Auswirkungen begrenzter Luftschläge auf die syrische Zivilbevölkerung

Genocide Alert Policy Brief, August 2013

Nach dem Giftgaseinsatz am 21. August in Vororten von Damaskus wird eine zeitlich begrenzte militärische Reaktion gegen die syrische Regierung erwogen. Eine derartige Intervention wäre in erster Linie eine Strafaktion, die das Regime von Präsident Assad von künftigen, möglicherweise systematischeren Einsätzen chemischer Waffen gegen die Zivilbevölkerung abschrecken soll. Das vorliegende Papier analysiert die Frage, welche Konsequenzen ein Militäreinsatz für den Schutz der syrischen Zivilbevölkerung haben könnte.

Positive Auswirkungen auf den Schutz der Zivilbevölkerung

 Eine Militärintervention könnte den unmittelbaren Zweck haben, die syrische Regierung von weiteren C-Waffen Einsätzen abzuschrecken und so den Schutz der Bevölkerung vor künftigen Attacken zu erhöhen. Unter zwei Bedingungen würden Zivilisten durch eine Intervention vor weiteren Angriffen mit Chemiewaffen geschützt: Erstens, wenn die Luftschläge einen ausreichend hohen militärischen Schaden für die syrische Regierung bewirken; zweitens, wenn die Drohung weiterer Luftschläge im Falle fortgesetzter Giftgas-Angriffen als glaubwürdig wahr-genommen wird.

Eine Zerstörung der syrischen Luftwaffe würde zudem die Möglichkeit Assads einschränken, wie in der Vergangenheit zivil bewohnte Gebiete zu bombardieren. Der syrischen Regierung würde also ein Instrument aus der Hand genommen, mit dem die Bevölkerung unter Missachtung aller einschlägigen Normen des humanitären Völkerrechts seit Jahren terrorisiert wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Zivilisten durch Luftschläge unbeabsichtigt zu Schaden kommen, ist als eher gering einzuschätzen, solange sich die USA an dem in Libyen erfolgreich umgesetzten Konzept der „zero expectation“ orientieren. Hiernach wurden Militärschläge nur dann ausgeführt, wenn es keine absehbare Gefahr einer Verletzung oder Tötung von Zivilisten gab.[i] Flugfelder und Raketenstellungen könnten relativ unproblematisch unter Beschuss genommen werden. Zivile Opfer können aber niemals ausgeschlossen werden, zumal die syrische Regierung militärische Stellungen absichtlich in zivil bewohnte Gebiete verlegt hat.

Negative Auswirkungen auf den Schutz der Zivilbevölkerung

Begrenzte Luftschläge können zwar die Fähigkeiten des Regimes verringern, Gewalt gegen die Bevölkerung auszuüben und künftige Gas-Angriffe abschrecken. Sie bieten aber keinen direkten Schutz vor Angriffen, wie es eine Flugverbots- oder Schutzzone könnte.

In jedem Fall ist damit zu rechnen, dass die syrische Regierung Vergeltungsaktionen gegen die eigene Bevölkerung oder die Bevölkerung von Nachbarstaaten unternehmen sowie den bereits heute prekären humanitären Zugang weiter einschränken könnte. Ebenfalls denkbar wäre eine noch systematischere Ausnutzung der eigenen Bevölkerung als menschliche Schutzschilde oder eine Geiselnahme von UN-Mitarbeitern.

Die Auswirkungen auf den Konfliktverlauf sind zudem ungewiss. Das militärische Kräfteverhältnis würde durch ein kurzfristiges Eingreifen zum Vorteil oppositioneller Kräfte verändert, die sich in der Vergangenheit ebenfalls Menschenrechtsverletzungen begangen haben, wenn auch in geringerem Ausmaß als das Assad Regime. Eine weitere Eskalation des Bürgerkriegs kann ebenso wenig ausgeschlossen werden wie eine Dynamik, Friedensgespräche wie im Fall Bosnien 1995 aufzunehmen. Dies ist jedoch von einer erneuten diplomatischen Initiative unter Einbeziehung Russlands und des Irans abhängig.

Erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung

Um zivile Opfer als Folge von Luftschlägen zu vermeiden, sind sorgfältige Aufklärung, Pla-nung und Durchführung der Angriffe erforderlich. Der Schutz der Zivilbevölkerung muss hierbei oberste Priorität haben und sollte nicht durch militärischen Zeitdruck eingeschränkt werden. Wie in Libyen sollte jede militärische Operation nur dann durchgeführt werden, wenn zivile Opfer mit höchster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Zudem bedarf es klarer Mechanismen, um Informationen zu möglichen zivilen Opfer zu erhalten und öffentlich machen zu können. Im Gegensatz zu Kombattanten, werden getötete Zivilisten bisher kaum durch die Streitkräfte gezählt und erfasst.

Um die Situation der Bevölkerung mittelfristig zu verbessern, ist ein Neustart von Gesprächen notwendig. Die Bundesregierung sollte hier die Initiative ergreifen und eine direkte Vermittlung zwischen dem Westen und Russland, bestenfalls auch dem Iran, anstreben. Die durch ein Eingreifen neu geschaffene Konflikt-Dynamik sollte zum Anlass genommen werden, die für alle Seiten zunehmend inakzeptable Situation in Syrien auf diplomatischem Weg zu lösen.

Kurzfristig ist damit zu rechnen, dass die bereits jetzt dramatisch hohen Flüchtlings-zahlen in Folge eines Militäreinsatzes weiter zunehmen könnten. Bereits heute ist ein Viertel der syrischen Bevölkerung Binnenvertriebene. Über eine Million Kinder wurden durch den Bürgerkrieg zu Flüchtlingen. Derzeit wird zu wenig humanitäre Hilfe nach Syrien und in dessen Nachbarstaaten geliefert. Eine Intervention müsste daher mit einer deutlichen Aufstockung humanitärer Hilfsleistungen sowie größerer Unterstützung für die Nachbarländer einhergehen. Nachdem die Staaten in der Region unter großen Anstrengungen für eine Aufnahme von Flüchtlingen gesorgt haben, sollte nun auch Europa eine größere Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen zeigen.

