Stellenausschreibung: Genocide Alert e.V. sucht Studentische Hilfskraft (5h/Woche)

Die deutsche Menschenrechtsorganisation Genocide Alert e.V. sucht ab sofort und befristet für zunächst sechs Monate mit Möglichkeit zur Verlängerung 

eine*n studentische*n Mitarbeiter*in (5h/Woche) 

zur Unterstützung ihrer Menschenrechtsarbeit. 

Die Arbeit kann zeitlich und örtlich flexibel gestaltet werden, ein regelmäßiger Telefon- und Internetzugang ist jedoch erforderlich.  

Genocide Alert e.V. ist eine deutsche Menschenrechtsorganisation, die sich für eine wirksame Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen wie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einsetzt. Seit der Gründung im Jahr 2007 betreibt Genocide Alert aktive Politikberatung und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, Deutschland und die Europäische Union zu einer verantwortungsbewussten, solidarischen und menschenrechtsbasierten Außenpolitik zu bewegen. Genocide Alert ist ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein mit Sitz in Berlin und aktiven Mitgliedern in ganz Deutschland. Die Vereinsarbeit wird durch monatliche Sitzungen über MS Teams koordiniert. 

Zu den Aufgaben gehören u.a. 

  • Mitarbeit bei der Entwicklung von Projekten, insb. bei der Erarbeitung eines Veranstaltungskonzepts 
  • Recherche und Beantragung möglicher Förderoptionen 
  • Pflege der Website und der Social Media-Kanäle 
  • Allgemeine administrative und organisatorische Tätigkeiten  

Dein Profil

  • Immatrikulierte*r Student*in, vorzugsweise in einer Sozial- oder Geisteswissenschaft 
  • Organisatorische und administrative Kompetenz, vorzugsweise Erfahrung mit MS Office/365 
  • Erfahrung in der Pflege von Websites mit WordPress und Social Media (Instagram, X) 
  • Hohe Kommunikations- und Schreibkompetenz 
  • Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Lust auf eigenständiges Arbeiten  
  • Interesse an den Inhalten der Arbeit von Genocide Alert 
  • Vorzugsweise Erfahrung im Bereich Fundraising 
  • Vorzugsweise Erfahrung mit Videobearbeitung 

Was wir bieten

  • Gehalt in Höhe von 13 Euro die Stunde 
  • Flexible Arbeitszeiten 
  • Flache Hierarchie und großes Gestaltungspotential 
  • Arbeit mit einem jungen, interdisziplinären ehrenamtlichen Team 

Wir freuen uns auf Deine aussagekräftige Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf, ggf. weitere relevante Unterlagen) im .pdf-Format an sekretariat@genocide-alert.de bis zum 31.01.2024. 

Die Vorstellungsgespräche finden ab Mitte Februar 2024 per Videokonferenz statt.  

Bei Fragen zur ausgeschriebenen Stelle wende Dich gerne an unseren Vorsitzenden Gregor Hofmann unter der genannten Adresse. 

Worin sich Massenverbrechen unterscheiden: Unterscheidung und Überlappung

Worin unterscheiden und ähneln sich die Kernverbrechen des Rom-Status – Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und das Verbrechen der Aggression?

Worin sich Massenverbrechen unterscheiden: Verbrechen der Aggression

Das Verbrechen der Aggression nimmt eine Sonderrolle unter den Kernverbrechen ein. Dass Verantwortliche heute individuell für das Führen eines Angriffskrieges bestraft werden können, ist revolutionär, zugleich aber nicht ohne Hürden und Einschränkungen möglich.

Worin sich Massenverbrechen unterscheiden: Völkermord

Das Verbrechen des Völkermordes hat den Rang des “crime of crimes” inne. Doch was versteht man rechtlich unter dem Begriff? Und gibt es eine Hierarchie zwischen den Kernverbrechen?

Worin sich Massenverbrechen unterscheiden: Kriegsverbrechen

Auch, wenn es in gegenwärtigen Konflikten oft nicht so scheint, ist im Krieg nicht alles erlaubt. Genau dafür sorgt das Humanitäre Völkerrecht.

