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Internationale Strafgerichtsbarkeit: Ad-hoc Tribunale im Vergleich

Rechtswidrig begangene Taten haben eine Bestrafung zu Folge, wenn alle übrigen Voraussetzungen einer strafbaren Handlung gegeben sind. Diese Logik wohnt seit jeher allen Rechtssystemen inne und ist umfassend akzeptiert. Die schwersten Verbrechen, die die Menschheit kennt, namentlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, werden jedoch oft nur unzureichend verfolgt. Viele Verantwortliche für solche Massenverbrechen kommen straffrei davon.

Trotz allem gibt es aber auch positive Entwicklungen. Seit Ende des zweiten Weltkrieges wurden immer wieder Kriegsverbrecher*innen und Völkermörder*innen einer rechtmäßigen Bestrafung zugeführt. Vor rund 20 Jahren wurde dann der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) geschaffen. Er wird als die bislang größte Errungenschaft der internationalen Staatengemeinschaft auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts gesehen.

Doch bereits vor dem IStGH gab es verschiedene Ad-Hoc Gerichtshöfe und Kriegsverbrechertribunale. Diese haben entscheidend zur Entwicklung des Völkerstrafrechts beigetragen, indem sie Verantwortliche für Kriegsverbrechen und Völkermorde einer rechtmäßigen Bestrafung zugeführt haben. Genocide Alert zeichnet im vorliegenden Dossier diesen Prozess hin zur Herausbildung einer individuellen Strafbarkeit für schwerste Verbrechen nach.

Hierfür werden die Tribunale anhand eines Analyserasters verglichen, das unter anderem auf folgenden Fragen basiert:

  • Wer wurde wofür verfolgt?
  • Anlässlich welchen Ereignisses und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde das Tribunal eingerichtet?
  • Welche Strafen wurden verhängt?
  • Wie waren die Gerichtshöfe organisiert?
  • Welches Resümee lässt sich in der Gesamtbetrachtung ziehen?

Das Dossier bietet somit einen Überblick über die wichtigsten Stationen hin zu einer individuellen Strafbarkeit vor dem Völkerrecht für schwerste Verbrechen.

Ad-hoc Gerichtshöfe im Überblick

offizielle Bezeichnung International Military Tribunal (IMT)
Anlass Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands und der Wehrmacht vor und während des 2. Weltkrieges
aktiv/inaktiv inaktiv (in den Jahren 1946 bis 1949 kam es noch zu 12 sog. Nachfolgeprozessen in der amerikanischen Besatzungszone gegen weitere NS-Verbrecher aus Gesellschaft, Politik, Militär und Wirtschaft
Typ international
Aktivitätszeitraum 20.11.1945 – 01.10.1946
Sitz Nürnberg, Deutschland
Rechtsgrundlage für Errichtung Völkerrechtliches Abkommen: Agreement for the Prosecution of Punishment of the Major War Criminals of the European Axis (August 8, 1945) (mit der Charter of the International Military Tribunal im Annex), Umsetzung vorrangegangener Beschlüsse der Alliierten, wie der Moskauer Erklärung vom November 1943
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
zeitliche Anwendbarkeit Deutsche Herrschaft / Besatzung vor dem und während des 2. Weltkrieges
Anzahl der Angeklagten 24
Anklageebene Führungsebene aus Politik, Militär und Wirtschaft
Verurteilungen zwölfmal Tod durch den Strang, dreimal lebenslänglich, zweimal 20 Jahre, einmal 15 Jahre; drei Freisprüche, zweimal keine Entscheidung
Richtende Vier, einer pro Siegermacht: Iona Nikitchenko (UdSSR), Geoffrey Lawrence (UK), Francis Biddle (USA), Henri Donnedieu de Vabres (FR)
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch, Französisch, Russisch, Deutsch
Fazit und Kritikpunkte Die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes werden als Geburtsstunde des Völkerstrafrechts betrachtet. Erstmals wurde eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Individuen unter dem Völkerrecht festgestellt. Erstmals wurden einzelne Personen strafrechtlich für staatliches Handeln verantwortlich gemacht. Damit wurde bis heute wirkende Rechtsgeschichte geschrieben. Nicht nur die Prozesse in Tokio orientierten sich an denen von Nürnberg. Bis heute bilden die Prozesse wichtige Bezugspunkte in der Entwicklung des Völkerstrafrechts.

Die Prozesse führten vielen Deutschen unbestreitbar vor Augen, wie grausam das NS-Regime Juden und andere Minderheiten sowie politische Gegner verfolgt und systematisch ermordet hat.

