Vorgehen bei der Bewertung der Wahlprogramme
Die Initiative „Meine Stimme für Menschenrechte!“ von Genocide Alert ist eine Orientierungshilfe für alle, die bei der Bundestagswahl 2017 eine Partei mit mutiger und konstruktiver Menschenrechtspolitik wählen möchten. Das von Genocide Alert e.V. erarbeitete und herausgegebene Menschenrechtszeugnis umfasst eine Bewertung der Wahlprogramme und Stellungnahmen der voraussichtlich nach der Bundestagswahl 2017 im Bundestag vertretenen Parteien. Es konzentriert sich dabei auf die Menschenrechtspolitik der Parteien, mit einem Schwerpunkt auf der Prävention schwerer Massenverbrechen.
Alle Wahlberechtigten sollten durch entsprechende Informationen die Möglichkeit haben abzuwägen, welcher Partei sie ihre Stimme geben möchten. Aus diesem Grund gibt Genocide Alert keine allgemeine Wahlempfehlung ab, denn neben der Frage des internationalen Menschenrechtsschutzes spielen auch die jeweiligen Positionen zur Sozial-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik eine wichtige Rolle.
Kriterien für die Bewertung der Wahlprogramme
Die Wahlprogramme wurden auf Basis eines Leitfadens mit vier Themebereichen zu je zwei bis fünf Fragen bewertet. Insgesamt beinhaltet der Fragebogen 17 Fragen. Die Auswertung erfolgte durch Mitglieder von Genocide Alert. Streitfälle wurden in der Gruppe im Konsens entschieden. Jede Frage war mit Ja (Thema wird im Wahlprogramm thematisiert) oder Nein (Thema wird im Wahlprogramm nicht thematisiert) beantwortbar. Für jede positiv beantwortete Frage wurde ein Punkt vergeben.
Ein Wahlprogramm konnte somit bis zu 17 Punkte erreichen. Da die Fragen nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können, reicht die befürwortende Benennung eines Themas für eine Punktvergabe aus.
Unsere Fragen an die Parteien
Ergänzt wurde die Bewertung der Wahlprogramme durch die Vergabe von bis zu drei Zusatzpunkten für Antwortschreiben auf die von Genocide Alert verschickten Wahlprüfsteine an die Parteien. Diese umfassten die unten genannten drei Fragen. Für jede dieser Fragen, die in einem positiven, die Schutzverantwortung oder den IStGh unterstützenden Tenor beantwortet wird, wurde ein Punkt vergeben.
- Welchen Stellenwert hatte das Konzept der Schutzverantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik Ihrer Partei?
- Welche Initiativen hat Ihre Partei ergriffen, um die Umsetzung der Schutzverantwortung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene voranzutreiben bzw. welche Initiativen sind geplant?
- Welche Initiativen hat Ihre Partei zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und zur Durchsetzung des Völkerstrafgesetzbuches auf nationaler Ebene ergriffen bzw. welche entsprechenden Initiativen sind geplant?
Notenvergabe
Insgesamt konnte eine Partei somit bis zu 20 Punkte erreichen. Daher ist ein Wahlprogramm mit 4 oder weniger Punkten als mangelhaft eingestuft. Von dieser Schwelle aus beginnend wird gemäß dem Schulnotensystem in vierer Schritten benotet. Daraus ergibt sich folgende Notenskala:
- 0-4 Punkte: mangelhaft (Note 5)
- 5-8 Punkte: ausreichend (Note 4)
- 9-12 Punkte: befriedigend (Note 3)
- 13-16 Punkte: gut (Note 2)
- 17-20 Punkte: sehr gut (Note 1)
Fragen für die Bewertung der Wahlprogramme
Menschenrechte im Allgemeinen
- Wird die „Responsibility to Protect“ oder die Verhinderung massiver Gräueltaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, im Wahlprogramm affirmativ benannt?
- Werden der Schutz von Menschenrechten, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Sicherheit als zusammenhängend behandelt?
Prävention
- Wird eine Aufstockung der Ressourcen von Maßnahmen der Krisenprävention gefordert?
- Soll laut Wahlprogramm die Menschenrechtssituation in einem Land ein wichtiges Kriterium zur Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen sein?
- Wird eine stärkere Rüstungsexportkontrolle gefordert?
- Ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit?
- Wird eine Zusammenarbeit mit Regierungen mit sehr schlechter Menschenrechtsbilanz zum Zwecke der Grenzabsicherung für die Unterbrechung von Migrationsbewegungen abgelehnt?
Unterstützung beim Aufbau institutioneller Kapazitäten zum Schutz von Menschenrechten
- Werden institutionelle Sicherheitssektorreformen in Drittstaaten positiv benannt (z.B. Förderung der Rechtsstaatlichkeit, Ausbildung der Sicherheitskräfte auf Basis demokratischer und Menschenrechtlicher Prinzipien, etc.)?
- Wird eine eindeutige Abgrenzung der finanziellen Mittel für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit anderen Staaten, wie z.B. Ausbildung oder „Ertüchtigung“ der Streitkräfte, von den finanziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit gefordert?
- Wird der Ausbau von institutionellen Kapazitäten im Bereich Menschenrechtsschutz / RtoP angekündigt, wie zum Beispiel der Ausbau eines Frühwarnsystems, Aufbau eines nationalen Friedensrates, Aufstockung der Mittel für Menschenrechtsarbeit, etc.?
- Wird die Zusammenarbeit mit und die aktive Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofes bekräftigt?
- Wird eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gefordert?
Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverbrechen
- Wird die strafrechtliche Verfolgung schwerster Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen gefordert (z.B. auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches oder durch internationale Tribunale und Gerichte)?
- Wird die Verhinderung schwerster Menschenrechtsverletzungen, wenn nötig mit Einsatz militärischer Mittel, als Ziel genannt?
- Werden konkrete Instrumente zur Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen im Wahlprogramm ausbuchstabiert (zum Beispiel Verhängung von Sanktionen oder Waffenembargos, strafrechtliche Ermittlungen, etc.)?
- Wird eine stärkere Unterstützung von UN-Friedensmissionen angestrebt?
- Wird der Schutz von Menschen, die vor Massenverbrechen geflohen sind und deren Aufnahme in Deutschland bzw. die Gewährung von Asyl für diese Personengruppe als politisches Ziel benannt?