„20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda“
Projektseite zum Genocide Alert Ruandaprojekt
„20 Jahre danach – Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda?„
20 Jahre danach: Der Völkermord in Ruanda, Deutschland und politische Lehren
Podiumsdiskussion am 11.06.2014 in Bonn
Vor 20 Jahren wurden während des Völkermords in Ruanda in weniger als 100 Tagen mehr als 800.000 Menschen ermordet. Die internationale Gemeinschaft griff nicht ein. Auch deutsche Diplomaten und Vertreter der Entwicklungszusammenarbeit arbeiteten vor dem Völkermord in Ruanda, einem Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe. Waren deutsche Behörden nicht genügend informiert oder gab es keine Reaktion auf vorhandene Informationen? Was unternahmen die Bundesregierung und der Bundestag während des Völkermords? Was wurde in den letzten 20 Jahren in der deutschen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik dazugelernt um früher und effektiver auf Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu reagieren? Diese Fragen diskutieren auf Einladung von Genocide Alert und dem BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) am 11. Juni 2014 in Bonn die Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche, stellvertretendes Mitglied für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Rüdiger König, Beauftragter für Vereinte Nationen und Menschenrechte und Focal Point für die Responsibility to Protect im Auswärtigen Amt, Prof. Dr. Helmut Asche, Direktor des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit, und Prof. Dr. Conrad Schetter, wissenschaftlicher Direktor des BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) und Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Sarah Brockmeier, stellvertretende Vorsitzende von Genocide Alert und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Global Public Policy Institute (GPPi), moderierte die Diskussion.
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Auszug aus dem Ergebnisbericht
„Ich bin der Meinung Deutschland war gut positioniert um zu wissen, was in Ruanda passierte.“
– Teilnehmer aus Ruanda im Publikum
Die Aufarbeitung der deutschen Rolle während des Völkermords
Im ersten Teil der Diskussion debattierten die Podiumsteilnehmer die deutsche Politik vor und während des Völkermords in Ruanda. Helmut Asche, der 1994 als Mitarbeiter der GTZ in Ruanda vor Ort war, berichtete von den Warnzeichen, die deutsche Vertreter in den Jahren und Monaten vor dem Völkermord wahrnahmen. Man hätte die Hetzpresse verfolgen können und wusste von Namenslisten, die vorbereitet wurden, sowie von Ausbildungszentren der Milizen und Waffenkäufen im Ausland. Es habe auch bereits Bombenanschläge, Attentate und gezielte Tötungen gegeben.
Es sei nach wie vor eine offene Frage, so Asche, was mit den Informationen geschah, die deutsche Entwicklungshelfer vor Ort an die Zentralen der GTZ oder des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) weitergeleitet hatten: „Diese Berichte sind an die Botschaft weitergeleitet worden. Sie sind in die Zentrale nach Eschborn weitergeleitet worden. Und die ungeklärte Frage ist dann: Was geschah damit? […] Wir sind uns sicher, dass aus dem, was nach Eschborn gelangt ist, längst nicht alles weiter nach Bonn gemeldet worden ist. Warum, ist eine hochinteressante institutionspolitische Frage.“ Auch der deutsche Botschafter vor Ort in Kigali, der die meisten Warnungen als „Panikmache“ abgetan hätte, habe nicht alle Warnzeichen nach Bonn weitergegeben.
„Wir sind uns sicher, dass aus dem was nach Eschborn gelangt ist, längst nicht alles weiter nach Bonn gemeldet worden ist. Warum ist eine hochinteressante institutionspolitische Frage.“
– Prof. Dr. Helmut Asche, Direktor des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit
Frau Schulz-Asche, die 1994 als Entwicklungshelferin für den DED in Ruanda arbeitete, berichtete von der Frage nach der eigenen Schuld im Moment der Evakuierung nach Beginn des Völkermords. „Persönlich hat man natürlich erst mal wirklich das Gefühl, dass man die Menschen alleine lässt und unter Umständen das Dableiben ein größerer Schutz gewesen wäre und vielleicht das Ausmaß dieses Völkermordes verhindert hätte“, so die heutige Bundestagsabgeordnete.
