Die Linke und die Schutzverantwortung
Die Linke steht dem Thema Schutzverantwortung weiter kritisch gegenüber. Dabei differenziert die Partei zwischen dem Präventionsaspekt, welchen sie begrüßt und der dritten Säule der Schutzverantwortung, welche sie kategorisch ablehnt, da diese auch Zwangsmaßnahmen, wie dein Einsatz militärischer Mittel, miteinschließt.
Partei und Parteiprogramme
In der Wahlperiode 2013-2017 nahm die Linkspartei insbesondere gegenüber der dritten Säule der Schutzverantwortung – die auch militärische Zwangsmaßnahmen miteinschließt – eine sehr kritische Position ein, während sie den Präventionsaspekt begrüßt. Dies zeigte sich in der konsequenten Ablehnung aller Bundeswehreinsätze im Ausland, darunter auch UN-Missionen in Mali und Südsudan. Gleichzeitig setzte sie sich für eine prominentere Rolle der zivilen Krisenprävention in deutscher Außenpolitik ein.
Das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 zeigt bezüglich der Schutzverantwortung ein durchmischtes Bild. Die Linkspartei bekennt sich klar zu einer engagierten Flüchtlingspolitik und einer sektorenübergreifenden Sicht auf Menschenrechtspolitik. Doch auch im Wahlprogramm 2017 lehnt die Linkspartei jegliche Bundeswehreinsätze und damit mögliche UN-Einsätze im Rahmen der Schutzverantwortung ab. Dazu findet der Internationale Strafgerichtshof im Programm keine Erwähnung, und es ist im Wahlprogramm keine klare Linie im Umgang mit autoritären Regimen erkennbar. Folgende Maßnahmen werden bzgl. Außenpolitik und Menschenrechte im Wahlprogramm genannt: die Bundesregierung soll das Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in den Vereinten Nationen unterzeichnen. Die Mittel für den Zivilen Friedensdienst sollen verdoppelt werden. Friedensdienste in Europa und Afrika sollen aufgebaut und finanziert werden. Entwicklungspolitische und sicherheitspolitische Gelder sollten getrennt sein. Rüstungsexporte sollten unterlassen werden, Exporte von Kleinwaffen und Waffenfabriken sofort gestoppt werden. Das Asylrecht müsse wieder hergestellt und legale Fluchtwege ausgeweitet werden.
Auf Parteiebene hat die Linkspartei zwischen 2013 und 2017 insbesondere gegenüber der militärischen Komponente des Prinzips der Schutzverantwortung eine sehr kritische Position eingenommen, der Präventionsaspekt der Schutzverantwortung wird wiederum gelobt. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 antwortete die Linke auf die Frage von Genocide Alert, welcher Stellenwert dem Prinzip der Schutzverantwortung in ihrem Programm für Außen- und Sicherheitspolitik eingeräumt wird: „Die Fraktion DIE LINKE […] begrüßt […] die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, durch einen umfassenden Ansatz, das Konzept der Schutzverantwortung, schwerste Menschenrechtsverbrechen zu unterbinden“. Weiter schreibt sie: „Im Rahmen unserer konsequenten Friedenspolitik, betont die Linke die erste Säule [der R2P – der Pflicht zu Prävention] […]. Militäreinsätze im Rahmen der R2P lehnt DIE LINKE dagegen ab […]“. In ihrem Bundestagswahlprogramm von 2013 erklärt die Linkspartei: „Das Gewaltverbot, wie es die UNO-Charta vorsieht, muss gestärkt werden. Auch die weltweite Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte ist dem Gewaltverbot der UNO-Charta untergeordnet“.
Bundestagswahl 2017
- In den Genocide Alert Wahlprüfsteinen 2017 zur Prävention von Massenverbrechen bekennt sich die Linke zum internationalen Strafgerichtshof.
- Im Genocide Alert Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2017 erhielt DIE LINKE die Note 4+ (ausreichend).
Bundestagsfraktion zwischen 2013 und 2017
Auf nationaler Ebene hat die Linke Bundestagsfraktion in der Legislaturperiode ab 2013 konsequent Position gegen die Beteiligung bzw. Unterstützung der Bundeswehr an den Missionen im Südsudan (UNMISS) sowie in Mali (MINUSMA) bezogen, trotz Mandat des UN-Sicherheitsrates. Allein zivile Maßnahmen könnten nach Aussage von Linken-Abgeordneten Jan von Aken oder Christine Buchholz die Konflikte in Mali und Südsudan beenden. Weiterhin stimmten die Linken gegen eine deutsche Militärbeteiligung am Einsatz gegen den „Islamischen Staat“. Beim Thema zivile Krisenprävention setzen sich Linke-Abgeordnete aktiv für erhöhte Ressourcen und eine stärkere Integration des Konzepts in allen Ressorts ein (siehe Enthaltungsantrag Dezember 2015). Gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zeigt sich die Linke offen, kritisiert allerdings auch die strukturelle Ungleichheit des Gerichtshofs. Anfang 2015 erklärte Linke-Bundestagsabgeordnete Annette Groth, dass die Partei für den IStGH eintrete, jedoch für die internationale Glaubwürdigkeit des IStGH genauso Nichtunterzeichnerstaaten wie die USA oder Israel dem Vertrag beitreten und ihn implementieren müssten.
