zu begrüßen,“ so Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert. „Die internationale Gemeinschaft muss jetzt für einen schnellen Transport der Truppen in den Südsudan sorgen, eine politische Verhandlungslösung unterstützen und ihre humanitäre Hilfe mit sofortiger Wirkung aufstocken. Auch Deutschland muss jetzt Verantwortung übernehmen und der bedrohten Zivilbevölkerung des Südsudans helfen.“

 

Genocide Alert fordert die Bundesregierung zur umgehenden Bereitstellung eigener Kapazitäten auf, um den Transport von UN-Soldaten aus anderen Missionen in die Region zu beschleunigen. In enger Absprache mit den anderen großen bilateralen Geldgebern des Südsudans, insbesondere den USA, muss Deutschland den diplomatischen Druck auf Präsident Salva Kiir und den ehemaligen Vizepräsidenten Rieck Machar erhöhen, eine politische Lösung für den Konflikt zu finden.  Deutschland sollte sich im Rahmen der Vereinten Nationen für eine unparteiliche Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im Südsudan seit dem 15. Dezember einsetzen und die humanitäre Hilfe signifikant erhöhen: Hilfsorganisationen vor Ort brauchen umgehend alle notwendigen personellen und materiellen Mittel, um hunderttausende Menschen mit Medizin, Wasser, sanitären Anlagen und Nahrung zu versorgen.

 

Hintergrund der Kämpfe, die seit dem 15. Dezember den Südsudan erschüttern,  ist der politische Machtkampf zwischen dem Präsidenten, der der Volksgruppe der Dinka angehört und dem ehemaligen Vizepräsidenten Rieck Machar, der im Juli abgesetzt wurde und der Volksgruppe der Nuer angehört.  Laut Informationen des britischen Guardian sind bereits mehrere tausend Zivilisten der Gewalt zum Opfer geworden. Möglicherweise liegt die Zahl der Toten in den Zehntausenden. Mehrere hundert tausend Menschen sind auf der Flucht. In verschiedenen Teilen des Landes werden Zivilisten aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit attackiert. In einem Massaker wurden 252 Männer, die der Volksgruppe der Nuer angehörten, in einem Gefängnisraum eingesperrt und beschossen. Nur zwölf überlebten. Frauen und Kinder werden von Panzern überfahren, Existenzgrundlagen tausender Menschen vollständig zerstört. Augenzeugen berichten von Lastwagen voller Leichen, die in Massengräbern verscharrt werden.  Nach Angaben der Vereinten Nationen haben inzwischen mehr als 45.000 Menschen auf den Gebieten der UN Friedensmission in der Hoffnung auf Schutz Zuflucht gesucht. Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für die Verhinderung von Völkermord, Adama Dieng, und die Sondergesandte für die Responsibility to Protect, Jennifer Welsh warnten, dass die Angriffe gegen Zivilisten und Mitarbeiter der Vereinten Nationen in Juba und Jonglei Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten.

Wahlen im Südsudan: Jetzt braucht es einen langen Atem

Die Wahlkommission hat es am 8. Februar 2011 endgültig verkündet: bei dem am 9. Januar stattgefundenem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan haben sich 98,83 % für die Abspaltung entschieden. Damit wurden die am 30. Januar bekannt gewordenen Zwischenergebnisse bestätigt. Somit ist ein wichtiger Bestandteil des Comprehensive Peace Agreement (CPA), dem Friedensabkommen von 2005 umgesetzt worden, das einen Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen dem Nordsudan und dem Süden beendete.

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir verkündete wiederholt, dass er das Ergebnis respektiere und sich für eine friedliche Lösung bei der Klärung der noch offenen Fragen einsetze. Auch der zukünftige Präsident des Südsudan und noch Vize-Präsident des Sudans, Salva Kiir Mayardit, ist an einem friedlichem Dialog mit dem Norden interessiert. Angesichts der gigantischen nun anstehenden Aufgaben ist dies nicht weiter verwunderlich.

Die Situation der Menschen ist nach wie vor dramatisch. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, 4,3 Millionen Menschen waren im Jahr 2010 auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen. Nur jeder zweite hat Zugang zu Trinkwasser, Malaria nimmt epidemische Formen an und ist der Grund für 40% aller Krankenhausbesuche. In ganz Südsudan gibt es nur 100 ausgebildete Hebammen, jedes zehnte Kind stirbt bei der Geburt. Hinzu kommt, dass rund 92% der Frauen weder lesen noch schreiben könne, was die gesundheitliche Aufklärung erschwert. Hinzu kommt, dass die andauernden Kämpfe, insbesondere in den letzten 20 Jahren, die Infrastruktur völlig zerstört haben. Es gibt nicht genügend Straßen, auf denen Waren oder Menschen transportiert werden können, nicht genügend Häuser für die Bewohner, kaum funktionierende Wasserleitungen und keinen Strom. Die zukünftigen Staatsstrukturen müssen von Grund auf neu gebaut werden, angefangen bei Büroräumen über die Festlegung von Verwaltungsstrukturen bis hin zur Ausbildung der zukünftigen Verwaltungsbeamten.

Und die Erwartungen sind hoch. „Angesichts unseres Kampfes um Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenwürde wird der Südsudan nicht nur der neueste Staat der Welt sein, sondern ihre neueste Demokratie“, versprach Kiir.

Doch nicht nur innerhalb des Südsudans müssen in kürzester Zeit Unmöglichkeiten möglich werden. Zentrale Aspekte der Unabhängigkeit müssen noch immer zwischen dem Norden und dem Süden ausgehandelt werden. Im Juli 2011 läuft das CPA aus und die Unabhängigkeit soll endgültig vollzogen werden. Die Zeit ist knapp und so laufen bereits intensive Verhandlungen über die Aufteilung der Öleinnahmen, die genaue Grenzziehung sowie die Situation in der heiß umkämpften Region Abyei, für die das Referendum ausgesetzt wurde, weil es keine Einigung über die Wahlberechtigten gab. Zusätzlich sind die Fragen der Staatsangehörigkeit, der Währung, der Gerichtsbarkeit und die Neuaushandlung internationaler Verträge zu klären.