Es fehle immer noch eine umfassende Aufarbeitung der deutschen Politik vor und während des Völkermords, kritisierte Kordula Schulz Asche. Damals, vor Ort und aus Erzählungen von anderen, hätten sie und ihr Mann den Eindruck erlangt, dass Deutschland von den Ruandern eine politische Vermittlerrolle angetragen worden war. Während der Friedensverhandlungen in Arusha wären Belgien und Frankreich aufgrund ihrer Geschichte als Vermittler diskreditiert gewesen. Eine Aufarbeitung müsse nach ihr zum Beispiel klären: „Hat es solche Anfragen [an die Bundesregierung] gegeben und warum sind die abgelehnt worden?“. Weitere Fragen wären, warum die deutsche Entwicklungshilfe noch einmal erhöht wurde kurz vor dem Völkermord, warum die Hilfe durch eine Bundeswehrberatergruppe nicht eingestellt wurde oder warum Deutschland keine Flüchtlinge aus Ruanda aufnahm. Sie sei schockiert gewesen, dass sich der Bundestag vor diesem Jahr noch gar nicht ausführlicher mit der deutschen Rolle während des Völkermords beschäftigt habe. In anderen Ländern wie in Australien, der Schweiz oder Frankreich habe es solche Aufarbeitungen schon gegeben.
Auf die Frage, was Deutschland damals überhaupt hätte tun können, nannte Helmut Asche den Stopp der Ausrüstungshilfe durch die Bundeswehrberatergruppe und das tatsächliche Einstellen oder zumindest das Androhen einer Einstellung der deutschen Entwicklungshilfe. Außerdem hätte es an politischem Engagement gefehlt: „Es ist eine Sache, die wir selber vielfach in den Vordergrund gerückt haben, dass natürlich die Schlüsselrolle bei den Vereinten Nationen lag“. Das Problem daran führt Asche wie folgt aus:
„Aber auch das Agieren der Vereinten Nationen, das haben wir bei vielen anderen Schauplätzen davor und danach erlebt, lebt immer davon, ob es einzelne engagierte Mächte gibt, die sich hinter die Initiative der Vereinten Nationen stellen und sagen: Wir müssen hier aber stärker auch militärisch uns engagieren, wir müssen stärkere Zeichen gegenüber der Regierung setzen und zu beidem waren aus unterschiedlichen, also geradezu aus entgegengesetzten Vorzeichen Frankreich und Belgien nicht bereit und nicht in der Lage, und die USA standen noch unter dem Schock von Somalia, ergo war es in der Tat eine weltpolitische Lücke, wenn Sie so wollten, wollen, in die jemand hätte stoßen müssen.“
Er unterstütze die Forderung von Frau Schulz-Asche nach einer Aufarbeitung der deutschen Politik während des Völkermords. Gerade in Zeiten, in der die Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik so ausführlich diskutierte werde.
„Ich bin der Meinung Deutschland war gut positioniert um zu wissen, was in Ruanda passierte.“
– Teilnehmer aus Ruanda im Publikum
Ein Teilnehmer aus dem Publikum, der selbst aus Ruanda kommt, stimmte der Analyse von Frau Schulz-Asche und Herrn Asche zu. „Ich will keine Schuldzuweisungen machen“, so der Teilnehmer, „aber ich bin der Meinung Deutschland war gut positioniert um zu wissen, was in Ruanda passierte.“ Das habe zum Beispiel an der Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz gelegen. Er verstehe nicht, warum Deutschland damals vor dem Völkermord nicht laut geworden sei und gesagt hätte „Hier passiert etwas, hier muss etwas getan werden.“
Was wurde in Deutschland seit 1994 gelernt und was kann die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik noch besser machen?
Im zweiten Teil der Diskussion debattierten die Podiumsteilnehmer gemeinsam mit dem Publikum welche Lehren aus der deutschen Politik während des Völkermords gezogen wurden und welche Maßnahmen Deutschland heute ergreifen könnte, um Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit effektiver zu verhindern.
