Wandbild in La Paz, Bolivien, aufgenommen am 8. April 2025: Die farbenfrohe Streetart zeigt indigene Figuren in traditioneller Kleidung und kämpferischen Posen, begleitet von Symbolen wie Trommeln, Speeren und goldenen Sonnen. Links ist ein Porträt einer ernsten Person mit traditionellem Stirnband zu sehen. In der Mitte prangt ein Text auf Spanisch und Mapudungun sowie ein Graffiti mit dem Schriftzug 'RUDEGIRL' und 'Stay Rebel'.

von Sina Olfermann und Simon Schramm

Weltweit werden unterschiedliche Menschen oder Volksgruppen als „indigen“ bezeichnet, laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) etwa 370 Millionen Menschen in 70 Ländern und 5000 verschiedenen Gemeinschaften. Obwohl sie damit fast 5% der Weltbevölkerung ausmachen, wird ihnen national und weltweit kaum Aufmerksamkeit geschenkt – oft auch dann nicht, wenn sie Opfer von Massenverbrechen werden.

Rund um den Globus sehen sich indigene Völker mit der systematischen Missachtung ihrer Rechte konfrontiert. Die stellt nicht nur eine Gefahr für die Bewahrung indigener Kulturen und Territorien dar, sondern auch für die Sicherung der Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Victoria Tauli-Corpuz, die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker, spricht in dem Zusammenhang sogar von einem drohenden Völkermord. Vor dem Hintergrund derart drängender Warnungen ist die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, den Blick auf die weitreichende Marginalisierung und Unterdrückung Indigener und den anhaltenden Kampf um ihre Rechte zu werfen.

Zunächst soll durch die Definition indigener Völker und ihrer Rechte eine Grundlage für die weitere Auseinandersetzung gelegt werden. Dabei sind internationale Konventionen ebenso von Bedeutung für die Anerkennung wie indigene Selbstdefinition und Territorialrechte. Schnell wird dabei bewusst, auf welche Grenzen man weltweit bei der Implementierung stößt und welche Gefahren, insbesondere in Form von wirtschaftlicher Ausbeutung der angestammten Territorien, existieren. Um den weitreichenden Problemen, mit denen sich indigene Bevölkerungen weltweit konfrontiert sehen, etwas zu entgegnen, kämpfen diese insbesondere auf internationaler Ebene um Gehör und beginnen sich weitreichend zu vernetzen, um einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch voranzubringen.

Relevante internationale Verträge

Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) “Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern” (im Folgenden: Konvention 169)

  • verabschiedet am 27. Juni 1989, in Kraft getreten am 5. September 1991
  • Bei der Konvention 169 handelt es sich derzeit um das einzige völkerrechtlich bindende Instrument für indigene Rechte. Sie löste mit ihrer Verabschiedung die bis dahin geltende Konvention 107 ab.
  • Derzeit (Stand: Mai 2025) hat das Abkommen die folgenden 24 Vertragsparteien: Mexiko (1990), Norwegen (1990), Argentinien (1991), Bolivien (1991), Kolumbien (1991), Costa Rica (1993), Paraguay (1993), Peru (1994), Honduras (1995), Dänemark (1996), Guatemala (1996), Ecuador (1998), Fidschi (1998), Niederlande (1998), Brasilien (2002), Dominica (2002), Venezuela (2002), Nepal (2007), Spanien (2007), Chile (2008), Nicaragua (2010), Zentralafrikanische Republik (2010), Luxemburg (2018), Deutschland (2021).
  • Trotz der relativ niedrigen Zahl an Unterzeichnungen gilt sie als eins der beiden einflussreichsten Dokumente im Bereich der indigenen Rechte und Wegbereiterin für weitere rechtliche Entwicklungen.

Deklaration der Rechte indigener Völker (englische Abkürzung: UNDRIP)

  • Nicht-bindende Erklärung der UN-Generalversammlung vom 13. September 2007
  • 144 Fürstimmen, vier Gegenstimmen (USA, Kanada, Australien, Neuseeland), elf Enthaltungen
  • UNDRIP gilt als zweites zentrales Dokument für indigene Rechte und Weiterentwicklung der Konvention 169. Als Erklärung der UN-Generalversammlung ist sie nicht bindend für Staaten, trotzdem gelten weite Teile laut herrschender Meinung mittlerweile als Völkergewohnheitsrecht und damit doch bindend.