Doch es gab seinerzeit auch Kritik an einer wahrgenommenen Siegerjustiz. Für viele Deutsche hätte die eigene Justiz die Nazi-Verbrechen verfolgen sollen. Die Verteidiger der Angeklagten erhoben zudem Vorwürfe gegenüber den Siegermächten und verwiesen auf Kriegsverbrechen der Alliierten. Einige erhoben zudem den Vorwurf der mangelnden Rechtmäßigkeit: Einerseits in Bezug auf einen mutmaßlichen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege), wobei dieser Vorwurf angesichts des Ausmaßes der Verbrechen wenig Gewicht hatte. Andererseits kritisierten Beobachter die Anwendung anglo-amerikanischer Rechtstraditionen im Prozess als unfair. Aus Sicht der Kritiker benachteiligte dies die Angeklagten und ihre Verteidiger.

Ende der 1940er und in den 1950er Jahren kam weitere Kritik an den Nürnberger Prozessen auf. Angesichts der Nachfolgeprozesse gegen weitere NS-Verbrecher sowie im Hinblick der von den Siegermächten betriebenen Entnazifizierung, erhoben viele Deutsche den Vorwurf, es werde versucht eine „Kollektivschuld“ der Deutschen zu konstruieren.

Es sollte noch Jahre dauern bis die juristische Verfolgung und gesellschaftliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in Deutschland ernsthaft angegangen wurde. Sie dauert bis heute an.

Literatur und Ressourcen » https://pure.uvt.nl/portal/files/1523643/Sixty_five_years.pdf
» https://www.legal-tools.org/go-to-database/ltfolder/0_26980/
offizielle Bezeichnung International Military Tribunal for the Far East (IMTFE)
Anlass Kriegsverbrechen der japanischen Armee im 2. Weltkrieg, vor allem in besetzten Gebieten
aktiv/inaktiv inaktiv
Typ international
Aktivitätszeitraum 29.04.1946 – 12.11.1948
Sitz Tokio, Japan
Rechtsgrundlage für Errichtung Erlass/Völkerrechtliche Erklärungen: International Military Tribunal for the Far East Charter (Special proclamation by the Supreme Commander for the Allied Powers at Tokyo vom 19. Januar 1946), dient der Umsetzung der Cairo Declaration vom 27.11.1943, der Proclamation Defining Terms for Japanese Surrender (Potsdam Declaration) vom 26. Juli 1945 und des Japanese Instrument of Surrender vom 2. September 1945
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
zeitliche Anwendbarkeit Japanische Herrschaft / Besatzung vor dem und während des 2. Weltkrieges
Anzahl der Angeklagten 28
Anklageebene Führungsebene aus Politik und Militär
Verurteilungen sieben mal Tod durch den Strang, 16 mal lebenslänglich, einmal 20 Jahre, einmal sieben Jahre; keine Freisprüche
Richtende sechs bis elf Richtende, ernannt durch den Supreme Commander for the Allied Powers auf Vorschlag von Indien, den Philippinen sowie der Vertragsparteien des Japanese Instrument of Surrender
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch; Sprache der Angeklagten
Fazit und Kritikpunkte Die Prozesse von Tokio waren gemeinsam mit denen ein halbes Jahr zuvor begonnenen Prozessen von Nürnberg die ersten Fälle strafrechtlicher Verfolgung von Individuen unter dem Völkerrecht. Bis heute bilden die Prozesse wichtige Bezugspunkte in der Entwicklung des Völkerstrafrechts.

Sie standen jedoch aus unterschiedlichen Gründen in der Kritik. So wurden der damalige japanische Oberbefehlshaber Kaiser Tenno Hirohito und die Mitglieder der Kaiserfamilie nicht angeklagt. Die USA wollten den Übergangsprozess in Japan erleichtern und manipulierten teilweise sogar Zeugenaussagen, um die Mittäterschaft des in Japan als gottgleich angesehenen Kaisers an den Kriegsverbrechen der japanischen Armee zu verschleiern.

Darüber hinaus wurden einige schwere Kriegsverbrechen schlichtweg nicht verhandelt, wie etwa das von der Regierung für die japanischen Soldaten organisierte Zwangsprostitutionssystem sowie umfangreiche Versuche mit biologischen und chemischen Waffen an Gefangenen.

Zudem gab es Vorwürfe im Hinblick auf juristische Fehler des Militärtribunals. So sprach einer von zwölf beteiligten Richtern, der Inder Radhabinod Pal, dem Tribunal die Legitimität ab, da es im Völkerrecht zum Zeitpunkt des Krieges keine „Verbrechen gegen den Frieden“ gegeben habe und das Tribunal daher gegen das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege) verstoßen habe. Darüber hinaus hätte ein am Tribunal beteiligter Richter aus den Philippinen als befangen betrachtet werden müssen, da er selbst ein Opfer japanischer Kriegsverbrechen war. Zu guter Letzt wurden Vorwürfe im Hinblick auf die Zulassung fragwürdiger Beweismittel erhoben. Bis heute berufen sich japanische Nationalisten auf eine von Richter Pal abgegeben abweichende Stellungnahme zu den Urteilen des Tribunals, um die Prozesse als unfaire Siegerjustiz zu diskreditieren.