Alle ReferentInnen auf dem Podium waren sich einig, dass die frühe Prävention von schwersten Menschenrechtsverbrechen höchste Priorität haben müsse. Deutschland habe im Bereich der Krisenprävention in den letzten 20 Jahren auch durchaus Fortschritte gemacht. Rüdiger König betonte, es gäbe heute ein viel breiteres Instrumentarium, deutlich mehr Gelder und einen eigenen Haushaltstitel für Krisenprävention im Auswärtigen Amt. „Ich glaube, dass sich unser Instrumentarium und auch die Möglichkeiten, dieses einzusetzen, deutlich verbessert hat“, so König. Außerdem spiele Deutschland heute eine größere Rolle in der internationalen Gemeinschaft und bring sich stärker ein, auch in Mediationsprozesse. „Nicht alles vollzieht sich im Rahmen der Tagesschau. Das ist nun mal die Natur der Sache.“
Prävention bräuchte deutlich mehr Geld, so fanden auch Conrad Schetter und Kordula Schulz-Asche. Zivile Krisenprävention könne man nicht messen, so Schetter, deswegen sei dies ein Bereich, in dem gerne Gelder wieder gekürzt würden. Dabei hätte man in den letzten 20 Jahren gelernt, dass Völkermorde wie in Ruanda oder Srebrenica systematisch und sehr lange vorbereitet werden. Hier böten sich also auch Chancen für die frühe Prävention. Frau Schulz-Asche betonte, man müsse vergleichen, was Deutschland im Bereich der zivilen Ermittlungen, in Justiz, Polizei, Bildungssysteme und für die Unterstützung für die Zivilgesellschaft und demokratischen Strukturen ausgebe, im Vergleich zu dem, was es an Ausgaben für militärische Mittel tätige. Hier müsse dringend über die Mittelverteilung gesprochen werden.
In der Diskussion wurden neun konkrete Maßnahmen genannt, die die Bundesregierung, der Bundestag und die breitere deutsche Gesellschaft ergreifen könnten, um zu einer besseren Prävention von schwersten Menschenrechts-verbrechen beizutragen:
1. Deutschland sollte die Lehren aus der deutschen Rolle in Ruanda 1994 aufarbeiten.
Der Bundestag habe 1994 den Völkermord in Ruanda nicht ein einziges Mal wirklich debattiert, erzählte Frau Schulz-Asche. Wie die diesjährige Debatte zum 20. Gedenken an den Völkermord allerdings gezeigt habe, gäbe es eine „große Bereitschaft“ unabhängig von der Parteienzugehörigkeit, nun einen Blick zurückzuwerfen und aus den damaligen Ereignissen zu lernen. Sie arbeite an einem überfraktionellen Antrag für eine unabhängige Aufarbeitung der deutschen Rolle. „Wenn das gelingt, dann kann man das glaube ich auch dazu benutzen diese Präventionsdebatte nochmal stärker in den Vordergrund zu stellen“, so Schulz-Asche.
2. Deutschland kann lokale Zivilgesellschaft und Dialogprojekte stärker unterstützen.
Frau Schulz-Asche erwähnte die Unterstützung von Zivilgesellschaft und Plattformen für Mediation und Dialog als einen sehr wichtigen Beitrag für Konfliktprävention. Es sei essentiell, dass man Präventionsstrategien entwickle, die in den Konfliktländern selbst die verschiedene Akteuren und vor allem auch die Zivilgesellschaft zusammenbringe. Man brauche dann aber nicht nur die Konfliktparteien vor Ort, sondern auch unabhängige Akteure die sagen würden: „Wir wollen diesen Präventionsprozess oder den Krisenpräventionsprozess unterstützten“. Hier sehe sie eine wichtige Rolle für Deutschland. Hierbei müsse auch darauf geachtet werden, die Stärkung von Frauenrechten und die Einbeziehung von Frauen in politische Entscheidungen stärker zu unterstützen.
3. Politik und Wissenschaft sollten sich mehr vernetzen.
Ein Teilnehmer aus dem Publikum fragte, ob fehlendes Wissen über die lokalen Akteure und die Konflikthintergründe auch ein Hindernis für eine bessere Prävention sei. Conrad Schetter stimmte dem zu, betonte aber, dass in Deutschland vor allem ein Austausch zwischen Politik und Wissenschaft fehle. Viele Wissenschaftler würden immer noch zu sehr in einem Elfenbeinturm leben und dann „häufig nicht die Sprache sprechen, die man in der Politik und Praxis braucht.“ Häufig fehle die Geduld für einen echten Austausch. Nur so könne das Wissen, das es gerade in der Wissenschaft über viele der sehr komplexen Konfliktsituationen gäbe, an die Politik und Praxis vermittelt werden. In den USA und Großbritannien funktioniere dieser Austausch deutlich besser.
