Was ist die Schutzverantwortung bzw. die „Responsibility to Protect“?
Nach den schockierenden Völkermorden in Ruanda und in Srebrenica sowie der umstrittenen Intervention im Kosovo in den neunziger Jahren, führte die internationalen Gemeinschaft eine intensive Debatte über die Prävention massiver Menschenrechtsverletzungen. Nach dem offenkundigen Versagen beim Schutz von Zivilisten wurde nach Wegen gesucht, Massenverbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen künftig zu verhindern. Wie können Menschenleben geschützt werden, wenn ein Staat unfähig oder unwillens ist, dies zu tun? Wer trägt die Verantwortung für den Schutz von Zivilisten und wie ist dieser zu gewährleisten? Ab wann kann ein Eingriff von außen gerechtfertigt sein und wie ist dies mit der Staatensouveränität vereinbar? Diese Diskussionen mündeten in der Entwicklung des Konzeptes der „Responsibility to Protect“ (R2P), zu Deutsch „Schutzverantwortung“.
Im Jahr 2001 wurde von einer internationalen Kommission mit dem Prinzip der Schutzverantwortung ein neues Konzept zur Verhinderung von Massenverbrechen entwickelt. Das Ziel: Staatliche Souveränität und Menschenrechtsschutz sollten miteinander in Einklang gebracht und die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft zur Verhinderung schwerster Menschenrechtsverletzungen festgeschrieben werden. Nur vier Jahre später wurde das Konzept der Schutzverantwortung auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen von ausnahmslos allen Mitgliedsstaaten im Jahr 2005 anerkannt.
Die Schutzverantwortung beinhaltet folgende Prinzipien:
- Jeder Staat hat die Verantwortung, seine Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.
- Die internationale Gemeinschaft hat die Aufgabe, Staaten bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung zu unterstützen.
- Wenn ein Staat zum Schutz seiner Bevölkerung nicht fähig oder willens ist, oder gar selbst Massenverbrechen verübt, geht die Schutzverantwortung auf die internationale Gemeinschaft über. Sie ist dann in der Pflicht, angemessene diplomatische, humanitäre oder andere friedliche Mittel zum Schutz von Zivilisten zu ergreifen. Erst wenn derartige Maßnahmen aussichtslos erscheinen, darf und muss die internationale Gemeinschaft bereit sein, auch Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Neben Sanktionen können hierzu auch durch den UN-Sicherheitsrat mandatierte Interventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung zählen.