Podiumsdiskussion der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden von Bündnis 90/Die Grünen Hessen am 14.06.2013 in Darmstadt. Auf dem Podium saßen (von links nach rechts): Tom Koenigs, (MdB B90/Die Grünen), Catherine Devaux (Amnesty International), Gregor Hofmann (Genocide Alert), Omid Nouripour (MdB B90/Die Grünen) Peter Strutinsky (emeritierter Friedensforscher Uni Kassel und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag)

Podiumsdiskussion der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden Entwicklung und Internationales von Bündnis 90/Die Grünen Hessen

Welche Rolle spielt die Internationale Schutzverantwortung für die internationalen Reaktionen auf die Krisen in Mali und Syrien? Zu dieser Frage moderierte Gregor Hofmann, ehrenamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Genocide Alert, am 14. Juni 2013 eine Podiumsdiskussion der Landesarbeitsgemeinschaft Frieden Entwicklung und Internationales von Bündnis 90/ Die Grünen Hessen und des Grünen Kreisverbandes Darmstadt im Heiner Lehr Zentrum in Darmstadt.
Tom Königs und Omid Nouripour, beides Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen, Catherine Devaux, Leiterin der Task Force zivile Friedensprävention der deutschen Sektion von Amnesty International und Peter Strutinsky, emeritierte Friedensforscher Uni Kassel und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, diskutierten mit rund 30 Gästen kontrovers über Möglichkeiten und Erfolgsaussichten ziviler wie militärischer Reaktionsmöglichkeiten auf die beiden Konflikte. Trotz der allgemeinen Ratlosigkeit in Bezug auf die Situation in Syrien wurde klar: Prävention schwerster Menschenrechtsverletzungen muss frühzeitig beginnen und sich auch in der deutschen Außenpolitik niederschlagen, bevor die Situation vor Ort eskaliert.

Policy Brief 7/2013 Lesson learned: Die Umsetzung der Schutzverantwortung bei den Wahlen 2013 in Kenia

Im März 2013 wählte das kenianische Volk einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Die Wahlen ereigneten sich ohne weitverbreitete gewaltsame Ausschreitungen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die friedlichen Wahlen das Ergebnis von kurz- und langfristig eingesetzten Präventionsmaßnahmen im Rahmen der „Responsibility to Protect“ (RtoP) waren. Gelungene Prävention ist immer schwer zu beweisen. Dennoch gilt es diesen Erfolg der Schutzverantwortung in Deutschland zu diskutieren, zu erforschen und in die Debatte zur Responsibility to Protect in Deutschland mit einzubeziehen.[i] 

von Yvonne van Diepen und Sarah Brockmeier

 

Warum es sich lohnt über den Erfolg in Kenia zu diskutieren

Vor dem Hintergrund massiver Gewalt-ausbrüche nach den kenianischen Wahlen im Dezember 2007, bei denen etwa 1500 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden, bestand der dringende Verdacht, dass sich ähnliche Menschenrechtsverletzungen bei den diesjährigen Wahlen wiederholen könnten.

Die Vereinten Nationen und Experten warnten im Vorhinein vor ethnisch motivierten Ausschreitungen. Die Wahlen verliefen jedoch ohne Gewaltausbrüche. Für die deutsche Debatte zur Schutz-verantwortung ist es wichtig, dass Fälle erfolgreicher Prävention von schwersten Menschenrechtsverbrechen diskutiert werden, damit sich fundiert mit allen Aspekten des Konzeptes auseinandergesetzt wird und aus Fällen der erfolgreichen Prävention gelernt werden kann.

 

Kenias Maßnahmen im Rahmen der ersten Säule der Schutzverantwortung

Im Rahmen ihrer primären Verantwortung zum Schutz ihrer Zivilbevölkerung ergriff die kenianische Regierung Maßnahmen auf Ebene der „Responsibility to Prevent“. Sie verhinderte damit erneute Gewaltausbrüche. Unterstützt wurde sie maßgeblich durch die kenianischen Zivilgesellschaft und NGOs sowie von multilateralen Partnern. Zu den langfristigen Maßnahmen zählten beispielsweise:

  • Die Errichtung eines landesweiten Frühwarnsystems.
  • Der Aufbau einer staatlichen Kommission für nationale Kohäsion und Integration (National Cohesion and Integration Commission) zur Förderung von Chancengleichheit zwischen den verschiedenen Stämmen und Ethnien fördern.
  • Die Neuregelung von konfliktträchtigen Themen wie Landbesitz und ‑verteilung durch das Verfassungsreferendum 2010.
  • Die Einführung eines föderalen Systems, zur Berücksichtigung regionalspezifischer Interessen.