Im Kampf um die eigene Identität: Wer ist überhaupt indigen?

Eine globale, allumfassende Definition “indigen” ist schwierig zu finden, insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Lebensmuster der Gruppen und der Tatsache, dass auch indigene Kulturen sich über Jahrhunderte weiterentwickeln und wandeln. UNDRIP umgeht eine Definition komplett – wohl auch aufgrund der Kontroverse darum. Die Konvention 169 dagegen definiert indigene Völker als solche, die die von „Bevölkerungsgruppen abstammen, die in dem Land oder in einem geographischen Gebiet, zu dem das Land gehört, zur Zeit der Eroberung oder Kolonisierung oder der Festlegung der gegenwärtigen Staatsgrenzen ansässig waren und die, unbeschadet ihrer Rechtsstellung, einige oder alle ihrer traditionellen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einrichtungen beibehalten“. Als weiteres Kriterium führt sie die Selbstidentifikation ein, das heißt das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Volk.

Auf internationaler und nationaler Ebene ist die Definition von ‘indigen’ stark umkämpft, nicht zuletzt aufgrund der Rechte, die sie direkt bedingt. Aus den verschiedenen internationalen Regelwerken ergibt sich einerseits die Pflicht für Staaten, ihre indigene Bevölkerung zu schützen und ihnen die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Andererseits haben indigene Völker auch Anspruch auf das Land ihrer Ahn:innen sowie die darauf vorzufindenden natürlichen Ressourcen und ein Anrecht auf Selbstbestimmung. Das heißt, sie genießen ein gewisses Maß an politischer Autonomie und Selbstverwaltung bei lokalen und internen Angelegenheiten, unter anderem bei ihrer institutionellen Organisation und der Verwaltung ihres Territoriums. Damit spricht ihnen das Völkerrecht nicht nur individuelle Rechte zu, sondern darüber hinaus kollektive, die ihnen als Gruppe zustehen. Die individuellen Rechte auf Schutz und Teilhabe genießen auch nationale oder ethische, religiöse und sprachliche Minderheiten, nicht aber die kollektiven Rechte, die mit der Verabschiedung der Konvention 169 ein Novum des internationalen Rechts waren.

Vor dem Hintergrund negieren gerade asiatische und afrikanische Staaten strategisch die Existenz ihrer indigenen Bevölkerung mit Verweis darauf, dass ihre gesamte Bevölkerung eingeboren sei. Eine solche Rhetorik ist in erster Linie als Versuch einzuordnen, die eigenen indigenen Völker als ethnische Minderheiten zu klassifizieren und ihnen auf diesem Wege den Zugang zu und die Kontrolle von bestimmten Territorien und Ressourcen zu verweigern. Die Frage um Indigenität ist somit nicht nur eine der Identifikation, sondern eine höchst politische.

Im Kampf um Land und Selbstbestimmung: Wer darf sich eigentlich “Volk” nennen?

In anderen Weltregionen steht die Identifikationsfrage weniger im Vordergrund, aber auch dort stellen die Landrechte einen zentralen Konfliktpunkt dar, beispielsweise in den nordischen Ländern und Lateinamerika. Festgeschrieben sind die Ansprüche auf das Land der Vorfahren sowohl in Artikel 14 der Konvention 169 als auch in Artikel 26 UNDRIP. Artikel 15 der Konvention gesteht den indigenen Völkern darüber hinaus noch ein Recht auf Beteiligung am Management der natürlichen Ressourcen dieser Territorien zu.

Für viele indigene Völker gehen die beiden Instrumente damit auf eine zentrale Forderung ein und setzen einen der Grundpfeiler für ein umfassenderes Recht auf Selbstbestimmung. Auch dieses ist von staatlicher Seite umstritten. Zwar ist eine der zentralen Errungenschaft der Konvention 169, dass nunmehr von Völkern gesprochen wird und Indigene als Kollektiv anerkannt werden. Gleichzeitig schränkt Artikel 1 Absatz 3 diese Verwendung insofern ein, dass mit dem Begriff keine Rechte einhergehen, „die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können“. Bezug nimmt der Absatz damit auf den gemeinsamen Artikel 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Diese sprechen allen Völkern ein Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich ihres politischen Status sowie ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung zu.

