Keine Hoffnung für Syrien? Genocide Alert beteiligt sich an Podiumsdiskussion in Offenbach

Aus aktuellem Anlass haben die SPD-Ortsvereine in gemeinsamer Initiative am 28.8.13 eine Podiumsdiskussion über die aktuelle Lage in Syrien durchgeführt. Dabei standen vor allem die Fragen im Raum, wie man den Konflikt lösen könnte und welche Rolle Deutschland dabei spielen sollte.

Moderiert von Gene Hagelstein (SPD-Bundestagskandidat), diskutierten Frau Uta Zapf (Vorsitzende des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag), Herr Dr. Bruno Schoch (Projektleiter der Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) und Christoph Schlimpert (stellvertretender Vorsitzender von Genocide Alert e.V.).

Es zeigte sich schnell, dass einfache Lösungen für einen verbesserten Schutz der Zivilisten und den zahlreichen Flüchtlingen ebenso wenig existieren, wie offensichtliche Möglichkeiten die Kampfhandlungen zu beenden.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass allein ein erhöhter internationaler politischer Druck auf sämtliche Beteiligten dazu führen könnte, den Konflikt zu beenden. Ein solches Vorgehen würde jedoch allenfalls mittel- bis langfristige Veränderungen bewirken. Daher standen insbesondere Maßnahmen im Zentrum der Debatte, durch die das Leid der Zivilbevölkerung schnellstmöglich gelindert werden könnte.

Nach Dr. Schoch würde eine militärische Intervention derzeit in einer unkontrollierbaren Gewaltspirale münden, deren Ausgang nicht vorherzusehen wäre.

Dem schloss sich Uta Zapf an, verwies jedoch auch auf die internationale Schutzverantwortung, nach der die Staaten die Verpflichtung hätten friedensfördernd einzugreifen.

Zwar sei die internationale Schutzverantwortung kein Völkerrecht, argumentierte Christoph Schlimpert, sie biete aber den moralischen Imperativ, weswegen auch Russland und China zunehmend ihre Blockadehaltung im VN-Sicherheitsrat aufgeben müssten. Dies sei insbesondere der Fall, nachdem die Kämpfe nun offensichtlich und massiv eskalierten. Abschließend betonte er noch einmal die Verantwortung der Bundesregierung mit dem Appell, sie müsste ihr internationales politisches Gewicht und ihre bisherigen Erfahrungen als Konfliktmediator im Nahen Osten nutzen, um auf eine Dialogbereitschaft der Konfliktparteien einzuwirken. Zudem muss der Druck durch die internationale Staatengemeinschaft erhöht werden. Weiterhin ist es dringend geboten, die humanitäre Hilfe um ein Vielfaches zu erhöhen, damit die Flüchtlinge vor Ort die notwendige Unterstützung bekämen.

(Hannes Krüger)

weiterführender Link zur Offenbach Post

„Ein syrisches Srebrenica“ – Zur aktuellen Diskussion um Syrien

Wenn die syrische Regierung tatsächlich Giftgas gegen ihre eigene Bevölkerung eingesetzt hat, wird der Westen eine militärische Intervention erwägen müssen. Sollte die internationale Gemeinschaft erneut nicht auf den Gebrauch von Giftgas durch Assad reagieren, wird dies höchstwahrscheinlich von Damaskus als Freifahrtschein für künftige Chemiewaffen-Angriffe gewertet werden. Es droht ein Bürgerkrieg, in dem die syrische Regierung ungestraft systematischen Gebrauch von Massenvernichtungswaffen gegen zivil-bewohnte Stadtviertel machen könnte. Nachdem der Bürgerkrieg bereits 100.000 Menschen das Leben gekostet hat, ist in diesem Fall mit einem rasanten Anstieg der Opferzahlen zu rechnen. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt entschlossen handeln, wenn sie einen weiteren Einsatz von Giftgas gegen unschuldige Zivilisten verhindern will.

Seit zwei Jahren blockiert Russland Sanktionen gegen Damaskus

Außenminister Westerwelle hat zu Recht gefordert, dass die Vorwürfe gegen das Assad-Regime umgehend aufgeklärt werden müssen. Spezialisten der Vereinten Nationen sind bereits im Land und müssen sofort an den Ort des Geschehens gelassen werden, um eine unabhängige Untersuchung durchführen zu können. Man sollte sich jedoch keinen Illusionen hingeben: Schon jetzt ist klar, dass Assad jegliche Schuld verneinen und Russland an den Ergebnissen zweifeln wird. Wie vollständig kann Aufklärung in einem Bürgerkriegsgebiet schon sein, in dem die Wahrheit bekanntlich als erstes stirbt? Wenn selbst im friedlichen Deutschland ein NSU-Untersuchungsausschuss nach Anhörung von mehr als 100 Zeugen und Auswertung von über 12.000 Aktenordnern keine vollständige Aufklärung über die begangenen Verbrechen schaffen kann, wie soll dies in Syrien unter den Augen der mutmaßlichen Täter funktionieren?