„Wissenschaftler in Deutschland sprechen oft nicht die Sprache, die man in der Politik und Praxis braucht.“
– Prof. Dr. Conrad Schetter, wissenschaftlicher Direktor des BICC
Helmut Asche stimmte Conrad Schetter in diesem Punkt zu. Die zentrale Herausforderung sei es, eine Plattform zu etablieren, auf der die Erkenntnisse aus der Entwicklungszusammenarbeit oder zum Beispiel aus der Afrikaforschung dann auch operativ und strategisch genutzt werden könnten. „Wir wussten eine Menge [in Ruanda]“, erinnerte Asche. „Die Frage ist eben die Mobilisierung dieses Wissens für eine ernsthafte Prävention und das ist das, woran man immer noch arbeiten muss.“
4. Die Instrumente des Auswärtigen Amt, des Entwicklungsministeriums des Verteidigungs-ministeriums erfordern eine bessere Koordi-nation.
Sowohl Rüdiger König, als auch Helmut Asche erwähnten die Notwendigkeit einer effektiven Koordination von allen Instrumenten, die der deutschen Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stünden. „Wenn ich Capacity-Building mache“, so König, „gleichzeitig eine Sicherheitsstruktur aufbaue oder friedenserhaltende Maßnahmen einsetze, muss ich zusammenarbeiten. Das ist keine einfache Formel. Ich glaube das, auch da müssen wir weiter daran arbeiten, dass wir diese Instrumente im operativen Handeln zusammenführen und gezielt einsetzen um den größtmöglichen Erfolg der Anstrengungen, die wir unternehmen, dann auch zu erreichen.“
„Wir wussten eine Menge [in Ruanda]. Die Frage ist eben die Mobilisierung dieses Wissens für eine ernsthafte Prävention und das ist das, woran man immer noch arbeiten muss.“
– Prof. Dr. Helmut Asche, Direktor des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit
5. Deutschland kann die Instrumente der Europäischen Union stärken und ausdifferenzieren.
Ein Teilnehmer im Publikum forderte eine bessere Koordinierung der Politik verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Gerade in der Afrikapolitik könne man auf den verschiedenen Erfahrungen aufbauen, Wissen austauschen und gemeinsam handeln. Ein Hauptmann der Bundeswehr im Publikum hob außerdem die wichtige Rolle von EU-Ausbildungsmissionen in Afrika hervor. Er sei selber mit der Europäischen Union im Auftrag der Bundeswehr in Uganda. Die Ausbildungsmissionen hätten zum Beispiel im Fall Somalia gezeigt, dass diese ein möglicher Weg seien, afrikanischen Staaten und Regierungen dabei zu helfen, sich selbst zu helfen.
Rüdiger König betonte, das außen-politische Instrumentarium der EU sei mit dem von 1994 nicht mehr zu vergleichen. „Dies ist ein Punkt, an dem ich glaube, dass wir als Deutschland wirklich eine sehr starke Rolle spielen können: In der Weiterentwicklung der Instrumentarien der Europäischen Union. Sowohl was das Zivile anbelangt, als auch die Entwicklung nicht-ziviler Möglichkeiten der Europäischen Union wie Polizei und Militär.“
„Bei der Weiterentwicklung des außenpolitischen Instrumentariums der Europäischen Union kann Deutschland eine sehr starke Rolle spielen. Sowohl was das Zivile anbelangt, als auch die Entwicklung nicht-ziviler Möglichkeiten der EU wie Polizei und Militär.“
– Rüdiger König, stellv. Leiter der Abteilung Vereinte Nationen im Auswärtigen Amt
6. Deutschland könnte UN-Missionen stärker unterstützen.
Conrad Schetter betonte während der Diskussion, dass es kaum eine Debatte zu UN-Blauhelm-Missionen in Deutschland gäbe. Es seien weniger als 100 deutsche Blauhelme im Einsatz. Man könne UN-Einsätze sicherlich auch positiv und negativ bewerten, aber er würde sich eine breitere Diskussion darüber wünschen, inwieweit man das Instrument des UN-Peacekeeping mehr unterstützen könnte und sollte.
7. Deutschland kann beim Aufbau von Kapazitäten von Regional-organisationen helfen.
Auf die Frage aus dem Publikum, ob man nicht auch Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union oder die Arabische Liga stärken müsste, damit diese sich für die Verhinderung von Völkermord engagierten, antwortete Rüdiger König, dass die Bundesregierung sich in der Tat sehr dabei engagiere, Regionalorganisationen zu unterstützen. Deutschland unterstütze den Aufbau von Kapazitäten der Afrikanischen Union, auch zu den Themen Management und Organisation. Hier hätte sich die Afrikanische Union in den letzten 20 Jahren auch enorm entwickelt. Sowohl Herr Schetter, als auch Herr Asche gaben allerdings zu bedenken, dass Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union oder ECOWAS in Westafrika in vielen Konflikten auch Interessenparteien seien. Das müsse man immer mitdenken.