Trotz dieser Kritik war das Militärtribunal von Tokio von hoher Bedeutung. Ohne diese Prozesse wären die japanischen Kriegsverbrechen vermutlich nicht so vehement angeprangert worden. Die Zweifel am Tribunal und der Unwille der japanischen Politik, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, werfen jedoch bis heute dunkle Schatten auf die regionalen diplomatischen Beziehungen. In vielen ostasiatischen Ländern, darunter Korea und China, ist die Erinnerung an die Massenverbrechen der Japaner während ihrer Kolonialherrschaft und im 2. Weltkrieg bis heute präsent. Gleichzeitig werden bis heute 14 damals verurteilte Kriegsverbrecher im japanischen Kriegerdenkmal, dem Yasukuni-Schrein, als Gefallene geehrt.

Literatur und Ressourcen » http://archiv.jura.uni-saarland.de/projekte/Bibliothek/text.php?id=287
» http://www.ibiblio.org/hyperwar/PTO/IMTFE/index.html
offizielle Bezeichnung International Criminal Tribunal for Yugoslavia (ICTY)
Anlass Weitverbreitete und massive Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und insbesondere in Bosnien und Herzegowina ab 1991
aktiv/inaktiv inaktiv (Nachfolgeorgan: Mechanism for International Criminal Tribunals – MICT)
Typ international
Aktivitätszeitraum 25.05.1993 – 31.12.2017
Sitz Den Haag, Niederlande
Rechtsgrundlage für Errichtung UN-Sicherheitsratsresolution 827 vom 25. Mai 1993
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen von 1949, Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
zeitliche Anwendbarkeit ab dem 1. Januar 1991
Anzahl der Angeklagten 161
Anklageebene Die Personen auf allen Seiten des Konfliktes, die am meisten für Massenverbrechen wie Mord, Folter, Vergewaltigung, Versklavung, Zerstörung von Eigentum und andere im Statut des Tribunals aufgeführte Verbrechen verantwortlich sind, die ab dem 1. Januar 1991 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens begangen wurden
Verurteilungen 90 Verurteilungen, 19 Freisprüche, 13 Überweisungen an nationale Gerichte; 37 Anklagen wurden zurückgezogen, 2 an den MICT überwiesen
Richtende 18 ständige Richtende, verteilt auf drei Strafkammern und eine Berufungskammer. 16 der ständigen Richtenden wählt die UN-Generalversammlung aus einer Liste des UN-Sicherheitsrates aus. 2 weitere ständige Richtende werden vom Präsidenten des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda in Absprache mit dem Präsidenten des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien aus den Reihen der Richtenden des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda ernannt.
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch, Französisch
Fazit und Kritikpunkte Die Etablierung des International Criminal Tribunal for Yugoslavia (ICTY) 1991 bedeutete erstmals uneingeschränkte Verantwortlichkeit und damit ein Ende der Straflosigkeit von Einzelpersonen für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, unabhängig von Rang und Status – so auch für höchste Amtspersonen wie Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder, Parteiführer und Generäle.

Das Tribunal ist u.a. Vorbild für die Tribunale für Ruanda (ICTR) und dem Sondergerichtshof für Sierra Leone (SCSL). Die Arbeit des ICTY war wegweisend für die Entwicklung internationaler Justiz, hin zum heutigen Anspruch der Universalgerichtsbarkeit des IStGH.

Trotz der Leistungen des ICTY ist auch dieser Gerichtshof nicht frei von Kritikpunkten. Dem ICTY wurde unter anderem vorgeworfen, Siegerjustiz geübt zu haben: etwa zwei Drittel der Angeklagten waren serbischer Staatsangehörigkeit – wenngleich dem entgegnet wurde, dass die schlimmsten Gräueltaten des Konflikts von serbischen Streitkräften an bosnischen Zivilisten verübt wurden.

Gleichwohl die Verfahrens- und Konfliktsdokumentation des ICTY zur Bildung extensiver Datenbanken führte kam es – laut Geoffrey Nice, Hauptankläger im Milošević-Prozess, auch involviert in den Colidić- und Jelisić-Prozessen – in Prozessen zur Vorenthaltung von Beweismaterialien, was die Geschichtsschreibung im Hinblick auf die Geschehnisse sowie auch rechtsstaatliche Prinzipien beeinträchtigte.

Der scheidende Hauptankläger des ICTY, Serge Brammertz, räumte im November 2017 ein, dass das Tribunal keine Versöhnung im ehemaligen Jugoslawien erreicht habe: Die Verbrechen hätten Wunden hinterlassen, die noch nicht verheilt seien. Verurteilte Kriegsverbrecher würden von vielen weiterhin als Helden gesehen, während die Opfer und Überlebenden ignoriert würden.