Es ist auf die Blockade des Sicherheitsrates zurückzuführen, dass eine friedliche Lösung in unerreichbare Ferne gerückt ist und die verbleibenden politischen Alternativen allesamt mit großen Risiken behaftet sind. Selbstverständlich wäre ein gemeinsames Vorgehen der Vereinten Nationen sinnvoll, das den Druck auf Damaskus spürbar erhöht und fortgesetzte Gas-Angriffe abschreckt. Leider haben Russland und China in den vergangenen zwei Jahren jedes schärfere Vorgehen blockiert und selbst leichteste Sanktionen gegen das Assad-Regime verhindert. Anstatt sich für eine politische Lösung einzusetzen, haben Moskau und Peking die Vereinten Nationen zur Untätigkeit verdammt. So sehr man es sich auch wünschen mag: Es ist leider nicht damit zu rechnen, dass Präsident Putin trotz des Chemiewaffen-Einsatzes seine Blockade des Sicherheitsrates aufgeben wird. Die Zustimmung der UNO zur politischen Voraussetzung einer Reaktion zu machen wäre deshalb nicht nur unklug sondern auch im Sinne derjenigen, die gerade hunderte Frauen und Kinder mit Giftgas ermordet haben.

Eine Intervention wäre nicht legal, aber legitim

Ein militärisches Vorgehen gegen Assad ist zwar machbar, jedoch mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Sollte sich der Westen zu einer Militärintervention entschließen, so wäre diese nicht von einem UN-Mandat gedeckt und somit völkerrechtswidrig. Dies ist ein schwerwiegendes Argument gegen eine Reaktion, auch wenn das Assad-Regime selbst so ziemlich jede menschen- und kriegsvölkerrechtliche Norm gebrochen hat, die man nur brechen kann. Richtig ist aber auch, dass das Ausbleiben einer Reaktion ein Signal an Assad wäre, bei künftigen Giftgaseinsätzen trotz abertausender ziviler Ofer keine Konsequenzen fürchten zu müssen. Dies widerspricht allem, wofür das Völkerrecht und die Vereinten Nationen stehen und wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft für die bedrohte syrische Zivilbevölkerung. Wenn die Vergasung einer Bevölkerung mit Verweis auf das Völkerrecht ungestraft bleibt, dann führt das den Sinn des Völkerrechts ad absurdum.

Wenn sich Russland und China weiterhin schützend vor das Assad-Regime stellen, sollte die NATO handeln und die syrische Luftwaffe sowie militärische Flughäfen zerstören. Ein zeitlich begrenztes militärisches Eingreifen wäre die unter den gegebenen Umständen am wenigsten schlechte Handlungsoption. Eine begrenzte Intervention hätte das Ziel Assad klarzumachen, dass weitere Giftgas-Angriffe nicht geduldet werden. Da der fortgesetzte Einsatz der syrischen Luftwaffe zur Bombardierung zivil-bewohnter Stadtviertel bereits zehntausende Unbeteiligte das Leben gekostet hat, wäre dem Regime zudem ein Instrument zur Terrorisierung der eigenen Bevölkerung aus der Hand genommen. Ähnlich wie die Reaktion der NATO auf den Völkermord in Srebrenica im Jahr 1995 sollte nun in Syrien eine klare Botschaft an die politischen und militärischen Verantwortlichen gehen: Bei weiteren Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden wir nicht länger tatenlos zusehen.

Dr. Robert Schütte ist Vorsitzender der deutschen Menschenrechtsorganisation Genocide Alert e.V.

(Dieser Beitrag wurde am 27. August auf dem Portal TheEuropean veröffentlicht.)

Mit dem Privatjet in die Zelle: Das Karriereende von Bosco Ntaganda

 

 

Ein Paukenschlag. Montag, den 18. März 2013 kursiert seit der Mittagszeit aus gut unterrichteten Quellen die Information, Bosco Ntaganda, Kampfname “Terminator”, habe sich der US-Botschaft in Ruanda in Kigali ergeben. Später am Nachmittag bestätigt sich die Meldung endgültig.  Seit etwa 12 Jahren war er, obgleich nie als offizielle Nummer eins, Strippenzieher verschiedenster Rebellengruppen im Ostkongo.

 