Hinzu kommt, dass weitherhin zahlreiche Gewaltkonflikte fortbestehen. Auch nach dem Referendum kam es in der Region Abyei erneut zu Kämpfen zwischen Nomadenvölkern und der dort ansässigen Landbevölkerung der Ngok Dinka. Auch in der Region Upper Nile kam es am 6. Februar zu erneuten Kämpfen, die 66 Menschen das Leben kosteten.

Die umstrittenen Grenzgebiete werden von speziellen Militäreinheiten bewacht, die sich aus den Armeen des Nordens und des Südens zusammensetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die positiven Erfahrungen der letzten Monate genügend Zuversicht auf allen Seiten geschaffen haben, um das nächste Kapitel in der Geschichte des Sudans gemeinsam zu schreiben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl von Konflikten aufgrund zahlreicher direkter Mediationsverhandlungen bereits spürbar gesenkt. Allerdings ist es bereits zu Abspaltungen und Kämpfen innerhalb der nordsudanesischen Armee gekommen, nachdem sich ehemalige Rebellengruppierungen in der Upper Nile Region dem Abzug aus dem Gebiet widersetzten.

Von Seiten der internationalen Gemeinschaft gab es vor allem Glückwünsche. Präsident Obama verkündete, dass die USA den Südsudan im Juli 2011 als Staat anerkennen werden. Auch die EU ließ verkünden, dass sie einer stabilen und langen Partnerschaft mit dem Südsudan entgegensieht. AU-Kommissionschef Jean Ping nannte die Volksabstimmung im Südsudan einen „Triumph des sudanesischen Volkes“. Diese internationale Unterstützung ist positiv, doch damit allein ist dem sudanesischen Volk noch nicht geholfen.

In Anbetracht der noch immer stattfindenden Kämpfe und der großen Anzahl noch zu klärender Themen hat die Vereinbarung eines Post-CPA Abkommens höchste Priorität. Insbesondere die Äußerungen von Bashir, denen zufolge die United Mission in Sudan (UNMIS) Truppen mit dem Auslaufen der CPA Vereinbarungen im Juli 2011 den Nordsudan verlassen sollen, lassen neue Konflikte befürchten. Vorstellbar wäre es entsprechend, dass das Mandat der UNMIS auf den Südsudan beschränkt bleibt, und die UN Soldaten gewaltsame Auseinandersetzungen in den noch umstrittenen Grenzregionen, welche zunächst weiter Teil des Nordens bleiben, nicht verhindern könnten.

Die Beteuerungen beider Seiten über eine friedliche Einigung bezüglich der noch anstehenden Themen sind zu begrüßen. Die Anfrage nach Land für eine Botschaft von Seiten des Nordsudan ist ein klares diplomatisches Signal. Trotzdem brauchen die Konfliktparteien Druck von seiten der internationalen Staatengemeinschaft.

Hierbei kommt Deutschland eine entscheidende Rolle zu. Die Bundesrepublik hat im Juli 2011, wenn der Südsudan in die Unabhängigkeit entlassen wird, den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates inne. Deutschland muss seinen international gegebenen Verpflichtungen nachkommen und dem Sudan einen wichtigen Platz auf der Agenda geben, auf dass der Staat keine bloße Hülle, sondern ein Vorbild für den afrikanischen Kontinent werden kann.

 von Hannes Krüger

Sudan: Zivilbevölkerung erneut im Visier

Nur sieben Monate ist es her, dass der Südsudan seine Unabhängigkeit gefeiert hat. Seitdem gab es aber für die Menschen auf beiden Seite der Grenze zwischen (Nord)Sudan und Südsudan wenig zu feiern. Interne und grenzüberschreitende Konflikte, in denen zum Teil auch die schlimmsten Muster der Massenverbrechen in Darfur wieder vorkommen, haben die Region in eine erneute humanitäre Krise gestürzt. Ein eskalierender Streit zwischen (Nord)Sudan und Südsudan über die Verteilung von Erdöleinkommen lässt unterdessen noch schlimmere Gewaltausbrüche befürchten.
Die traurige Bilanz bisher:  Mehr als eine Millionen Menschen sind laut UNO Schätzungen allein von den Konflikten in den beiden nördlichen Regionen Blue Nile und Süd Kordofan betroffen. In der gesamten Region befinden sich bereits Hunderttausende auf der Flucht. An vielen Orten droht eine Hungersnot, nachdem durch Kämpfe die Agrarwirtschaft sehr beeinträchtigt wurde. Hilfsorganisationen kommen nur schwer zu den betroffenen Bevölkerungen durch.

Eine Hauptursache für diesen Zustand ist, dass das nordsudanesische  Regime, das vermutlich inzwischen mehr vom Militär als durch die lang-amtierende National Congress Party geführt wird (siehe PDF S. 3), weiterhin auf seine alten Kriegsstrategien setzt. So werden Zivilisten abermals aus der Luft bombardiert und aus ihren Wohnorten vertrieben. Hilfsorganisationen wird der Zugang zu den Betroffenen aktiv und absichtlich verwehrt.

Dazu kommt im Südsudan eine weitere Problematik:  Der neue Staat ist durch Aufstände von abtrünnigen Militäreinheiten und schweren ethnischen Spannungen belastet. Diesen Sicherheitsherausforderungen wird er nicht gerecht. Nach Schätzungen der UNO mussten 2011 allein im Süden mehr als 325.000 Menschen vor Kämpfen fliehen (siehe S/2011/678, s. 11).  Auch das Jahr 2012 begann mit der Nachricht, dass Zehntausende Menschen durch einen Konflikt zwischen Angehörigen der Stämme Lou Nuer und Murle vertrieben wurden.