UNDRIP bricht damit und geht einen Schritt weiter. Hier wird das Recht auf Selbstbestimmung explizit in Artikel 3 festgehalten,  mit der späteren Einschränkung in Artikel 46, Absatz 1, dass diese Selbstbestimmung die territoriale Integrität, politische Einigkeit oder Souveränität des Staates nicht beeinträchtigen darf. Hierin spiegelt sich auch eine weitere zentrale Sorge der Staaten bei der weitreichenderen Anerkennung indigener Rechte. Dabei streben indigene Völker kaum je die Gründung eines eigenen Staates nach westlichem Vorbild an. Für sie steht die lokale Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten und Territorien im Vordergrund.

Im Kampf um die eigenen Rechte: die Grenzen der Anerkennung und Implementierung

Die Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Umsetzung indigener Rechte spiegeln sich auch in der Zahl der Ratifikationen von Konvention 169, die derzeit über 24 Vertragsparteien verfügt. In 17 Ländern bleibt darüber hinaus die Vorgängerkonvention 107 weiter in Kraft, die nicht zuletzt als überholt gilt, da sie unter anderem Zwangsumsiedlungen erlaubt und von einigen Expert:innen so interpretiert wird, dass sie Staaten verdeckt zur Assimilierung der indigenen Völker einlädt. Diese Länder wurden zwar von der ILO zur Kündigung und Ratifikation von Konvention 169 aufgefordert, sind dem jedoch bislang nicht nachgekommen. Unter ihnen ist auch Indien, wo die Zahl indigener Personen auf bis zu 100 Millionen geschätzt wird.

Weitere weltpolitisch bedeutende Länder mit vergleichsweise großer indigener Bevölkerung wie die USA, Kanada, Neuseeland und Australien haben die Konvention 169 ebenfalls nicht unterzeichnet. Sie sind auch die einzigen vier Länder, die gegen die Verabschiedung von UNDRIP gestimmt hatten und sich damit gegen eine Mehrheit von 144 Staaten stellten. Dabei schafft UNDRIP praktisch kein neues Recht, sondern sammelt und synthetisiert die völkergewohnheitsrechtlichen Entwicklungen, die seit der Verabschiedung von Konvention 169 stattgefunden haben. Diese umfassen das Recht auf Selbstbestimmung, Autonomie und Selbstverwaltung, die Beteiligung an Entscheidungen, die ihre Angelegenheiten betreffen über das freie, im Voraus gegebene und gut informierte Einverständnis, das Recht auf kulturelle Identität, das Recht auf Land, Territorien und Ressourcen, Reparationen sowie auf eigene Bildungsinstitutionen und Medien.

In der Realität tut sich jedoch eine weite Kluft auf zwischen den anerkannten Rechten und denen, die indigene Völker in der Realität tatsächlich genießen. Entsprechend werden nicht nur von NGOs, sondern ebenfalls von UN-Expert:innen und Sondergesandten sowie der EU weltweite systematische Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern festgestellt. Auch Länder wie Bolivien, das weltweit eine der umfangreichsten Regelungen zum Schutz der indigenen Bevölkerung in seiner Verfassung verankert hat, scheitert bei der Implementierung dieser Rechte, sodass diese nur auf dem Papier bestehen und real kaum einen spürbaren Nutzen haben.

Im Kampf um die Lebensgrundlage: Indigene Territorien als Ziel wirtschaftlicher Ausbeutung

Die systematische Missachtung nationaler Gesetze und internationaler Abkommen ist eine Gemeinsamkeit, die indigene Gemeinschaften aller Kontinente teilen. Hierbei ähneln sich die Problematiken, mit denen Indigene konfrontiert sind: Landraub, Ressourcenausbeutung, kultureller Raub, Assimilierung, politische Marginalisierung, ausbleibende Repräsentation, Gewalt, Mord, ökonomische Ausbeutung und Zerstörung des jeweiligen Lebensraums. Letzteres wird insbesondere durch den menschengemachten Klimawandel stark beschleunigt. Zu den Täter:innen zählen nicht nur staatliche Akteur:innen, sondern auch Unternehmen und teils Milizen, Paramilitärs und bewaffnete Privatpersonen.

