Die Umsetzung der Schutzverantwortung durch die Bundesregierung

Das Bundeskanzleramt in Berlin
Mit der Verabschiedung der Erklärung des Gipfels der Vereinten Nationen im Jahr 2005 verpflichtete sich auch die Bundesrepublik Deutschland zu den Paragraphen 138 und 139 des Gipfeldokuments und somit zur Schutzverantwortung. Institutionell hat Deutschland die Schutzverantwortung seit 2012 verankert und einen sogenannten R2P Focal Point im Auswärtigen Amt eingerichtet, der am gleichnamigen internationalen Netzwerk beteiligt ist und die deutsche Politik zur RtoP koordinieren soll.
An folgenden Stellen kam es bisher zu einer expliziten Positionierung der Bundesregierung in Fragen der RtoP:
- Im Juni 2017 verabschiedete die Bundesregierung Leitlinien zur Krisenprävention und Friedensförderung: „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“. Im Leitbild erklärt sie: „Die Vermeidung von Krieg und Gewalt in den internationalen Beziehungen, das Verhindern von Völkermord und schweren Menschenrechtsverletzungen und das Eintreten für bedrohte Minderheiten sowie für die Opfer von Unterdrückung und Verfolgung gehören zur deutschen Staatsraison.“ Die Bundesregierung bekennt sich im Abschnitt „Menschenrechte achten, schützen und gewährleisten“ außerdem zum „Prinzip der Internationalen Schutzverantwortung (Responsibility to Protect , R2P) , wie es in der Weltgipfelerklärung der Generalversammlung der Vereinten Nationen 2005 festgeschrieben wurde.“ Die Leitlinien ersetzen den Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004.
- Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach in seiner Rede bei der 472. Bremer Schaffermahlzeit am 12.02.2016 von der humanitären Verantwortung Deutschlands gegenüber den Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz suchen und stellt somit einen Zusammenhang zwischen der Schutzverantwortung und dem aktuellen Flüchtlingsstrom her. Darüber hinaus sieht Steinmeier ebenso eine Verpflichtung Deutschlands aufgrund ebendieser Schutzverantwortung zur internationalen Konfliktbewältigung.
- In der Antwort der Bundesregierung vom 21.07.2015 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT Drucksache 18/5626)betonte die Bundesregierung erneut, dass „die Verhinderung von Massenverbrechen weltweit, welches das Ziel der Schutzverantwortung ist, für die Bundesregierung einen sehr hohen Stellenwert hat. Die Bundesregierung hat daher die Umsetzung des Konzepts der Schutzverantwortung von Anfang an sowohl auf politischer Ebene wie auch in der praktischen Anwendung gemeinsam mit der Europäischen Union aktiv unterstützt. Ein gesonderter Bericht der Bundesregierung zum Stand der Umsetzung der Schutzverantwortung, wie u.a. von Genocide Alert 2012 gefordert, sei jedoch weiterhin nicht vorgesehen.
- Laut dem Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationenin den Jahren 2013 und 2014 bekennt sich die Bundesregierung zur RtoP und ihrer Dreisäulenstruktur und setzt sich als Mitglied der RtoP-Freundesgruppe und in der UN-Generalversammlung für die konzeptionelle Weiterentwicklung ein. Weiterhin warb die Bundesregierung für eine Auseinandersetzung mit Brasiliens Vorschlag einer „Responsibility while Protecting“ und pflegte diesbezüglich den bilateralen Dialog mit Brasilien, Indien und Südafrika, um deren Unterstützung für das Konzept einer RtoP grundlegend zu sichern.
- Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vom Dezember 2013 wurde der Bedarf zur weiteren Ausgestaltung der RtoP und deren völkerrechtlichen Implementierung festgestellt. Betont wurde auch die Notwendigkeit präventiver Maßnahmen in diesem Zusammenhang.
- In ihrem Bilanzbericht zu der zweijährigen Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat von Dezember 2012 fügte die Bundesregierung den folgenden Absatz zur RtoP ein „Das Prinzip der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, RtoP) ist in den letzten Jahren weiter aus seinen konzeptionellen „Kinderschuhen“ herausgewachsen. Die Sicherheitsratsresolutionen 1970 (2011) und 1973 (2011) zu Libyen, sowie Resolution 1975 (2011) zu Côte d’Ivoire nehmen explizit auf das Prinzip der Schutzverantwortung Bezug. Deutschland ist Mitglied der RtoP-Freundesgruppe und hat einen „Focal Point“ im Auswärtigen Amt als Ansprechpartner für RtoP-Maßnahmen eingerichtet. Der Schwerpunkt des deutschen RtoP-Engagements liegt im präventiven Bereich.“
- Das aktuelle Weißbuch der Bundeswehr von 2006 bezieht sich auf die Responsibility to Protect (siehe S.53f) und sagt voraus, dass die Schutzverantwortung „langfristig Auswirkungen auf die Mandatierung internationaler Friedensmissionen“ haben wird. Einer konkreten Bewertung der Norm enthält sich das Dokument jedoch.