Die internationale Schutztruppe UNMISS ist unterbesetzt, schlecht ausgerüstet, und von der Situation überfordert. Bereits vor der Unabhängigkeit wurde den Blauhelmen der damals bestehenden UNMIS angesichts von Attacken auf Zivilisten in der Region Süd Kordorfan Untätigkeit vorgeworfen. So zitiert die englische Zeitung Independent Augenzeugen die behaupten, dass ein ägyptisches Kontingent  im Juni 2011 in Süd Kordofan Hinrichtungen von Zivilisten tatenlos beobachtet haben soll. Im Süden konnten Ende Dezember Truppen der Nachfolgemission UNMISS zusammen mit der Südsudanesischen Armee Tausende Kämpfer der Lou Nuer nicht von einem Pogrom an Mitgliedern des Murle Stamms abhalten.

Diplomatisch zeigt sich die internationale Gemeinde aber noch ohnmächtiger. Für seine wiederholten Menschenrechtsverletzungen hat der Nordsudan nur wenig Kritik geerntet; das Regime durfte sogar einen seiner Generäle, der auch in Darfur in Verbrechen verwickelt war, zum Vorsitzenden der Menschenrechtsbeobachtermission der Arabischen Liga im Syrien kurieren. In der EU bemerkt man zwar ein gelegentliches Händeringen – aber die Möglichkeit von gezielten Sanktionen gegen die Verantwortungsträger im Sudan kommt nicht einmal auf die Tagesordnung.

Dabei hat der Nordsudan in den letzten Monaten eine Serie von Offensiven gegen die eigene Bevölkerung in Gang gebracht – und Vorbereitungen für weiteres Blutvergiessen werden offenbar schon getroffen.

Die Verbindungen der Bevölkerung in den betroffenen Provinzen zum Südsudan stellen aus Sicht der Zentralregierung des Sudan ein ernstes Problem dar, was dessen hartes Vorgehen erklärt. Will man der Region einen Frieden ermöglichen, muss zunächst dieses im Zuge der Unabhängigkeit „übriggebliebene Problem“  gelöst werden.  Im zweiten ungelösten Teilungskonflikt – dem Verbleib der umstrittenen und von Khartoum besetzten Grenzregion Abyei – sollten dessen Bürger entsprechend des Nord-Süd Friedensabkommens von 2005 entscheiden dürfen, ob sie sich dem Norden oder dem Süden anschließen wollen. Die Provinzen Süd Kordofan und Blue Nile sollten weiterhin dem Norden zugehörig bleiben, jedoch einem besonderem Status zuerkannt bekommen. So sah es auf dem Papier aus, für das die EU damals gebürgt hat. Die Realität die sich nun aufzeichnet ist eine ganz andere.
Auch wenn sich die internationale Gemeinschaft derzeit vor allem mit den Umbrüchen in der arabischen Welt und der Situation in Syrien befasst, darf sie dabei die Konflikte im Sudan und Südsudan nicht erneut aus den Augen verlieren. Zu gravierend ist die humanitäre Notlage und zu akut die Gefahr, selbst das Erreichte zu verspielen.

 

von David Dagan und Christoph Schlimpert

Offener Brief an die Bundeskanzlerin Merkel zur Unabhängigkeit des Südsudan

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

 

Am 1. Juli 2011 übernahm Deutschland den einmonatigen Vorsitz des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Am heutigen 9. Juli 2011 entsteht mit der Unabhängigkeit des Südsudans ein neuer Staat. Nach den Entwicklungen der letzten Wochen im Sudan, schreiben wir Ihnen heute, um Sie aufzufordern, den Vorsitz im Sicherheitsrat als eine Chance zu sehen, eine entschlossenere Außenpolitik im Sudan zu verfolgen, um Menschenleben zu schützen.

Zuletzt hat die gewaltsame Eskalation in den Grenzregionen Abyei und Süd-Kordofan laut UNO 170.000 Menschen zur Flucht gezwungen, und mit der offiziellen Teilung könnte es zu noch massiverer Gewaltanwendung kommen. Wie in der Vergangenheit im Sudan geschehen, würde diese Gewalt tausende zivile Opfer fordern. Eine weitere Verschärfung der Situation muss daher verhindert und der Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt gestellt werden. Die EU hat für den umfassenden Friedensvertrag (CPA) gebürgt. Deutschland darf sich als größter EU-Staat und Mitglied im Sicherheitsrat nicht aus der Verantwortung ziehen.

 

Die Bundesregierung muss in den nächsten Wochen dringend:

 

  • Sich für einen sofortigen Halt der Kämpfe in Süd-Kordofan einsetzten, und insbesondere die Angriffe der nordsudanesischen Streitkräfte auf Zivilisten verurteilen. Dabei müssen auch diplomatische und wirtschaftliche Hebel ins Gespräch kommen, darunter die Konditionierung eines internationalen Schuldenerlasses für das Regime in Khartoum und die Androhung von personenbezogener Sanktionen seitens der UNO oder EU.
  • Sich intensiv im Sicherheitsrat für eine neutrale Friedenssicherungstruppe entlang der Grenze zwischen Sudan und Südsudan, sowie einer robusten post-UNMIS Truppe im Südsudan einsetzten. Die Autorisation der UNISFA Truppe in Abyei ist dabei nur ein Anfang. Sowohl in den Grenzgebieten als auch im Südsudan müssen Friedenstruppen anwesend sein, die mit dem Mandat und der angemessenen Ausstattung zum Schutz von Zivilisten ausgerüstet werden müssen.
  • Alle ihr zur Verfügung stehenden diplomatischen und wirtschaftlichen Hebel anwenden um durch Druck und Anreize Khartum und Juba zur Klärung der offenen Fragen des Unabhängigkeitsprozesses am Verhandlungstisch zu bewegen.
  • Den Afrika-Beauftragten des Auswärtigen Amtes, Walter Lindler, beauftragen, sich verstärkt der Situation im Sudan anzunehmen.
  • Einen detaillierten Plan für die deutsche Sudanpolitik zusammenstellen, der über das derzeitig äußerst kurze Sudankonzept der Bundesregierung hinaus geht.

