Die Linke auf Platz Vier
Die Linke hat sich in unserem Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2017 im Vergleich 2013 deutlich verbessert. Dies liegt insbesondere an der stärkeren Berücksichtigung migrationspolitischer Fragen. Zu begrüßen ist ihr klares Bekenntnis zu einer sektorenübergreifenden Sicht auf Menschenrechtspolitik. Dies ist beispielsweise in der Forderung ersichtlich, die Bundesregierung solle das Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in den Vereinten Nationen unterzeichnen. Dennoch weist das Wahlprogramm der Linken auch zur diesjährigen Wahl grobe Unklarheiten und Lücken auf.
Zur Verhinderung systematischer Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Bestrafung solcher Verbrechen finden sich nicht nur keine positiven Hinweise im Wahlprogramm, sondern reihenweise problematische Positionen. Einer der Grundpfeiler des Völkerrechts, der Internationale Strafgerichtshof, findet im Programm keine Erwähnung. Jedoch bekennt sich Die Linke in ihren Antworten auf die Genocide Alert Wahlprüfsteine zur internationalen Strafgerichtsbarkeit.
Ein weiteres Negativbeispiel ist die Aussage, dass „das Gewaltverbot, wie es die UNO-Charta vorsieht“ gestärkt werden müsse. Dies verkennt nicht nur die Legalität und Effektivität von UN-Friedensmissionen, sondern verlässt den Boden, auf dem die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht stehen. Auch hinsichtlich der Ausgestaltung bilateraler Beziehungen bzw. Entwicklungspolitik auf Basis von Menschenrechten ist jenseits der Ablehnung von Migrationspartnerschaften keine kohärente Position erkennbar. Die einzige konkrete Aussage hierzu ist, dass sich die Linke dagegen wende, „EU-Beitrittsverhandlungen mit autoritären Regimen wie im Falle der Türkei zu intensivieren“. Zwar ist die Aussage „Entwicklungszusammenarbeit muss den unterstützten Ländern dabei helfen, ihre Vorstellungen von einer eigenständigen, souveränen Entwicklung umzusetzen“ begrüßenswert. Dennoch hinterlässt sie große Fragezeichen zum Dilemma, wie mit autoritären Regimen in der Entwicklungszusammenarbeit umzugehen ist.
Zu den originellen und sinnvollen Vorschlägen der Linken gehören u.a. die Verdopplung der Mittel für den Zivilen Friedensdienst, die Errichtung eines europäischen und die finanzielle Unterstützung eines afrikanischen Friedensdiensts oder die strikte Trennung entwicklungspolitischer von sicherheitspolitischen Geldern. Letzteres soll durch die Verankerung von „Zivilklauseln in den Gesellschafterverträgen der Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“ gewährleistet werden. Eine weitere progressive Forderung ist die Unterstützung des „Treaty Prozesses der Vereinten Nationen, der ein weltweites Unternehmensstrafrecht einführen will“. Was Rüstungsexporte angeht, zielt die Linke mittel- bis langfristig auf deren gänzliche Einstellung. In einem ersten Schritt soll jedoch zunächst der Export von Kleinwaffen und Waffenfabriken verboten werden. Das Grundrecht auf Asyl soll wieder hergestellt und damit sichere und legale Fluchtwege ausgeweitet werden. Zudem sollen die deutschen Mittel für das UN-Flüchtlingswerk und dem Welternährungsprogramm „ausreichend erhöht“ werden.
Trotz dieser wichtigen Forderungen bleibt das Wahlprogramm der Linken bezüglich der Verhinderung und Ächtung schwerster Menschrechtsverletzungen auch in diesem Jahr zu vage und diffus. Daher die Note voll ausreichend (4+).