Literatur und Ressourcen » https://www.theguardian.com/law/2017/dec/20/former-yugoslavia-war-crimes-tribunal-leaves-powerful-legacy-milosevic-karadzic-mladic
» https://www.icty.org/
» https://www.tagesspiegel.de/politik/un-gerichtshof-in-den-haag-das-jugoslawien-tribunal-eine-bilanz/20641684.html
offizielle Bezeichnung International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR)
Anlass Völkermord der Hutu an den Tutsi (April – Juli 1994)
aktiv/inaktiv inaktiv (Nachfolgeorgan: Mechanism for International Criminal Tribunals – MICT)
Typ international
Aktivitätszeitraum 08.11.1994 – 31.12.2015
Sitz Arusha, Tansania
Rechtsgrundlage für Errichtung UN-Sicherheitsratsresolution 955 vom 8. November 1994
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Völkermord, Vebrechen gegen die Menschlichkeit, Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen und das Zusatzprotokoll II zu den Genfer Abkommen
zeitliche Anwendbarkeit 1. Januar bis 31. Dezember 1994
Anzahl der Angeklagten 93
Anklageebene Grundsätzlich alle Personen, die für Völkermord und andere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Hoheitsgebiet Ruandas und der Nachbarstaaten verantwortlich sind, die zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1994 begangen wurden
Verurteilungen 62 Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen, 14 Freisprüche, 10 Fälle wurden an nationale Gerichte überwiesen, 2 Amgeklagte starben vor der Urteilsverkündung, 2 Anklagen wurden zurückgezogen
Richtende 16 ständigende Richtende in drei Anklagekammern und einer Berufungskammer. Diese werden durch 9 sog. Ad-litem Richtende unterstützt. Die Richtenden wählt die UN-Generalversammlung aus einer Liste des UN-Sicherheitsrates aus. Die Zahl betrug ursprünglich 11 und wurde mit der Zeit erhöht.
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch, Französisch
Fazit und Kritikpunkte Dem Internationalen Straftribunal für Ruanda werden von Beobachtern drei große Erfolge zugerechnet: Das Tribunal war eines der ersten Ad-Hoc-Tribunale nach Nürnberg und Tokio und konnte dadurch das internationale Strafrecht bedeutend mitprägen. 50 Jahre nach dem Beschluss der Genozidkonvention war das ICTR das erste internationale Tribunal, das einen Angeklagten für einen Völkermord verurteilte. Es war außerdem das erste internationale Tribunal, das, mit Jean Kambanda, ein ehemaliges Regierungsoberhaupt wegen Völkermord verurteilte. Bedeutend sind nicht zuletzt die Verurteilung von Medienunternehmern für die Anstiftung zum Völkermord oder auch die Einordnung von Vergewaltigung als eine Form des Genozids. Andere Gerichte haben sich in ihrer Rechtsprechung an den Urteilen des ICTR orientiert. Außerdem gelang es dem Tribunal, politische und militärische Hutu-Führungspersonen zu verurteilen und so extreme Hutu-Gruppen politisch zu schwächen. Zuletzt gelang es, historische Tatsachen zu prüfen und für die Zukunft festzuhalten.

Kritisiert wird das ICTR unter anderem für seine Ineffizienz: In der Zeit seines 20-jährigen Bestehens wurden nur 70 Personen angeklagt – trotz 1.200 Mitarbeitern und einem Gesamtbudget von 1,8 Milliarden Euro. Aus Sicht vieler Ruander wurden die Täter zudem auch teilweise nicht hart genug bestraft.

Einige Beobachter werfen dem ICTR zudem eine einseitige Verfolgung von Verbrechen vor. Das Gericht klagte Verantwortliche der Hutu-Milizen an, die für den ursprünglichen Völkermord an hunderttausenden Tutsi und moderaten Hutu verantwortlich waren, nicht aber Militärs der RPF, also der Tutsi-Rebellen, die bei der Rückeroberung des Landes nach dem Völkermord zehntausende Hutus töteten. Die Einseitigkeit der Strafverfolgung wird als einer der Gründe gesehen, dass die Versöhnung der beiden Volksgruppen nur langsam voranschreitet. Bis heute wird darum gestritten ob auch die Rachetötungen von Hutus die Voraussetzungen eines Genozids erfüllen könnten.