 

Ein erneutes Ausbrechen von Krieg wäre eine Katastrophe für die Menschen im Sudan. Es würde aber auch die Glaubwürdigkeit an die Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft zum Friedensaufbau schwer beschädigen und den Erfolg des friedlichen Ablaufs des Referendums im Januar 2011 verspielen.
Die Bundesregierung kann und muss alles dafür tun, dass erneute Massenverbrechen gegen Zivilisten verhindert werden. Mit dem Vorsitz im Sicherheitsrat im Juli hat Deutschland dafür nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen,

Robert Schütte
Vorsitzender
Genocide Alert e.V.
Ulrich Delius
Afrikareferat

Gesellschaft für bedrohte Völker e.V.
Prof. Dr. Kurt Beck
Inhaber des Lehrstuhls Ethnologie
Universität Bayreuth
Dominik J. Schaller
Dozent für Neue Geschichte
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Sudan vor der Spaltung: Deutschland kann durch diplomatische Maßnahmen Zivilisten schützen – wenn es jetzt handelt

In Ägypten hat die Revolution einen Diktator gestürzt und Hoffnungen auf ein neues System beflügelt, in Libyen mündete sie in einem Bürgerkrieg, in dem der Western nun zum Schutz von Zivilisten interveniert. Zwischen diesen beiden Ländern und politischen Situationen liegt der Sudan. Dort sind Zivilisten weiterhin großen Gefahren ausgesetzt, die sich mit den Unruhen in der Region nur verschärfen. Das Referendum, in dem der Südsudan im Januar seine Unabhängigkeit beschlossen hat, verlief zwar weitgehend friedlich. Zuletzt haben jedoch Kämpfe in der Grenzregion Abyei tausende Menschen zur Flucht gezwungen, und mit der offiziellen Teilung am 9. Juli könnte es zu massiver Gewaltanwendung kommen. Deutschland kann mit sofortiger Diplomatie dazu beitragen, dass dies verhindert wird – und dass die internationale Gemeinschafts somit nicht unter Druck kommt, eine zweite humanitäre Intervention in der Region zu lancieren.
Deutschland muss alles tun, um den bisherigen Fortschritt im Süden abzusichern und endlich eine Lösung des Darfurkonflikts zu finden. Dazu werden kurzfristige sowie mittel- und langfristige Maßnahmen notwendig sein. Im vorliegenden Policy Brief stellt Genocide Alert kurzfristige Empfehlungen vor – Maßnahmen, die Deutschland umgehend ergreifen sollte. Es bleiben bis zum nächsten Wendepunkt im Sudan nur noch vier Monate Zeit. Humanitäre Krisen sind am besten und billigsten gelöst, wenn sie von vornherein verhindert werden.Deutschland sollte umgehend:

    • Sich intensiv für eine Stärkung der UNO Blauhelmtruppen UNMIS (Südsudan) und UNAMID (Darfur) einsetzen. Das UNMIS Mandat wird im Juli auslaufen. Es muss nicht nur für den neuen Staat im Südsudan sondern auch für die kritischen Grenzgebiete im Nordsudan erneuert werden. Hierzu muss die Diplomatie alles daran setzten, Khartum in der Ablehnung  einer Verlängerung umzustimmen. Außerdem muss die volle Mobilität beider Missionen garantiert werden. Die Praxis der sudanesischen Armee, Blauhelmen den Zugang zu Krisengebieten zu verweigern, darf nicht mehr toleriert werden. Und die nun Jahre andauernde Diskussion über 20 fehlende Helikopter für UNAMID muss endlich in Handeln umgesetzt werden. Zu guter Letzt sollten die truppenstellenden Länder gebeten werden, geographische Beschränkungen für den Einsatz ihrer Soldaten aufzuheben. (Weitere Details siehe GA Policy Brief vom Januar hier).
    • Einen detaillierten Plan für seine Sudanpolitik zusammenstellen, in dem Krisenszenarien durchdacht sind und in dem politische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische und militärische Maßnahmen integriert werden. Die Bundesregierung hat zwar im Oktober ein neues „Sudankonzept“ angekündigt, doch dies besteht lediglich aus vier Seiten. Diplomatische Maßnahmen für die post-Referendum-Phase werden sogar auf nur einer halben Seite angerissen. Der Plan sollte vertieft und soweit wie möglich öffentlich gemacht werden.
    • Druck auf Khartum und Juba (Südsudan) ausüben, die offenen Fragen des Unabhängigkeitsprozesses rasch zu klären. Insbesondere muss die Ungewissheit über die Zukunft der Öleinkommen beseitigt werden. Deutschland sollte die Verhandlungen über Öl, Schulden, Staatsangehörigkeit und Grenzkontrollen, Grenzziehung, usw. auf höchster Ebene beobachten (siehe nächsten Punkt). In Kooperation mit AU, USA und anderen Beobachtern sollte Bundeskanzlerin Merkel bereit sein, sich, falls notwendig, persönlich in die Gespräche einzuschalten. Deutschland sollte sich außerdem bereit erklären, wirtschaftliche Abkommen mittels Beobachtern zu garantieren.
    • Einen hochrangigen Diplomaten als Sudanbeauftragten ernennen. Diese Person würde die diplomatischen Bemühungen in New York, Khartum, Brüssel und anderswo koordinieren; direkten Zugang zu Außenminister Westerwelle oder Kanzlerin Merkel haben; und die deutsche Beobachtung der Nord-Süd Verhandlungen leiten.
    • Die richtigen Signale zu Darfur senden. Auch die Darfur-Friedensgespräche muss Deutschland auf höchster Ebene beobachten. Deutschland sollte sich öffentlich zu der internationalen Verpflichtung bekennen, die Rückkehr der über 2 Millionen Flüchtlinge und den Wiederaufbau ihrer Existenzen zu ermöglichen. Diplomatisch sollte Deutschland sich dafür einsetzen, dass Khartum die internationalen Anreize zu einer friedlichen Lösung im Süden nicht als Lizenz dafür sieht, in Darfur weiter auf Krieg zu setzen.
    • Bereitschaft zeigen, diplomatische und wirtschaftliche Hebel anzuwenden. Dazu muss erst der politische Wille innerhalb der deutschen Politik aufgebaut werden. Wie im GA Policy Briefvom Januar beschrieben, kann Deutschland gegenüber Khartum, falls notwendig, mehrere Druckmittel einsetzen. Dazu gehören die Herabstufung bilateraler diplomatischer Beziehungen, die deutsche Ablehnung eines internationalen Schuldenerlasses für das Regime und eine Androhung von personenbezogenen Sanktionen, wie sie die EU zuletzt gegen den ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo beschlossen hat. Diplomatischen Einsatz leisten bedeutet auch, in der EU zu führen, nicht aber die Sudanpolitik im Konsens ersticken zu lassen. Im UNO-Sicherheitsrat gilt es, eine kraftvolle Stimme für die sudanesische Bevölkerung zu bilden, und gegebenenfalls auch nicht vor einer Unstimmigkeit mit China und Russland zurückzuschrecken. Die Bedeutung von Aufmerksamkeit auf höchster Ebene darf außerdem nicht unterschätzt werden. Wenn Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle ihre Besorgnis über den Sudan ausdrücken, setzt dies ein wichtiges Signal für die deutschen Medien, die deutschen Diplomaten und nicht zuletzt für das Regime in Khartum.
  • Weiterhin humanitäre Hilfe sowie Entwicklungshilfe leisten und den Aufbau von Institutionen im Südsudan unterstützen. Um einen gescheiterten Staat sowie das Ausbrechen von Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen im Südsudan zu verhindern, muss die südsudanesische Bevölkerung Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen spüren. Wichtige Friedensdividenden in diesem Zusammenhang sind der Bau von Straßen, besserer Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung, und Beschäftigungsprogramme für Jugendliche. Des Weiteren sollte Deutschland den Aufbau von staatlichen Institutionen und Polizei  unterstützen. Wie weitestgehend bisher geschehen, sollte die deutsche Hilfe stets die Dynamiken der verschiedenen Konflikte berücksichtigen.

