Wahlen im Südsudan: Jetzt braucht es einen langen Atem

Die Wahlkommission hat es am 8. Februar 2011 endgültig verkündet: bei dem am 9. Januar stattgefundenem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan haben sich 98,83 % für die Abspaltung entschieden. Damit wurden die am 30. Januar bekannt gewordenen Zwischenergebnisse bestätigt. Somit ist ein wichtiger Bestandteil des Comprehensive Peace Agreement (CPA), dem Friedensabkommen von 2005 umgesetzt worden, das einen Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen dem Nordsudan und dem Süden beendete.

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir verkündete wiederholt, dass er das Ergebnis respektiere und sich für eine friedliche Lösung bei der Klärung der noch offenen Fragen einsetze. Auch der zukünftige Präsident des Südsudan und noch Vize-Präsident des Sudans, Salva Kiir Mayardit, ist an einem friedlichem Dialog mit dem Norden interessiert. Angesichts der gigantischen nun anstehenden Aufgaben ist dies nicht weiter verwunderlich.

Die Situation der Menschen ist nach wie vor dramatisch. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, 4,3 Millionen Menschen waren im Jahr 2010 auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen. Nur jeder zweite hat Zugang zu Trinkwasser, Malaria nimmt epidemische Formen an und ist der Grund für 40% aller Krankenhausbesuche. In ganz Südsudan gibt es nur 100 ausgebildete Hebammen, jedes zehnte Kind stirbt bei der Geburt. Hinzu kommt, dass rund 92% der Frauen weder lesen noch schreiben könne, was die gesundheitliche Aufklärung erschwert. Hinzu kommt, dass die andauernden Kämpfe, insbesondere in den letzten 20 Jahren, die Infrastruktur völlig zerstört haben. Es gibt nicht genügend Straßen, auf denen Waren oder Menschen transportiert werden können, nicht genügend Häuser für die Bewohner, kaum funktionierende Wasserleitungen und keinen Strom. Die zukünftigen Staatsstrukturen müssen von Grund auf neu gebaut werden, angefangen bei Büroräumen über die Festlegung von Verwaltungsstrukturen bis hin zur Ausbildung der zukünftigen Verwaltungsbeamten.

Und die Erwartungen sind hoch. „Angesichts unseres Kampfes um Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit und Menschenwürde wird der Südsudan nicht nur der neueste Staat der Welt sein, sondern ihre neueste Demokratie“, versprach Kiir.

Doch nicht nur innerhalb des Südsudans müssen in kürzester Zeit Unmöglichkeiten möglich werden. Zentrale Aspekte der Unabhängigkeit müssen noch immer zwischen dem Norden und dem Süden ausgehandelt werden. Im Juli 2011 läuft das CPA aus und die Unabhängigkeit soll endgültig vollzogen werden. Die Zeit ist knapp und so laufen bereits intensive Verhandlungen über die Aufteilung der Öleinnahmen, die genaue Grenzziehung sowie die Situation in der heiß umkämpften Region Abyei, für die das Referendum ausgesetzt wurde, weil es keine Einigung über die Wahlberechtigten gab. Zusätzlich sind die Fragen der Staatsangehörigkeit, der Währung, der Gerichtsbarkeit und die Neuaushandlung internationaler Verträge zu klären.

Hinzu kommt, dass weitherhin zahlreiche Gewaltkonflikte fortbestehen. Auch nach dem Referendum kam es in der Region Abyei erneut zu Kämpfen zwischen Nomadenvölkern und der dort ansässigen Landbevölkerung der Ngok Dinka. Auch in der Region Upper Nile kam es am 6. Februar zu erneuten Kämpfen, die 66 Menschen das Leben kosteten.

Die umstrittenen Grenzgebiete werden von speziellen Militäreinheiten bewacht, die sich aus den Armeen des Nordens und des Südens zusammensetzen. Es bleibt zu hoffen, dass die positiven Erfahrungen der letzten Monate genügend Zuversicht auf allen Seiten geschaffen haben, um das nächste Kapitel in der Geschichte des Sudans gemeinsam zu schreiben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl von Konflikten aufgrund zahlreicher direkter Mediationsverhandlungen bereits spürbar gesenkt. Allerdings ist es bereits zu Abspaltungen und Kämpfen innerhalb der nordsudanesischen Armee gekommen, nachdem sich ehemalige Rebellengruppierungen in der Upper Nile Region dem Abzug aus dem Gebiet widersetzten.

Von Seiten der internationalen Gemeinschaft gab es vor allem Glückwünsche. Präsident Obama verkündete, dass die USA den Südsudan im Juli 2011 als Staat anerkennen werden. Auch die EU ließ verkünden, dass sie einer stabilen und langen Partnerschaft mit dem Südsudan entgegensieht. AU-Kommissionschef Jean Ping nannte die Volksabstimmung im Südsudan einen „Triumph des sudanesischen Volkes“. Diese internationale Unterstützung ist positiv, doch damit allein ist dem sudanesischen Volk noch nicht geholfen.