Ein anekdotischer Rückblick

In früher Kindheit und Jugend musste Ntaganda aus Ruanda nach Uganda fliehen. Dort wuchs er in Flüchtlingslagern auf und kehrte Anfang der 1990er Jahre unter Fred Rwigyema und Paul Kagame mit der Rwandan Patriotic Front nach Ruanda zurück und half, den dort wütenden Genozid zu beenden. Es folgen erste Ausflüge in den Ostkongo, wohin die neue ruandische Armee den Schergen des Genozids (heute firmiert unter der Miliz FDLR) folgt, doch zugleich massenweise Massaker unter der Zivilbevölkerung verübt (siehe Mapping-Report der UN). Anschließend schließt sich Ntaganda für kurze Zeit der pro-ruandischen Besatzungsarmee RCD in und um Goma an, bevor er Militärchef von Thomas Lubangas UPC-Rebellen wird. Lubanga ist heute bekannt als erste Person, die vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag verurteilt wird. Aus dieser Zeit, 2002/03, stammt der Haftbefehl des ICC gegen ihn. Mitte des vergangenen Jahrzehnts wechselt der Terminator, übrigens eine Selbstbezeichnung – das Kino der frühen 1990er hatte seinen Einfluss auch in Zentralafrika – zur CNDP, Laurent Nkunda’s Miliz, die im Ostkongo einen Staat im Staate errichtete und zum Teil als Satrap Ruandas agierte. Jener Nkunda befindet sich seit 2009 unter Hausarrest in Ruanda – Folge eines Friedensabkommens zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda. Dieses Friedensabkommen wurde nicht zuletzt dadurch begünstigt, dass Ntaganda sich willens zeigte, seinen Chef zu verraten. Er und weitere hochrangige CNDP-Offiziere erhalten prestigiöse Positionen in der kongolesischen Regierungsarmee. Der Terminator ist nun stellvertretender Kommandant aller Militäroperation im Ostkongo – und plötzlich General. Zugleich eröffnet er in Goma seinen privaten Grenzübergang nach Ruanda, der zu einem Brennpunkt und Nadelöhr für illegal gehandelte Rohstoffe wird. Der Haftbefehl des ICC gegen ihn besteht zu dieser Zeit bereits, aber der kongolesischen Regierung scheint die scheinbare Stabilität wichtiger zu sein. Ruanda befindet sich nicht unter den Unterzeichnerstaaten des Romstatuts.

Nach den letzten Präsidentsschaftswahlen im Kongo gerät der wiedergewählte Joseph Kabila unter starken diplomatischen Druck. Unabhängig von der Beobachtung, dass er nach einer geschickten Verfassungsänderung wahrscheinlich auch ohne Betrug Wahlsieger gewesen wäre, steht die Hypothek von brennenden Wahllokalen und Distrikten mit über 100% Wahlbeteiligung. Die internationale Gemeinschaft möchte als Gegenpfand den mächtigen Kriegsherren Ntaganda in Den Haag sehen. Kabila macht erste Anstalten, beizugeben. Der ihn aus dem Osten unterstützende Ntaganda (gleichwohl der Tatsache, dass dies immer mehr eine „alliance de convenience“ gewesen ist) verliert Vertrauen und Ruhe, desertiert. Eine Welle weiterer Kommandanten, fast auschließlich Ex-CNDP-Offiziere folgt dem Beispiel. Wenige Wochen später erscheint M23, die Bewegung des 23. März, auf der Bildfläche und verzeichnet rapide Geländegewinne nördlich von Goma, im Dreiländereck zwischen Kongo, Ruanda und Uganda. Während Ntaganda von der Bildfläche verschwindet, wird die Bewegung militärisch von Sultani Makenga und Baudouin Ngaruye geführt. Die Forderung lautet, das Friedensabkommen vom 23. März 2009, dass die CNDP in die Regierungsarmee FARDC integriert hat, nun endlich komplett umzusetzen. Offiziell gehört Ntaganda nicht zur M23, aber schnell wird klar, dass er im Hintergrund agiert.
Die UN-Expertengruppe zum Kongo findet erhebliches Material, dass auch Ruanda und Uganda ihre Finger im Spiel haben. Am 20. November 2012 (wie in vorigen Blogeinträgen berichtet), nimmt M23 Goma im Handstreich und demonstriert etwa zwei Wochen Stärke, bevor der Abzug mit neugewonnenem Material und frischen Rekruten beginnt. Es folgen Verhandlungen in Kampala. In dieser Periode wird zum ersten Mal deutlich, dass innerhalb von M23 die alten politischen, ökonomischen, ethnischen Spannungen des CNDP, die ihren Ursprung in der Absetzung Nkundas durch Ntaganda haben, weiterleben. Makenga, ein enger Vertrauter Nkundas setzt sich mit der Entscheidung für den Abzug und Verhandlungen durch, während der politische Führer Jean-Marie Runiga und Ngaruye mit dem Wunsch, den Feldzug fortzuführen, scheitern. Sie sind Ntagandas Spielsteine in dieser Konstellation. Einige Wochen später, Meldungen über Kämpfe innerhalb von M23 – ein Bruderkampf beginnt. Makenga hatte Runiga als politischen Führer der Bewegung abgesetzt, woraufhin dieser und die Ntaganda-treuen Offiziere sich zu jenem absetzen. Der Gegenangriff folgt binnen weniger Tage. Heftige Schlachten halten den sogenannten „petit Nord“ der Provinz Nordkivu in Atem. Nach etwa drei Wochen wird klar, dass die Makenga-Fraktion siegreich sein würde. Viele hochrangige Ntaganda-Kämpfer sterben. Runiga flüchtet als erster nach Ruanda, begleitet von Ngaruye, sowie Seraphin Mirindi und Innocent Zimurinda. Andere ergeben sich Makenga, wiederum andere den Blauhelmen der MONUSCO. Keine Spur von Bosco Ntaganda, bis jener sich unter mysteriösen Umständen am 18. März in der US-Botschaft ergibt und ironischerweise am 23. März, Namensgeber seiner letzten Rebellenformation, in den Haag den Haftbefehl vorgelesen bekommen wird, nachdem er die obligatorische medizinische Untersuchung überstanden hat. Doch wie ist die vermeintliche Selbstauslieferung zustande gekommen?