Im Sudan geht es darum, den Frieden zu gewinnen. Deutschland darf dabei nicht fehlen.

 

David Dagan, Christoph Schlimpert, Sarah Brockmeier

Die PDF Version dieses Policy Briefs ist hier zu finden. Mehr Hintergrundinformationen zur Situation im Sudan sind zu finden im Genocide Alert Policy Brief vom Januar, sowie Genocide Alert Artikeln zu den Gefahren nach dem Referendum und derzeitigen Situation im Sudan

Sudan nach dem Referendum: Die Gefahren bleiben groß

Im Sudan hat es am 9. Januar zum ersten Mal seit vielen Jahren eine faire und freie Wahl gegeben. Die Bevölkerung des Südsudan hat sich dabei in einem Referendum mitüberwältigender Mehrheit für eine Abspaltung vom Norden ausgesprochen.

Dass das Referendum relativ friedlich verlief und bisher keine massive politische Krise ausgelöst hat, ist vor allem den Menschen im Sudan zu verdanken, die auf ihre Rechte bestanden haben. Es ist aber auch ein Beweis dafür, dass das internationalem Engagement Gewalt verhindert werden kann, wenn der politische Wille da ist. In den Monaten vor dem Referendum hatte sich vor allem die amerikanische Regierung auf höchster Ebene für einen friedlichen Verlauf eingesetzt.

Trotzdem stehen dem Sudan noch große Gefahren bevor, die ohne intensives Engagement der internationalen Gemeinde kaum abzuwenden sind. Deutschland und die Europäische Union müssen nun nach jahrelangem Zögern entschieden handeln. Vor allem folgende Gefahren könnten innerhalb kürzester Zeit ein erneutes Massenleiden unter den Menschen im Sudan auslösen:

Eine weitere Verschlechterung der Lage in Darfur. Die westliche Region hat offiziell zwar nichts mit dem Nord-Süd Konflikt zu tun, aber 2003 haben Darfurs Rebellen aus ähnlichen Beweggründen zur Waffe gegriffen, die auch den Süden zum Aufstand bewegt haben. Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir reagierte mit einem Völkermord, dessen Überlebende immer noch zu Hunderttausenden in Flüchtlingslager ohne Perspektive hausieren. Zivilisten werden unterdessen von neuen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen bedroht. Allein im Dezember mussten 40.000 Menschen in Darfur wegen Unruhen fliehen. Und immer noch nimmt die international Gemeinde den Zustand hin, dass Khartoum als Strategie der Kriegsführung humanitäre Hilfe für Zivilisten blockiert.

Ein Auflodern lokaler Konflikte. Besonders hoch ist die Gefahr in der Region Abyei, ein Zankapfel an der Grenze zwischen Norden und Süden. Zwischen den Nomaden des Misseriya Stamms, die sich mit dem Norden assoziieren, und den ansässigen Mitgliedern des Ngok Dinka Stamms, der sich dem Süden angliedert, hat es in jüngster Zeit schwere Kämpfe gegeben. Schon 2008 sind solche Kämpfe in eine Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften der beiden Regionen eskaliert. Damals eilten die Militärs ihren Verbündeten zur Hilfe.