Dabei hängen viele der erwähnten Probleme zusammen. Grundlage des Landraubs sind häufig illegale Ressourcenausbeutung, die zur Durchsetzung der jeweiligen Interessen mit Gewalt, Vertreibung und Mord einhergehen und in der letzten Konsequenz die Zerstörung des Lebensraums zur Folge haben. Eine solche Vorgehensweise, respektive der ausbleibende Schutz des Staates, der zur Gewährleistung der Rechte seiner Staatsbürger einschließlich marginalisierter Gruppen verpflichtet ist, basiert auf ausbleibender Repräsentation und politischer Ausgrenzung.

Das zeigt nicht nur das Beispiel indigener Gruppen im Amazonasgebiet, sondern auch in Kanada, wo die geplante Coastal GasLink Pipeline das Gebiet der Wet’suwet’en ohne deren Genehmigung durchkreuzt und die Errichtung des Side C Damms die Lebensgrundlage der Indigenen bedroht. Auch in Asien und Afrika lassen sich solche Strukturen ausmachen. In Kambodscha, Indonesien und Malaysia sowie in vielen anderen asiatischen Ländern, wie beispielsweise Indien, in denen diverse Adivasi-Gemeinschaften beheimatet sind, ist die indigene Bevölkerung von einem Landraub bedroht, der Ressourcenextraktivismus als Ursache hat. In Afrika lässt sich das kanadische Öl- und Gasunternehmen ReconAfrika nennen, das in Botswana, in dem vor allem die San unter der systematischen Unterdrückung, politischer Missachtung und Zwangsumsiedlungen leiden, und Namibia mit Bohrungen die Rechte der dort ansässigen Bevölkerung untergrub und negative ökologische Konsequenzen hervorrief. Auch der Abbau von Diamanten in Angola wirkte sich auf Gebiete im Kongo aus, was eine Umweltkatastrophe mit 40 Toten zur Folge hatte. Mali Ole Kanuga, Gründer und Leiter von IMPACT, der kenianischen Organisation für Konflikttransformation und Friedensförderung und Vertreter der Maasai aus Laikipia kritisiert dabei die fehlende Achtung geltenden Rechts vonseiten der Regierung und ergänzt:

„Welche Gründe jeweils für die Zwangsumsiedlungen und Vertreibungen angeführt werden, ist letztlich zweitrangig, denn das Ergebnis bleibt immer gleich: Die Gemeinschaften verlieren ihr Territorium. Dabei ist Land in vielerlei Hinsicht essenziell: Es geht um die Sicherung der materiellen Lebensgrundlagen, aber auch um Identität, um Kultur, Spiritualität und historische Rechte.“

Den letztgenannten Aspekt gefährden nationalstaatliche Assimilierungsprogramme in verschiedenen Formen. Beispielsweise geben Massai ihre ethnische Herkunft in Kenia nicht an, da sie Benachteiligungen fürchten. Auch seit dem Völkermord in Ruanda 1994, der etwa ein Drittel der ruandischen Batwa-Bevölkerung das Leben kostete, verfolgt die neue Regierung Ruandas eine Versöhnungspolitik, die eine gemeinsame Identität aller Bürger:innen von Ruanda propagiert. Die Batwa stehen daher unter Druck, sich nicht mehr als eigene Volksgruppe zu bezeichnen.

Im Kampf ums Überleben: Ein drohender Völkermord?

Es müssen nicht nur in Südamerika, China, Indien, anderen Teilen Asiens, Afrikas oder Nordamerikas entscheidende Aspekte der indigenen Kultur verteidigt werden, um das Überleben der jahrhundertealten Traditionen zu sichern. Auch in Nordeuropa kämpfen etwa die Saami um Anerkennung – ein Zeichen, dass die Benachteiligung Indigener eine globale Thematik darstellt.