 

Autoren:

Dr. Robert Schütte ist Vorsitzender von Genocide Alert

Christoph Schlimpert ist stellvertretender Vorsitzender von Genocide Alert

Kontakt: info@genocide-alert.de

Genocide Alert e.V., August 2013

 

 



[i] Der Untersuchungsbericht des UN Menschenrechtsrates hatte hierzu folgendes festgestellt:

“NATO aircraft flew a total of 17,939 armed sorties in Libya, employing precision guided munitions exclusively. NATO told the Commission that it had a standard of “zero expectation” of death or injury to civilians, and that no targets were struck if there was any reason to believe civilians would be injured or killed by a strike. (…)Despite precautions taken by NATO as described above, the Commission notes incidents of civilian deaths and damage to civilian infrastructure. Amongst the 20 NATO airstrikes investigated, the Commission documented five airstrikes where a total of 60 civilians were killed and 55 injured.” (http://www.ohchr.org/../A_HRC_19_68_en.doc; para. 84, 87)

 

„Ein syrisches Srebrenica“ – Zur aktuellen Diskussion um Syrien

Wenn die syrische Regierung tatsächlich Giftgas gegen ihre eigene Bevölkerung eingesetzt hat, wird der Westen eine militärische Intervention erwägen müssen. Sollte die internationale Gemeinschaft erneut nicht auf den Gebrauch von Giftgas durch Assad reagieren, wird dies höchstwahrscheinlich von Damaskus als Freifahrtschein für künftige Chemiewaffen-Angriffe gewertet werden. Es droht ein Bürgerkrieg, in dem die syrische Regierung ungestraft systematischen Gebrauch von Massenvernichtungswaffen gegen zivil-bewohnte Stadtviertel machen könnte. Nachdem der Bürgerkrieg bereits 100.000 Menschen das Leben gekostet hat, ist in diesem Fall mit einem rasanten Anstieg der Opferzahlen zu rechnen. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt entschlossen handeln, wenn sie einen weiteren Einsatz von Giftgas gegen unschuldige Zivilisten verhindern will.

Seit zwei Jahren blockiert Russland Sanktionen gegen Damaskus

Außenminister Westerwelle hat zu Recht gefordert, dass die Vorwürfe gegen das Assad-Regime umgehend aufgeklärt werden müssen. Spezialisten der Vereinten Nationen sind bereits im Land und müssen sofort an den Ort des Geschehens gelassen werden, um eine unabhängige Untersuchung durchführen zu können. Man sollte sich jedoch keinen Illusionen hingeben: Schon jetzt ist klar, dass Assad jegliche Schuld verneinen und Russland an den Ergebnissen zweifeln wird. Wie vollständig kann Aufklärung in einem Bürgerkriegsgebiet schon sein, in dem die Wahrheit bekanntlich als erstes stirbt? Wenn selbst im friedlichen Deutschland ein NSU-Untersuchungsausschuss nach Anhörung von mehr als 100 Zeugen und Auswertung von über 12.000 Aktenordnern keine vollständige Aufklärung über die begangenen Verbrechen schaffen kann, wie soll dies in Syrien unter den Augen der mutmaßlichen Täter funktionieren?

Es ist auf die Blockade des Sicherheitsrates zurückzuführen, dass eine friedliche Lösung in unerreichbare Ferne gerückt ist und die verbleibenden politischen Alternativen allesamt mit großen Risiken behaftet sind. Selbstverständlich wäre ein gemeinsames Vorgehen der Vereinten Nationen sinnvoll, das den Druck auf Damaskus spürbar erhöht und fortgesetzte Gas-Angriffe abschreckt. Leider haben Russland und China in den vergangenen zwei Jahren jedes schärfere Vorgehen blockiert und selbst leichteste Sanktionen gegen das Assad-Regime verhindert. Anstatt sich für eine politische Lösung einzusetzen, haben Moskau und Peking die Vereinten Nationen zur Untätigkeit verdammt. So sehr man es sich auch wünschen mag: Es ist leider nicht damit zu rechnen, dass Präsident Putin trotz des Chemiewaffen-Einsatzes seine Blockade des Sicherheitsrates aufgeben wird. Die Zustimmung der UNO zur politischen Voraussetzung einer Reaktion zu machen wäre deshalb nicht nur unklug sondern auch im Sinne derjenigen, die gerade hunderte Frauen und Kinder mit Giftgas ermordet haben.

Eine Intervention wäre nicht legal, aber legitim

Ein militärisches Vorgehen gegen Assad ist zwar machbar, jedoch mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Sollte sich der Westen zu einer Militärintervention entschließen, so wäre diese nicht von einem UN-Mandat gedeckt und somit völkerrechtswidrig. Dies ist ein schwerwiegendes Argument gegen eine Reaktion, auch wenn das Assad-Regime selbst so ziemlich jede menschen- und kriegsvölkerrechtliche Norm gebrochen hat, die man nur brechen kann. Richtig ist aber auch, dass das Ausbleiben einer Reaktion ein Signal an Assad wäre, bei künftigen Giftgaseinsätzen trotz abertausender ziviler Ofer keine Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies widerspricht allem, wofür das Völkerrecht und die Vereinten Nationen stehen und wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft für die bedrohte syrische Zivilbevölkerung. Wenn die Vergasung einer Bevölkerung mit Verweis auf das Völkerrecht ungestraft bleibt, dann führt das den Sinn des Völkerrechts ad absurdum.

Wenn sich Russland und China weiterhin schützend vor das Assad-Regime stellen, sollte die NATO handeln und die syrische Luftwaffe sowie militärische Flughäfen zerstören. Ein zeitlich begrenztes militärisches Eingreifen wäre die unter den gegebenen Umständen am wenigsten schlechte Handlungsoption. Eine begrenzte Intervention hätte das Ziel Assad klarzumachen, dass weitere Giftgas-Angriffe nicht geduldet werden. Da der fortgesetzte Einsatz der syrischen Luftwaffe zur Bombardierung zivil-bewohnter Stadtviertel bereits zehntausende Unbeteiligte das Leben gekostet hat, wäre dem Regime zudem ein Instrument zur Terrorisierung der eigenen Bevölkerung aus der Hand genommen. Ähnlich wie die Reaktion der NATO auf den Völkermord in Srebrenica im Jahr 1995 sollte nun in Syrien eine klare Botschaft an die politischen und militärischen Verantwortlichen gehen: Bei weiteren Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden wir nicht länger tatenlos zusehen.

Dr. Robert Schütte ist Vorsitzender der deutschen Menschenrechtsorganisation Genocide Alert e.V.

(Dieser Beitrag wurde am 27. August auf dem Portal TheEuropean veröffentlicht.)

Mit dem Privatjet in die Zelle: Das Karriereende von Bosco Ntaganda

 

 

Ein Paukenschlag. Montag, den 18. März 2013 kursiert seit der Mittagszeit aus gut unterrichteten Quellen die Information, Bosco Ntaganda, Kampfname “Terminator”, habe sich der US-Botschaft in Ruanda in Kigali ergeben. Später am Nachmittag bestätigt sich die Meldung endgültig.  Seit etwa 12 Jahren war er, obgleich nie als offizielle Nummer eins, Strippenzieher verschiedenster Rebellengruppen im Ostkongo.