Worin sich Massenverbrechen unterscheiden: Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Verschiedene Tathandlungen, wie Tötung, Versklavung, Folter oder Vergewaltigung müssen nicht zwangsläufig Kriegsverbrechen darstellen, sondern können unter Umständen auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden. Entscheidend ist dabei ihr Kontext.

Israel/Palästina: Humanitäre Waffenruhe – jetzt!

Wir sind zutiefst erschüttert über die derzeitige Gewalteskalation in Israel und Palästina unter der vor allem unschuldige Zivilist:innen leiden. Die grausamen Terrorattacken der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Tagen sind schockierend. Wir verurteilen diese Gräueltaten und jene, die sie gutheißen oder gar feiern. Zugleich entbindet diese Grausamkeit die israelischen Streifkräfte nicht von der Achtung des humanitären Völkerrechts. Zivilist:innen und zivile Infrastrukturen müssen geschützt werden und dürfen weder absichtlich noch wahllos angegriffen werden, wie dies derzeit immer wieder der Fall ist. 

Israel hat ein legitimes Recht, sich gegen diesen Angriff zu verteidigen und das Leben seiner Bürger:innen zu schützen. Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte sind dabei jedoch zwingend zu achten. Es liegen bereits Berichte über israelische Angriffe auf zivile Ziele vor, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind. Das Risiko ist hoch, dass das Kriegsvölkerrecht weiterhin vernachlässigt wird. So erklärte der israelische Verteidigungsminister am 10. Oktober, dass Israel zu einer „umfassenden Reaktion“ übergehe und er „jede Einschränkung“ für die israelischen Streitkräfte aufgehoben habe. Der Sprecher der israelischen Armee räumte am 10. Oktober ein: „Der Schwerpunkt liege auf dem Schaden und nicht auf der Genauigkeit.“ Die Aufforderung an die Zivilbevölkerung, den nördlichen Gazastreifen zu räumen, ist nach Einschätzung des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Verbindung mit der Blockade des Gazastreifens unvereinbar mit dem humanitären Völkerrecht. Die geplante Bodenoffensive würde die Lage noch weiter verschärfen. Zugleich unternehmen Terroristen aus dem Gazastreifen immer wieder Versuche, israelisches Gebiet anzugreifen. Der Raketenbeschuss auf zivile Ziele in Israel hält an. 

Angesichts des unermesslichen Leids der Zivilbevölkerung in Israel und Gaza rufen wir alle Seiten zur Achtung des humanitären Völkerrechts und zu einer humanitären Waffenruhe auf. Jedes Menschenleben ist wertvoll. Das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte müssen auch in bewaffneten Konflikten beachtet werden. Hass und Leid dürfen nicht gewinnen.  

Genocide Alert, 26.10.2023

Sudan: Gemeinsame Erklärung von 54 Organisationen fordert mehr Hilfe, Solidarität und Aufmerksamkeit für die Sudan-Krise

Leitungspersonen aus 55 Organisationen, darunter auch Genocide Alert, haben sich zusammengefunden, um eine gemeinsame Erklärung abzugeben, in der die Untätigkeit der Vereinten Nationen, insbesondere des UN-Sicherheitsrats, angesichts der zunehmenden Massenverbrechen im Sudan angeprangert wird. Unter den Unterstützern sind neben international und regional tätigen großen humanitären Nichtregierungsorganisationen, auch Spezialisten für die Verhinderung von Massenverbrechen, Menschenrechtsorganisationen und sudanesischen Organisationen.

Wir hoffen, dass wir die kollektive Kraft unserer Stimmen nutzen können, um die Aufmerksamkeit der Weltorganisation und insbesondere der UN-Generalversammlung auf Sudan zu lenken. Nachfolgend der Text im englischen Original.

Joint Statement Urging More Aid, Solidarity and Attention to Sudan Crisis

(New York, September 13, 2023) – We, the heads of over 50 human rights and humanitarian organizations are coming together to sound the alarm about Sudan, where a disaster is unfolding before our eyes. With fighting continuing across the country, brutal sexual violence rising, widespread deliberate and indiscriminate attacks on civilians, and journalists and human rights defenders being silenced, the country is no longer at the precipice of mass atrocities – it has fallen over the edge.