Literatur und Ressourcen » https://unictr.irmct.org/en/tribunal
» https://www.dw.com/en/ictr-a-tribunal-that-failed-rwandan-genocide-victims-and-survivors/a-51156220
» Labuda, Patryk I., Review Essay: The International Criminal Tribunal for Rwanda and Post- Genocide Justice 25 Years On (June 12, 2020). European Journal of International Law, Forthcoming, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3712912
offizielle Bezeichnung Special Court for Sierra Leone (SCSL)
Anlass Schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts während des Bürgerkriegs in Sierra Leone
aktiv/inaktiv inaktiv (Nachfolgeorgan: Residual Special Court for Sierra Leone – RSCSL)
Typ hybrid
Aktivitätszeitraum 16.01.2002 – 02.12.2013
Sitz Freetown, Sierra Leone
Rechtsgrundlage für Errichtung Völkerrechtliches Abkommen: Agreement between the United Nations and the Government of Sierra Leone on the Establishment of a Special Court for Sierra Leone (January 16, 2002, Annex: Statute of the Special Court for Sierra Leone)
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der Genfer Abkommen und das Zusatzprotokoll II zu den Genfer Abkommen, weitere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Rahmen von Angriffen auf Zivilbevölkerung, Verstöße gegen nationales Recht
zeitliche Anwendbarkeit ab dem 30. November 1996
Anzahl der Angeklagten 23
Anklageebene Hauptverantwortliche für die geschehenen Verbrechen aller drei Konfliktparteien (CDF, RUF, AFRC), die in Sierra Leone ab dem 30. November 1996 begangen wurden
Verurteilungen Von den 13 Hauptangeklagten wurden am Ende 9 zu Gefängnisstrafen zwischen 15 und 52 Jahren verurteilt. Drei Angeklagte starben vor der Urteilsverkündung, ein Angeklagter starb mutmaßlich auf der Flucht. Von den 10 weiteren Angeklagten wurden 7 wegen Missachtung des Gerichts zu Haftstrafen zwischen 1 Jahr auf Bewährung und 2 Jahren Haft verurteilt, drei wurden freigesprochen.
Richtende 8 Richtende in 2 Kammern: fünf Richtende in der Berufungskammer, davon zwei durch die Regierung von Sierra Leone und drei durch den VN-Generalsekretär auf Vorschlag der Mitgliedsstaaten ernannt; drei Richtende in der Anklagekammer, davon einer durch die Regierung von Sierra Leone und zwei durch den UN-Generalsekretär ernannt.
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch; Übersetzung wichtiger Dokumente auch in Krio, Themne und Mende
Fazit und Kritikpunkte Beobachtende betrachten die Prozesse am SCSL als überwiegend fair, die Angeklagten wurden angemessen behandelt. Der SCSL stellte als erster hybrider Gerichtshof der Geschichte eine entscheidende Weiterentwicklung in der Völkerstrafgerichtsbarkeit dar. Das Peronal bestehend aus Sierra-leonischen Staatsbürgern und internationalen Mitarbeitern, die Urteile, die nicht nur nach internationalem Recht gesprochen wurden, sondern auch nationale Straftatbestände integrierten, der Sitz des Gerichts in Sierra Leone, also im Tatortstaat selbst, trug entscheidend zur Akzeptanz bei der Zivilbevölkerung bei.

Mit den verfolgten Verbrechen wurde eine Reihe an Präzedenzfällen geschaffen: erstmals wurde der Einsatz von Kindersoldaten sowie Zwangsehen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft, auch wurde erstmals der Angriff auf eine UN-Friedensmission verfolgt. Hervorzuheben ist zudem die Verurteilung Charles Taylors 2013 in Den Haag, der als erster afrikanischer Präsident im Amt wegen Massenverbrechen verurteilt wurde.

Kritisiert wurde u.a., dass viele der Verantwortlichen für Massenverbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, da die Zuständigkeit des SCSL nur auf die zweite Hälfte des Krieges begrenzt war, weshalb überwiegend Verbrechen in größeren städtischen Gebieten wie der Hauptstadt Freetown verfolgt wurden, nicht aber frühere Vorfälle in den ländlichen Teilen Sierra Leones. Kritik wird außerdem an der engen Auslegung des Begriffes „those who bear the greatest respnsibility“ geübt. Neben der fehlenden Verurteilung wichtiger Anführer der drei Konfliktparteien, die entweder starben oder flohen, wurden vor allem diejenigen angeklagt, die auf nationaler Ebene Einfluss hatten. Diese waren der Zivilbevölkerung zum Teil sogar unbekannt. Viele weitere, der Zivilbevölkerung bekanntere Personen, die nicht an der Spitze der Kommandoketten standen, wie Kommandeure auf regionaler Ebene, standen nicht vor Gericht. Kritisiert wurde außerdem eine instabile Finanzierungslage des SCSL, was zu Budgetengpässen, insbesondere bei der Verteidigung geführt hat.

