Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013: Antworten der FDP
Hier finden Sie die Antworten der FDP auf die Anfragen von Genocide Alert zum Thema der Verhinderung und Bestrafung schwerster Menschenrechtsverbrechen:
- Welchen Stellenwert hatte das Konzept der Schutzverantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik Ihrer Bundestagsfraktion in der derzeitigen Legislaturperiode?
Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt eine Anwendung des Prinzip der „responsibility to protect“ (r2p bzw. Schutzverantwortung) unter Einbeziehen aller drei Säulen „to prevent, to react und to rebuild“ mit Fokus auf die Säule der Prävention. Denn r2p ist nicht identisch mit „humanitärer Intervention“. In der 17. Wahlperiode hat das Konzept der Schutzverantwortung zunehmend an Bedeutung für die Außenpolitik Deutschlands gewonnen. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwick- lung und Zusammenarbeit, beides FDP geführte Häuser, haben an verschiedener Stelle Aspekte der Schutzverantwortung aufgegriffen.
Deutschland setzt sich z.B. im Rahmen der „Group of Friends of the Responsibility to Protect“ in New York engagiert für eine Weiterentwicklung, Stärkung und internationale Institutionalisierung der Schutz- verantwortung ein. Wichtige Ziele sind hierbei eine weitere Ausdifferenzierung des Konzepts sowie die finanzielle Unterstützung der Sonderberater des UN-Generalsekretärs für die Schutzverantwortung und die Verhinderung von Völkermord. Die Bundesregierung trägt bereits mit Fördermitteln zur Finanzierung des Büros des Sonderberaters des UN-Generalssekretärs für die Schutzverantwortung bei. Langfristig setzt sich die Bundesregierung für eine Finanzierung der Sonderberater durch den Haushalt der Vereinten Nationen ein.
2012 wurde der Beauftragte für die Vereinten Nationen und Menschenrechte im Auswärtigen Amt als nationaler Ansprechpartner (Focal Point) für die Schutzverantwortung benannt. Dies war ein wichtiger Schritt, um die Sichtbarkeit des deutschen Engagements für die Schutzverantwortung zu erhöhen. Der Beauftragte nahm seitdem an verschiedenen Konferenzen teil, u.a. im April 2013 am ersten Treffen der europäischen Focal Points in Laibach, bei dem Deutschland den Vorschlag einbrachte, die mögliche Auf- nahme von Maßnahmen zur Umsetzung der Schutzverantwortung in das Überprüfungsverfahren vor dem UN-Menschenrechtsrat (Universal Periodic Review) zu prüfen. Weiterhin sollen deutsche Auslandsvertre- tung in Zukunft bei Berichterstattung und politischen Bewertungen das Konzept der Schutzverantwortung stärker berücksichtigen und in ihre Empfehlungen einfließen lassen.
Auch der Ressortkreis Zivile Krisenprävention hat sich in der 17. Wahlperiode wiederholt mit dem Kon- zept der r2p befasst. Ein im Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit angesiedeltes Krisenfrühwarnsystem verfolgt den Ansatz der Säule der Prävention. Das Krisenfrühwarn- system dient dabei als Entscheidungsgrundlage für präventives Handeln und gibt eine Prognose über mögliche, eskalierende Konfliktpotenziale.
Der Präventionsgedanke liegt auch den 2012 verabschiedeten „Ressortübergreifenden Leitlinien für eine kohärente Politik der Bundesregierung gegenüber fragilen Staaten“ zugrunde. Im Falle einer sich zuspit- zenden Krisensituation sehen die Leitlinien die Bildung von Ressortübergreifenden Task Forces unter Leitung des Auswärtigen Amtes vor, um die Expertise der einzelnen Ressorts zu bündeln. Im November 2010 wurde beispielsweise eine solche Task Force zum Sudan einberufen.
- Welche Initiativen hat Ihre Fraktion ergriffen, um die Umsetzung der Schutzverantwortung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene voranzutreiben?
Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich in der 17. Wahlperiode intensiv mit dem Prinzip der Schutzverant- wortung auseinandergesetzt, und sich für eine Weiterentwicklung des Konzepts engagiert, unter anderem im Rahmen von Sitzungen des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe oder in einer Sitzung des Arbeitskreises I „Internationale Politik“ der Fraktion zu der ein Völkerrechtsexperte eingeladen wurde.
Wir haben das Thema Schutzverantwortung wiederholt bei Gesprächen mit ausländischen Partnern the- matisiert, z.B. mit unseren russischen Kollegen bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, im Rahmen einer Delegationsreise des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe nach Genf oder einer Reise der AG Menschenrechte der FDP-Bundestagsfraktion nach New York (UN) und Washing- ton.
Darüber hinaus gab es Gespräche mit Vertretern der Vereinten Nationen, wie z.B. dem ehemaligen Son- derberater des UN-Generalsekretärs für die Schutzverantwortung, Edward Luck oder dem Sonderberater des UN-Generalsekretärs für die Verhinderung von Völkermord, Adama Dieng.
Auf Initiative der FDP-Bundestagsfraktion wurde der interfraktionelle Antrag des Bundestages „Freie und faire Wahlen im Sudan sicherstellen, den Friedensprozess über das Referendum 2011 hinaus begleiten sowie die humanitäre und menschenrechtliche Situation verbessern“ (Drucksache 17/1158), der explizit auf das Konzept der Schutzverantwortung verweist, verabschiedet.