Bewertung im Detail
Auswertung des Wahlprogramms von Die Linke
Menschenrechte im Allgemeinen
Wird die „Responsibility to Protect“ oder die Verhinderung massiver Gräueltaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, im Wahlprogramm affirmativ benannt? | Nein |
Werden der Schutz von Menschenrechten, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Sicherheit als zusammenhängend behandelt? | Ja |
Prävention
Wird eine Aufstockung der Ressourcen von Maßnahmen der Krisenprävention gefordert? | Ja |
Soll laut Wahlprogramm die Menschenrechtssituation in einem Land ein wichtiges Kriterium zur Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen sein? | Nein |
Wird eine stärkere Rüstungsexportkontrolle gefordert? | Ja |
Ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit? | Nein |
Wird eine Zusammenarbeit mit Regierungen mit sehr schlechter Menschenrechtsbilanz zum Zwecke der Grenzabsicherung für die Unterbrechung von Migrationsbewegungen abgelehnt? | Ja |
Unterstützung beim Aufbau institutioneller Kapazitäten zum Schutz von Menschenrechten
Werden institutionelle Sicherheitssektorreformen in Drittstaaten positiv benannt (z.B. Förderung der Rechtsstaatlichkeit, Ausbildung der Sicherheitskräfte auf Basis demokratischer und menschenrechtlicher Prinzipien, etc.)? | Nein |
Wird eine klare Trennung zwischen finanziellen Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit und Mitteln für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit gefordert? | Ja |
Wird der Ausbau von institutionellen Kapazitäten im Bereich Menschenrechtsschutz / RtoP angekündigt, wie zum Beispiel der Ausbau eines Frühwarnsystems, Aufbau eines nationalen Friedensrates, Aufstockung der Mittel für Menschenrechtsarbeit, etc.? | Ja |
Wird die Zusammenarbeit mit und die aktive Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofes bekräftigt? | Nein |
Wird eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gefordert? | Nein |
Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverbrechen
Wird die strafrechtliche Verfolgung schwerster Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen gefordert (z.B. auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches oder durch internationale Tribunale und Gerichte)? | Nein |
Wird die Verhinderung schwerster Menschenrechtsverletzungen, wenn nötig mit Einsatz militärischer Mittel, als Ziel genannt? | Nein |
Werden konkrete Instrumente zur Reaktion auf schwerste Menschenrechts-verletzungen im Wahlprogramm ausbuchstabiert (zum Beispiel Verhängung von Sanktionen oder Waffenembargos, strafrechtliche Ermittlungen, etc.)? | Nein |
Wird eine stärkere Unterstützung von UN-Friedensmissionen angestrebt? | Nein |
Wird der Schutz von Menschen, die vor Massenverbrechen geflohen sind und deren Aufnahme in Deutschland bzw. die Gewährung von Asyl für diese Personengruppe als politisches Ziel benannt? | Ja |
Zwischenergebnis Wahlprogramm (17 Punkte erreichbar) | 7 |
Bewertung der Antworten von Die Linke auf die Wahlprüfsteine
1. Welchen Stellenwert haben die Prävention von Massenverbrechen sowie das Konzept der Schutzverantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik Ihrer Partei? | Kein Punkt, weil Begriffe Schutzverantwortung und Massenverbrechen nicht erwähnt werden |
2. Welche Initiativen hat Ihre Partei ergriffen, um die Prävention von Massenverbrechen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene voranzutreiben bzw. welche Initiativen sind geplant? | Kein Punkt, weil nicht auf die Frage geantwortet wird |
3. Welche Initiativen hat Ihre Partei zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und zur Durchsetzung des Völkerstrafgesetzbuches auf nationaler Ebene ergriffen bzw. welche entsprechenden Initiativen sind geplant? | Ein Punkt, weil positiver Bezug auf IStGh und Forderung nach Stärkung auch nationaler Völkerstrafgerichtsbarkeit |
Zwischenergebnis Wahlpüfsteine (3 Punkte erreichbar) | 1 |
Gesamtergebnis (20 Punkte erreichbar) | 8 |
Note | 4+ (voll ausreichend) |