Zwei konkurriende Theorien besitzen den größten Grad an Wahrscheinlichkeit und werden jeweils von zahlreichen verschiedenen Informanten und anderen Quellen getragen. Beide gehen davon aus, das Ntaganda zwischen dem 16. und 18. März die Grenze nach Ruanda überquert hat:

Variante A: Ntaganda gelangt unbemerkt auf ruandisches Territorium. Mithilfe der Freunde, die er in der ruandischen Armee noch immer besitzt, reist er inkognito bis nach Kigali. Dort stellt er sich der US-Botschaft und bittet um die Überführung nach Den Haag.

Variante B: Ntaganda wird auf ruandischen Territorium von den dortigen Sicherheitskräften festgenommen und nach Kigali gebracht. Die ruandische Regierung zwingt ihn, sich der US-Botschaft zu stellen und um die Überführung nach Den Haag zu bitten.

Beide Varianten beruhen auf einigen Gemeinsamkeiten. Zum einen muss Ntaganda um sein Leben gefürchtet haben – anders lässt sich die überraschende Selbstauslieferung kaum erklären. Eine drohende Haftstrafe von 10-20 Jahren muss in seinen Augen die bessere Alternative gewesen sein. Weiterhin wird klar, Ruanda hat das Interesse an ihm verloren. War er über zehn Jahre in RCD, UPC, CNDP und M23 ein Handlanger, Partner und Instrument ruandischer Interessen im Kongo, so muss Ruanda nun zum Schluss gekommen sein, dass Ntaganda nunmehr ein belastendes Element geworden ist. Dies zeigt nicht zuletzt, ganz egal ob die Wahrheit mehr Variante A oder B gleicht, die Kooperation des Landes mit dem ICC – gerade auch, weil Ruanda den ICC gemeinhin ablehnt.

Über die Spekulationen zur Selbstauslieferung hinaus bleiben weitere Fragen im Fall Ntaganda offen. Die Rolle der kongolesischen Regierung (die bereits sehr früh Ntaganda’s Grenzübergang denunziert hatte, die Rolle der siegreichen Makenga-Fraktion der M23, sowie die Rolle der USA – schließlich hätte Ntaganda sich verhältnismäßig einfacher auch den Blauhelmen in Kibumba, in der Nähe seines letzten Hauptquartiers, stellen können. Was Ntaganda dazu bewegt hat, nicht etwa auf eine seiner Farmen in westlich gelegene Masisi zu fliehen ist unklar. Der Zustand seiner Truppen lässt jedoch darauf schließen, dass er über unzureichende Munition verfügte und alle Zugangswege von feindlichen Akteuren versperrt waren.

Seit dem frühen Nachmittag des 22. März sitzt Ntaganda in einem privat gecharterten Jet mit einer Delegation des ICC. Es ist seinen Opfern, aber auch dem (oft nicht ganz zu unrecht) kritisierten Internationalen Strafgerichtshof zu wünschen, dass was ihn betrifft, Gerechtigkeit geschaffen wird. Darauf zu spekulieren, dass Ntagandas Festnahme und eventuelle Verurteilung den Konflikt im Ostkongo lösen kann ist allerdings blauäugig. Der Friedensprozess bleibt festgefahren. Eine Integration der M23 in die Regierung – die nicht ausgeschlossen ist – wird dieses Problem lösen, wenn auch nur auf Zeit. Zugleich kann sie jedoch weitere Probleme schaffen, wie die Desertion anderer Gruppen. Die neue Sondergesandte der UN, Mary Robinson, sieht sich einer höchst delikaten Lage gegenüber, bei der nicht zuletzt die Rolle der beteiligten Regierungen besonders problematisch werden kann.

 

Ein Beitrag von Christoph Vogel, Mercator Fellow
Originalveröffentlichung des Artikels auf www.nefia.org

Michael Ignatieff diskutiert in Berlin mit Genocide Alert über die Responsibiltiy to Protect

In der Woche vom 13. bis 17. Mai 2013 besuchte Michael Ignatieff Berlin im Rahmen einer Einladung der American Academy. Als Mitglied der International Commission on Intervention and State Sovereignty, sozusagen einer der Gründerväter der Schutzverantwortung, stattete Ignatieff diversen Bundesministerien einen Besuch ab, um den Stand der Schutzverantwortung in der Bundesrepublik zu besprechen und die Idee voranzutreiben. Dazwischen ließ es sich der aktuell in Harvard lehrende kanadische Politiker und Autor nicht nehmen, sich mit einigen Vertretern von Genocide Alert e.V zu treffen und dabei nicht nur seine Expertenmeinung mit uns zu teilen, sondern machte auch konkrete Vorschläge für die weitere Lobby- und Informationsarbeit im Sinne einer Welt ohne Völkermord. Den öffentlichen Rahmen des Besuchs bildeten sowohl eine Holbrooke Vorlesung in der American Academy als auch eine Rede mit anschließender Podiumsdiskussion bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit GPPI.