Since April, when open hostilities broke out in Sudan’s capital, more than five million people have been forced to flee their homes and hundreds of thousands of others may soon be forced to join them. Many are now living in camps with limited access to humanitarian assistance, few educational opportunities for their children, and almost no psychosocial support to help them cope with their traumatic experiences.

Inside Sudan, over 20 million people, 42 percent of Sudan’s population, now face acute food insecurity and 6 million are just a step away from famine. At least 498 children have died from hunger. Clinics and doctors have come under fire throughout the country, putting 80 percent of the country’s major hospitals out of service. 

Hate speech, especially language urging the targeting of communities based on the color of their skin, is always alarming. But with an increasingly fractured social fabric, some fighters targeting civilians based on their ethnicity, and accounts from sexual violence survivors in Darfur who heard their rapists tell them that we hope you bear “our” babies – we fear the worst.  

Twenty years after the horrors of Darfur shocked our conscience, we are failing to meet the moment. Thus far, mediation efforts have not deterred Sudan’s warring parties from continuing to commit egregious abuses. We urge a more unified approach that better represents the voices and perspectives of Sudan’s civilians, including women, youth, and representatives from the historically marginalized “periphery.”

We are committed to working together to urge more aid for, more solidarity with, and greater attention to the needs of Sudan’s civilians. The United Nations humanitarian appeal remains woefully underfunded – at about 25 percent of what is needed – and Sudan’s warring parties continue to undermine efforts to deliver aid safely. Donors should step up humanitarian funding, both for local and international organizations who are providing indispensable assistance in Sudan and neighboring countries.

The costs of inaction are mounting. The UN Security Council should move from talk to action and begin negotiations to pass a resolution that challenges the climate of impunity, reiterates that international law requires providing safe, unhindered humanitarian access, and redirects international efforts to better protect Sudan’s most vulnerable. The consequences of not acting are too grave to imagine.

Signatories (listed alphabetically)

Act for Sudan, Eric Cohen, Co-Founder

African Centre for Justice and Peace Studies, Mossaad Mohamed Ali, Executive Director

Africans for the Horn of Africa, Stella Ndirangu, Coordinator

Amnesty International, Agnes Callamard, Secretary General

Association of Sudanese-American Professors in America (ASAPA), Beckry Abdel-Magid, Secretary

Atrocities Watch, Dismas Nkunda, CEO

Cairo Institute for Human Rights Studies, Bahey El Din Hassan, Director

Carter Center, Paige Alexander, CEO

Center for Civilians in Conflict (CIVIC), Udo Jude Ilo, Executive Director

Center for Peace Building and Democracy in Liberia (CEPEBUD-Liberia), Florence N. Flomo, Executive Director

Committee to Protect Journalists, Jodie Ginsberg, President

Consortium on Gender, Security and Human Rights, Carol Cohn, Director

Darfur Diaspora Association Group in the United Kingdom, Abdallah Idriss, Director

Darfur Women Action Group, Niemat Ahmadi, Founder and President

DefendDefenders, Hassan Shire, Executive Director

EG Justice, Tutu Alicante, Executive Director

Freedom House, Michael J. Abramowitz, President

Genocide Alert, Gregor Hofmann, Chairman

George W. Bush Institute, David Kramer, Executive Director

Global Centre for the Responsibility to Protect, Savita Pawnday, Executive Director

Global Survivors Fund, Dennis Mukwege, President

GOAL, Siobhán Walsh, CEO

HIAS, Mark Hetfield, President & CEO

HUDO Centre, Bushra Gamar, Executive Director

Human Rights Watch, Tirana Hassan, Executive Director

iACT, Sara-Christine Dallain, Executive Director

Institute for Genocide and Mass Atrocity Prevention at Binghamton University, Kerry Whigham, Co-Director

