Torbjorn Toby Jorgensen, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf, Schweiz

Foto: Torbjorn Toby Jorgensen, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Was sind Kriegsverbrechen?

von Emma Neuber und Paul Stewens

Auch wenn es in Konflikten oft nicht so scheint, ist im Krieg nicht alles erlaubt. Dafür sorgt das humanitäre Völkerrecht. In völkerrechtlichen Verträgen (insbesondere den Genfer Konventionen und ihren Zusatzprotokolle) und dem Völkergewohnheitsrecht sind Regeln enthalten, die im bewaffneten Konflikt primär Menschen schützen sollen, die nicht (mehr) an Kampfhandlungen teilnehmen.

Das sind Zivilist:innen, aber auch außer Gefecht gesetzte Kombattant:innen, wie Kriegsgefangene oder Verwundete. Um solche Personen zu schützen, existiert eine Vielzahl an Vorschriften. Dazu zählen das Verbot von vorsätzlichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung oder zivile Objekte, wie Schulen oder Wohnhäuser, bestimmten Arten von Waffen, Plünderungen, aber auch von Folter und unmenschlicher Behandlung, Versklavung und Vergewaltigung. Schwere Verstöße gegen diese Bestimmungen können Kriegsverbrechen darstellen.  

Völkergewohnheitsrecht beschreibt ungeschriebene Normen, die für alle Staaten gelten. Eine Norm gehört dann zum Völkergewohnheitsrecht, wenn sich eine allgemeine Übung und die Überzeugung der rechtlichen Verbindlichkeit der Norm feststellen lässt. Das heißt, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Staaten über einen gewissen Zeitraum einer ungeschriebenen Norm folgen müssen und dabei der Überzeugung sind, dass es sich um eine rechtlich verbindliche Norm handelt.

Dazu müssen zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst müssen Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stattfinden. Dabei ist es ist nicht entscheidend, ob die Kriegsparteien eine formale Kriegserklärung abgegeben haben, sondern die faktische Existenz eines bewaffneten Konflikts ist ausreichend. Laut dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ist das immer dann der Fall,

“wenn es zu einem Einsatz von Waffengewalt zwischen Staaten oder zu langwieriger bewaffneter Gewalt zwischen staatlichen Stellen und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen innerhalb eines Staates kommt”.

Es kann sich also sowohl um internationale als auch um innerstaatliche oder nicht-internationale bewaffnete Konflikte handeln. In internationalen bewaffneten Konflikten stehen sich die Streifkräfte mehrerer Staaten gegenüber. Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt kämpfen die Streitkräfte gegen nicht-staatliche Gruppen.

Darüber hinaus muss ein Zusammenhang zwischen der Tat und dem bewaffneten Konflikt bestehen. Es reicht also nicht aus, dass die Tat während des bewaffneten Konflikts stattgefunden hat. Vielmehr muss dieser Kontext eine wesentliche Rolle dabei gespielt haben, dass der:die Täter:in die Tat begehen konnte, oder die Art und Weise, wie die Tat begangen wurde, oder den Zweck, zu dem sie begangen wurde.  

Neben dem Kontext eines bewaffneten Konfliktes muss eine bestimme Tathandlung begangen worden sein. Diese sind in verschiedenen Rechtsquellen aufgeführt. Viele der oben genannten Verbote finden sich in den Genfer Konventionen , die sie als schwere Verstöße definieren und alle Vertragsstaaten verpflichten, sie zu verfolgen. Auch das Völkergewohnheitsrecht stuft eine Reihe von Handlungen als Kriegsverbrechen ein. Zudem listet Artikel 8 des Rom-Statutes in über 50 Absätzen verschiedene Tathandlungen auf, die Kriegsverbrechen darstellen können, darunter die genannten Verletzungen der Genfer Abkommen.   

Weiterführende Literatur: 

>> eine kurze Einführung zu Kriegsverbrechen findet sich auf der Seite des European Centre for Constitutional and Human Rights

>> eine ausführliche rechtliche Analyse von Kriegsverbrechen bietet Alexander Schwarz in der Max Planck Enzyklopädie des Internationalen Rechts

>> eine Übersicht über Fälle von Kriegsverbrechen vor dem ICTR und dem ICTY kann hier gefunden werden

>> eine Übersicht über Fälle vor dem ICC kann hier gefunden werden

Über dieses Projekt

Mit diesem Projekt möchten wir in dieser undurchsichtigen Gemengelage verschiedener Völkerstraftaten ein wenig Übersichtlichkeit schaffen. Wir zeigen, wo die Trennlinien zwischen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Verbrechen der Aggression verlaufen, wo sie sich überlappen und warum es von Bedeutung ist, wie sie eingeordnet werden. Maßgeblich dafür ist das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH), das Gerichtsbarkeit über und individuelle Strafverantwortung für die vier Kernverbrechen begründet: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression.  

Projektleitung: Emma Neuber, Paul Stewens