 

Ein anekdotischer Rückblick

In früher Kindheit und Jugend musste Ntaganda aus Ruanda nach Uganda fliehen. Dort wuchs er in Flüchtlingslagern auf und kehrte Anfang der 1990er Jahre unter Fred Rwigyema und Paul Kagame mit der Rwandan Patriotic Front nach Ruanda zurück und half, den dort wütenden Genozid zu beenden. Es folgen erste Ausflüge in den Ostkongo, wohin die neue ruandische Armee den Schergen des Genozids (heute firmiert unter der Miliz FDLR) folgt, doch zugleich massenweise Massaker unter der Zivilbevölkerung verübt (siehe Mapping-Report der UN). Anschließend schließt sich Ntaganda für kurze Zeit der pro-ruandischen Besatzungsarmee RCD in und um Goma an, bevor er Militärchef von Thomas Lubangas UPC-Rebellen wird. Lubanga ist heute bekannt als erste Person, die vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag verurteilt wird. Aus dieser Zeit, 2002/03, stammt der Haftbefehl des ICC gegen ihn. Mitte des vergangenen Jahrzehnts wechselt der Terminator, übrigens eine Selbstbezeichnung – das Kino der frühen 1990er hatte seinen Einfluss auch in Zentralafrika – zur CNDP, Laurent Nkunda’s Miliz, die im Ostkongo einen Staat im Staate errichtete und zum Teil als Satrap Ruandas agierte. Jener Nkunda befindet sich seit 2009 unter Hausarrest in Ruanda – Folge eines Friedensabkommens zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda. Dieses Friedensabkommen wurde nicht zuletzt dadurch begünstigt, dass Ntaganda sich willens zeigte, seinen Chef zu verraten. Er und weitere hochrangige CNDP-Offiziere erhalten prestigiöse Positionen in der kongolesischen Regierungsarmee. Der Terminator ist nun stellvertretender Kommandant aller Militäroperation im Ostkongo – und plötzlich General. Zugleich eröffnet er in Goma seinen privaten Grenzübergang nach Ruanda, der zu einem Brennpunkt und Nadelöhr für illegal gehandelte Rohstoffe wird. Der Haftbefehl des ICC gegen ihn besteht zu dieser Zeit bereits, aber der kongolesischen Regierung scheint die scheinbare Stabilität wichtiger zu sein. Ruanda befindet sich nicht unter den Unterzeichnerstaaten des Romstatuts.

Nach den letzten Präsidentsschaftswahlen im Kongo gerät der wiedergewählte Joseph Kabila unter starken diplomatischen Druck. Unabhängig von der Beobachtung, dass er nach einer geschickten Verfassungsänderung wahrscheinlich auch ohne Betrug Wahlsieger gewesen wäre, steht die Hypothek von brennenden Wahllokalen und Distrikten mit über 100% Wahlbeteiligung. Die internationale Gemeinschaft möchte als Gegenpfand den mächtigen Kriegsherren Ntaganda in Den Haag sehen. Kabila macht erste Anstalten, beizugeben. Der ihn aus dem Osten unterstützende Ntaganda (gleichwohl der Tatsache, dass dies immer mehr eine „alliance de convenience“ gewesen ist) verliert Vertrauen und Ruhe, desertiert. Eine Welle weiterer Kommandanten, fast auschließlich Ex-CNDP-Offiziere folgt dem Beispiel. Wenige Wochen später erscheint M23, die Bewegung des 23. März, auf der Bildfläche und verzeichnet rapide Geländegewinne nördlich von Goma, im Dreiländereck zwischen Kongo, Ruanda und Uganda. Während Ntaganda von der Bildfläche verschwindet, wird die Bewegung militärisch von Sultani Makenga und Baudouin Ngaruye geführt. Die Forderung lautet, das Friedensabkommen vom 23. März 2009, dass die CNDP in die Regierungsarmee FARDC integriert hat, nun endlich komplett umzusetzen. Offiziell gehört Ntaganda nicht zur M23, aber schnell wird klar, dass er im Hintergrund agiert.
Die UN-Expertengruppe zum Kongo findet erhebliches Material, dass auch Ruanda und Uganda ihre Finger im Spiel haben. Am 20. November 2012 (wie in vorigen Blogeinträgen berichtet), nimmt M23 Goma im Handstreich und demonstriert etwa zwei Wochen Stärke, bevor der Abzug mit neugewonnenem Material und frischen Rekruten beginnt. Es folgen Verhandlungen in Kampala. In dieser Periode wird zum ersten Mal deutlich, dass innerhalb von M23 die alten politischen, ökonomischen, ethnischen Spannungen des CNDP, die ihren Ursprung in der Absetzung Nkundas durch Ntaganda haben, weiterleben. Makenga, ein enger Vertrauter Nkundas setzt sich mit der Entscheidung für den Abzug und Verhandlungen durch, während der politische Führer Jean-Marie Runiga und Ngaruye mit dem Wunsch, den Feldzug fortzuführen, scheitern. Sie sind Ntagandas Spielsteine in dieser Konstellation. Einige Wochen später, Meldungen über Kämpfe innerhalb von M23 – ein Bruderkampf beginnt. Makenga hatte Runiga als politischen Führer der Bewegung abgesetzt, woraufhin dieser und die Ntaganda-treuen Offiziere sich zu jenem absetzen. Der Gegenangriff folgt binnen weniger Tage. Heftige Schlachten halten den sogenannten „petit Nord“ der Provinz Nordkivu in Atem. Nach etwa drei Wochen wird klar, dass die Makenga-Fraktion siegreich sein würde. Viele hochrangige Ntaganda-Kämpfer sterben. Runiga flüchtet als erster nach Ruanda, begleitet von Ngaruye, sowie Seraphin Mirindi und Innocent Zimurinda. Andere ergeben sich Makenga, wiederum andere den Blauhelmen der MONUSCO. Keine Spur von Bosco Ntaganda, bis jener sich unter mysteriösen Umständen am 18. März in der US-Botschaft ergibt und ironischerweise am 23. März, Namensgeber seiner letzten Rebellenformation, in den Haag den Haftbefehl vorgelesen bekommen wird, nachdem er die obligatorische medizinische Untersuchung überstanden hat. Doch wie ist die vermeintliche Selbstauslieferung zustande gekommen?

Zwei konkurriende Theorien besitzen den größten Grad an Wahrscheinlichkeit und werden jeweils von zahlreichen verschiedenen Informanten und anderen Quellen getragen. Beide gehen davon aus, das Ntaganda zwischen dem 16. und 18. März die Grenze nach Ruanda überquert hat:

Variante A: Ntaganda gelangt unbemerkt auf ruandisches Territorium. Mithilfe der Freunde, die er in der ruandischen Armee noch immer besitzt, reist er inkognito bis nach Kigali. Dort stellt er sich der US-Botschaft und bittet um die Überführung nach Den Haag.

Variante B: Ntaganda wird auf ruandischen Territorium von den dortigen Sicherheitskräften festgenommen und nach Kigali gebracht. Die ruandische Regierung zwingt ihn, sich der US-Botschaft zu stellen und um die Überführung nach Den Haag zu bitten.

Beide Varianten beruhen auf einigen Gemeinsamkeiten. Zum einen muss Ntaganda um sein Leben gefürchtet haben – anders lässt sich die überraschende Selbstauslieferung kaum erklären. Eine drohende Haftstrafe von 10-20 Jahren muss in seinen Augen die bessere Alternative gewesen sein. Weiterhin wird klar, Ruanda hat das Interesse an ihm verloren. War er über zehn Jahre in RCD, UPC, CNDP und M23 ein Handlanger, Partner und Instrument ruandischer Interessen im Kongo, so muss Ruanda nun zum Schluss gekommen sein, dass Ntaganda nunmehr ein belastendes Element geworden ist. Dies zeigt nicht zuletzt, ganz egal ob die Wahrheit mehr Variante A oder B gleicht, die Kooperation des Landes mit dem ICC – gerade auch, weil Ruanda den ICC gemeinhin ablehnt.