InterAction, Anne Lynam Goddard, Interim President and CEO

International Federation for Human Rights (FIDH), Eleonore Morel, CEO

International Rescue Committee, David Miliband, President & CEO

Jacob Blaustein Institute for the Advancement of Human Rights, Felice Gaer, Director

Legal Action Worldwide, Antonia Mulvey, Founder and Executive Director

MADRE, Yifat Susskind, Executive Director

Mercy Corps, Tjada D’Oyen McKenna, Chief Executive Officer

Montreal Institute for Genocide and Human Rights Studies at Concordia University, Kyle Matthews, Executive Director

Never Again Coalition, Lauren Fortgang, Director

No Business with Genocide, Simon Billenness, Director

Nobel Women’s Initiative, Maria Butler, Executive Director

Nonviolent Peaceforce, Tiffany Easthom, Executive Director

Norwegian Refugee Council, Jan Egeland, Secretary General

Open Society Foundations, Mark Malloch-Brown, President

OutRight International, Maria Sjödin, Executive Director

Physicians for Human Rights, Saman Zia-Zarifi, Executive Director

Plan International, Stephen Omollo, CEO

Project Expedite Justice, Cynthia Tai, Executive Director

Public International Law & Policy Group, Paul R. Williams, President

Refugees International, Jeremy Konyndyk, President

Regional Centre for Training and Development of Civil Society, Mutaal Girshab, Director General

Society for Threatened Peoples, Roman Kühn, Director

Sudan Transparency and Policy Tracker, Suliman Baldo, Executive Director

Sudan Unlimited, Esther Sprague, Founder and Director

Sudanese American Public Affairs Association, Fareed Zein, Board Chairman

The Sentry, John Prendergast, Co-Founder

Torture Abolition and Survivors Support Coalition (TASSC), Aymen Tabir, Executive Director

US-Educated Sudanese Association (USESA), Samah Salman, President

Vital Voices, Alyse Nelson, President & CEO

World Federalist Movement Canada, Alexandre MacIsaac, Executive Director

World Federalist Movement/Institute for Global Policy (WFM/IGP), Amy Oloo, Consulting Executive Director

Menschenrechtsorganisationen warnen vor möglichem Völkermord in Bergkarabach

Die Situation in der zwischen Aserbaidschan und Armenien umstrittenen Region Bergkarabach, auch Nagorny Karabach oder Artsakh, ist kritisch. Verschiedene Organisationen und Experten, darunter auch der ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Morena Ocampo, warnen, dass die Ereignisse den Straftatbestand des Völkermordes erfüllen könnten. Aserbaidschan hat seit Anfang 2023 bis vor kurzem den sogenannten Latschin-Korridor, die einzige direkte Verbindung zwischen Armenien und der Region, nahezu vollständig blockiert. Die Versorgungslage hat sich seitdem gravierend verschlechtert, Nahrung, Medikamente und Energie wurden knapp. Damit wurden der dortigen Bevölkerung katastrophale Lebensumstände aufgezwungen. Zwar verspricht eine kürzliche Einigung auf humanitären Zugang Linderung, die Lage ist aber weiterhin angespannt.

Auf Einladung der in Kanada aktiven Organisation Hayren Partners for Humanity hat Genocide Alert gemeinsam mit mehreren internationalen Menschenrechtsorganisationen und anderen Einrichtungen in diesem Zusammenhang einen offenen Brief unterzeichnet. Darin werden Kanada und verbündete Staaten aufgefordert, mehr zu unternehmen, um die Massenverbrechen in der Region zu stoppen.

Mit dem Brief wurde zudem ein Bericht zur Lage und den mutmaßlichen Verbrechen in Bergkarabach veröffentlicht. Der Bericht wurde ebenfalls von Hayren Partners for Humanity zusammengestellt.

In dem Brief werden von Kanada und der Staatengemeinschaft drei Sofortmaßnahmen gefordert:

1. Sanktionen gegen das aserbaidschanische Regime, da dieses für die anhaltenden Massenverbrechen Bergkarabach verantwortlich ist.

