Die Verabschiedung der „Responsibility to Protect“ auf dem Weltgipfel der Vereinten Nationen 2005
Die einstimmige Verabschiedung der Schutzverantwortung durch die Vereinten Nationen, nur vier Jahre nach ihrer Veröffentlichung durch die ICISS, ist als historischer Erfolg zu werten. Dennoch lassen sich im Wortlaut des Ergebnisdokumentes des Weltgipfels einige signifikante Änderung feststellen. Zwar sind schon vorab in dem Bericht des sogenannten High Level Panels und des Berichts „In larger freedom“ von Kofi Annan Änderungen gemacht worden. Diese hatten jedoch die Absicht, einen Beschluss durch die UN wahrscheinlicher zu machen und nicht, den Gehalt der Schutzverantwortung zu verwässern.
Die Vorverhandlungen zum Weltgipfel 2005 zogen sich länger hin als ursprünglich geplant. Ein Grund hierfür war beispielweise das Verhalten der Gruppe nicht-alliierter Staaten, die sich gegen einen Beschluss der Schutzverantwortung wehrten. Auch der Wechsel des amerikanischen Repräsentanten bei den Vereinten Nationen (neu kam: John Bolton, der als sehr UN-kritisch galt und am Kongress vorbei vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush nominiert wurde) erschwerte die Verhandlungen massiv. Taktische Manöver, wie die Formulierungen von Maximalforderungen der verschiedenen Regionalgruppen und einiger Staaten ließen die Verhandlungen beinahe scheitern.
Der erste Entwurf der Abschlusserklärung des Präsidenten Jean Ping hatte trotz kontroverser Verhandlungen nahezu alle wichtigen Forderungen aus dem Bericht des High-level Panels und aus „In larger Freedom“ übernommen. Später wurden jedoch weitreichende Änderungen am Resolutionsentwurf vorgenommen. So wird die Peacebuilding Commission hier detaillierter ausgestaltet, die Paragraphen zur RtoP sind hingegen unverbindlicher formuliert. Der dritte Resolutionsentwurf stellte eine wesentlich umfassendere Annahme der Schutzverantwortung auf, u.a. wegen des darin übernommenen Aufrufs zum Vetoverzicht, der bis dato nicht enthalten war. Mit der darauf folgenden Überarbeitung durch den amerikanischen Repräsentanten John Bolton (welcher insgesamt 700 Änderungsvorschläge einbrachte) wurden ebenfalls die Paragraphen zur Schutzverantwortung radikal umformuliert. Eine Woche vor Verhandlungsende wiederholte Indien seine Besorgnis, die Schutzverantwortung diene als Legitimation westlicher Einmischungen in staatliche Angelegenheiten (vorwiegend von Entwicklungsländern). Zwar unterstützten nur wenige Staaten offen diese Position, doch drohte die Annahme des Konzeptes am Widerspruch Indiens zu scheitern.
Beschluss durch die UN
Einen Tag vor dem Gipfelbeginn enthielt der Resolutionsentwurf noch 150 strittige Passagen und es schien unwahrscheinlich, dass eine Einigung bis zum Beginn am nächsten Tag zustande kommen würde. Durch das Einschalten u.a. der amerikanischen Außenministerin sollte Bolton überzeugt werden, seine harten Verhandlungspositionen aufzugeben. Ein paralleles Dokument, das der aktuelle und der folgende Präsident der Generalversammlung, Jean Ping und Jan Eliasson entworfen hatten, wurde schließlich nach letzten Änderungen zum Ergebnisdokument des Weltgipfels. In diesem heißt es zur Schutzverantwortung in den Paragraphen 138 und 139 schließlich:
138. Jeder Staat hat die Verantwortung für den Schutz seiner Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu dieser Verantwortung gehört es, solche Verbrechen, einschließlich der Anstiftung dazu, mittels angemessener und notwendiger Maßnahmen zu verhüten. Wir akzeptieren diese Verantwortung und werden im Einklang damit handeln. Die internationale Gemeinschaft sollte gegebenenfalls die Staaten ermutigen und ihnen dabei behilflich sein, diese Verantwortung wahrzunehmen, und die Vereinten Nationen bei der Schaffung einer Frühwarnkapazität unterstützen.
139. Die internationale Gemeinschaft hat durch die Vereinten Nationen auch die Pflicht, diplomatische, humanitäre und andere friedliche Mittel nach den Kapiteln VI und VIII der Charta einzusetzen, um beim Schutz von Zivilbevölkerungen vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit behilflich zu sein. In diesem Zusammenhang sind wir bereit, im Einzelfall und in Zusammenarbeit mit den zuständigen regionalen Organisationen rechtzeitig und entschieden kollektive Maßnahmen über den Sicherheitsrat im Einklang mit der Charta, namentlich Kapitel VII, zu ergreifen, falls friedliche Mittel sich als unzureichend erweisen und die nationalen Behörden offenkundig dabei versagen, ihre Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Wir betonen die Notwendigkeit, dass die Generalversammlung die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die sich daraus ergebenden Auswirkungen eingedenk der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts weiter prüft. Wir beabsichtigen außerdem, uns erforderlichenfalls und soweit angezeigt dazu zu verpflichten, Staaten beim Aufbau von Kapazitäten zum Schutz ihrer Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit behilflich zu sein und besonders betroffenen Staaten beizustehen, bevor Krisen und Konflikte ausbrechen.