Über die Spekulationen zur Selbstauslieferung hinaus bleiben weitere Fragen im Fall Ntaganda offen. Die Rolle der kongolesischen Regierung (die bereits sehr früh Ntaganda’s Grenzübergang denunziert hatte, die Rolle der siegreichen Makenga-Fraktion der M23, sowie die Rolle der USA – schließlich hätte Ntaganda sich verhältnismäßig einfacher auch den Blauhelmen in Kibumba, in der Nähe seines letzten Hauptquartiers, stellen können. Was Ntaganda dazu bewegt hat, nicht etwa auf eine seiner Farmen in westlich gelegene Masisi zu fliehen ist unklar. Der Zustand seiner Truppen lässt jedoch darauf schließen, dass er über unzureichende Munition verfügte und alle Zugangswege von feindlichen Akteuren versperrt waren.

Seit dem frühen Nachmittag des 22. März sitzt Ntaganda in einem privat gecharterten Jet mit einer Delegation des ICC. Es ist seinen Opfern, aber auch dem (oft nicht ganz zu unrecht) kritisierten Internationalen Strafgerichtshof zu wünschen, dass was ihn betrifft, Gerechtigkeit geschaffen wird. Darauf zu spekulieren, dass Ntagandas Festnahme und eventuelle Verurteilung den Konflikt im Ostkongo lösen kann ist allerdings blauäugig. Der Friedensprozess bleibt festgefahren. Eine Integration der M23 in die Regierung – die nicht ausgeschlossen ist – wird dieses Problem lösen, wenn auch nur auf Zeit. Zugleich kann sie jedoch weitere Probleme schaffen, wie die Desertion anderer Gruppen. Die neue Sondergesandte der UN, Mary Robinson, sieht sich einer höchst delikaten Lage gegenüber, bei der nicht zuletzt die Rolle der beteiligten Regierungen besonders problematisch werden kann.

 

Ein Beitrag von Christoph Vogel, Mercator Fellow
Originalveröffentlichung des Artikels auf www.nefia.org

Policy Brief 6/2013: Der Internationale Waffenhandelsvertrag als Präventionsinstrument der Schutzverantwortung

Der am 2. April 2013 von der VN-Generalsversammlung beschlossene Waffenhandelsvertrag ist ein wesentlicher Beitrag zur Prävention, dem wichtigsten Aspekt der Schutzverantwortung. Laut Vertrag dürfen Waffenexporte nur noch dann autorisiert werden, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sie im Zielland zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwendet werden würden. Eine effektive und transparente Umsetzung des Waffenhandelsvertrags wird dazu beitragen, sich anbahnende menschliche Katastrophen bereits vor dem Übergang in eine militärische Dimension mit nichtmilitärischen Mitteln verhindern zu können.

Seit Langem fordern Vertreter der Zivilgesellschaft wie Amnesty International oder Oxfam einen internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty, ATT). Am 2. April 2013 ist der ATT in der Generalversammlung der Vereinten Nationen nun mit der Zustimmung von 154 Staaten beschlossen worden.

Schutzverantwortung und ATT

Der ATT verspricht ein wertvolles Instrument zur Umsetzung der Schutzverantwortung darzustellen und insbesondere zur Verhinderung massiver Gräueltaten beizutragen. Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen werden oft nicht mit Massenvernichtungswaffen, sondern mit Klein- und Leichtwaffen begangen.

Eine strengere internationale Regulierung bietet darum die Möglichkeit, solchen Verbrechen zumindest in begrenztem Rahmen Einhalt zu gebieten, da die Instrumente solcher Menschenrechtsverletzungen schwerer zu beschaffen sein werden. Dies ist besonders relevant in Fällen, in denen es bereits vorab Hinweise für die Verwendung solcher Waffen zu den genannten Gräueltaten gibt.

In diesem Sinne können die exportierenden Staaten ihrer Schutzverantwortung durch die Nichterteilung von Rüstungsausfuhrgenehmi-gungen präventiv nachkommen. Die Bundesregierung sollte dies als Chance verstehen, die Schutzverantwortung ohne den Einsatz von militärischen Mitteln umzusetzen.

Eckpunkte des Arms Trade Treaty

Die Ziele des im April beschlossenen Waffenhandelsvertrags sind zum einen die Schaffung eines internationalen Standards zur Regulierung des Handels mit konventionellen Waffen, zum anderen die Vorbeugung und Bekämpfung des illegalen Handels mit Waffen.

Zentral sind dafür die Artikel 6, 7 und 10. Artikel 6 legt fest, dass Waffenexporte nicht gegen Embargos verstoßen und keine anderen internationalen Abkommen verletzen dürfen. Insbesondere schreibt er vor, dass keine Exporte autorisiert werden dürfen, wenn sie wahrscheinlich für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, schwere Verstöße gegen die Genfer Konventionen oder für Angriffe gegen die Zivilbevölkerung verwendet werden. Diese Kriterien tragen damit zur Prävention schwerster Menschenrechtsverbrechen bei.

Zudem muss laut Artikel 7 des Vertrags abgeschätzt werden, ob ein „maßgebliches Risiko“ besteht, dass Waffenexporte die Sicherheitslage gefährden, zur Verletzung von Menschenrechten oder des humanitären Völkerrechts genutzt werden oder terroristische Handlungen sowie organisierte Kriminalität begünstigen.

Artikel 10 legt darüber hinaus fest, dass die Vertragsparteien darauf achten müssen, dass Exporte nicht unterwegs abhandenkommen. Die Vertragspartner verpflichten sich zu jährlicher Berichterstattung an ein hierfür noch einzurichtendes Sekretariat, das die Informationen an die anderen Vertragspartner weitergibt.

Schwächen des Vertrages

Nicht alle der ursprünglichen Forderungen der Befürworter sind aufgrund diametraler ökonomischer und politischer Interessen in dieses Vertragswerk aufgenommen worden. So sind beispielsweise nicht alle Typen von Waffen enthalten und Munition sowie Baukomponenten sind von einigen Bestimmungen ausgeschlossen.

Ein weiteres Problem ist, dass der exportierende Staat selbst entscheidet, ob ein Fall nach Artikel 6 oder 7 vorliegt. So können unter Umständen Interessenskonflikte entstehen, die dem Geist des ATT wider-sprechen. Am schwersten wiegt jedoch die Frage der Durchsetzung des Vertrages. Es gibt lediglich eine Empfehlung, die jährlichen Berichte an das Sekretariat zu veröffentlichen. Des Weiteren gibt es bislang keine Mechanismen, die im Fall einer Missachtung des Vertrages greifen würden.