Folgende Aussagen lassen zumindest indirekt auf eine Positionierung zur RtoP schließen:
- In einer Stellungnahme der Bundesregierungbekannte sich diese zu ihrer historischen Verantwortung gegenüber Namibia und bezeichnete die Gräueltaten des Deutschen Reiches während des Kolonialkrieges in Südwestafrika als „Völkermord“.
- Im aktuellen Jahresbericht der Bundesregierung von 2014/15 spricht sich die Bundesregierung für ein „entscheidendes Vorgehen der Internationalen Gemeinschaft zur gemeinsamen Krisenbewältigung“ aus und positioniert sich damit zumindest indirekt für den präventiven Aspekt der Schutzverantwortung.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2012 einen Focal Point zur Schutzverantwortung bestimmt:
- Aufgabe des Focal Point ist die Koordinierung der RtoP im nationalen Rahmen sowie der Erfahrungsaustausch auf internationaler Ebene. Darüber hinaus vertritt der Focal Point Deutschland zum Thema Schutzverantwortung nach außen beispielsweise auf den jährlichen Treffen des Global Centre for RtoP (zuletzt am 23. Und 24. Juni 2015 in Madrid).
- Derzeitiger Focal Point ist seit Juli 2015 die Stellvertretende Leiterin der neu geschaffenen Abteilung für Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge des Auswärtigen Amtes.
Bei den Vereinten Nationen hat sich die Bundesregierung mehrmals eindeutig als Unterstützer der Schutzverantwortung positioniert:
- Im Jahre 2010 betonte der deutsche Botschafter bei den Vereinten Nationen, Peter Wittig, in seinem Redebeitrag zur Debatte der VN-Generalversammlung dass Deutschland das Konzept und die Implementierung der Schutzverantwortung voll unterstütze.
- In der Debatte zur Schutzverantwortung in der VN-Generalversammlung im Jahre 2011 äußerte sich der deutsche Vertreter, Christoph Retzlaff, ebenfalls unterstützend, betonte die Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht worden wären und unterstrich die deutsche Unterstützung für die weitere Umsetzung der Schutzverantwortung.
- Am 9. November 2011 sagte der deutsche Botschafter, Peter Wittig, in einem Redebeitrag im Sicherheitsrat zum Thema „Zivilisten in bewaffneten Konflikten“: „This Council has only recently reaffirmed that it is the responsibility of the authorities concerned to protect their own populations. Germany firmly supports this principle of the Responsibility to Protect, including the responsibility of the International Community, through this Council, to take appropriate action should the authorities concerned fail in their duty to protect civilians, and let me add: we should now not start to step back from, or compromise, our commitments that all of us have undertaken by endorsing the Principle of Responsibilty to Protect.”
- Deutschland hat sich zudem bislang jedes Jahr im Rahmen der informellen interaktiven Dialoge der UN Generalversammlung zur Schutzverantwortung zu Wort gemeldet.
Fazit
Auf dem Papier ist die Bundesregierung einer der stärksten Unterstützer der Schutzverantwortung und gehört auf Ebene der Vereinten Nationen der „Group of friends of the reponsibility to protect“ an. Lobenswert ist die Einrichtung eines Focal Points und das Engagement der jeweiligen Amtsträger. Wünschenswert wäre jedoch weiterhin die Einrichtung eines Berichts zur Umsetzung der Schutzverantwortung durch die Bundesregierung. Schließlich gehört die Prävention von Völkermord und Massenverbrechen laut den Leitlinien für Krisenprävention zur deutschen Staatsraison. Die zivile Krisenprävention ist der Bundesregierung äußerst wichtig, jedoch könnte sie deutlich mehr tun, wenn es um konkrete Fälle von Massenverbrechen, wie zum Beispiel im Sudan und der Demokratischen Republik Kongo geht. Ob hierzu ein konkreter Plan der Bundesregierung besteht, ist fraglich.
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