Aufgrund des weltweiten Ausmaßes der Bedrohungen von indigenen Volksgruppen ist von einer systematischen Missachtung der Rechte Indigener zu sprechen. Indigene sind nicht nur überproportional von Armut sowie dem Klimawandel betroffen, sondern machten zwischen 2012 und 2021 auch 35% der getöteten Personen aus, die sich für Umwelt- und Landrechte einsetzten. Diese Faktoren sowie ausbleibender Schutz vor Mangelernährung und Krankheiten, die zumeist von außen durch Arbeiter:innen im Ressourcenextraktivismus eingebracht werden, veranlasste die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli-Corpuz, vor einem Völkermord an den Indigenen zu warnen. Auf diesen Punkt wies auch die EU in ihrem „Bericht über die Verletzung der Rechte indigener Völker in der Welt, unter anderem durch Landnahme (2017/2206(INI))“ hin. Ferner attestiert die EU, dass „indigene Menschenrechtsverteidiger häufig mit der systemimmanenten Straflosigkeit der Täter konfrontiert sind, die Angriffe gegen sie verübt haben“.

Einzelne Staaten stehen dabei nicht nur selbst in der Pflicht, die Rechte Indigener zu achten, sondern die Gemeinschaften auch vor Einschränkungen durch nicht-staatliche Akteur:innen zu schützen. Die jeweiligen Täter:innen müssten hier nach nationalem Recht verurteilt werden, nicht wegen einer Menschenrechtsverletzung. Diese entsteht erst durch das systematische Scheitern des Staates, ein spezifisches Recht zu schützen, beispielsweise durch die anhaltende Straflosigkeit beim Landraub an indigenen Territorien.

Im Kampf um Gehör: Indigene Rechte auf der internationalen Bühne

Der Dokumentation eines solchen systematischen Scheiterns stehen im Fall indigener Rechte nicht zu unterschätzende Hürden im Weg. Im Falle der ILO ist sie an die dort verankerten institutionellen Mechanismen gebunden, die auf dem Dreiparteien-System der Organisation basieren. Das bedeutet, außer Staaten, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ist es keinen Individuen oder Organisationen erlaubt, Berichte einzureichen. Indigene Vereinigungen sind damit auf den guten Willen einer der Parteien angewiesen, um ihre Position einzubringen. Andernfalls werden sie zwar als technische Berater:innen beteiligt und können Schattenberichte vorlegen, finden aber dennoch keine Erwähnung in den offiziellen Dokumenten der ILO. UNDRIP dagegen schafft keine spezifischen Follow-Up-Mechanismen, sondern ruft seine Organe lediglich dazu auf, ein Respektieren und vollständiges Anwenden der Deklaration zu unterstützen (Artikel 42). Auch wenn an dieser Stelle anzumerken ist, dass indigene Vertreter:innen umfangreich an der Ausarbeitung der Deklaration beteiligt wurden und im UN-System regelmäßig erfolgreich mit Delegierten vertreten sind. Nichtsdestotrotz kämpfen gerade die indigenen Gemeinschaften noch immer um Gehör, die sich nach außen bislang nicht politisch organisieren konnten oder von ihren Staaten nicht anerkannt werden. Dabei tun sie dies nicht nur in einem institutionellen Rahmen, sondern leisten auch auf anderen Wegen Widerstand, teilweise bewusst außerhalb der UN-Prozesse und anderer Institutionen.

In jedem Fall ist es von besonderer Bedeutung, weltweit einen Blick auf die systematische Marginalisierung und Ausbeutung indigener Gemeinschaften zu werfen und die Einhaltung ihrer Rechte einzufordern. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei Staaten, in denen Indigene leben, sondern bei der gesamten internationalen Gemeinschaft. Die deutsche Bundesregierung ist dahingehend mit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 im Jahr 2021 einen wichtigen ersten Schritt gegangen. Dennoch gilt es der systematischen Missachtung indigener Rechte, der teilweise gewaltsamen Unterdrückung indigener Völker und dem anhaltenden Entzug ihrer Lebensgrundlage durch staatliche wie private Akteure Einhalt zu gewähren. Dabei muss auch an enge Partner Deutschlands appelliert werden, die sich derzeit sowohl einer Ratifikation der Konvention entziehen als auch der Anwendung geltenden Gewohnheitsrechts. Ansonsten drohen die schwerwiegenden und massenhaften Menschenrechtsverletzungen an Indigenen weltweit abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit anzuhalten.