2. Der Zugang für humanitäre Hilfe nach Bergkarabach muss erleichtert werden. Die Zivilbevölkerung, darunter 30.000 Kinder, ist derzeit dringend auf Nahrungsmittel und medizinische Hilfe angewiesen. Die Lage verschlechtert sich rapide, und jeder Tag zählt.

3. Die einheimische armenische Bevölkerung von Bergkarabach muss ihr Selbstbestimmungsrecht anerkannt bekommen. Die systematische Diskriminierung und Unterdrückung unterstreichen die Dringlichkeit dieser Anerkennung.

» Lesen Sie den vollständigen offenen Brief (pdf)

» Der Bericht von Hayren Partners for Humanity kann hier heruntergeladen werden (pdf)

UN-Debatte zur Responsibility to Protect und Stellungnahme der ICR2P

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York diskutierte am 26. und 30. Juni über die Schutzverantwortung (Responsibility to Protect – R2P) und die Verhütung von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dabei wurde der neuste Bericht des UN-Generalsekretärs zur Umsetzung der R2P diskutiert. Die zivilgesellschaftliche Internationalen Koalition für die Schutzverantwortung (International Coalition for the Responsibility to Protect – ICR2P) äußerte sich mit einer schriftlichen Stellungnahme.

Alarmierendes Ausmaß an Massenverbrechen weltweit

Die diesjährige UN-Debatte fand vor dem Hintergrund eines alarmierenden Ausmaßes an Gewalt, Verfolgung und Konflikten weltweit statt. Während der russische Angriffskrieg auf die Ukraine in immer neue Grausamkeiten eskaliert, brachen neue Konflikte in Ländern wie dem Sudan aus, wo bereits in der Vergangenheit immer wieder schwere Gräueltaten verübt worden waren.

Es war das sechste Mal, dass sich die Generalversammlung als Teil der offiziellen Agenda mit dem auch mit R2P abgekürzten Konzept der Schutzverantwortung befasste. Mit dem Beschluss zur Schutzverantwortung hatte sich die Staatengemeinschaft im Jahr 2005 dazu bekannt, dass jeder Staat seine Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen hat. Die Staatengemeinschaft solle sie dabei unterstützen und bei Bedarf durch den UN-Sicherheitsrat aktiv werden, um Menschen vor Gräueltaten zu schützen.

UN-Sonderberater zur R2P George Okoth-Obbo: Millionen Menschenleben hängen davon ab, das Prinzip der R2P mit echter Bedeutung zu füllen

In der Debatte Ende Juni 2023 betonte George Okoth-Obbo, Sonderberater des UN-Generalsekretärs für die Schutzverantwortung, dass Millionen von Menschenleben davon abhingen, dem Prinzip der R2P eine wirkliche Bedeutung zu verleihen und Wege zu seiner wirksamen Umsetzung zu finden.

Sonderberater Okoth-Obbo stellte den neusten Bericht des Generalsekretärs über die Umsetzung der Schutzverantwortung vor („Development and the responsibility to protect: recognizing and addressing embedded risks and drivers of atrocity crimes” UN-Dokument Nr. A/77/910-S/2023/409). Er betonte, dass die Debatte besonders brisant sei, da nach wie vor unzählige Zivilisten in Konfliktsituationen gefangen und Opfer von Völkermord und Kriegsverbrechen seien. Die Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung sei daher heute noch genauso wichtig wie damals, als die Staatengemeinschaft auf dem Weltgipfel 2005 „Nie wieder“ skandiert hatte.

Der Bericht unterstreicht, dass Entwicklung die Voraussetzungen für nachhaltigen Frieden schaffen kann. In weniger entwickelten Ländern könnten jedoch Armut, gesellschaftliche Ungleichheiten, Menschenrechtsverletzungen und Konflikte den Nährboden für Massenverbrechen bereiten. Okoth-Obbo erinnerte daran, dass die jährliche Debatte zur R2P eine Mahnung sei, nicht vom Engagement zur Umsetzung der Schutzverantwortung abzuweichen. Er hob hervor: „Das Leben von Millionen von Menschen hängt davon ab, dass diese Verantwortung wahrgenommen wird“.

