Si vis bellum, para pacem ? Wie Khartums präkäre Beziehungen mit dem Südsudan einen Frieden in Darfur erwirken könnte
Der Konflikt in Darfur hat bis ins Jahr 2010 schätzungsweise 400.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als 2,7 Millionen vertrieben. Nach jahrelangen Kämpfen wurde nun am 20. Februar eine 60-tägige Waffenruhe zwischen der Regierung und Vertretern des Justice and Equality Movement (JEM) unterzeichnet. Dies ist seit langem ein Zeichen der Hoffnung für Frieden in einer von Krieg und Zerstörung gebeutelten Region. Doch wurden bei kürzlichen Kämpfen wurden Einheiten der JEM verschont, andere Rebellengruppen aber nach wie vor ins Visier genommen. Und inwiefern finden die an und für sich begrüßenswerten Friedensbemühungen in einem Klima eines nach wie vor nicht ausgeschlossenen neuen Nord-Süd-Bürgerkriegs statt? Versucht der sudanesische Präsident, Omar al-Bashir, die Front in Darfur zu befrieden um den Rücken für eine erneute Auseinandersetzung mit dem sezessionswilligen Süd-Sudan frei zu haben?
Am 20. Februar war es soweit, das Abkommen wurde vom sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und JEM Führer Khalil Ibrahim in N’Djamena, der Hauptstadt des benachbarten Tschad, unterzeichnet. Diese Übereinkunft ist bemerkenswert, da die JEM bis Mai 2009 eine der wenigen Gruppen war, die nicht bereit war, den Konflikt mit der sudanesischen Regierung zu diskutieren. Darüber hinaus ist es die Sudan Liberation Army (SLA), die sich ebenfalls weigert, mit der Regierung zu sprechen bevor es nicht ein Ende der Gewalt gibt. Der Ort der Verhandlungen ist auch von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass der Tschad bisher JEM und andere Rebellengruppen unterstützt hat und vielen vertriebenen Darfurern ein Zufluchtsort geworden ist. Ohne die Unterstützung des Tschads, welcher den Rebellen bis heute einen Rückzugsraum geboten hat, wären die Aufständischen gar nicht in der Lage gewesen, der Regierung Sudans Paroli zu bieten.
Trotz der kürzlich ausgehandelten begrüßenswerten Waffenruhe besteht jedoch die Gefahr, dass es sich um ein Manöver Bashirs handeln könnte, um sich die JEM zeitweilig vom Leibe zu halten. So finden parallel zu den Friedensverhandlungen mit zehn anderen Rebellengruppen in Doha Fliegerangriffe auf Siedlungen in Darfur statt. Rebellen in der Gegend berichten, dass innerhalb von zwei Tagen 50 Zivilisten Opfer von Kämpfen in der strategisch wichtigen Region in zentralen Darfur geworden seien. Die einzige Hilfsorganisation vor Ort ist gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Nach Angaben der Organisation Médecins du Monde, wurden 100.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben. Man kann die neuesten Angriffe als einen Versuch der Regierung interpretieren, die verbleibenden Rebellengruppen durch Gewalt zu einem Einlenken zu zwingen. In der Tat drängen die Vermittler der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen, die Gastgeber aus Katar und der US-Sondergesandte Scott Gration die Rebellengruppen, mit der Regierung Sudans parallel zu JEM zu verhandeln und am Ende beide Vereinbarungen miteinander zu verbinden.
Khartums plötzlicher Eifer, die Rebellengruppen zu einer Waffenruhe, wenn nicht sogar zu einem Frieden zu drängen, lässt sich mit Hinblick auf die mögliche Unabhängigkeit des Süd-Sudans und dem Unabhängigkeitsreferendum im Januar 2011 erklären. Falls sich der erdölreiche Süden nach dem Referendum zur Sezession entschließen sollte, würde dies aller Wahrscheinlichkeit nach erneut Krieg bedeuten. Aus der Perspektive Khartums wäre ein Frieden in Darfur vor allem deshalb wichtig, um nicht einen Zwei-Fronten-Krieg gegen den Süden und Westen des Landes führen zu müssen. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass die Furcht vor einer Abspaltung des Südens das Handeln der Regierung in Khartum ditkiert. Außerdem könnte Präsident Bashir im Sinn zu haben, die bevorstehenden nationalen Wahlen zu nutzen, um sich und die Herrschaft seiner Partei trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs zu legitimieren. „erfolgreiche“ Wahlen könnten als Argument missbraucht werden, Bashir nicht für seine Kriegsverbrechen und schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu machen.
Die internationale Gemeinschaft, die EU und Deutschland sind nun gefragt, die Waffenruhe zwischen Khartum und JEM zu unterstützen, weitere Rebellengruppen zur Teilnahme zu bewegen und letztlich einen umfassenden Friedensprozess in Darfur anzustoßen. Gleichzeitig sollte sich jedoch verstärkt darum bemüht werden, das für seine Skrupellosigkeit berüchtigte Regime in Khartum von jeglichen militärischen Aktionen gegen den Süd-Sudan im Falle einer Sezession abzuhalten. Noch besteht die Möglichkeit einer internationalen konzertierten Initiative in diese Richtung, in der vor allem die Volksrepublik China auf Grund ihrer engen wirtschaftlichen Kontakte mit Khartum in die Pflicht genommen werden sollte. Noch ist ein Krieg zwischen Norden und Süden abwendbar, der zweifellos die gesamte Region destabilisieren würde.
Johanne Kübler