Credit © European Union, 2013

Interview mit Franziska Brantner: Die Verantwortung Europas

Dr. Fran­zis­ka Brant­ner ist Mit­glied des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments aus Ba­den-Würt­tem­berg. Sie ist au­ßen­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frak­ti­on Grü­ne/EFA und ge­hört dem Aus­wär­ti­gen Aus­schuss an. Sie ist Be­richt­er­stat­te­rin des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments für das The­ma der Schutz­ver­ant­wor­tung (‚Re­s­pon­si­bi­li­ty to Pro­tect‘). Im In­ter­view mit Ge­no­ci­de Alert kom­men­tiert Frau Dr. Brant­ner den in die­sem Früh­jahr ver­öf­fent­lich­ten Be­richt der „Eu­ropean Task Force on the EU Preven­ti­on on Mass Atro­ci­ties.“ Der Be­richt spricht kon­kre­te Emp­feh­lun­gen aus, wie die EU ih­re Fä­hig­kei­ten stär­ken kann um bes­ser zu ei­ner Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen wie Völ­ker­mord bei­tra­gen zu kön­nen.

Ge­no­ci­de Alert: War­um soll­te es in der Ver­ant­wor­tung der Eu­ro­päi­schen Uni­on lie­gen schwers­te Men­schen­rechts­ver­bre­chen welt­weit zu ver­hin­dern?

Brant­ner: Na­tür­lich liegt es nicht nur in der Ver­ant­wor­tung der Eu­ro­päi­schen Uni­on, aber Eu­ro­pa be­sitzt auf­grund sei­ner Ge­schich­te ei­ne be­son­de­re Ver­ant­wor­tung, um Men­schen­rechts­ver­bre­chen zu ver­hin­dern. Vor al­lem aber hat sich die EU ganz ein­deu­tig, auch in ih­ren Ver­trä­gen, zu Mul­ti­la­te­ra­lis­mus und den Ver­ein­ten Na­tio­nen be­kannt hat. Und da­mit steht sie auch in der Pflicht, das Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung (‚R2P‘), das 2005 von al­len Mit­glieds­staa­ten der Ver­ein­ten Na­tio­nen de­kla­riert wur­de um­zu­set­zen. Die EU muss ei­nen an ih­ren Ka­pa­zi­tä­ten und Fä­hig­kei­ten ge­mes­se­nen wich­ti­gen Bei­trag zu des­sen Um­set­zung bei­tra­gen, das Prin­zip je­doch nicht neu er­fin­den. Letzt­lich wä­re es auch der Glaub­wür­dig­keit der EU zu­träg­lich, wenn es ihr stär­ker ge­län­ge, ih­ren heh­ren Ab­sich­ten ent­spre­chen­de Ta­ten fol­gen zu las­sen.

 

Ge­no­ci­de Alert: Wel­che drei Emp­feh­lun­gen der Task Force wür­den Sie als die wich­tigs­ten her­vor­he­ben?

Brant­ner: Die Emp­feh­lun­gen der Task Force zur Prä­ven­ti­on durch die EU von schwers­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen be­inhal­ten zahl­rei­che wert­vol­le An­satz­punk­te. An ers­ter Stel­le gilt es, die Emp­feh­lung zum ex­pli­zi­ten und EU-wei­ten Be­kennt­nis zur Schutz­ver­ant­wor­tung auf­zu­neh­men. Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment ver­ab­schie­de­te im April die­ses Jah­res ei­ne Emp­feh­lung an den Rat zum Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung in der es den Rat und die Mit­glieds­staa­ten auf­for­dert, ei­nen ‚Eu­ro­päi­schen Kon­sens zur Schutz­ver­ant­wor­tung‘ zu ent­wi­ckeln. Die­ser soll ähn­lich wie ver­gan­ge­ne Kon­sen­se zur Ent­wick­lungs­po­li­tik (2006) und zur hu­ma­ni­tä­ren Hil­fe (2008) die EU In­sti­tu­tio­nen und die Mit­glieds­staa­ten ver­pflich­ten, ih­re Maß­nah­men auf der Ba­sis ge­mein­sa­mer Grund­sät­ze zu ko­or­di­nie­ren.

Zwei­tens möch­te ich die For­de­rung nach ei­ner un­ver­züg­li­chen und ziel­ge­rich­te­te­ren Re­ak­ti­on auf Früh­war­nun­gen her­vor­he­ben. Da sich die EU-Struk­tu­ren, ins­be­son­de­re der Eu­ro­päi­sche Aus­wär­ti­ge Dienst (EAD), ho­ri­zon­tal mit den ver­schie­de­nen As­pek­ten von R2P be­fas­sen, ist ein op­ti­ma­ler und hand­lungs­ori­en­tier­ter In­for­ma­ti­ons­fluss un­er­läss­lich. Ei­ne EU-R2P Ko­or­di­nie­rungs­stel­le könn­te da­bei be­hilf­lich sein.

Drit­tens ist die in­ter­na­tio­na­le Ko­ope­ra­ti­on bei Ver­net­zung und Aus­tausch mit lo­ka­len zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Ak­teu­ren un­ab­ding­bar. Die Schutz­ver­ant­wor­tung kann nur funk­tio­nie­ren, wenn es ein uni­ver­sell ge­stütz­tes und um­zu­set­zen­des Prin­zip bleibt.