Ein Beitrag zur Schutzverantwortung

Wenngleich der ATT nicht in jeder Hinsicht perfekt ist, so ist er doch ein begrüßenswerter Schritt zur erfolgreichen Umsetzung der präventiven Dimension der Schutz-verantwortung, der die Erforderlichkeit militärischer Einsätze zur Verhinderung schwerster Menschenrechtsverbrechen verringern kann. Aufgrund der moderaten Durchsetzungskraft des Vertrages bleibt jedoch abzuwarten, ob und welche der großen Waffenexporteure ihre Handlungen diesem Vertragswerk unterordnen werden.

Die Verabschiedung des ATT deutet auf einen Paradigmenwechsel hin. Viele Staaten haben ihren prinzipiellen Willen zur Begrenzung des Waffenhandels gezeigt und somit eine internationale Norm geschaffen, auf die man sich im Falle der Verletzung des Vertrages berufen kann. Dieses sich wandelnde Bewusstsein und der direkte Verweis auf die von der Responsibility to Protect bezeichneten Verbrechen zeigen die zunehmende Wirkungsmacht menschen-rechtlicher Standards im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik.

Empfehlungen

Dem Beschluss der Generalversammlung müssen nun zunächst fünfzig Ratifizierungen auf nationaler Ebene folgen, damit der Vertrag in Kraft tritt. Dies wird vermutlich zwei bis drei Jahre dauern. Für viele Menschen, die schon jetzt von schwersten Menschenrechts-verbrechen bedroht sind, kommt das zu spät. Bereits vor Inkrafttreten des Vertrages sollte die Bundesregierung darum:

– die Bestimmungen des Vertrages unverzüglich umsetzen,

– Waffenlieferungen an Staaten wie Saudi Arabien im Lichte der Bestimmung des ATT erneut kritisch prüfen,

– sich gegenüber Partnerstaaten aktiv für den ATT als nichtmilitärisches Mittel der präventiven Schutzverantwortung und innerhalb der EU für die Überarbeitung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates für Rüstungsexporte einsetzen.
Als einer der Hauptwaffenexporteure weltweit wird Deutschlands Handeln Signalwirkung haben. Um die Glaubwürdig-keit der Bundesregierung angesichts der aktuell kritisierten deutschen Waffenexport-praxis zu stärken, sollten auf Bundesebene transparentere Strukturen zur Genehmigung von Waffenexporten geschaffen werden:

– durch eine vollständige Einbindung des Parlaments in die Entscheidungsfindung bei Lieferung an Staaten außerhalb der NATO,

– durch einen strikteren Kriterienkatalog für Rüstungsexporte,

– durch die Aufnahme eines Abschnittes über die Berücksichtigung und Umsetzung der Schutzverantwortung in den jährlichen Rüstungsexportbericht.

Lena Kiesewetter ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet ehrenamtlich als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Genocide Alert.

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Policy Brief 7/2013: Die Präsidentschaftswahlen in Kenia: Ein Erfolg der Schutzverantwortung

Im März 2013 wählte das kenianische Volk einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Die Wahlen ereigneten sich ohne weitverbreitete gewaltsame Ausschreitungen. Es ist anzunehmen, dass die friedlichen Wahlen das Ergebnis kurz- und langfristig eingesetzter Präventionsmaßnahmen im Rahmen der „Responsibility to Protect“ (RtoP) waren. Gelungene Prävention ist schwer zu beweisen. Dennoch gilt es diesen Erfolg in Deutschland zu diskutieren, zu erforschen und in die Debatte zur Responsibility to Protect in Deutschland mit einzubeziehen.[i]

 

Warum es sich lohnt über den Erfolg in Kenia zu diskutieren

Vor dem Hintergrund massiver Gewalt-ausbrüche nach den kenianischen Wahlen im Dezember 2007, bei denen etwa 1500 Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden, bestand der dringende Verdacht, dass sich ähnliche Menschenrechtsverletzungen bei den diesjährigen Wahlen wiederholen könnten.

Die Vereinten Nationen und Experten warnten im Vorhinein vor ethnisch motivierten Ausschreitungen. Die Wahlen verliefen jedoch ohne Gewaltausbrüche. Für die deutsche Debatte zur Schutz-verantwortung ist es wichtig, dass Fälle erfolgreicher Prävention von schwersten Menschenrechtsverbrechen diskutiert werden, damit sich fundiert mit allen Aspekten des Konzeptes auseinandergesetzt wird und aus Fällen der erfolgreichen Prävention gelernt werden kann.

 

Kenias Maßnahmen im Rahmen der ersten Säule der Schutzverantwortung

Im Rahmen ihrer primären Verantwortung zum Schutz ihrer Zivilbevölkerung ergriff die kenianische Regierung Maßnahmen auf Ebene der „Responsibility to Prevent“. Sie verhinderte damit erneute Gewaltausbrüche. Unterstützt wurde sie maßgeblich durch die kenianischen Zivilgesellschaft und NGOs sowie von multilateralen Partnern. Zu den langfristigen Maßnahmen zählten beispielsweise:

  • Die Errichtung eines landesweiten Frühwarnsystems.
  • Der Aufbau einer staatlichen Kommission für nationale Kohäsion und Integration (National Cohesion and Integration Commission) zur Förderung von Chancengleichheit zwischen den verschiedenen Stämmen und Ethnien fördern.
  • Die Neuregelung von konfliktträchtigen Themen wie Landbesitz und ‑verteilung durch das Verfassungsreferendum 2010.
  • Die Einführung eines föderalen Systems, zur Berücksichtigung regionalspezifischer Interessen.

 

Wirkungsvolle und kostensparende Präventionsschritte im Vorfeld der Wahlen

  • Versand von genormten SMS mit Friedensbotschaften an die Zivilbevölkerung.
  • Aufklärungskampagnen über Wählerrechte und unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen. Organisiert durch lokale Zivilkomitees, wie mobile Friedenstheater oder Fußballveranstaltungen für Jugendliche zur Minderung von Frustration innerhalb der ethnischen Gruppen.
  • Verbot von „Hetzreden“ (hate speeches) und deren Kontrolle durch zivilgesellschaftliche Organisationen.
  • Bei der Durchführung freier und fairer Wahlen halfen hunderte von der Wahlbeobachtungskommission Independent Electoral and Boundaries Commission akkreditierte Kenianer in ihren Wahlkreisen.
  • Gezielte Diplomatie, Druck und die Unterstützung von lokalen und internationalen NGOs, von Seiten der Vereinten Nationen, der Europäischen Union sowie bilateralen Partnern im Rahmen der subsidiären internationalen Gemeinschaft Schutzverantwortung.

 

Risiken bestehen weiterhin…

Die Wahlen im März 2013 verliefen weder reibungslos noch völlig gewaltfrei. Das Ergebnis der Wahl beförderte Uhuru Kenyatta in das Präsidentenamt – einen Mann der sich wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Wahlen 2007/2008 vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verantworten muss. Die Ursachen der Gewaltpotenziale in Kenia sind nur teilweise behoben. Das Risiko von erneuter Gewalt zwischen Anhängern verschiedener ethnischer Gruppen besteht weiterhin. Die Bemühungen kenianischer und internationaler Akteure dürfen deshalb nicht nachlassen.