Literatur und Ressourcen » https://repository.law.umich.edu/cgi/viewcontent.cgi?httpsredir=1&article=1047&context=mjil
» http://www.rscsl.org/Documents/Cassese%20Report.pdf
offizielle Bezeichnung Special Panel for Serious Crimes (SPSC)
Anlass Gewaltsame Übergriffe in Osttimor durch pro-indonesische Gruppen nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999
aktiv/inaktiv inaktiv
Typ hybrid
Aktivitätszeitraum 2000 – 2006
Sitz Dili, Osttimor
Rechtsgrundlage für Errichtung Erlass der internationalen Übergangsverwaltung vom 6. Juni 2000: UNTAET/REG/2000/15
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, Sexualisierte Gewalt, Folter
zeitliche Anwendbarkeit 1. Januar bis 25. Oktober 1999
Anzahl der Angeklagten 391
Anklageebene Grundsätzlich alle für die schweren Verbrechen in Osttimor 1999 verantwortlichen Personen
Verurteilungen 84 Verurteilungen zu Gefängnisstrafen und vier Freisprüche (von den 391 Anklagen konnten letztlich nur 88 verhandelt werden, da die indonesischen Behörden die Verdächtigen nicht überstellten)
Richtende Bis 2003 gab es nur eine reguläre Kammer, bestehend aus zwei internationalen und einem osttimorischen Richtenden. Im Jahr 2003 wurden zwei weitere Kammern eingerichtet, die sich ebenfalls jeweils aus zwei internationalen und einem osttimorischen Richtenden zusammensetzten.
Offizielle und Arbeitssprachen Tetum, Englisch, Portugiesisch, Indonesisch
Fazit und Kritikpunkte Die internationale Untersuchungskommission zu den Ereignissen in Osttimor hatte im Jahre 2000 ein internationales Tribunal empfohlen. Eingerichtet wurden jedoch die hybriden Special Panels for Serious Crimes (SPSC) in Dili (Osttimor) sowie ein nationaler Ad hoc Gerichtshof für Menschenrechte in Jakarta (Indonesien). Letzterer verurteilte allerdings letztlich nur einen einzigen Angeklagten, den Timoresen Eurico Guterres. Der nationale Ad hoc Gerichtshof in Jakarta wurde daher von vielen internationalen Beobachtenden sehr kritisch gesehen. Die hohe Zahl an Freisprüchen, die als zu sanft empfundenen Anklagen der Stafverfolgenden und nicht zuletzt die Ernennung von Richtenden mit engen Beziehungen zum indoneischen Militär hatten den nationalen Ad hoc Gerichtshof diskreditiert.

Doch auch die Bilanz der SPSC ist umstritten. So blieb bei der Auflösung des Tribunals im Mai 2005 im Rahmen des Ablaufs der Osttimormission der Vereinten Nationen (UNAMET) die Mehrheit der Fälle unbearbeitet. Zudem wurden überwiegend zivile militante Timoresen und nur vereinzelt niederrangige Mitglieder der Indonesischen Nationalen Armee (TNI) schuldig gesprochen. Eines der Hauptprobleme der SPSC war, dass Indonesien sich weigerte, Verdächtige auszuliefern, von denen viele Amtspersonen waren. Einige der mutmaßlichen Täter stiegen später gar in höhere Ämter auf.

Auch die Prozessführung selbst wird kontrovers betrachtet. So charakterisiert z.B. David Cohen in einer Studie zu den Prozessen in Osttimor die SPSC als einschlägiges Negativ-Lehrbeispiel für die Kreation und Verwaltung hybriden Justizwesens: Unterfinanzierung, unzureichend qualifiziertes oder schlicht fehlendes Personal, ungenügende Dokumentation und ineffektives Management hätten dazu geführt, dass die Prozessführung und die Rechtsprechung an den SPSC von internationalen Standards abgewichen seien. Dies habe teilweise gar das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren untergraben. Ein Bericht einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Expertenkommission bewertete 2005 die Gerichtsbarkeit der SPSC als generell internationalen Standards genügend, wies zugleich aber auf u.a. finanzielle, administrative und kooperative Unzulänglichkeiten hin, die die Straflosigkeit Hauptverantwortlicher zur Folge hatten.

Literatur und Ressourcen » https://www.ocf.berkeley.edu/~changmin/Serious%20Crimes%20Unit%20Files/default.html
» https://exhibits.stanford.edu/virtual-tribunals/feature/introduction-to-the-spsc
» Cohen 2006: ‚Justice on the Cheap‘ Revisited: The Failure of the Serious Crimes Trials in East Timor, Online: https://www.eastwestcenter.org/publications/justice-cheap-revisited-failure-serious-crimes-trials-east-timor
» https://www.icrc.org/en/doc/assets/files/other/att54hwn093-120_linton.pdf
» https://www.wcl.american.edu/impact/initiatives-programs/warcrimes/resource-court-information-and-external-links/resources/special-panels-for-serious-crimes-in-east-timor/international-criminal-law-a-discussion-guide/
» http://www.etan.org/etanpdf/pdf3/N0542617.pdf
offizielle Bezeichnung Extraordinal Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC)
Anlass Schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in Kambodscha unter der Herrschaft der Roten Khmer
aktiv/inaktiv aktiv
Typ hybrid
Aktivitätszeitraum Seit 2006 bis heute
Sitz Phnom Penh, Kambodscha
Rechtsgrundlage für Errichtung Völkerrechtliches Abkommen: Agreement between the United Nations and the Royal Government of Cambodia concerning the prosecution under Cambodian law of crimes committed during the period of Democratic Kampuchea vom 6 Juni 2003

