Schlusslicht AfD
Die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) belegt den letzten Platz: Ihr Wahlprogramm erreicht keinen einzigen Punkt im Genocide Alert-Ranking. Besonders ins Auge fallen bei der Lektüre besorgniserregende Positionen zum Thema Migration sowie zahlreiche Forderungen, die den internationalen Menschenrechtsschutz und die Schutzverantwortung aktiv aushöhlen. Viele der Punkte, die Genocide Alert für Menschenrechte und Prävention von Massenverbrechen als bedeutsam erachtet, spart die AfD als irrelevant aus.
So finden sich im gesamten Wahlprogramm der AfD keinerlei Verweise auf Krisenfrüherkennung und -prävention (Fragen 5 und 6), Rüstungsexportkontrolle (Frage 7), den internationalen Strafgerichtshof (Frage 14), multilaterale Friedensmissionen (Frage 18), die Prävention (Frage 1) oder völkerstrafrechtliche Verfolgung (Frage 15) von Massenverbrechen oder die Reaktion darauf (Fragen 16 und 17) – Sanktionen gegen Russland sollen vielmehr abgebaut werden. Darüber hinaus ist vom regionalen oder internationalen Menschenrechtsschutz (Frage 13) nur im Rahmen der Forderung die Rede, die Europäische Menschenrechtskonvention gemeinsam mit der Genfer Flüchtlingskonvention zu „reformieren“, um sie an die Gegebenheiten nach der sog. „Flüchtlingskrise“ anzupassen. Das lässt eher den Willen zur Aushöhlung des bestehenden Menschenrechtsschutzes vermuten.
Abgesehen davon verweist das Wahlprogramm nur an zwei Stellen und in sehr begrenzten Kontexten auf Menschenrechte: Erstens auf das Recht, frei zu sein von geschlechtsbasierter Benachteiligung (um auf dieser Grundlage Gleichstellungsgesetze und ähnliche Maßnahmen abzulehnen), und zweitens auf das Recht auf Leben – nämlich das von Embryonen, das die AfD durch die aktuellen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen gefährdet sieht. Folglich spielen Menschenrechte weder in den Beziehungen zu anderen Staaten (Frage 8) und Regionalorganisationen (Frage 12) noch in der Entwicklungszusammenarbeit (Frage 9) eine Rolle. Im Gegenteil spricht sich das Wahlprogramm für Abkommen mit nordafrikanischen Staaten aus, in die auf dem Mittelmeer gerettete Menschen “verbracht” werden sollen (Frage 10). Einige dieser Staaten, wie zum Beispiel Libyen, sind für ihre systematische Verletzung von Menschenrechten von Migrant:innen bekannt. Die einzige Minderheit, deren Schutzbedürftigkeit das Programm anerkennt, deutschsprachige Minderheiten im Ausland. Gruppen, die von tatsächlicher Marginalisierung betroffen sind, finden dagegen keine Erwähnung (Frage 3).
Die Außenpolitik, die die AfD in ihrem Wahlprogramm skizziert, ist damit ausdrücklich eine „Realpolitik in deutschem Interesse“, die eine Abkehr von der wertebasierten Außenpolitik der letzten Jahrzehnte darstellen soll. Auch die Entwicklungszusammenarbeit müsse sich vorrangig an deutschen Sicherheits– und Wirtschaftsinteressen orientieren und an die Bedingung geknüpft werden, dass das entsprechende Partnerland seine „aus Deutschland ausreisepflichtigen Staatsbürger“ zurücknehme. Eine Verzahnung von Menschenrechten, Entwicklung und Sicherheit (Frage 2) sucht man daher vergebens. Zu „den Grundsätzen des Völkerrechts“ und der UN-Charta bekennt sich das Programm hingegen, Deutschland soll sogar einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhalten. Ebenso will sich die AfD für konventionelle und nukleare Rüstungskontrolle einsetzen.
Im Abschnitt „Asyl– und Migrationspolitik„ schlägt das Wahlprogramm eine Reihe von Maßnahmen vor, die aus menschen- und flüchtlingsrechtlicher Perspektive erhebliche Bedenken wecken müssen; darunter eine Herabstufung des Grundrechts auf Asyl von einem im Grundgesetz verbürgten Recht zu einer einfachgesetzlichen Garantie, eine drastische Ausweitung von Abschiebungen in Herkunftsländer unter dem Schlagwort „Rückführungsoffensive„, die Bearbeitung von Asylverfahren in Drittstaaten und die Ausweitung der Zahl „sicherer Herkunftsstaaten„. Ebenso will die AfD den UN-Migrationspakt (Global Compact for Migration) sowie den UN-Flüchtlingspakt (Global Compact on Refugees) aufkündigen – ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei nicht um Verträge handelt, die somit auch nicht gekündigt werden können. Der Schutz und die Aufnahme vor Massenverbrechen nach Deutschland fliehender Menschen (Frage 19) wird nicht als Ziel benannt.