 

Wirkungsvolle und kostensparende Präventionsschritte im Vorfeld der Wahlen

  • Versand von genormten SMS mit Friedensbotschaften an die Zivilbevölkerung.
  • Aufklärungskampagnen über Wählerrechte und unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen. Organisiert durch lokale Zivilkomitees, wie mobile Friedenstheater oder Fußballveranstaltungen für Jugendliche zur Minderung von Frustration innerhalb der ethnischen Gruppen.
  • Verbot von „Hetzreden“ (hate speeches) und deren Kontrolle durch zivilgesellschaftliche Organisationen.
  • Bei der Durchführung freier und fairer Wahlen halfen hunderte von der Wahlbeobachtungskommission Independent Electoral and Boundaries Commission akkreditierte Kenianer in ihren Wahlkreisen.
  • Gezielte Diplomatie, Druck und die Unterstützung von lokalen und internationalen NGOs, von Seiten der Vereinten Nationen, der Europäischen Union sowie bilateralen Partnern im Rahmen der subsidiären internationalen Gemeinschaft Schutzverantwortung.

Risiken bestehen weiterhin…

Die Wahlen im März 2013 verliefen weder reibungslos noch völlig gewaltfrei. Das Ergebnis der Wahl beförderte Uhuru Kenyatta in das Präsidentenamt – einen Mann der sich wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Wahlen 2007/2008 vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verantworten muss. Die Ursachen der Gewaltpotenziale in Kenia sind nur teilweise behoben. Das Risiko von erneuter Gewalt zwischen Anhängern verschiedener ethnischer Gruppen besteht weiterhin. Die Bemühungen kenianischer und internationaler Akteure dürfen deshalb nicht nachlassen.

…aber dennoch zeigt Kenia das Potenzial der Schutzverantwortung

Trotz fortbestehender Probleme in Kenia sollte innegehalten werden, um den Erfolg der friedlichen Wahlen anzuerkennen. Erfolgreiche Prävention ist immer schwer zu beweisen. Die scheinbar gelungene Prävention von schwersten Menschenrechtsverbrechen in Kenia verdient jedoch die Diskussion in der deutschen Debatte zur Schutzverantwortung. Bei der Anwendung der Schutzverantwortung in Kenia hat sich gezeigt, dass:

  • Auch wenig öffentlichkeitswirksame diplomatische Mittel für den Schutz der Zivilbevölkerung sorgen können.
  • Es sich lohnt die Präventionsmaßnahmen in Kenia zu analysieren und zu diskutieren, um in der Entwicklung von eben diesen voran zu kommen.
  • Die „Zivilmacht Deutschland“ sich in der außenpolitischen Debatte in Bezug auf die Prävention von Gräueltaten stärker mit den Aspekten der Vorbeugung und internationalen Unterstützung auseinandersetzen muss. Das Thema erfordert dafür jedoch den notwendigen politischen Rückhalt und die Führung durch wichtige Politiker.

Jegliche Vorbeugung vor dem Ausbruch flächendeckender Gewalt rettet nicht nur Menschenleben, sondern ist auch unvergleichlich kostensparender als jede mögliche Reaktionsmaßnahme. Es lohnt sich deshalb aus dem Fall Kenia zu lernen.

 

Zum pdf.-Format des Policy Paper 7/2013 „Lesson learned: Die Umsetzung der Schutzverantwortung bei den Wahlen 2013 in Kenia“_der_Schutzverantwortung_GA_Policy_Brief_Juni_2013

 

 

Yvonne van Diepen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Schutzverantwortung bei Genocide Alert.

Sarah Brockmeier ist stellvertretende Vorsitzende von Genocide Alert und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.


[i] Das vorliegende Papier erscheint in Kürze in deutlich umfassenderer Form als Policy Paper der Deutschen Gesellschaft für Vereinte Nationen (DGVN)

 

Genocide Alert trifft sich mit Edward Luck in Berlin

Am 14. Juni trafen sich Dr. Robert Schütte (Vorsitzender von Genocide Alert) und Sarah Brockmeier (stellvertretende Vorsitzende) mit Professor Edward Luck, der von 2008 bis 2012 als Sondergesandter für die „Responsibility to Protect“ für den Generalsekretär der Vereinten Nationen arbeitete. Die Diskussion mit Professor Luck konzentrierte sich auf die aktuelle Situation in Syrien und konkrete Schritte für die Umsetzung der Schutzverantwortung durch Deutschland.

Symposium on Cultural Diplomacy & Human Rights

Vergangene Woche nahm Genocide Alert am Symposium on Cultural Diplomacy & Human Rights mit internationalen NGOs und Experten zur Frage teil, wie sich künftige Völkermorde verhindern lassen.

Der Vorsitzende von Genocide Alert, Dr. Robert Schütte, sprach sich unter anderem für verbessete Frühwarnkapazitäten sowie eine schnellstmögliche Operationalisierug des Konzepts der Schutzverantwortung auf nationalstaatlicher Ebene aus.

Mehr Infos unter www.culturaldiplomacy.de