In der anschließenden Debatte erörterten die Redner die Frage, ob es sich bei der Schutzverantwortung um ein Prinzip oder einen Begriff handelt. Viele betonten, dass es sich um eine inhärente Verpflichtung souveräner Staaten nach dem Völkerrecht handele, während andere darauf hinwiesen, dass es keinen Konsens über ihre Definition und ihren Geltungsbereich gebe. Somit zeigten sich in der Debatte die alten Konfliktlinien in Bezug auf die Responsibility to Protect.

Der Vertreter Frankreichs, der in der Debatte für eine gemeinsame Initiative mit Mexiko sprach, betonte, dass die Verhinderung von Massenverbrechen eine der obersten Prioritäten der Vereinten Nationen bleiben müsse. Sie forderte die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates auf, sich zu verpflichten, im Falle von Massengrausamkeiten kein Veto einzulegen, und betonte, dass es „keine höhere Verantwortung als die des Schutzes unserer Bevölkerungen“ gebe.

Eine Reihe von Delegierten wiesen auch die Behauptung skeptischer Staaten zurück, die Schutzverantwortung sei nach wie vor eher ein undefinierter Begriff, der häufig dazu benutzt werde, sich in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen. Vielmehr sei es wichtig durch konkrete Beispiele Hinweise für eine effektive Umsetzung und Implementierung der Schutzverantwortung in konkrete Politik und Programme zu geben.

In der Sitzung meldeten sich 54 UN-Mitgliedstaaten, eine Beobachtermission und die Europäische Union (EU) zu Wort und sprachen dabei im Namen von 102 Ländern und zwei Beobachtermissionen. Eine umfangreiche Zusammenfassung der Debatte ist auch auf der Website des Global Centre for the R2P zu finden. Da es sich um eine offizielle Debatte handelte, konnten sich zivilgesellschaftliche Organisationen nicht direkt in der Generalversammlung äußern.

Stellungnahme der Internationalen Koalition für die Schutzverantwortung zur UN-Debatte zur R2P am 26. Juni 2023

Die Internationalen Koalition für die Schutzverantwortung, zu der auch Genocide Alert gehört, hat folgende Stellungnahme zur Debatte der UN-Generalversammlung zur R2P am 26. Juni 2023 und zum diesjährigen Bericht des Generalsekretärs veröffentlicht (Die englische Original-Version der Stellungnahme kann hier als pdf abgerufen werden).

Die Internationale Koalition für die Schutzverantwortung (ICR2P) begrüßt die diese Woche stattfindende Plenarsitzung der UN-Generalversammlung zum Thema „Die Schutzverantwortung (R2P) und die Verhinderung von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. ICR2P ist eine engagierte Gemeinschaft von 65 zivilgesellschaftlichen und nichtstaatlichen Organisationen aus der ganzen Welt, die sich für die Förderung der Menschenrechte, die Verhinderung von Gräueltaten und die wirksame und konsequente Umsetzung der R2P einsetzen.

ICR2P begrüßt den diesjährigen Schwerpunkt „Entwicklung und Schutzverantwortung“ im Bericht des UN-Generalsekretärs zur R2P. Wiederkehrende Gewalt, Konflikte und Gräueltaten in der ganzen Welt haben ihre Wurzeln oft in langjähriger institutionalisierter Diskriminierung, wirtschaftlicher Ungleichheit und Ungerechtigkeit, ungleichem Zugang zu Bildung, sozialer Ausgrenzung sowie Verletzungen und Missbrauch von Menschenrechten, einschließlich wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, und können durch die Auswirkungen des Klimawandels, den Verlust der biologischen Vielfalt und andere Umweltbelastungen noch verschärft werden. Diese Faktoren sind nicht nur selbst eine Quelle von Konflikten, sondern können auch die Fähigkeit einer Gesellschaft, Gräueltaten zu verhindern, erheblich beeinträchtigen. In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wird anerkannt, dass eine nachhaltige Entwicklung von der Förderung friedlicher, gerechter und inklusiver Gesellschaften abhängt, die frei von Angst und allen Formen von Gewalt sind. Die Förderung des Wirtschaftswachstums, die Verringerung der Armut und die Verbesserung der sozialen Bedingungen sind wiederum entscheidende Grundlagen für widerstandsfähige Gesellschaften, die das Risiko von Massenverbrechen vermindern und gefährdete Bevölkerungsgruppen schützen können. In dieser Hinsicht kann die Verwirklichung der Agenda 2030 als ein Eckpfeiler der Prävention von Gräueltaten betrachtet werden.