Nationales Gesetz: Law on the Establishment of the Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia for the Prosecution of Crimes Committed during the Period of Democratic Kampuchea (NS/RKM/0801/12, 10. August 2001)

Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Schwere Verstöße gegen das kambodschanische Strafrecht, das humanitäre Völkerrecht und das Völkergewohnheitsrecht sowie Verstöße gegen von Kambodscha anerkannte internationale Konventionen, einschließlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord
zeitliche Anwendbarkeit 17. April 1975 bis 6. Januar 1979
Anzahl der Angeklagten 9
Anklageebene hochrangige Führer des Demokratischen Kampuchea und diejenigen, die am meisten verantwortlich waren für die Verbrechen der Roten Khmer zwischen dem 17. April 1975 und dem 6. Januar 1979
Verurteilungen Insg. 9 Angeklagte in 7 Fällen, von denen drei abgeschlossen wurden: 3 Verurteilungen zu lebenslanger Haft (Kaing Guek Eav, Nuon Chea, Khieu Samphan), u.a. wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Verfahren gegen 2 Angeklagte eingestellt, 2 Angeklagte starben vor Abschluss des Verfahrens, 2 Angeklagte stehen noch vor Gericht (Stand Herbst 2020).
Richtende Kambodschanische und internationale Richtende. Pre-Trial Chamber und Trial Chamber setzen sich aus drei kambodschanischen und zwei internationalen Richtern zusammen, die Supreme Court Chamber besteht aus vier kambodschanischen und drei internationalen Richtenden. Alle internationalen Richtenden wurden vom Obersten Rat der Magistratur von Kambodscha aus einer vom UN-Generalsekretär vorgelegten Liste von Kandidaten ernannt. Kambodschanische und ausländische Richter und Mitankläger werden durch ein königliches Dekret ernannt.
Offizielle und Arbeitssprachen Khmer, Englisch und Französisch
Fazit und Kritikpunkte Die ECCC wurden nach jahrelangen zähen Verhandlungen zwischen der kambodschanischen Regierung und der UN im Jahr 2003 auf Grundlage innerstaatlichen Rechts gegründet. Mit internationaler Beteiligung sind die ECCC ein hybrider Gerichtshof, der das Ziel verfolgt, die schweren Massenverbrechen der Khmer Rouge zu verfolgen, die 20 Jahre lang von der internationalen Gemeinschaft ignoriert worden waren. Dies war ein wichtiger Schritt zur Aufarbeitung dieser Verbrechen.

Allerdings plagten die ECCC seit ihrer Gründung Vorwürfe politischer Einmischung, richterlicher Voreingenommenheit und Korruption, was sich auch in erheblichem Druck durch internationale Geber und Beobachter auf den Gerichtshof und seine Richter manifestierte. Internationale Kommentatoren kritisieren mit Blick auf die Einstellung zweier Fälle (Fälle 003 und 004) das Zögern der kambodschanischen Regierung, Funktionäre der Roten Khmer vor Gericht zu stellen, die gegen Ende des Konflikts die Seiten wechselten und sich von der damaligen Junta abwendeten. Außerdem wurden die ECCC für Intransparenz und Ineffizienz kritisiert, auch im Hinblick auf die Verwendung der Finanzmittel.

Darüber hinaus war die Schwierigkeit, bestimmte Gräueltaten als Völkermord zu charakterisieren, Gegenstand ernsthafter juristischer Kontroversen innerhalb und außerhalb der ECCC. Infolgedessen wurde eine Anklage wegen Völkermordes nur im Fall 002 gegen die letzten hochrangigen Führer der Roten Khmer vorgebracht, die auch noch sehr eng gefasst ist und die Mehrheit der kambodschanischen Opfer nicht einschließt. Dies enttäuscht viele Opfer, die ihr Leiden von den ECCC nicht angemessen anerkannt sehen. Auch in anderen Kontexten wurde der Gerichtshof wegen der Ablehnung von Opferanträgen kritisiert.

