CDU und CSU auf Platz 5
Das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU landet im GA-Ranking mit 3,5 Punkten auf Platz 5. Menschenrechte und Völkerrecht spielen im aktuellen Wahlprogramm eine eher untergeordnete Rolle. Die Union betont zwar, dass Menschenrechte als „universell, unteilbar und unveräußerlich” gelten, integriert diese jedoch kaum in konkrete politische Vorhaben. Der Fokus liegt stattdessen auf wirtschaftlichem Wachstum, nationalem Wohlstand und Migration.
CDU und CSU wollen, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernimmt, um Krisen entgegenzuwirken und Frieden und Freiheit zu sichern. Dennoch werden in ihrem Wahlprogramm kaum Maßnahmen genannt, die Aufschluss darüber geben, wie die Union dieses Ziel erreichen will. Die Schutzverantwortung findet keinen Platz im Wahlprogramm (Frage 1) und die Union fordert weder eine Aufstockung von Ressourcen für Krisenprävention (Frage 6), noch eine Unterstützung von Friedensmissionen (Frage 18) oder strengere Rüstungsexportkontrollen (Frage 7). Sie erkennt zwar die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen und Mädchen sowie verfolgter Christ:innen an, nicht jedoch anderer marginalisierter Gruppen (Frage 3).
Auch auf einen Ausbau von Kapazitäten im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes (Frage 5) drängt das Wahlprogramm nicht. Es soll enger mit „internationalen Partnern“ zusammengearbeitet werden, die Unterstützung von Institutionen des internationalen und europäischen Menschenrechtsschutzes (Frage 13) oder des Internationalen Strafgerichtshofes (Frage 14) wird jedoch nicht explizit bekräftigt.
Die Union fordert zwar keine Interventionen gegen stattfindende Massenbrechen (Frage 16), spricht sich aber für Sanktionen gegen Russland und den Iran sowie eine umfassende Unterstützung der Ukraine aus (Frage 17). Diese soll diplomatische, finanzielle und humanitäre Mittel sowie Waffenlieferungen umfassen. Der Schutz von vor Massenverbrechen fliehender Menschen (Frage 19) oder die strafrechtliche Verfolgung von Massenverbrechen (Frage 15) werden aber auch in diesem Kontext nicht gefordert.
In der Entwicklungszusammenarbeit erreicht die Union immerhin zwei Punkte. So deutet das Vorhaben eines neuen „National Sicherheitsrats“, der unter anderem die Außen-, Sicherheits- sowie Entwicklungspolitik gezielter koordinieren soll, auf das Erkennen gewisser ökonomischer, gesellschaftlicher und sicherheitspolitischer Zusammenhänge hin (Frage 2). Die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ist kein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit (Frage 9), dafür aber die Förderung der Rechtsstaatlichkeit (Frage 11). In dem Rahmen spricht sich die Union auch für eine Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union aus (Frage 12), um afrikanische Staaten dabei zu unterstützen, gegen Terrorismus vorzugehen und ihre eigene Sicherheit zu garantieren.
Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit anderen Staaten aber primär dazu dienen, Migration zu begrenzen. Humanitäre Aufnahmen sollen reduziert und Abkommen mit Drittstaaten und Herkunftsländern darauf ausgerichtet werden, Menschen von der Flucht nach Deutschland abzuhalten und diese leichter wieder loszuwerden. Die Menschenrechtsbilanz einzelner Staaten spielt hier keine Rolle (Frage 10). So kann die Union auch ohne Beachtung menschen- und asylrechtlicher Garantien mehr “Rückführungen” in weitere “sichere Herkunftsländer”, “Zurückweisungen” an den deutschen Grenzen und Abschiebungen unter anderem nach Afghanistan fordern. All das lässt Zweifel am oben genannten Bekenntnis der Union zu Menschenrechten aufkommen.