Wie im Bericht des Generalsekretärs erwähnt, zeigen die komplexen Zusammenhänge zwischen Entwicklung, Gräueltaten und R2P, wie wichtig ganzheitliche Präventionsmaßnahmen sind. Grausame Massenverbrechen sind keine zufälligen oder isolierten Vorfälle. Um die Bevölkerung vor Gräueltaten zu schützen, muss die internationale Gemeinschaft die zugrunde liegenden Faktoren verstehen, die menschliches Leid fortwährend herbeiführen, und in eine sinnvolle, wirksame und ganzheitliche Prävention investieren. Dies sollte auf einer umfassenden Frühwarnung beruhen, die eine akkurate Identifizierung aller Risikofaktoren beinhaltet, einschließlich derer, die mit Entwicklungsindikatoren zusammenhängen. Einige der wirksamsten Maßnahmen zur Verhütung von Gräueltaten sind nämlich diejenigen, die darauf abzielen, sozioökonomische Ungleichheiten, schlechte Regierungsführung, schwache Institutionen sowie Misswirtschaft und Missbrauch natürlicher Ressourcen zu verringern. Einzelne Mitgliedstaaten, regionale Gremien und das UN-System müssen solche Maßnahmen wirksamer ergreifen, um gefährdete Bevölkerungsgruppen besser zu schützen und kostspielige Nachsorgemaßnahmen nach Gräueltaten zu vermeiden.

Die internationale Gemeinschaft verfügt bereits über eine breite Palette von Instrumenten, um eine ganzheitliche Prävention von Gräueltaten zu gewährleisten. Was wir jetzt brauchen, ist ein umfassender und einheitlicher Ansatz für eine wirksame Umsetzung. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen müssen sich unbedingt darum bemühen, Silos innerhalb des Systems aufzubrechen, indem sie die drei Säulen der Vereinten Nationen – Entwicklung, Menschenrechte sowie Frieden und Sicherheit – in einer Weise umsetzen, die die Wirksamkeit der Maßnahmen innerhalb jeder Säule ergänzt und verstärkt. Die Mitgliedstaaten sollten darauf hinarbeiten, die bereichsübergreifende Prävention von Gräueltaten im UN-System zu stärken, auch durch die Verknüpfung sektorübergreifender Agenden wie dem „Call to Action for Human Rights“ und „Our Common Agenda“. Dazu gehört auch die Stärkung der Art und Weise, wie Entwicklungszusammenarbeit, technische Unterstützung und Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau genutzt werden, um die Ursachen zu bekämpfen und andere Faktoren, die das Risiko von Gräueltaten erhöhen, abzuschwächen. Insbesondere die Peacebuilding Commission kann eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Staaten beim Übergang von Konflikten und Gräueltaten zu nachhaltigem Frieden spielen, indem sie sich mit den zugrunde liegenden Entwicklungsindikatoren befasst. Die Mitgliedstaaten sollten Möglichkeiten für ein stärkeres Engagement der Kommission für Friedenskonsolidierung prüfen, wenn es darum geht, Staaten zu unterstützen und den UN-Sicherheitsrat bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Schutzverantwortung zu beraten.