 

Ge­no­ci­de Alert: Wie se­hen Sie die Rol­le des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments bei der Um­set­zung der Emp­feh­lun­gen des Be­richts?

Brant­ner: Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment ist ein gro­ßer Be­für­wor­ter des Prin­zips der Schutz­ver­ant­wor­tung und sei­ner Um­set­zung. Dies zeig­te sich auch bei der Ver­ab­schie­dung der Emp­feh­lung an den Rat und des­sen über­wäl­ti­gen­der Zu­stim­mung durch die ver­schie­de­nen Frak­tio­nen. Ei­ni­ge der Emp­feh­lun­gen des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments fin­den sich auch im Be­richt der Task Force wie­der. Wir ha­ben dem Rat und den Mit­glieds­staa­ten ei­ne Frist von ei­nem hal­ben Jahr ge­setzt bis sie uns über Schrit­te zur Über­nah­me der Emp­feh­lun­gen zu be­rich­ten ha­ben. Das EP hat im Be­reich der Ge­mein­sa­men Au­ßen- und Si­cher­heits­po­li­tik kei­ne zwin­gen­de Kom­pe­ten­zen, muss je­doch kon­sul­tiert wer­den. Die­se Er­in­ne­rungs- und Mah­nungs­funk­ti­on wird das EP auch im Be­reich der Schutz­ver­ant­wor­tung wei­ter aus­füh­ren, und au­ßer­dem als Brü­cke zwi­schen Zi­vil­ge­sell­schaft und den be­schlie­ßen­den Or­ga­nen des Rats und des EADs agie­ren.

 

Ge­no­ci­de Alert: Die Eu­ro­päi­sche Uni­on be­treibt be­reits ei­ne An­zahl von Ak­ti­vi­tä­ten zur Kon­flikt­prä­ven­ti­on und -be­ar­bei­tung. Was ist der Un­ter­schied zwi­schen die­sen Ak­ti­vi­tä­ten und der Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen?

Brant­ner: Dies ist ge­nau ei­ne der Fra­gen, bei der das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment in sei­ner Emp­feh­lung den Rat und die Mit­glieds­staa­ten um Auf­klä­rung bit­tet. Kön­nen wir das Prin­zip der Schutz­ver­ant­wor­tung mit den der EU zur Ver­fü­gung ste­hen­den Struk­tu­ren, Me­cha­nis­men und In­stru­men­ten ef­fek­tiv um­set­zen? Wo sind Nach­bes­se­run­gen not­wen­dig?

Wir ha­ben in der Emp­feh­lung klar­ge­macht: Be­son­de­res Ge­wicht bei der Um­set­zung von R2P hat für uns sein prä­ven­ti­ver An­satz. Die EU be­sitzt zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten zur Kon­flikt­vor­beu­gung, bei­spiels­wei­se in ih­ren ver­schie­de­nen Au­ßen­fi­nan­zie­rungs- in­stru­men­ten  wie dem Sta­bi­li­täts­in­stru­ment und dem Eu­ro­päi­schen In­stru­ment für De­mo­kra­tie und Men­schen­rech­te, oder in den zi­vi­len und mi­li­tä­ri­schen Mis­sio­nen der Ge­mein­sa­men Si­cher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik. Hin­zu kom­men die bi­la­te­ra­len Ab­kom­men der EU mit ih­ren Part­ner­län­dern.

Der Schritt zur tat­säch­li­chen Ver­hin­de­rung schwers­ter Men­schen­rechts­ver­bre­chen liegt dar­in, die zwei­fel­los be­ste­hen­den Fä­hig­kei­ten zur Kon­flikt­vor­beu­gung- und Be­ar­bei­tung in an­ge­mes­se­ner Form und zum rich­ti­gen Zeit­punkt ein­zu­set­zen. Und hier­für be­nö­tigt es das vom Eu­ro­päi­schen Par­la­ment ge­for­der­te bes­se­re Ver­ständ­nis was die EU bei der Um­set­zung von R2P er­rei­chen möch­te, so­wie ent­spre­chen­der Früh­er­ken­nung po­ten­ti­ell kri­ti­scher Si­tua­tio­nen, um früh­zei­tig agie­ren zu kön­nen. Da­her set­zen wir uns auch für R2P spe­zi­fi­sche Trai­nings für EU Di­plo­ma­ten ein.

 

Ge­no­ci­de Alert: Vie­le der Emp­feh­lun­gen der Task Force er­for­dern Hand­lun­gen durch die Mit­glieds­staa­ten. Wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men soll­te die Bun­des­re­gie­rung er­grei­fen, um schwers­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen zu ver­hin­dern?