Hierin besteht das wesentliche Muster des Wahlprogramms der Union. Sie verspricht ein Deutschland, das Krisen verhindert, christliche Werte schützt, Freiheit garantiert und Frieden schafft, jedoch ohne notwendige Ressourcen und Maßnahmen dafür auch nur zu umreißen. So sind Menschenrechte hier eher ein Schlagwort und jegliche Ansätze zur Verhinderung von Massenverbrechen ein zufälliges Nebenprodukt des Verfolgens geopolitischer Interessen. All dies mündet in einer verstärkt rechtswidrigen Migrationspolitik der Union, hinter der sich die zunehmende Abkehr jeglichen Willens zum Schutz menschlicher Rechte und Freiheiten abzeichnet.
Bewertung im Detail
Auswertung des Wahlprogramms der Unionsparteien
Menschenrechte und Schutzverantwortung im Allgemeinen
1) | Werden die „Responsibility to Protect“ oder die Verhinderung massiver Gräueltaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und ethnische Säuberungen, im Wahlprogramm affirmativ benannt? | Nein |
2) | Werden der Schutz von Menschenrechten, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Sicherheit als zusammenhängend behandelt? | Teils |
3) | Wird die spezielle Schutzbedürftigkeit marginalisierter Gruppen (z.B. ethnischer Minderheiten) anerkannt? | Teils |
Kapazitätsaufbau in Deutschland
4) | Wird eine Abgrenzung der finanziellen Mittel für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit anderen Staaten (z.B. Ausbildung oder „Ertüchtigung“ der Streitkräfte) von den finanziellen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit gefordert? | Nein |
5) | Wird der Ausbau institutioneller Kapazitäten im Bereich internationaler Menschenrechtsschutz/R2P angekündigt, wie zum Beispiel der Ausbau eines Frühwarnsystems, Aufstockung der Mittel für Menschenrechtsarbeit etc.? | Nein |
6) | Wird eine Aufstockung der Ressourcen für Maßnahmen der Krisenprävention gefordert? | Nein |
7) | Wird eine strengere Rüstungsexportkontrolle gefordert? | Nein |
Schutzverantwortung und Menschenrechtsschutz in der internationalen Zusammenarbeit
8) | Soll die Menschenrechtssituation in einem Land ein wichtiges Kriterium zur Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen sein? | Nein |
9) | Ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit? | Nein |
10) | Wird eine Zusammenarbeit mit Regierungen mit bedenklicher Menschenrechtsbilanz zur Unterbrechung von Migrationsbewegungen abgelehnt? | Nein |
11) | Werden institutionelle Sicherheitssektorreformen in Drittstaaten positiv benannt (z.B. Förderung der Rechtsstaatlichkeit, Ausbildung der Sicherheitskräfte auf Basis demokratischer und menschenrechtlicher Prinzipien, etc.)? | Ja |
12) | Wird eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gefordert? | Teils |
Reaktion auf Massenverbrechen
13) | Wird die Zusammenarbeit mit den Institutionen des internationalen und europäischen Menschenrechtsschutzes (z.B. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) und deren Unterstützung bekräftigt? | Nein |
14) | Wird die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und dessen aktive Unterstützung bekräftigt? | Nein |
15) | Wird die konsequente strafrechtliche Verfolgung von Massenverbrechen gefordert (z.B. vor nationalen Gerichten oder durch internationale Tribunale und Gerichte)? | Nein |
16) | Werden Interventionen zur Beendigung stattfindender Massenverbrechen als Ziel benannt? | Nein |
17) | Werden konkrete Instrumente zur Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen im Wahlprogramm ausbuchstabiert (z.B. Verhängung von Sanktionen oder Waffenembargos, strafrechtliche Ermittlungen, etc.)? | Ja |
18) | Wird eine Unterstützung von Friedensmissionen durch die UN oder Regionalorganisationen angestrebt? | Nein |
19) | Werden der Schutz und die Aufnahme vor Massenverbrechen fliehender Menschen in Deutschland als Ziel benannt? | Nein |
Gesamtergebnis (19 Punkte erreichbar) | 3,5 |