Von allen Bundestagsparteien vertritt die Linkspartei somit die kritischste Position gegenüber der Schutzverantwortung und dies vor allem hinsichtlich deren militärischer Komponente. Die prinzipielle Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung auf internationaler Ebene bleibt auch nach der Bundestagswahl 2013 eines der Kernmerkmale linker Außenpolitik.
Eine langsame Veränderung deutet womöglich der „Aufruf von Kobane“ an: Im Oktober 2014 kam es im Kontext des Widerstands syrischer Kurden gegen den „Islamischen Staat“ zu einem bemerkenswerten Aufruf durch 12 Bundestagsabgeordnete der Linken, darunter der heutige Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, der u.a. zu einer militärischen Unterstützung der Kurden mit UN-Mandat aufforderte. Dies war seit der Einführung des Prinzips der Schutzverantwortung 2005 ein für die Linke bisher einmaliges Ereignis.
Bundestagswahl 2013
- Hier finden Sie die Antworten der Linken auf die Wahlprüfsteine von Genocide Alert e.V. für die Bundestagswahl 2013 bezüglich des Engagements der Fraktion für die Schutzverantwortung: Meine Stimme für Menschenrechte – Wahlprüfsteine: Die Linke
- Im Menschenrechtszeugnis von Genocide Alert für die Bundestagswahl 2013 erhielt die Fraktion von Die Linke eine 5. Hier zum Ergebnis von Die Linke im Detail.
Partei und Parteiprogramme vor 2013
Auf ihrer Parteiebene hat die Linkspartei eine explizite und extrem kritische Positionierung gegenüber der Schutzverantwortung eingenommen. In ihrem aktuellen Entwurf eines Grundsatzprogramms schreibt die Linke: „Der Schutz der Menschenrechte wird dazu missbraucht, Kriege zu legitimieren“ (Abschnitt 71). Auch in Ihrem Bundestagswahlprogramm aus dem Jahr 2009 stellt die Linkspartei fest: „Es gibt keine ‚humanitären‘ Militärinterventionen. DIE LINKE lehnt daher alle völkerrechtswidrigen Militär- und Kriegseinsätze, auch mit UN Mandat, ab“ (S. 33). Die Partei klärt nicht auf, inwiefern Militäreinsätze mit UN-Mandat völkerrechtswidrig sein können.
Bundestagsfraktion und Abgeordnete vor 2013
Auch vor 2013 sprach sich hat die Linke konsequent Position gegen die Beteiligung bzw. Unterstützung der Bundeswehr an den Missionen im Sudan (UNAMID, UNMISS) sowie der demokratischen Republik Kongo (MONUC/MONUSCO) bezogen. Noch vehementer hat die Linkspartei die vom UN Sicherheitsrat mandatierte militärische Intervention zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung kritisiert. Des Weiteren wird die Rolle der UN Blauhelmmission in der Elfenbeinküste skeptisch gesehen, die zum Schutz der lokalen Zivilbevölkerung vor Gewalt auch bewaffnete Operationen durchgeführt hat. Gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zeigt die Linke eine deutliche Skepsis. Diese wurde deutlich, als die Bundestagsfraktion als einzige den internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wegen schwerster Verbrechen in der Region Darfur ablehnte.
Die Position der Linken gegenüber der Schutzverantwortung ist ausgesprochen kritisch. Anstatt militärischer Mittel sollten Deutschland und die internationalen Gemeinschaft ausschließlich auf zivile Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung zurückgreifen. Der Verweis auf Bedeutung und Vorrang ziviler Mittel wird von allen im Bundestag vertretenen Parteien explizit anerkannt und ist somit kein Alleinstellungsmerkmal der Linken. Der entscheidende Unterschied zu anderen Parteien im Bundestag ist vielmehr, dass die Linke den Einsatz von Militär grundsätzlich ablehnt und sogar dann ausschließt, wenn hierdurch Massaker oder sogar ein Völkermord abgewendet werden könnten. Diese generelle Ablehnung jeglicher militärischer Einsätze erstreckt sich nicht nur auf Operationen im Rahmen der EU oder NATO, sondern auch auf Blauhelmeinsätze der Vereinten Nationen.
Links zu Beiträgen zur Schutzverantwortung durch Abgeordneten der Linkspartei/der Fraktion DIE LINKE:
- Genocide Alert, 12.09.2013: Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2013
- Wolfgang Gehrcke, 6.02.2013, „Niemals werde ich einem Kriegseinsatz zustimmen, sei er auch noch so raffiniert „begründet“.“
- Sevim Dagdelen, 12.06.2012, ‚Schutzverantwortung‘ Gastkommentar. Neue Strategie zur Syrien-Intervention; Junge Welt
- Wolfgang Gehrcke, 28.6.2012, „Debatte zur Schutzverantwortung im Bundestag“ Protokoll der Debatte und Videoaufnahme der Diskussion. Die Rede von Wolfgang Gehrcke finden Sie hier.
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