Eine direkte Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften des Norden und des Südens. Auslöser hierfür könnte vor allem die Tatsache sein, dass wichtige Punkte über den Verlauf der Abspaltung immer noch ungeklärt sind- zum Beispiel die Verteilung der Erlöse von Erdölvorkommen, die im Süden gefördert aber durch nördliche Pipelines an den internationalen Markt gebracht werden. Vor allem das Regime der „National Congress Party“ im Norden des Landes könnte versuchen durch Gewalt seine Handlungsposition zu stärken. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass der Norden versuchen wird durch einen neuen Krieg die Abspaltung gar zu verhindern. Zu sehr sehnt er sich nach der internationalen Legitimität, die es durch eine komplette Abkehr der Vereinbarungen mit dem Süden verlieren würde.

Ein totgeborener Staat im Süden. Über die viele Jahre des Krieges und Instabilität haben sich zum Teil lang andauernde Konflikte verschiedener Stämme im Süden verschärft. Allein 2010 haben ethnische Kämpfe und Grenzübergriffe der ugandischen Rebellengruppe Lords Resistance Army zur Vetreibung von 200.000 Menschen im Süden geführt. Ob die sich entwickelnde Regierung in der Haupstadt Juba den Willen und die Mittel hat, solche Konflikte einzudämmen, ist fragwürdig. Immer wieder muss der noch aufkeimende Staat die Loyalität verschiedener Kriegsherren erkaufen, die sich zu Zeiten des Bürgerkrieges etabliert haben. Zum Beispiel droht jetzt ein früherer General der südlichen Armee, Einwohner und Migrantenzüge im Grenzstaat Unity State zu terrorisieren. Außerdem ist der Südsudan trotzt seiner Erdölvorkommen zutiefst unterentwickelt. Viele Menschen leben von humanitärer Hilfe. Ob der Südsudan den typischen „Ressourcenfluch“ von Korruption und Armut vermeiden kann, ist zu bezweifeln.

Größere Repressalien im Norden. Unterdessen ist das Regime al Baschirs in der Krise. Sinkende Erdölpreise haben eine wirtschaftliche Krise ausgelöst, die die Bevölkerung hart trifft. Essen und Energiepreise sind stark gestiegen. Firmen werden zur Kasse gebeten, weil dem Regime die Devisenreserven ausgehen. Massive Demonstrationen im Nachbarstaat Ägypten müssen das Regime befürchten lassen, dass es ähnlich Proteste ernten wird. Baschir ist sich den Gefahren bewusst und hat bereits einen Oppositionsführer, seinen alten Rivalen Turabi, einsperren lassen. Mit anderen wichtigen Oppositionsparteien spielt er auf Ausgleich. Unklar ist, inwiefern Baschir in seiner eigenen Partei Rückhalt genießt. Bisher hat er sich jedoch stets behaupten können. Sogar wenn er seine Macht verlieren sollte, würde er einen Staat hinterlassen, der seit über 20 Jahren von derselben Partei geführt wird und über einen ausgedehnten Sicherheitsapparat verfügt. Unterdessen hat Baschir verkündet, im Norden die Scharia auszubreiten.

Die Situation mag hoffnungslos aussehen, aber die internationale Gemeinde hat Mittel, um die Wahrscheinlichkeit all dieser Szenarien erheblich zu reduzieren. Die Möglichkeiten wird Genocide Alert demnächst in einem weiteren Artikel vorstellen.

Von David Dagan

Policy Brief 7/2011: Sudan vor der Sezession – Wie Deutschland zum Schutz der Zivilbevölkerung beitragen kann

Zusammenfassung:

Am 9. Januar 2011 wird sich die Bevölkerung des Südsudan mit überwältigender Mehrheit für eine Abtrennung ihres Landesteils vom Rest des Sudans entscheiden. Es besteht die große Gefahr, dass der Nordsudan unter Führung des vom Internationalen Strafgerichtshofs angeklagten Omar al-Bashir dies nicht gewaltlos hinnehmen wird. Insbesondere über die ölreiche Region Abiye könnte es zu einem Waffengang kommen, dem hunderttausende Zivilisten zum Opfer fallen könnten. Deutschland sollte gemeinsam mit der Europäischen Union, den USA und den Vereinten Nationen kurzfristig Schritte einleiten, um Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung zu verhindern.
Das vorliegende Genocide Alert Policy Brief stellt Möglichkeiten dar, wie Deutschland kurzfristig einen positiven Einfluss auf die Situation im Sudan nehmen kann. Berlin kann – in Zusammenarbeit mit EU, VN und den USA – durch gezielte humanitäre Maßnahmen, diplomatische Einflussnahme und wirtschaftliche Anreize dazu beitragen, dass ein Krieg zwischen Nord- und Südsudan nicht zu einer humanitären Katastrophe eskaliert. Sollte trotz aller Bemühungen dennoch der Fall eintreten, dass es wie in der Vergangenheit zu systematischen Massenverbrechen gegen die Zivilbevölkerung kommt, sollte als letztes Mittel auch über militärische Notfallmaßnahmen zum Schutz unschuldiger Menschen nachgedacht werden.

 Den vollständigen Genocide Alert Policy Brief 7/2011 können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.

Maßnahmen die Deutschland möglichst schnell ergreifen sollte sind:

Auf humanitärer Ebene:
• sicherstellen, dass die von VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon angeforderten 63 Millionen US-Dollar zur Bereitstellung humanitärer Hilfe kurzfristig zur Verfügung gestellt werden.
• den im Sudan aktiven Nichtregierungsorganisationen für den Zeitraum des Referendums sowie der folgenden Monate zusätzliche logistische und finanzielle Unterstützung anbieten.

Auf diplomatischer Ebene:
• durch öffentliche und diplomatische Kanäle Sorge über die Lage im Sudan ausdrücken und alle Seiten ausdrücklich vor Angriffen auf Zivilisten warnen.
• gemeinsam mit den Partnern in der EU konkrete diplomatische Konsequenzen für etwaige  Menschenrechtsverletzungen seitens Khartums vorbereiten, und diese Khartum vermitteln.