In Anbetracht der noch immer stattfindenden Kämpfe und der großen Anzahl noch zu klärender Themen hat die Vereinbarung eines Post-CPA Abkommens höchste Priorität. Insbesondere die Äußerungen von Bashir, denen zufolge die United Mission in Sudan (UNMIS) Truppen mit dem Auslaufen der CPA Vereinbarungen im Juli 2011 den Nordsudan verlassen sollen, lassen neue Konflikte befürchten. Vorstellbar wäre es entsprechend, dass das Mandat der UNMIS auf den Südsudan beschränkt bleibt, und die UN Soldaten gewaltsame Auseinandersetzungen in den noch umstrittenen Grenzregionen, welche zunächst weiter Teil des Nordens bleiben, nicht verhindern könnten.

Die Beteuerungen beider Seiten über eine friedliche Einigung bezüglich der noch anstehenden Themen sind zu begrüßen. Die Anfrage nach Land für eine Botschaft von Seiten des Nordsudan ist ein klares diplomatisches Signal. Trotzdem brauchen die Konfliktparteien Druck von seiten der internationalen Staatengemeinschaft.

Hierbei kommt Deutschland eine entscheidende Rolle zu. Die Bundesrepublik hat im Juli 2011, wenn der Südsudan in die Unabhängigkeit entlassen wird, den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates inne. Deutschland muss seinen international gegebenen Verpflichtungen nachkommen und dem Sudan einen wichtigen Platz auf der Agenda geben, auf dass der Staat keine bloße Hülle, sondern ein Vorbild für den afrikanischen Kontinent werden kann.

 von Hannes Krüger

Genocide Alert unterzeichnet Aufforderung an den tschadischen Präsidenten Idriss Deby, den Haftbefehl gegen Umar al-Baschir anzuerkennen

Genocide Alert unterzeichnet Aufforderung an den tschadischen Präsidenten Idriss Deby, den Haftbefehl gegen Umar al-Baschir anzuerkennen. Am 12. Juli 2010 stellte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen al-Bashir, Präsident des Sudan einen Haftbefehl wegen Völkermords aus. In einem gemeinsamen Schreiben fordern 97 internationale Organisationen den Präsidenten des Tschad dazu auf, den Haftbefehl anzuerkennen, Umar al-Baschir nicht in den Tschad einreisen zu lassen oder den Haftbefahl bei einer Einreise auszuführen.

Pdf.-Version der Aufforderung an den tschadischen Präsident Idriss Deby

Deutsche Welle berichtet über Genocide Alert Podiumsdiskussion

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion vom 30.1.2013 fasst dw.de die Meinungen zu Syrien und der Schutzverantwortungen zusammen und  beantwortet die Frage, wie sich Deutschland angesichts des eingeschränkten Handlungsspielraumes dennoch engagieren kann:

„Um Situationen wie in Syrien gar nicht erst entstehen zu lassen, plädiert Robert Schütte von „Genocide Alert“ außerdem für ein stärkeres Engagement im Bereich der Sicherheitssektorreform. Ziel dieses Konzepts ist, staatliche Sicherheitssektoren so zu reformieren, dass sie die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Staates erfüllen und dabei demokratischen Prinzipien unterstehen.“,

schreibt Anne Allemling in ihrem Artikel und zitiert dabei aus der Diskussion vom 30.1.2013 im Rautenstrauch-Joest Museum zwischen Schütte, MdB Dr. Rolf Mützenich (Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion)und Prof. Claus Kreß (Institute for International Peace and Security Law, Universität zu Köln).  Zum Artikel

Das Jein zur Intervention – Podiumsdiskussion zur Schutzverantwortung

Bereits im Vorfeld der Podiumsdiskussion zum Thema Schutzverantwortung (RtoP) im Rautenstrauch-Joest Museum in Köln hatte der Kölner Stadtanzeiger mit dem Artikel „Das Jein zur Intervention“ die aktuelle Diskussion beleuchtet.
Robert Schütte, Vorsitzenden von Genocide Alert, betonte im Interview mit dem KStA die Wichtigkeit einer Stellungnahme Deutschlands und forderte erneut eine hochrangigen RtoP-Koordinierungsstelle.

Podiusmdiskussion Köln / Foto Herbert Mück

Am Mittwochabend diskutierten Robert Schütte (Genocide Alert), MdB Dr. Rolf Mützenich (Außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion)und Prof. Claus Kreß (Institute for International Peace and Security Law, Universität zu Köln) unter Moderation von Babs Mück (Netzwerk „Eine-Welt Stadt Köln“) das Thema: „Afghanistan, Libyen, Syrien, Mali: Wann soll die internationale Gemeinschaft zum Schutz der Bevölkerung eingreifen – Wenn überhaupt?“ vor einer interessierten Zuhörerschaft.

 

Die Videodokumentation der spannenden Diskussion zum Thema Schutzverantwortung wird in Kürze hier online gestellt.

 

Den Artikel „Das Jein zur Intervention“ finden sie in der Printversion des Kölner Stadtanzeiger vom 30.1.2013.