Als besonders wichtig erachtet die FDP-Bundestagsfraktion eine Stärkung des Konzepts auf internationa- ler Ebene, da es sich bei der Schutzverantwortung weiterhin um eine entstehende Norm handelt und viele kritische Fragen näher ausdifferenziert werden müssen. Zum einen gilt es, das Problem von dauerhaften Blockaden im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wie im aktuellen Fall Syrien, zu thematisieren. Hier geht es auch um die Rolle, die regionale Organisationen, wie zum Beispiel die Afrikanische Union, spielen können. Zum anderen muss durch eine weitere Ausgestaltung der Missbrauch des Konzepts verhindert werden.
In einem Bericht für die Parlamentarische Versammlung des Europarates zum Thema Staatlichkeit und Souveränität schlägt die Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Marina Schuster, eine Folgekonferenz der International Commission on Intervention and State So- vereignty (ICISS) vor. Im Rahmen der Konferenz sollen Politiker, NGOs und Wissenschaftler gemeinsam das Konzept der Schutzverantwortung weiterentwickeln. Der Bericht und die Empfehlung liegen UN- Generalsekretär Ban Ki-moon vor.
Da es sich bei Wahlprüfsteinen für gewöhnlich nicht nur um eine Bilanz der erreichten Ziele handelt, son- dern auch zukünftige Positionen der Parteien abgefragt werden, möchten wir an dieser Stelle gerne auf unser Bürgerprogramm 2013 hinweisen. Die FDP-Bundestagsfraktion wird sich auch in der nächsten Wahlperiode für eine Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des völkerrechtlichen Begriffs der Schutzverantwortung unter dem Dach der Vereinten Nationen einsetzen. Dabei soll unter den Säulen „to prevent, to react und to rebuild“ der Stärkung der Prävention besondere Bedeutung zukommen.
- Welche Initiativen hat Ihre Bundestagsfraktion zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) und zur Durchsetzung des Völkerstrafgesetzbuches auf nationaler Ebene ergriffen?
Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich in der 17. Wahlperiode engagiert für eine Stärkung des Internationa- len Strafgerichtshofs (IStGH) eingesetzt. Der größte Erfolg konnte dabei bei der Überprüfungskonferenz in Kampala erreicht werden, bei der entscheidende Änderungen des Römischen Statuts beschlossen wurden, u.a. fällt nun der Tatbestand der Aggression („crime of aggression“) unter die Gerichtsbarkeit des IStGH. Mit dieser Änderungen wird eine entscheidende Lücke des Völkerstrafrechts geschlossen. Sie ist ein Meilenstein im internationalen Kampf gegen die Straflosigkeit.
Es ist dem Einsatz der deutschen Delegation, unter der Leitung des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, in Kampala zu verdanken, dass Deutschland seine Konferenzziele er- folgreich durchsetzen konnte, auch gegen kritische Stimmen aus Frankreich und Großbritannien. Hierzu gehörte eine weitere Änderung des Römischen Statuts, die den Einsatz bestimmter, besonders grausa- mer Waffen und Geschosse auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten in Zukunft als Kriegs- verbrechen eingestuft. Gleichzeitig konnten wir in Kampala ein weiteres Ziel des Koalitionsvertrages Wort für Wort umsetzen, das durch eine Initiative der FDP-Bundestagsfraktion bei den Koalitionsverhandlungen eingebracht wurde.
Die Überprüfungskonferenz von Kampala war ebenso Thema einer Öffentlichen Anhörung des Menschen- rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, die im Mai 2010 auf Vorschlag der FDP- Bundestagsfraktion statt fand.
Die Bundesregierung steuert fast 12% des Budgets des IStGH bei und ist damit zweigrößter Geldgeber des Gerichtshofs. Diese Vorreiterrolle haben wir durch eine schnelle Ratifizierung der Änderungen des Römischen Statuts gestärkt. Deutschland war einer der ersten Staaten, die die Ratifizierungsurkunde in New York hinterlegt haben. Auch an dieser Stelle möchten wir gerne darauf aufmerksam machen, dass wir unsere Unterstützung für den IStGH im Bürgerprogramm 2013 programmatisch festgeschrieben ha- ben. Die FDP-Bundestagsfraktion wird in der nächsten Wahlperiode an diese Erfolge anknüpfen und sich mit Nachdruck für eine weitere Stärkung der internationalen Strafgerichtsbarkeit und des IStGH einset- zen sowie für eine schnelle Ratifizierung der Änderungen des Römischen Statuts durch weitere Staaten werben, damit diese Gültigkeit erfahren.
Mit dem „Institut zur Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien zum Völkerstrafrecht“ haben wir in dieser Wahlperiode einen weiteren wichtigen Schritt zur Stärkung des Völkerstrafrechts unternommen. Das Gründungsbüro führt bereits Pilotprojekte durch: u.a. eine Summer School zum Thema „From Nuremberg to The Hague“ mit amerikanischen und zwei kenianischen Studenten im Juni 2012.
Die Durchsetzung des Völkerstrafgesetzbuches im engeren Sinne ist primär Aufgabe der deutschen Gerichte. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt das Pilotverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gegen Ignace Murwanashyaka, ehemaliger Präsident der ruandischen Rebellenbewegung FDLR, und gegen seinen Stellvertreter Straton Musoni wegen Völkerrechtsverbrechen im Kongo. 2012 hatte der General bundesanwalt insgesamt 29 Ermittlungsverfahren mit 56 Beschuldigten und drei Strukturermittlungsver fahren unter dem Völkerstrafgesetzbuch eröffnet. Dies zeigt, dass die gesetzlichen Regelungen des Völkerstrafgesetzbuches bereits sehr erfolgreich angewandt werden.
» Hier gibt es mehr zum Genocide Alert Menschenrechtszeugnis zur Bundestagswahl 2013.