Vorgehen bei der Bewertung der Wahlprogramme
Das Projekt „Deine Stimme gegen Massenverbrechen“ von Genocide Alert ist eine Orientierungshilfe für alle, die bei der Bundestagswahl 2025 eine Partei mit konstruktiver Menschenrechtspolitik wählen möchten. Das von Genocide Alert e.V. erarbeitete und herausgegebene Menschenrechtszeugnis umfasst eine Bewertung der Wahlprogramme der voraussichtlich im 21. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Es konzentriert sich dabei auf die Menschenrechtspolitik der Parteien, mit einem Schwerpunkt auf der Verhinderung von Massenverbrechen.
Alle Wahlberechtigten sollten durch entsprechende Informationen die Möglichkeit haben abzuwägen, welcher Partei sie ihre Stimme geben möchten. Aus diesem Grund gibt Genocide Alert keine allgemeine Wahlempfehlung ab, denn neben der Frage des internationalen Menschenrechtsschutzes spielen auch die jeweiligen Positionen etwa zur Sozial-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik eine wichtige Rolle.
Kriterien für die Bewertung der Wahlprogramme
Die Wahlprogramme wurden auf Basis eines Leitfadens mit vier Themenbereichen zu je zwei bis fünf Fragen bewertet. Insgesamt beinhaltet der Fragebogen 19 Fragen, die bereits die Grundlage des Menschenrechtszeugnisses bildeten, das Genocide Alert für die Bundestagswahlen 2013 und 2017 ausgestellt hatte. Vereinzelt wurden Fragen aktualisiert oder neu hinzugefügt.
Die Auswertung erfolgte durch Mitglieder von Genocide Alert. Streitfälle wurden in der Gruppe im Konsens entschieden. Jede Frage konnte mit einer von drei Alternativen beantwortet werden:
- Ja (Thema wird im Wahlprogramm zufriedenstellend thematisiert),
- Teils (Thema wird im Wahlprogramm angerissen oder unvollständig diskutiert), und
- Nein (Thema wird im Wahlprogramm nicht oder sogar ablehnend thematisiert)
Für jede mit Ja beantwortete Frage wurde ein voller Punk vergeben, für jede mit Teils beantwortete Frage ein halber. Jede Partei konnte damit also insgesamt 19 Punkte erreichen. Für die Menschenrechtszeugnisse, die Genocide Alert zu den Bundestagswahlen 2013 und 2017 ausgestellt hatte, wurden keine halben Punkte vergeben; die Punktzahlen der Parteien im diesjährigen Ranking sind daher nur sehr eingeschränkt vergleichbar.
Eine Ergänzung des Fragenkataloges durch sog. Wahlprüfsteine, die spezifische Antworten der Parteien auf schriftliche Rückfragen erlauben, war für diese Bundestagswahl leider nicht möglich. Durch die vorzeitigen Neuwahlen und den damit verbundenen knapperen Zeitplan wurden Wahlprüfsteine nur von 30 Organisationen entgegengenommen, die die Parteien gemeinschaftlich und mit dem Ziel der gesamtgesellschaftlichen Repräsentation ausgewählt haben. Genocide Alert e.V. war nicht darunter.
Fragen für die Bewertung der Wahlprogramme
Menschenrechte und Schutzverantwortung im Allgemeinen
- Werden die „Responsibility to Protect“ oder die Verhinderung massiver Gräueltaten, wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen der Aggression und ethnische Säuberungen, im Wahlprogramm affirmativ benannt?
- Werden der Schutz von Menschenrechten, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung und Sicherheit als zusammenhängend behandelt?
- Wird die spezielle Schutzbedürftigkeit marginalisierter Gruppen (z.B. ethnischer Minderheiten) anerkannt?
Kapazitätsaufbau in Deutschland
- Wird eine Abgrenzung der finanziellen Mittel für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit anderen Staaten (z.B. Ausbildung oder „Ertüchtigung“ der Streitkräfte) von den finanziellen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit gefordert?
- Wird der Ausbau institutioneller Kapazitäten im Bereich internationaler Menschenrechtsschutz/R2P angekündigt, wie zum Beispiel der Ausbau eines Frühwarnsystems, Aufstockung der Mittel für Menschenrechtsarbeit etc.?
- Wird eine Aufstockung der Ressourcen für Maßnahmen der Krisenprävention gefordert?
- Wird eine strengere Rüstungsexportkontrolle gefordert?
Schutzverantwortung und Menschenrechtsschutz in der internationalen Zusammenarbeit
- Soll die Menschenrechtssituation in einem Land ein wichtiges Kriterium zur Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen sein?
- Ist die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Drittstaaten ein erklärtes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit?
- Wird eine Zusammenarbeit mit Regierungen mit bedenklicher Menschenrechtsbilanz zur Unterbrechung von Migrationsbewegungen abgelehnt?
- Werden institutionelle Sicherheitssektorreformen in Drittstaaten positiv benannt (z.B. Förderung der Rechtsstaatlichkeit, Ausbildung der Sicherheitskräfte auf Basis demokratischer und menschenrechtlicher Prinzipien, etc.)?
- Wird eine Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen gefordert?
Reaktion auf Massenverbrechen
- Wird die Zusammenarbeit mit den Institutionen des internationalen und europäischen Menschenrechtsschutzes (z.B. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte) und deren Unterstützung bekräftigt?
- Wird die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und dessen aktive Unterstützung bekräftigt?
- Wird die konsequente strafrechtliche Verfolgung von Massenverbrechen gefordert (z.B. vor nationalen Gerichten oder durch internationale Tribunale und Gerichte)?
- Werden Interventionen zur Beendigung stattfindender Massenverbrechen als Ziel benannt?
- Werden konkrete Instrumente zur Reaktion auf schwerste Menschenrechtsverletzungen im Wahlprogramm ausbuchstabiert (z.B. Verhängung von Sanktionen oder Waffenembargos, strafrechtliche Ermittlungen, etc.)?
- Wird eine Unterstützung von Friedensmissionen durch die UN oder Regionalorganisationen angestrebt?
- Werden der Schutz und die Aufnahme vor Massenverbrechen fliehender Menschen in Deutschland als Ziel benannt?
Die Ergebnisse der Auswertungen im Überblick