 

…aber dennoch zeigt Kenia das Potenzial der Schutzverantwortung

Trotz fortbestehender Probleme in Kenia sollte innegehalten werden, um den Erfolg der friedlichen Wahlen anzuerkennen. Erfolgreiche Prävention ist immer schwer zu beweisen. Die scheinbar gelungene Prävention von schwersten Menschenrechtsverbrechen in Kenia verdient jedoch die Diskussion in der deutschen Debatte zur Schutzverantwortung. Bei der Anwendung der Schutzverantwortung in Kenia hat sich gezeigt, dass:

  • Auch wenig öffentlichkeitswirksame diplomatische Mittel für den Schutz der Zivilbevölkerung sorgen können.
  • Es sich lohnt die Präventionsmaßnahmen in Kenia zu analysieren und zu diskutieren, um in der Entwicklung von eben diesen voran zu kommen.
  • Die „Zivilmacht Deutschland“ sich in der außenpolitischen Debatte in Bezug auf die Prävention von Gräueltaten stärker mit den Aspekten der Vorbeugung und internationalen Unterstützung auseinandersetzen muss. Das Thema erfordert dafür jedoch den notwendigen politischen Rückhalt und die Führung durch wichtige Politiker.

Jegliche Vorbeugung vor dem Ausbruch flächendeckender Gewalt rettet nicht nur Menschenleben, sondern ist auch unvergleichlich kostensparender als jede mögliche Reaktionsmaßnahme. Es lohnt sich deshalb aus dem Fall Kenia zu lernen.

 

Zum pdf.-Format des Policy Paper 7/2013 „Lesson learned: Die Umsetzung der Schutzverantwortung bei den Wahlen 2013 in Kenia“

 

 

Yvonne van Diepen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Schutzverantwortung bei Genocide Alert.

Sarah Brockmeier ist stellvertretende Vorsitzende von Genocide Alert und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

 

Michael Ignatieff diskutiert in Berlin mit Genocide Alert über die Responsibiltiy to Protect

In der Woche vom 13. bis 17. Mai 2013 besuchte Michael Ignatieff Berlin im Rahmen einer Einladung der American Academy. Als Mitglied der International Commission on Intervention and State Sovereignty, sozusagen einer der Gründerväter der Schutzverantwortung, stattete Ignatieff diversen Bundesministerien einen Besuch ab, um den Stand der Schutzverantwortung in der Bundesrepublik zu besprechen und die Idee voranzutreiben. Dazwischen ließ es sich der aktuell in Harvard lehrende kanadische Politiker und Autor nicht nehmen, sich mit einigen Vertretern von Genocide Alert e.V zu treffen und dabei nicht nur seine Expertenmeinung mit uns zu teilen, sondern machte auch konkrete Vorschläge für die weitere Lobby- und Informationsarbeit im Sinne einer Welt ohne Völkermord. Den öffentlichen Rahmen des Besuchs bildeten sowohl eine Holbrooke Vorlesung in der American Academy als auch eine Rede mit anschließender Podiumsdiskussion bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit GPPI.

Credit © European Union, 2013

Interview mit Franziska Brantner: Die Verantwortung Europas

Dr. Fran­zis­ka Brant­ner ist Mit­glied des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments aus Ba­den-Würt­tem­berg. Sie ist au­ßen­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frak­ti­on Grü­ne/EFA und ge­hört dem Aus­wär­ti­gen Aus­schuss an. Sie ist Be­richt­er­stat­te­rin des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments für das The­ma der Schutz­ver­ant­wor­tung (‚Re­s­pon­si­bi­li­ty to Pro­tect‘). Im In­ter­view mit Ge­no­ci­de Alert kom­men­tiert Frau Dr. Brant­ner den in die­sem Früh­jahr ver­öf­fent­lich­ten Be­richt der „Eu­ropean Task Force on the EU Preven­ti­on on Mass Atro­ci­ties.“ Der Be­richt spricht kon­kre­te Emp­feh­lun­gen aus, wie die EU ih­re Fä­hig­kei­ten stär­ken kann um bes­ser zu ei­ner Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen wie Völ­ker­mord bei­tra­gen zu kön­nen.

Ge­no­ci­de Alert: War­um soll­te es in der Ver­ant­wor­tung der Eu­ro­päi­schen Uni­on lie­gen schwers­te Men­schen­rechts­ver­bre­chen welt­weit zu ver­hin­dern?

Brant­ner: Na­tür­lich liegt es nicht nur in der Ver­ant­wor­tung der Eu­ro­päi­schen Uni­on, aber Eu­ro­pa be­sitzt auf­grund sei­ner Ge­schich­te ei­ne be­son­de­re Ver­ant­wor­tung, um Men­schen­rechts­ver­bre­chen zu ver­hin­dern. Vor al­lem aber hat sich die EU ganz ein­deu­tig, auch in ih­ren Ver­trä­gen, zu Mul­ti­la­te­ra­lis­mus und den Ver­ein­ten Na­tio­nen be­kannt hat. Und da­mit steht sie auch in der Pflicht, das Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung (‚R2P‘), das 2005 von al­len Mit­glieds­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen de­kla­riert wur­de um­zu­set­zen. Die EU muss ei­nen an ih­ren Ka­pa­zi­tä­ten und Fä­hig­kei­ten ge­mes­se­nen wich­ti­gen Bei­trag zu des­sen Um­set­zung bei­tra­gen, das Prin­zip je­doch nicht neu er­fin­den. Letzt­lich wä­re es auch der Glaub­wür­dig­keit der EU zu­träg­lich, wenn es ihr stär­ker ge­län­ge, ih­ren heh­ren Ab­sich­ten ent­spre­chen­de Ta­ten fol­gen zu las­sen.

 

Ge­no­ci­de Alert: Wel­che drei Emp­feh­lun­gen der Task Force wür­den Sie als die wich­tigs­ten her­vor­he­ben?

Brant­ner: Die Emp­feh­lun­gen der Task Force zur Prä­ven­ti­on durch die EU von schwers­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen be­inhal­ten zahl­rei­che wert­vol­le An­satz­punk­te. An ers­ter Stel­le gilt es, die Emp­feh­lung zum ex­pli­zi­ten und EU-wei­ten Be­kennt­nis zur Schutz­ver­ant­wor­tung auf­zu­neh­men. Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment ver­ab­schie­de­te im April die­ses Jah­res ei­ne Emp­feh­lung an den Rat zum Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung in der es den Rat und die Mit­glieds­staa­ten auf­for­dert, ei­nen ‚Eu­ro­päi­schen Kon­sens zur Schutz­ver­ant­wor­tung‘ zu ent­wi­ckeln. Die­ser soll ähn­lich wie ver­gan­ge­ne Kon­sen­se zur Ent­wick­lungs­po­li­tik (2006) und zur hu­ma­ni­tä­ren Hil­fe (2008) die EU In­sti­tu­tio­nen und die Mit­glieds­staa­ten ver­pflich­ten, ih­re Maß­nah­men auf der Ba­sis ge­mein­sa­mer Grund­sät­ze zu ko­or­di­nie­ren.