Auf wirtschaftlicher Ebene:
• Khartum zu verstehen geben, dass Provokationen in Folge des Referendums ein Entgegenkommen beim Schuldenerlass des Landes ausschließen würden.
• sich innerhalb der EU dafür einsetzen, gezielte Sanktionen vorzubereiten, die gegen verantwortliche Politiker, deren Familien und deren Umfeld verhängt werden könnten.

Auf sicherheitspolitischer Ebene:
• sich als Mitglied des VN-Sicherheitsrates dafür einsetzen, dass die VN-Blauhelmtruppe UNMIS uneingeschränkte Unterstützung für ihr Mandat zum Schutz von Zivilisten erhält.
• der VN kurzfristig Hilfe in Sachen Kommunikation, Nachrichtensammlung, Sicherheit und Mobilität für die UNMIS Mission anbieten.
• in Kooperation mit seinen Partnern eine Prüfung militärischer Notfalloptionen durchführen, um für den Fall vorbereitet zu sein, dass systematische Massenverbrechen gegen Zivilisten begangen werden.

Referendum 2011 – Sudan am Scheideweg

Der Sudan sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Im kommenden Januar wird der Süden des Landes darüber entscheiden, ob er in Zukunft ein Teil des Sudans bleiben will oder sich abtrennen und ein eigener Staat werden möchte. Umfragen belegen, dass eine große Mehrheit sich für die Abspaltung des Landes aussprechen wird. Die große Frage wird dann sein, ob die herrschende Elite in Khartum diesen Schritt anerkennt oder ob es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommt. Der Süden ist reich an Erdöl und eine Abtrennung wäre ein harter Schlag für den Nord-Sudan, der sich bisher in erster Linie über Öl-Exporte finanziert. Es besteht also eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass es nach dem Referendum zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird. Sowohl der Süden und der Norden treffen bereits alle notwendigen Vorkehrungen, um im Fall der Fälle wortwörtlich gewappnet zu sein.

Wie konnte es zu all dem kommen? Nach einem zwei Jahrzehnte andauerndem Krieg mit fast 2 Millionen Toten einigten sich der Norden und Süden im Jahr 2005 auf einen umfassenden Friedensvertrag, das sogenannte Comprehensive Peace Agreement (CPA). Hierin vorgesehen waren unter anderem die Bildung einer nationalen Einheitregierung, demokratische Wahlen, das 2011 anstehende Referendum sowie verschiedene weitere Maßnahmen. Vieles ist umgesetzt worden, vieles allerdings auch nicht. Eine der entscheidenden Fragen im Moment ist die der Grenzziehung zwischen Norden und Süden, die für eine eventuelle Abtrennung des Südens die Voraussetzung ist. Genau hier hakt es aber. Bei der Grenzziehung können sich beide Parteien nach wie vor nicht einigen, was insbesondere erdölreiche Gebiete wie Abiye betrifft. Auf wessen Seite die Erdölvorkommen liegen ist strittig, nicht zuletzt weil dies über die damit verbundenen Einnahmen entscheiden wird. Es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, dass man bis Januar 2011 zu einer Lösung finden wird. Die Zeichen stehen auf Sturm.

Sollte es zu einem Waffengang kommen, wird die Zivilbevölkerung wie in den vergangenen kriegerischen Auseinandersetzungen das erste Opfer sein. Die im Land befindliche UN-Schutztruppe mit der Bezeichnung UNMIS wird kaum in der Lage sein, Zivilisten vor Gewalt zu schützen, wenn nicht bald eine massive politische und militärische Unterstützung der Truppe durchgeführt wird. Deutschland, die EU und die internationalen Gemeinschaft halten sich bisher zurück oder ignorieren die Situation. Es scheint, dass wie so oft in der jüngeren Geschichte ein verhinderbares Massaker an unschuldigen Zivilisten ignoriert wird, bis es zu spät ist. Spätestens wenn die ersten Bilder von Massengräbern, Flüchtlingen und vergewaltigen Mädchen und Frauen über westliche Mattscheiben flimmern, wird die Politik „haltet den Dieb“ schreien und fragen, „wie solch eine Katastrophe geschehen konnte“. Die Lage ist aber bereits heute klar, es soll also in 4 Monaten niemand behaupten, dass die Tragödie nicht absehbar war.

Sollte es tatsächlich zu einem erneuten Krieg zwischen Norden und Süden kommen, dann wird dies nicht nur schreckliche Konsequenzen für die Menschen im Sudan haben, sondern auch die gesamte Region destabilisieren. Zum einen werden die Rebellen in Darfur ihre Chance gekommen sehen, mit einem Zweifronten-Krieg ihre politischen Forderungen gegen Khartum durchsetzen zu können. Wahrscheinlich wird der Nord-Sudan die berüchtigte Lords Resistance Army (LRA) wie in der Vergangenheit für seine Zwecke einspannen und gegen den Süden in Stellung bringen. Dies könnte wiederum Uganda in den Krieg involvieren, das seit Jahren gegen die LRA kämpft. Auch die Reaktion der Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ist nur schwer einzuschätzen. International würde ein Krieg ebenfalls Wellen schlagen, wobei die offensichtlichste Frontstellung zwischen China auf Seiten Khartums und der USA und Europas auf Seiten des Südens wäre.

Noch besteht die Möglichkeit, dass der Sudan einen friedlichen Weg einschlägt. Noch besteht die Hoffnung, dass nicht abertausende Unschuldige ihr Leben verlieren. Hierfür ist vor allem von Nöten, dass die EU und die USA alle diplomatischen Kanäle nutzen, um den Nord-Sudan von jeglicher Gewalt abzuhalten. Über den notwendigen wirtschaftlichen Einfluss verfügt Europa als zweitgrößter Importeur sudanesischer Waren auf jeden Fall, auch wenn man dies in Deutschland als Exportnation nur ungern zur Kenntnis nimmt. Neben wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln sollte die UNMIS-Truppe mit einem eindeutigen politischen Mandat zum Schutz von Zivilisten sowie den notwendigen Ressourcen ausgerüstet werden. Eine Verstärkung der Truppe durch westliche Soldaten würde ein klares Zeichen setzen, dass Europa und die USA sich nicht abwenden werden. Wenn sich die internationale Gemeinschaft in ausreichendem Maße für eine friedliche Lösung des Konfliktes engagiert besteht eine realistische Hoffnung, dass das Schlimmste verhindert werden kann. Das wäre in der Tat ein Zeichen dafür, dass die Welt aus Ruanda, Srebrenica und Darfur gelernt hat.