Brant­ner: Die Bun­des­re­gie­rung könn­te ei­ne gan­ze Men­ge tun. Auf der Ebe­ne der EU soll­te sie ei­ne trei­ben­de Kraft sein, um die Um­set­zung der vie­len sinn­vol­len Emp­feh­lun­gen des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments vor­an­zu­trei­ben. Da­für müss­te Ber­lin auch ei­ne Ver­mitt­ler­rol­le ein­neh­men zwi­schen Po­si­tio­nen von Mit­glieds­staa­ten, die den bra­si­lia­ni­schen Vor­schlag zur ‚Re­s­pon­si­bi­li­ty whi­le pro­tec­ting‘ und der not­wen­di­gen Ent­wick­lung von Kri­te­ri­en bei der Um­set­zung von R2P-Man­da­ten ab­leh­nen, so­wie je­nen Mit­glieds­staa­ten, die die­sem Bei­trag auf­ge­schlos­se­ner ge­gen­über­ste­hen. Fer­ner soll­te die Bun­des­re­gie­rung ih­ren Stand­punkt ei­ner re­strik­ti­ven  Rüs­tungs­ex­port­pra­xis nicht nur me­di­en­wirk­sam ver­kün­den, son­dern auch in der Aus­fuhr­pra­xis ein­hal­ten. In­ter­na­tio­na­le Po­si­tio­nen wie der Ge­mein­sa­men Stand­punkt der EU zu Waf­fen­ex­por­ten aus 2008 und der dies­jäh­ri­ge Waffenhandelsvertrag (ATT) muss die Bun­des­re­gie­rung ein­heit­lich um­set­zen und an­de­re Un­ter­zeich­ner zu kon­se­quen­ter An­wen­dung drän­gen. Denn in die­sen Do­ku­men­ten ha­ben wir Ver­bo­te von Waf­fen­aus­fuh­ren, wenn mit den zu ex­por­tie­ren­den Gü­tern im Ziel­land ’schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen‘ (EU Stand­punkt) oder gar ex­pli­zit die vier R2P-Ver­bre­chen (ATT) be­gan­gen wer­den könn­ten.

Was für die EU gilt, gilt auch für Deutsch­land: Ein R2P-Be­stands­be­richt zu vor­han­de­nen Ka­pa­zi­tä­ten und In­stru­men­ten für die Um­set­zung der Schutz­ver­ant­wor­tung soll­te er­stellt wer­den. Auch könn­ten deut­sche Di­plo­ma­ten ge­zielt zu po­ten­ti­el­len R2P-Si­tua­tio­nen und de­ren Früh­er­ken­nung ge­schult wer­den. Des Wei­te­ren muss Deutsch­land auch wei­ter­hin das in­ter­na­tio­na­le Netz­werk von R2P-Ko­or­di­nie­rungs­stel­len un­ter­stüt­zen – ge­nau­so wie die im Ju­li 2013 ins Amt be­ru­fe­ne R2P-Son­der­be­auf­trag­te des Ge­ne­ral­se­kre­tärs der Ver­ein­ten Na­tio­nen, Jen­ni­fer Welsh.

Genocide_Alert_Interview_mit_Franziska_Brantner_MEP_zur_European_Task_Force_on_Prevention_of_Mass_Atrocities

 

Wei­ter­füh­ren­de Links:

 

Christoph Schlimpert (Genocide Alert) zur SWP-Studie „Über die Responsibility to Protect zum Regimewechsel“ von Lars Brozus und Christian Schaller

Lars Brozus und Christian Schaller von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) greifen in ihrer aktuellen Studie offene Fragen in der Anwendung der Schutzverantwortung auf. Diese wurden zuletzt am deutlichsten in Fall der Libyen-Intervention und der Problematik eines von außen herbeigeführten Regimewechsels aufgeworfen.

In der zweigeteilten Analyse widmet sich Christian Schaller vor allem den völkerrechtlichen Spielräumen und Grenzen eines militärischen Eingreifens im Rahmen der Schutzverantwortung. Zentrale Streitfrage ist in den gegenwärtigen Debatten die Interpretation des VN-Mandates zum Schutz der Zivilisten im libyschen Bürgerkrieg. Die weite Auslegung der Resolution, zur Durchsetzung einer Flugverbotszone wurden militärische Ziele des Gaddafi-Regimes direkt angegriffen, stieß auch bei jenen Staaten auf Kritik, die dem Text ursprünglich zugestimmt hatten.

Schaller kommt in seiner Bewertung jedoch zu dem Schluss, dass ein solches Vorgehen nicht „dem Geist der Schutzverantwortung“ widerspricht. In solch einem Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen von Seiten eines Regimes, sei „es kaum mehr möglich, auf die Konfliktparteien neutral und unparteilich einzuwirken.“ Ein Regimewechsel im Rahmen eines Einsatzes sei nicht völkerrechtswidrig, solange er auf den Schutzzweck abziele.

Ein „möglichst stabiler Konsens über die Bedingungen ihrer Umsetzung“ sei im Sinne einer „kohärenten und wirksamen Schutzverantwortungspolitik“ sowie förderlich um bestehende Uneinigkeiten der internationalen Gemeinschaft zu überwinden. Klar gefasste Mandate, eine engere Zusammenarbeit mit den involvierten Regionalorganisationen und eine engere Kooperation mit den aufstrebenden Demokratien seien hierfür wichtig.

