Christoph Schlimpert (Genocide Alert) zur SWP-Studie „Über die Responsibility to Protect zum Regimewechsel“ von Lars Brozus und Christian Schaller

Lars Brozus und Christian Schaller von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) greifen in ihrer aktuellen Studie offene Fragen in der Anwendung der Schutzverantwortung auf. Diese wurden zuletzt am deutlichsten in Fall der Libyen-Intervention und der Problematik eines von außen herbeigeführten Regimewechsels aufgeworfen.

In der zweigeteilten Analyse widmet sich Christian Schaller vor allem den völkerrechtlichen Spielräumen und Grenzen eines militärischen Eingreifens im Rahmen der Schutzverantwortung. Zentrale Streitfrage ist in den gegenwärtigen Debatten die Interpretation des VN-Mandates zum Schutz der Zivilisten im libyschen Bürgerkrieg. Die weite Auslegung der Resolution, zur Durchsetzung einer Flugverbotszone wurden militärische Ziele des Gaddafi-Regimes direkt angegriffen, stieß auch bei jenen Staaten auf Kritik, die dem Text ursprünglich zugestimmt hatten.

Schaller kommt in seiner Bewertung jedoch zu dem Schluss, dass ein solches Vorgehen nicht „dem Geist der Schutzverantwortung“ widerspricht. In solch einem Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen von Seiten eines Regimes, sei „es kaum mehr möglich, auf die Konfliktparteien neutral und unparteilich einzuwirken.“ Ein Regimewechsel im Rahmen eines Einsatzes sei nicht völkerrechtswidrig, solange er auf den Schutzzweck abziele.

Ein „möglichst stabiler Konsens über die Bedingungen ihrer Umsetzung“ sei im Sinne einer „kohärenten und wirksamen Schutzverantwortungspolitik“ sowie förderlich um bestehende Uneinigkeiten der internationalen Gemeinschaft zu überwinden. Klar gefasste Mandate, eine engere Zusammenarbeit mit den involvierten Regionalorganisationen und eine engere Kooperation mit den aufstrebenden Demokratien seien hierfür wichtig.

Lars Brozus thematisiert in seinem Teil der Studie die „Entwicklungsperspektiven der Schutzverantwortung aus politischer Sicht“. Trotz der mittlerweile festen Verankerung der Schutzverantwortung in der internationalen Politik bestehe Klärungsbedarf hinsichtlich der mit der Norm verbundenen Problemen und Dilemmata.

Der „fehlende politische Wille zum wirksamen Eingreifen“ sei nach wie vor das „größte Hindernis auf dem Weg zu einer gemeinsamen Schutzverantwortungspraxis“. Dies sei auf „mangelndes Vertrauen unter den Mitgliedern der Staatengemeinschaft“ zurückzuführen. Die vom VN-Generalsekretär aufgestellten Leitgedanken zur Autorisierung, Begründung und Durchführung von RtoP-Einsätzen seinen geeignet, vertrauensbildend zu wirken.

Abschließend werden Stand und Perspektive deutscher und europäischer Schutzverantwortungspolitik diskutiert und konkrete Empfehlungen gegeben, wie Deutschland einen stärkeren Beitrag leisten könnte:

  1. Zusammenarbeit mit den demokratischen Gestaltungsmächten: Aufbauend auf bisherigen Erfahrungen Deutschlands als „Brückenbauer“ zwischen den westlichen Staaten und Ländern wie Brasilien, Indien und Südafrika könnte die Bundesrepublik dazu beitragen, dass deren Vorschläge zur „konzeptionellen und operativen Weiterentwicklung der Schutzverantwortung“ Gehör finden und so einen globalen Konsens fördern.
  2. Eine neue internationale Kommission: Deutschland könnte, zusammen mit der Europäischen Union, die Einrichtung einer neuen Kommission, nach Vorbild der von Kanada initiierten „Kommission zu Intervention und Staatensouveränität (ICISS)“ unterstützten. Ziel wäre „die bei der Anwendung der R2P zutage getretenen Defizite und Lücken des Schutzverantwortungskonzepts zu beseitigen bzw. zu füllen.“
  3. Frühwarnung, Prävention und nichtstaatliche Akteure: Deutschland sollte dafür werben, dass mehr Focal Points geschaffen werden und gegebenenfalls deren Einrichtung in Drittstaaten fördern. Zudem sollte die Bundesrepublik mit gutem Beispiel voran gehen und Ressourcen für eine bessere Vernetzung und Koordinierung der verschiedenen NGOs und Frühwarnsysteme bereitstellen. Hierzu könnte das Büro des Sonderberaters des Generalsekretärs für die Verhinderung von Völkermord dienen, dem derzeit die dafür notwendigen finanziellen und personellen Mittel fehlen.

Zur Studie: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2013_S13_bzs_slr.pdf