  Robert Schütte

Der Bürgerkrieg im Sudan: Hintergründe des Nord-Süd-Konflikts

Sudans Geschichte seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien 1956 ist eine Geschichte von Bürgerkriegen und ethnischen Säuberungen, die Millionen von Menschen das Leben gekostet haben. In den vergangenen Jahren war Sudan vor allem durch den Völkermord in Darfur in den Medien präsent. Doch lange Zeit war der so genannte Nord-Süd-Konflikt zwischen der nord- und zentralsudanesischen Elite und dem Südsudan, der mit einer Unterbrechung von elf Jahren zwischen 1956 und 2005 tobte, der zentrale Konflikt im Sudan – und galt als Musterbeispiel für einen hochkomplexen, möglicherweise gar unlösbaren Bürgerkrieg. Zwei und drei Millionen Menschen fielen dem Krieg zum Opfer, und mehr als sieben Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.

 

Wie die anderen Konflikte im Sudan auch ist der Nord-Süd-Bürgerkrieg nur zu verstehen, wenn man ihn im Zusammenhang fundamentaler Fehlentwicklungen eines postkolonialen Staates begreift. Der Staat, den die Briten in die Unabhängigkeit entließen, war keine historisch gewachsene Einheit, sondern ein willkürlich zusammengeworfener Raum der Größe Westeuropas, der mindestens 19 ethnische Gruppen mit rund 600 Untergruppen und hunderten von Sprachen beherbergt. Von Beginn an kontrollierte die überwiegend arabisch-islamische zentralsudanesische Elite im Norden – eine Minderheit – den Staat und seine Ressourcen. In der Wahrnehmung des Südens, deren Bewohner in der Regel weder Araber noch Muslime waren, hatte sich mit der Unabhängigkeit kaum etwas geändert. Waren zuvor die Briten ihre Kolonialherren gewesen, saßen die neuen Kolonialherren nun in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, definierten die Identität des Sudans arabisch-islamisch und hatten kein Interesse an einer Entwicklung des Sudans jenseits des Kernbereichs. Der Süden wehrte sich; der erste Bürgerkrieg, der bis 1972 dauern sollte, war die Folge. Im Friedensabkommen („Addis Abeba Agreement“) wurde dem Süden zunächst eine weitgehende Autonomie zugesprochen, die 1983 jedoch wieder durch Khartum aufgehoben wurde, was zum erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs führte.

In dieser Weigerung des Nordens, auf dem Verhandlungsweg föderale Strukturen zuzulassen, die allen Regionen eine politische Partizipation und eine gerechte Ressourcenverteilung ermöglicht, liegt der Kern aller Konflikte im Sudan. Die Zentrale hat jahrzehntelang systematisch und mit Erfolg daran gearbeitet, Macht, Privilegien und Wohlstand so wenig wie möglich teilen zu müssen und andere ethnische Gruppen in der „Peripherie“ des Landes zu marginalisieren. Statt politischer Prozesse, deren Ergebnis nur eine angemessene Partizipation aller Landesteile und Ethnien hätte sein können, entschied sich Khartum für eine Reihe von Unterwerfungskriegen, die – im Falle Darfurs – bis zum heutigen Tage anhalten.

Der Nord-Süd-Bürgerkrieg konnte 2005 mit dem Comprehensive Peace Agreement (CPA) vorerst beendet werden. Die zentralen Bestimmungen des Abkommens sahen zwar eine gerechte Verteilung der Ressourcen (vor allem der steigenden Öleinnahmen), eine Beteiligung der südsudanesischen Rebellengruppe SPLA/M (Sudan People’s Liberation Army/Movement) an der Regierung und eine weitgehende Autonomie des Südens vor. Die Umsetzung des Abkommens stockte jedoch von Beginn an, vor allem aus zwei Gründen. Zum einen war aus Sicht Khartums das CPA vor allem der Versuch, neue Spielräume für den Völkermord in Darfur zu gewinnen. Dementsprechend war die sudanesische Regierung natürlich nicht an einer schnellen Implementierung des CPA interessiert – im Gegenteil. Zum anderen war von Beginn an klar, dass eine Bestimmung ganz besonders über das Schicksal des Landes und über die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens entscheiden würde: die Festsetzung eines Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudans, das für den 9. Januar 2011 angesetzt ist. Die genaue Festlegung der Grenze zwischen Nord und Süd durch eine Kommission ist zwar noch nicht abgeschlossen und steht vor großen Problemen, was vor allem daran liegt, dass die zwischen Norden und Süden umstrittenen Regionen zu den ölreichsten des Landes gehören. Doch sollte sich der Südsudan in wenigen Monaten für seine Unabhängigkeit entscheiden, und sich dabei möglicherweise ein Hauptteil der ölreichen Regionen vom Sudan abspalten, bräche Khartum nicht nur ein Teil seines Herrschaftsgebietes weg, sondern gleichzeitig auch eine Hauptvoraussetzung für Wohlstand und Macht in der Zukunft. Führt man sich vor Augen, wie Präsident Bashir und seine Regierung seit 2003 auf die Krise in Darfur reagiert haben, dann kann man ermessen, wie sie in einer möglicherweise existenziellen Frage wie der Unabhängigkeitserklärung eines ölreichen Südsudans reagieren könnte. In wenigen Monaten könnte dem Sudan ein neuer Konflikt von katastrophalen Ausmaßen und Konsequenzen für die Zivilbevölkerung bevorstehen.

Von Adrian Oroz