Zwei­tens möch­te ich die For­de­rung nach ei­ner un­ver­züg­li­chen und ziel­ge­rich­te­te­ren Re­ak­ti­on auf Früh­war­nun­gen her­vor­he­ben. Da sich die EU-Struk­tu­ren, ins­be­son­de­re der Eu­ro­päi­sche Aus­wär­ti­ge Dienst (EAD), ho­ri­zon­tal mit den ver­schie­de­nen As­pek­ten von R2P be­fas­sen, ist ein op­ti­ma­ler und hand­lungs­ori­en­tier­ter In­for­ma­ti­ons­fluss un­er­läss­lich. Ei­ne EU-R2P Ko­or­di­nie­rungs­stel­le könn­te da­bei be­hilf­lich sein.

Drit­tens ist die in­ter­na­tio­na­le Ko­ope­ra­ti­on bei Ver­net­zung und Aus­tausch mit lo­ka­len zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­teu­ren un­ab­ding­bar. Die Schutz­ver­ant­wor­tung kann nur funk­tio­nie­ren, wenn es ein uni­ver­sell ge­stütz­tes und um­zu­set­zen­des Prin­zip bleibt.

 

Ge­no­ci­de Alert: Wie se­hen Sie die Rol­le des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments bei der Um­set­zung der Emp­feh­lun­gen des Be­richts?

Brant­ner: Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment ist ein gro­ßer Be­für­wor­ter des Prin­zips der Schutz­ver­ant­wor­tung und sei­ner Um­set­zung. Dies zeig­te sich auch bei der Ver­ab­schie­dung der Emp­feh­lung an den Rat und des­sen über­wäl­ti­gen­der Zu­stim­mung durch die ver­schie­de­nen Frak­tio­nen. Ei­ni­ge der Emp­feh­lun­gen des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments fin­den sich auch im Be­richt der Task Force wie­der. Wir ha­ben dem Rat und den Mit­glieds­staa­ten ei­ne Frist von ei­nem hal­ben Jahr ge­setzt bis sie uns über Schrit­te zur Über­nah­me der Emp­feh­lun­gen zu be­rich­ten ha­ben. Das EP hat im Be­reich der Ge­mein­sa­men Au­ßen- und Si­cher­heits­po­li­tik kei­ne zwin­gen­de Kom­pe­ten­zen, muss je­doch kon­sul­tiert wer­den. Die­se Er­in­ne­rungs- und Mah­nungs­funk­ti­on wird das EP auch im Be­reich der Schutz­ver­ant­wor­tung wei­ter aus­füh­ren, und au­ßer­dem als Brü­cke zwi­schen Zi­vil­ge­sell­schaft und den be­schlie­ßen­den Or­ga­nen des Rats und des EADs agie­ren.

 

Ge­no­ci­de Alert: Die Eu­ro­päi­sche Uni­on be­treibt be­reits ei­ne An­zahl von Ak­ti­vi­tä­ten zur Kon­flikt­prä­ven­ti­on und -be­ar­bei­tung. Was ist der Un­ter­schied zwi­schen die­sen Ak­ti­vi­tä­ten und der Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen?

Brant­ner: Dies ist ge­nau ei­ne der Fra­gen, bei der das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment in sei­ner Emp­feh­lung den Rat und die Mit­glieds­staa­ten um Auf­klä­rung bit­tet. Kön­nen wir das Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung mit den der EU zur Ver­fü­gung ste­hen­den Struk­tu­ren, Me­cha­nis­men und In­stru­men­ten ef­fek­tiv um­set­zen? Wo sind Nach­bes­se­run­gen not­wen­dig?

Wir ha­ben in der Emp­feh­lung klar­ge­macht: Be­son­de­res Ge­wicht bei der Um­set­zung von R2P hat für uns sein prä­ven­ti­ver An­satz. Die EU be­sitzt zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten zur Kon­flikt­vor­beu­gung, bei­spiels­wei­se in ih­ren ver­schie­de­nen Au­ßen­fi­nan­zie­rungs- in­stru­men­ten  wie dem Sta­bi­li­täts­in­stru­ment und dem Eu­ro­päi­schen In­stru­ment für De­mo­kra­tie und Men­schen­rech­te, oder in den zi­vi­len und mi­li­tä­ri­schen Mis­sio­nen der Ge­mein­sa­men Si­cher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik. Hin­zu kom­men die bi­la­te­ra­len Ab­kom­men der EU mit ih­ren Part­ner­län­dern.

Der Schritt zur tat­säch­li­chen Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen liegt dar­in, die zwei­fel­los be­ste­hen­den Fä­hig­kei­ten zur Kon­flikt­vor­beu­gung- und Be­ar­bei­tung in an­ge­mes­se­ner Form und zum rich­ti­gen Zeit­punkt ein­zu­set­zen. Und hier­für be­nö­tigt es das vom Eu­ro­päi­schen Par­la­ment ge­for­der­te bes­se­re Ver­ständ­nis was die EU bei der Um­set­zung von R2P er­rei­chen möch­te, so­wie ent­spre­chen­der Früh­er­ken­nung po­ten­ti­ell kri­ti­scher Si­tua­tio­nen, um früh­zei­tig agie­ren zu kön­nen. Da­her set­zen wir uns auch für R2P spe­zi­fi­sche Trai­nings für EU Di­plo­ma­ten ein.

 

Ge­no­ci­de Alert: Vie­le der Emp­feh­lun­gen der Task Force er­for­dern Hand­lun­gen durch die Mit­glieds­staa­ten. Wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men soll­te die Bun­des­re­gie­rung er­grei­fen, um schwers­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu ver­hin­dern?

