Didier Moïse, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Die Non-Violence Skulptur vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York

Foto: Didier Moïse, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Was ist das Verbrechen der Aggression?

von Emma Neuber und Paul Stewens

Das Verbrechen der Aggression nimmt eine Sonderrolle unter den Kernverbrechen ein. Das Verbot der Gewaltanwendung gegen andere Staaten ist bereits in der UN-Charta verankert und wird immer wieder verletzt. In besonders schweren Fällen spricht man dabei von einer Aggression. Dass Verantwortliche heute individuell für das Führen eines Angriffskrieges bestraft werden können, ist revolutionär, zugleich aber nicht ohne Hürden und Einschränkungen möglich. Das zeigt die Kontroverse um die Einführung dieses Straftatbestandes zwischen den Vertragsstaaten des Rom-Statuts. Obwohl bereits bei seiner Verabschiedung 1998 festgelegt wurde, dass der IStGH Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression haben soll, konnte erst bei einer Konferenz der Vertragsstaaten 2010 eine Einigung über die genaue Definition des Straftatbestandes gefunden werden. Artikel 8bis wurde dem Rom-Statut hinzugefügt und trat 2017 in Kraft. 

Als Verbrechen der Aggression gilt demnach, die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die eine Verletzung der Souveränität, territorialen Integrität oder politischen Unabhängigkeit eines anderen Staates darstellt.

Art. 8bis 

Verbrechen der Aggression

(1) Im Sinne dieses Statuts bedeutet „Verbrechen der Aggression“ die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, durch eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.

Darunter fällt unter anderem die Invasion eines fremden Staatsgebiets durch Streitkräfte, seine Bombardierung oder Beschießung und das Entsenden bewaffneter Gruppen, die gegen einen anderen Staat kämpfen. 

Allerdings stellt Artikel 8bis weitere Voraussetzungen auf, die eine Strafverfolgung unwahrscheinlicher machen. Zunächst wird der potenzielle Täter:innenkreis begrenzt. Verfolgt werden können nur solche Personen, die tatsächlich in der Lage sind, das militärische oder politische Handeln eines Staates zu lenken oder zu kontrollieren. Damit sind nur höchste Staatsbeamte von der Bestimmung erfasst.  

Zusätzlich muss eine bestimmte Mindestschwere der Aggression erreicht werden. Die oben genannten Handlungen müssen “ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung” des Territoriums eines anderen Staates darstellen. Damit sind zum Beispiel isolierte Grenzzwischenfälle vom Tatbestand ausgenommen.  

Die Vielzahl an Einschränkungen bezüglich der Täter:innen, der Schwere des Angriffs und der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erklärt, warum bisher niemand für Aggressionsverbrechen angeklagt oder gar verurteilt wurde und Verurteilungen in Zukunft auch eher unwahrscheinlich sind. 

Weiterführende Literatur: 

>> eine weitere prozedurale Hürde stellt die besonders eingeschränkte Gerichtsbarkeit des ICC im Fall des Verbrechens der Aggression dar. Eine ausführliche rechtliche Analyse bietet Roger S Clark hier Oxford Public International Law: Exercise of Jurisdiction over the Crime of Aggression: International Criminal Court (ICC) (ouplaw.com) 

>> einen Übersichtsartikel hat auch die Coalition for the ICC veröffentlicht: Crime of Aggression | Coalition for the International Criminal Court (coalitionfortheicc.org) 

Über dieses Projekt

Mit diesem Projekt möchten wir in dieser undurchsichtigen Gemengelage verschiedener Völkerstraftaten ein wenig Übersichtlichkeit schaffen. Wir zeigen, wo die Trennlinien zwischen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Verbrechen der Aggression verlaufen, wo sie sich überlappen und warum es von Bedeutung ist, wie sie eingeordnet werden. Maßgeblich dafür ist das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH), das Gerichtsbarkeit über und individuelle Strafverantwortung für die vier Kernverbrechen begründet: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression.  

Projektleitung: Emma Neuber, Paul Stewens