Es zeigt sich also deutlich, dass von der AfD keine Politik zu erwarten ist, in der Menschenrechte respektiert und/oder geschützt werden. Ebenso sind keinerlei Bemühungen zu erkennen, der deutschen Schutzverantwortung zu entsprechen und sich für die Prävention und Bestrafung von Massenverbrechen einzusetzen. Zusammen mit einer in Teilen zutiefst rechtswidrigen und insgesamt besorgniserregenden Migrationspolitik kommt die AfD erneut über den letzten Platz nicht hinaus.
Bewertung im Detail
Auswertung des Wahlprogramms von der AfD
Menschenrechte und Schutzverantwortung im Allgemeinen
1) | Werden die „Responsibility to Protect“ oder die Verhinderung massiver Gräueltaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und ethnische Säuberungen, im Wahlprogramm affirmativ benannt? | Nein |
2) | Werden der Schutz von Menschenrechten, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Sicherheit als zusammenhängend behandelt? | Nein |
3) | Wird die spezielle Schutzbedürftigkeit marginalisierter Gruppen (z.B. ethnischer Minderheiten) anerkannt? | Nein |
Kapazitätsaufbau in Deutschland
4) | Wird eine Abgrenzung der finanziellen Mittel für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit anderen Staaten (z.B. Ausbildung oder „Ertüchtigung“ der Streitkräfte) von den finanziellen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit gefordert? | Nein |
5) | Wird der Ausbau institutioneller Kapazitäten im Bereich internationaler Menschenrechtsschutz/R2P angekündigt, wie zum Beispiel der Ausbau eines Frühwarnsystems, Aufstockung der Mittel für Menschenrechtsarbeit etc.? | Nein |
6) | Wird eine Aufstockung der Ressourcen für Maßnahmen der Krisenprävention gefordert? | Nein |
7) | Wird eine strengere Rüstungsexportkontrolle gefordert? | Nein |
Schutzverantwortung und Menschenrechtsschutz in der internationalen Zusammenarbeit
8) | Soll die Menschenrechtssituation in einem Land ein wichtiges Kriterium zur Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen sein? | Nein |
9) | Ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit? | Nein |
10) | Wird eine Zusammenarbeit mit Regierungen mit bedenklicher Menschenrechtsbilanz zur Unterbrechung von Migrationsbewegungen abgelehnt? | Nein |
11) | Werden institutionelle Sicherheitssektorreformen in Drittstaaten positiv benannt (z.B. Förderung der Rechtsstaatlichkeit, Ausbildung der Sicherheitskräfte auf Basis demokratischer und menschenrechtlicher Prinzipien, etc.)? | Nein |
12) | Wird eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gefordert? | Nein |
Reaktion auf Massenverbrechen
13) | Wird die Zusammenarbeit mit den Institutionen des internationalen und europäischen Menschenrechtsschutzes (z.B. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) und deren Unterstützung bekräftigt? | Nein |
14) | Wird die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und dessen aktive Unterstützung bekräftigt? | Nein |
15) | Wird die konsequente strafrechtliche Verfolgung von Massenverbrechen gefordert (z.B. vor nationalen Gerichten oder durch internationale Tribunale und Gerichte)? | Nein |
16) | Werden Interventionen zur Beendigung stattfindender Massenverbrechen als Ziel benannt? | Nein |
17) | Werden konkrete Instrumente zur Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen im Wahlprogramm ausbuchstabiert (z.B. Verhängung von Sanktionen oder Waffenembargos, strafrechtliche Ermittlungen, etc.)? | Nein |
18) | Wird eine Unterstützung von Friedensmissionen durch die UN oder Regionalorganisationen angestrebt? | Nein |
19) | Werden der Schutz und die Aufnahme vor Massenverbrechen fliehender Menschen in Deutschland als Ziel benannt? | Nein |
Gesamtergebnis (19 Punkte erreichbar) | 0 |