Brant­ner: Die Bun­des­re­gie­rung könn­te ei­ne gan­ze Men­ge tun. Auf der Ebe­ne der EU soll­te sie ei­ne trei­ben­de Kraft sein, um die Um­set­zung der vie­len sinn­vol­len Emp­feh­lun­gen des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments vor­an­zu­trei­ben. Da­für müss­te Ber­lin auch ei­ne Ver­mitt­ler­rol­le ein­neh­men zwi­schen Po­si­tio­nen von Mit­glieds­staa­ten, die den bra­si­lia­ni­schen Vor­schlag zur ‚Re­s­pon­si­bi­li­ty whi­le pro­tec­ting‘ und der not­wen­di­gen Ent­wick­lung von Kri­te­ri­en bei der Um­set­zung von R2P-Man­da­ten ab­leh­nen, so­wie je­nen Mit­glieds­staa­ten, die die­sem Bei­trag auf­ge­schlos­se­ner ge­gen­über­ste­hen. Fer­ner soll­te die Bun­des­re­gie­rung ih­ren Stand­punkt ei­ner re­strik­ti­ven  Rüs­tungs­ex­port­pra­xis nicht nur me­di­en­wirk­sam ver­kün­den, son­dern auch in der Aus­fuhr­pra­xis ein­hal­ten. In­ter­na­tio­na­le Po­si­tio­nen wie der Ge­mein­sa­men Stand­punkt der EU zu Waf­fen­ex­por­ten aus 2008 und der dies­jäh­ri­ge Waffenhandelsvertrag (ATT) muss die Bun­des­re­gie­rung ein­heit­lich um­set­zen und an­de­re Un­ter­zeich­ner zu kon­se­quen­ter An­wen­dung drän­gen. Denn in die­sen Do­ku­men­ten ha­ben wir Ver­bo­te von Waf­fen­aus­fuh­ren, wenn mit den zu ex­por­tie­ren­den Gü­tern im Ziel­land ’schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen‘ (EU Stand­punkt) oder gar ex­pli­zit die vier R2P-Ver­bre­chen (ATT) be­gan­gen wer­den könn­ten.

Was für die EU gilt, gilt auch für Deutsch­land: Ein R2P-Be­stands­be­richt zu vor­han­de­nen Ka­pa­zi­tä­ten und In­stru­men­ten für die Um­set­zung der Schutz­ver­ant­wor­tung soll­te er­stellt wer­den. Auch könn­ten deut­sche Di­plo­ma­ten ge­zielt zu po­ten­ti­el­len R2P-Si­tua­tio­nen und de­ren Früh­er­ken­nung ge­schult wer­den. Des Wei­te­ren muss Deutsch­land auch wei­ter­hin das in­ter­na­tio­na­le Netz­werk von R2P-Ko­or­di­nie­rungs­stel­len un­ter­stüt­zen – ge­nau­so wie die im Ju­li 2013 ins Amt be­ru­fe­ne R2P-Son­der­be­auf­trag­te des Ge­ne­ral­se­kre­tärs der Ver­ein­ten Na­tio­nen, Jen­ni­fer Welsh.

Genocide_Alert_Interview_mit_Franziska_Brantner_MEP_zur_European_Task_Force_on_Prevention_of_Mass_Atrocities

 

Wei­ter­füh­ren­de Links:

 

Christoph Schlimpert (Genocide Alert) zur SWP-Studie „Über die Responsibility to Protect zum Regimewechsel“ von Lars Brozus und Christian Schaller

Lars Brozus und Christian Schaller von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) greifen in ihrer aktuellen Studie offene Fragen in der Anwendung der Schutzverantwortung auf. Diese wurden zuletzt am deutlichsten in Fall der Libyen-Intervention und der Problematik eines von außen herbeigeführten Regimewechsels aufgeworfen.

In der zweigeteilten Analyse widmet sich Christian Schaller vor allem den völkerrechtlichen Spielräumen und Grenzen eines militärischen Eingreifens im Rahmen der Schutzverantwortung. Zentrale Streitfrage ist in den gegenwärtigen Debatten die Interpretation des VN-Mandates zum Schutz der Zivilisten im libyschen Bürgerkrieg. Die weite Auslegung der Resolution, zur Durchsetzung einer Flugverbotszone wurden militärische Ziele des Gaddafi-Regimes direkt angegriffen, stieß auch bei jenen Staaten auf Kritik, die dem Text ursprünglich zugestimmt hatten.

Schaller kommt in seiner Bewertung jedoch zu dem Schluss, dass ein solches Vorgehen nicht „dem Geist der Schutzverantwortung“ widerspricht. In solch einem Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen von Seiten eines Regimes, sei „es kaum mehr möglich, auf die Konfliktparteien neutral und unparteilich einzuwirken.“ Ein Regimewechsel im Rahmen eines Einsatzes sei nicht völkerrechtswidrig, solange er auf den Schutzzweck abziele.

Ein „möglichst stabiler Konsens über die Bedingungen ihrer Umsetzung“ sei im Sinne einer „kohärenten und wirksamen Schutzverantwortungspolitik“ sowie förderlich um bestehende Uneinigkeiten der internationalen Gemeinschaft zu überwinden. Klar gefasste Mandate, eine engere Zusammenarbeit mit den involvierten Regionalorganisationen und eine engere Kooperation mit den aufstrebenden Demokratien seien hierfür wichtig.

Lars Brozus thematisiert in seinem Teil der Studie die „Entwicklungsperspektiven der Schutzverantwortung aus politischer Sicht“. Trotz der mittlerweile festen Verankerung der Schutzverantwortung in der internationalen Politik bestehe Klärungsbedarf hinsichtlich der mit der Norm verbundenen Problemen und Dilemmata.

Der „fehlende politische Wille zum wirksamen Eingreifen“ sei nach wie vor das „größte Hindernis auf dem Weg zu einer gemeinsamen Schutzverantwortungspraxis“. Dies sei auf „mangelndes Vertrauen unter den Mitgliedern der Staatengemeinschaft“ zurückzuführen. Die vom VN-Generalsekretär aufgestellten Leitgedanken zur Autorisierung, Begründung und Durchführung von RtoP-Einsätzen seinen geeignet, vertrauensbildend zu wirken.

Abschließend werden Stand und Perspektive deutscher und europäischer Schutzverantwortungspolitik diskutiert und konkrete Empfehlungen gegeben, wie Deutschland einen stärkeren Beitrag leisten könnte:

  1. Zusammenarbeit mit den demokratischen Gestaltungsmächten: Aufbauend auf bisherigen Erfahrungen Deutschlands als „Brückenbauer“ zwischen den westlichen Staaten und Ländern wie Brasilien, Indien und Südafrika könnte die Bundesrepublik dazu beitragen, dass deren Vorschläge zur „konzeptionellen und operativen Weiterentwicklung der Schutzverantwortung“ Gehör finden und so einen globalen Konsens fördern.
  2. Eine neue internationale Kommission: Deutschland könnte, zusammen mit der Europäischen Union, die Einrichtung einer neuen Kommission, nach Vorbild der von Kanada initiierten „Kommission zu Intervention und Staatensouveränität (ICISS)“ unterstützten. Ziel wäre „die bei der Anwendung der R2P zutage getretenen Defizite und Lücken des Schutzverantwortungskonzepts zu beseitigen bzw. zu füllen.“
  3. Frühwarnung, Prävention und nichtstaatliche Akteure: Deutschland sollte dafür werben, dass mehr Focal Points geschaffen werden und gegebenenfalls deren Einrichtung in Drittstaaten fördern. Zudem sollte die Bundesrepublik mit gutem Beispiel voran gehen und Ressourcen für eine bessere Vernetzung und Koordinierung der verschiedenen NGOs und Frühwarnsysteme bereitstellen. Hierzu könnte das Büro des Sonderberaters des Generalsekretärs für die Verhinderung von Völkermord dienen, dem derzeit die dafür notwendigen finanziellen und personellen Mittel fehlen.

Zur Studie: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2013_S13_bzs_slr.pdf