Wirksame Bemühungen zur Verhütung von Gräueltaten hängen auch von der Einbeziehung der Zivilgesellschaft ab. Die Zivilgesellschaft und die betroffenen Bevölkerungsgruppen, einschließlich jener, die Gräueltaten überlebt haben, verfügen über ein tiefgreifendes Verständnis und Fachwissen, das die UN-Mitgliedsstaaten in die Entwicklung und alle Bemühungen zur Verhütung von Gräueltaten einbeziehen und in den Mittelpunkt stellen sollten. Zivilgesellschaftliche Akteure und betroffene Gemeinschaften sind oft die ersten, die die Indikatoren und Frühwarnzeichen von Gräueltaten beobachten und dokumentieren – sie sind auch am stärksten von den wirtschaftlichen und sozialen Verwüstungen betroffen, die durch Gräueltaten angerichtet werden. Daher sollten die Akteure der Zivilgesellschaft und die betroffenen Gemeinschaften bei den Bemühungen um Frieden und Entwicklung nach Konflikten an vorderster Front stehen. Sie sind am besten in der Lage, die für ein langfristiges, nachhaltiges Wachstum erforderlichen Strategien zu beurteilen, einschließlich der am besten geeigneten Entwicklungsmaßnahmen, die eine strukturelle Prävention erleichtern können. Die Regierungen sowie internationale und regionale Organisationen müssen ihre Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den betroffenen Bevölkerungsgruppen in jeder Phase des Entscheidungsprozesses vertiefen, insbesondere bei der Festlegung von Entwicklungsprioritäten sowie bei der technischen Hilfe und dem Kapazitätsaufbau. Auf diese Weise kann die internationale Gemeinschaft angemessenere und wirksamere Präventivmaßnahmen ergreifen, die auf den Rechten der Menschen beruhen und sich an den Bedürfnissen der Gemeinschaften orientieren.

Die ICR2P würdigt die Staaten, die damit begonnen haben, kohärente regierungsweite Strategien und Ansätze zur Verhütung von Gräueltaten zu entwickeln, die die Geschlechter einbeziehen. Die ICR2P fordert alle Staaten auf, den Aufbau ähnlicher nationaler und regionaler Strukturen zur Verhinderung von Gräueltaten in Betracht zu ziehen, um Frühwarnung und Maßnahmen als zentrale Prioritäten zu institutionalisieren. Die Staaten sollten auch sicherstellen, dass Entwicklungshilfeprogramme allen Gemeinschaften gleichermaßen zugutekommen, Spannungen abbauen und die lokale Bevölkerung, einschließlich Frauen, indigener Völker, Angehöriger von Minderheiten und anderer Randgruppen, stärken. Die Mitgliedstaaten sollten die Mittel für einschlägige Programme zur Förderung des sozialen Zusammenhalts, zur Verhinderung identitätsbezogener Gewalt und zum Abbau von Spannungen zwischen den Gruppen sowohl in ihren inneren als auch in ihren äußeren Angelegenheiten aufstocken, ohne jedoch Mittel aus anderen Bereichen der Unterstützung und Hilfe für bedürftige Bevölkerungsgruppen abzuziehen.

Die ICR2P ruft alle UN-Mitgliedsstaaten auf, die diesjährige Plenarsitzung der Generalversammlung zum Thema R2P als Gelegenheit zu nutzen, nicht nur individuelle und kollektive Verpflichtungen zur Verhinderung von Gräueltaten und zur Schutzverantwortung zu erneuern, sondern diese Verpflichtungen auch in zeitnahe und wirksame Maßnahmen zu übersetzen. Als die Schutzverantwortung 2005 auf dem Weltgipfel beschlossen wurde, waren sich die Staaten einig, dass politische Erwägungen keine Entschuldigung für Untätigkeit angesichts der abscheulichsten Verbrechen sein können. Doch heute sind wir mit einem noch nie dagewesenen Ausmaß an Gewalt, Gräueltaten und Vertreibung konfrontiert. Die ICR2P steht als Partner für einzelne Staaten, regionale Gremien und die internationale Gemeinschaft bereit, um sicherzustellen, dass unsere dauerhafte Schutzverantwortung konsequent und ausnahmslos aufrechterhalten wird. Dies wird uns helfen, Schrecken der Vergangenheit zu vermeiden und den Kreislauf der Massenverbrechen zu durchbrechen.


» Weitere Informationen zur Responsibility to Protect sind zu finden auf unserem Informationsportal www.schutzverantwortung.de