8. Deutschland kann weiterhin das Konzept der Schutzverantwortung unterstützen.
Rüdiger König erklärte den Diskussionsteilnehmern, Deutschland könne sich auch weiterhin dafür engagieren, dass das Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P) eine möglichst breite internationale Unterstützung erhalte und sich so irgendwann auch zu einer völkerrechtlich bindenden Norm entwickeln könne. Er erläuterte den Teilnehmern seine Aufgabe als „R2P Focal Point“ der Bundesregierung:
„Ich glaube, wir haben einen großen Schritt schon gemacht. Auch wenn es keine völkerrechtlich anerkannte Norm ist, ist der Ansatz aber doch mittlerweile weitgehend in der Mitgliedschaft der Vereinten Nationen akzeptiert. Das ist schon mal ein Schritt, glaube ich, der erfolgreich ist. Und dieses zu promoten und dieses weiterzuentwickeln ist eine Aufgabe, die die Focal Points wahrnehmen. Die zweite Aufgabe, der wir uns jetzt zuwenden, ist: Wie operationalisieren wir die Responsibility to Protect? Wie wenden wir das Konzept an? Wie weit sozusagen ist die Mitgliedschaft der Vereinten Nationen bereit welche Anwendungsmechanismen zu akzeptieren, umzusetzen und einzusetzen? Das ist, glaube ich, jetzt der Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir treffen uns regelmäßig in New York am Rande der Vereinten Nationen, der Generalversammlung, aber auch an anderen Orten, und, wie gesagt, verstehen uns als Motor der Weiterentwicklung und der Operationalisierung des Konzepts.“
In insgesamt 30 Staaten gäbe es inzwischen einen „R2P Focal Point.“
9. Das Thema sollte weiterhin mit einer breiteren deutschen Gesellschaft diskutiert werden.
Schließlich wurde während der Diskussion immer wieder betont, dass es eine breitere Debatte zum Thema der Konflikt- und Völkermordprävention geben müsse. Frau Schulz-Asche forderte eine breitere Diskussion darüber, was Deutschland im Bereich der Prävention tun könne. Man habe auch zur Frage „Was bringt Entwicklungshilfe“ das Problem einer fehlenden Akzeptanz in der Gesellschaft. Man müsse diskutieren „was kann man tun sowohl entwicklungspolitisch als auch in dem Bereich der Krisenprävention, um als Deutschland oder auch als Europa und eben auch als UN deutlicher aufzutreten?“.
Ein weiterer Diskussionsbedarf bestünde, so mehrere Teilnehmer im Publikum, auch zu der Frage, wann Deutschland Militär einsetzen sollte, um schwerste Menschenrechtsverbrechen zu verhindern. Ein Teilnehmer erinnerte: „Ich bin selber auch dafür, dass Deutschland dort eine stärkere Rolle spielt, wenn alle anderen Methoden versagt haben. Aber ich glaube, was in der Diskussion immer sehr untergeht ist, dass das durchaus gefährlich ist. Also, dass, wenn wir wollen, dass Deutschland sich da stärker einbringt, dass das bedeutet, dass deutsche Soldaten sterben.“ Wolfgang Blam, der als Entwicklungshelfer während des Völkermords in Ruanda blieb und auch im Publikum saß, betonte, als Arzt sei er auch für Prävention. „Aber wer nur Prävention machen will und nicht bereit ist, wenn es schiefgeht, auch zu behandeln, also eine Intensivstation zu haben, der macht sich unglaubwürdig. Eine Militärintervention hätte in Ruanda den entscheidenden Unterschied gemacht.“
Über das Projekt
20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda führte Genocide Alert im Jahr 2014 Podiumsdiskussionen, Interviews und einen Essaywettbewerb durch, um an den Völkermord in Ruanda 1994 zu erinnern und daraus zu ziehende Lehren für die gegenwärtige Politik zu debattieren.
Auf dieser Projektseite hat das Team unter Leitung von Sarah Brockmeier Videoaufnahmen von Podiumsdiskussionen und Vorträgen online gestellt, geführte Interviews und Ergebnisse protokolliert sowie Fachliteratur und Gutachten zusammengetragen, unter anderem zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Ruanda.