iteratur und Ressourcen » https://www.eccc.gov.kh/en/publication/eccc-glance
» https://www.eccc.gov.kh/en/about-eccc/faq
» https://legal.un.org/avl/ha/abunac/abunac.html
offizielle Bezeichnung Special Tribunal for Lebanon (STL)
Anlass Anschlag auf die Wagenkolonne des ehemaligen Premierministers des Libanon Rafiq al-Hariri am 14. Februar 2005
aktiv/inaktiv aktiv
Typ hybrid
Aktivitätszeitraum Seit 01.03.2009 bis heute
Sitz Leidschendam, Niederlande
Rechtsgrundlage für Errichtung UN-Sicherheitsratsresolution 1757 vom 30. Mai 2007 (Ein vorangegangenes Abkommen zwischen der UN und der Regierung des Libanon über die Einrichtung des STL vom 23. Januar 2007 war nicht vom libanesischen Parlament ratifiziert worden)
Straftatbestände/ verfolgte Verbrechen Auf Grundlage des libanesischen Strafgesetzbuchs werden Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorismus und „Straftaten gegen das Leben und die persönliche Integrität, unerlaubte Vereinigungen und die Nichtanzeige von Verbrechen und Straftaten“ verfolgt.
zeitliche Anwendbarkeit Ereignisse im Zusammenhang mit dem Attentat am 14. Februar 2005; Zuständigkeit des Gerichtes kann auf andere Anschläge zwischen dem 1. Oktober 2004 und dem 12. Dezember 2005 ausgeweitet werden, wenn das Gericht feststellt, dass sie mit dem Attentat in Verbindung stehen und wenn die libanesische Regierung und der UN-Sicherheitsrat explizit zustimmen.
Anzahl der Angeklagten 4
Anklageebene Grundsätzlich alle für das Attentat auf die Wagenkolonne des ehemaligen Premierministers des Libanon Rafiq al-Hariri am 14. Februar 2005 verantwortlichen Personen
Verurteilungen Ein Schuldspruch (Salim Jamil Ayyash wegen Verschwörung zu einem und Begehung eines terroristischen Aktes, Mord an dem ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri und 21 anderen, versuchter Mord an 226 anderen, Strafmaß noch nicht festgelegt), drei Freisprüche (Hassan Habib Merhi, Hussein Hassan Oneissi, Assad Hassan Sabra) (Stand Herbst 2020)
Richtende 12 Richtende in vier Kammern: ein internationaler Richter in der Vorverfahrenskammer, ein libanesischer, zwei internationale plus zwei Ersatzrichter (ein libanesischer, ein internationaler) in Prozesskammer I, ein libanesischer und zwei internationale Richter in Prozesskammer II, zwei libanesische und drei internationale Richter in der Berufungskammer. Der UN-Generalsekretär ernennt die Richter in Absprache mit der libanesischen Regierung und auf Empfehlung eines Auswahlgremiums.
Offizielle und Arbeitssprachen Englisch, Französisch, Arabisch
Fazit und Kritikpunkte Das Sondertribunal für den Libanon ist das erste UN-Tribunal, dass zur Verfolgung eines terroristischen Anschlages geschaffen wurde. Völkerrechtlich bedeutend wurde das STL insbesondere auch dadurch, dass zum ersten Mal ein auf Völkerrechtsbasis handelndes Gericht eine Definition von Terrorismus beschlossen hat.

Manche kritisieren jedoch eine mangelnde Legitimation des Sondertribunals für den Libanon: Ihm liegt kein ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag zu Grunde. Zwar hatten die Vereinten Nationen und die libanesische Regierung Anfang 2007 einen Gründungsvertrag ausgehandelt und unterzeichnet. Aufgrund interner Streitigkeiten im libanesischen Parlament wurde dieser aber nicht ratifiziert. Daraufhin rief der UN-Sicherheitsrates das Sondertribunal im Frühjahr 2007 durch Resolution 1757 ins Leben. So genoss das Tribunal bei seiner Eröffnung im Jahr 2009 wenig Ansehen in der libanesischen Bevölkerung. Grundsätzlich zieht dies jedoch nicht die völkerrechtliche Legitimität in Frage, da Resolutionen des UN-Sicherheitsrat bindend für die Mitgliedstaaten sind.

Zum anderen ist das Tribunal mit einem äußerst engen Mandat ausgestattet. Es fokussiert sich in seiner Arbeit auf ein einziges Attentat. Andere internationale Tribunale, etwa in Jugoslawien, Ruanda und Sierra Leone, verfolgten dagegen internationale Straftatbestände wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Das STL lässt zudem Verhandlungen hat zudem alle Verhandlungen in vollständiger Abwesenheit der Angeklagten durchgeführt. Nachdem die vier Angeklagten ein Jahr lang nicht verhaftet werden konnten, entschied das Gericht 2012, den Prozess „in absentia“ durchzuführen. Die vier Verteidigerteams haben nie mit ihren Mandaten gesprochen. Bis heute wurde auch der später verurteilte Salim Jamil Ayyash nicht gefasst.

Literatur und Ressourcen » https://www.justiceinfo.net/en/tribunals/mixed-tribunals/38979-lebanon-tribunal-what-is-a-trial-without-suspects-for.html
» http://www.zis-online.com/dat/artikel/2013_9-10_771.pdf
» https://www.stl-tsl.org/en/about-the-stl
» https://www.chathamhouse.org/sites/default/files/public/Research/Middle%20East/1210_stl.pdf