Lars Brozus thematisiert in seinem Teil der Studie die „Entwicklungsperspektiven der Schutzverantwortung aus politischer Sicht“. Trotz der mittlerweile festen Verankerung der Schutzverantwortung in der internationalen Politik bestehe Klärungsbedarf hinsichtlich der mit der Norm verbundenen Problemen und Dilemmata.

Der „fehlende politische Wille zum wirksamen Eingreifen“ sei nach wie vor das „größte Hindernis auf dem Weg zu einer gemeinsamen Schutzverantwortungspraxis“. Dies sei auf „mangelndes Vertrauen unter den Mitgliedern der Staatengemeinschaft“ zurückzuführen. Die vom VN-Generalsekretär aufgestellten Leitgedanken zur Autorisierung, Begründung und Durchführung von RtoP-Einsätzen seinen geeignet, vertrauensbildend zu wirken.

Abschließend werden Stand und Perspektive deutscher und europäischer Schutzverantwortungspolitik diskutiert und konkrete Empfehlungen gegeben, wie Deutschland einen stärkeren Beitrag leisten könnte:

  1. Zusammenarbeit mit den demokratischen Gestaltungsmächten: Aufbauend auf bisherigen Erfahrungen Deutschlands als „Brückenbauer“ zwischen den westlichen Staaten und Ländern wie Brasilien, Indien und Südafrika könnte die Bundesrepublik dazu beitragen, dass deren Vorschläge zur „konzeptionellen und operativen Weiterentwicklung der Schutzverantwortung“ Gehör finden und so einen globalen Konsens fördern.
  2. Eine neue internationale Kommission: Deutschland könnte, zusammen mit der Europäischen Union, die Einrichtung einer neuen Kommission, nach Vorbild der von Kanada initiierten „Kommission zu Intervention und Staatensouveränität (ICISS)“ unterstützten. Ziel wäre „die bei der Anwendung der R2P zutage getretenen Defizite und Lücken des Schutzverantwortungskonzepts zu beseitigen bzw. zu füllen.“
  3. Frühwarnung, Prävention und nichtstaatliche Akteure: Deutschland sollte dafür werben, dass mehr Focal Points geschaffen werden und gegebenenfalls deren Einrichtung in Drittstaaten fördern. Zudem sollte die Bundesrepublik mit gutem Beispiel voran gehen und Ressourcen für eine bessere Vernetzung und Koordinierung der verschiedenen NGOs und Frühwarnsysteme bereitstellen. Hierzu könnte das Büro des Sonderberaters des Generalsekretärs für die Verhinderung von Völkermord dienen, dem derzeit die dafür notwendigen finanziellen und personellen Mittel fehlen.

Zur Studie: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2013_S13_bzs_slr.pdf

Die USA und R2P: Warum ein neuer Bericht aus den USA auch für die deutsche Debatte zur Schutzverantwortung relevant ist

von Sarah Brockmeier

Am 23. Juli veröffentlichten die Brookings Institution, das US Institute for Peace und das US Holocaust Memorial Museum den Bericht einer hochrangigen Arbeitsgruppe zur Schutzverantwortung (Responsibility to Protect). Der Bericht mit dem Titel „The United States and R2P: From Words to Action” wird fünf Jahre nach dem einflussreichen Bericht der Genocide Prevention Task Force[1] veröffentlicht und hat das explizite Ziel eine breitere amerikanische Öffentlichkeit mit dem Konzept der Schutzverantwortung vertraut zu machen. Wie bereits bei der Vorbereitung des Berichts der Genocide Prevention Task Force leiteten zwei hochrangigen ehemalige Regierungsbeamten die Arbeitsgruppe: die ehemalige Außenministerin unter Clinton, Madeleine Albright, und der frühere Sondergesandten für den Sudan unter George W. Bush, Richard Williamson. Unter den über 30 Teilnehmern der Arbeitsgruppe aus Politik, Wissenschaft, Think Tanks, NGOs und Medien befanden sich viele bekannte Namen – von dem ehemaligen kanadischen Außenminister und Miterfinder von RtoP, Lloyd Axworthy, bis zur ehemaligen Planungsstabsleiterin im US-Außenministerium, Anne-Marie Slaugther.  Weiterlesen

Symposium on Cultural Diplomacy & Human Rights

Vergangene Woche nahm Genocide Alert am Symposium on Cultural Diplomacy & Human Rights mit internationalen NGOs und Experten zur Frage teil, wie sich künftige Völkermorde verhindern lassen.

Der Vorsitzende von Genocide Alert, Dr. Robert Schütte, sprach sich unter anderem für verbessete Frühwarnkapazitäten sowie eine schnellstmögliche Operationalisierug des Konzepts der Schutzverantwortung auf nationalstaatlicher Ebene aus.

Mehr Infos unter www.culturaldiplomacy.de

Europas moralische Verantwortung

Europas moralische Verantwortung: Der Bericht der Task Force on the EU Prevention of Mass Atrocities und seine Implikationen für die deutsche Politik

von Gregor Hofmann

Europa hat eine moralische Verantwortung Menschenrechtsverbrechen vorzubeugen und zu stoppen. Diese ergibt sich nicht nur aus der eigenen Geschichte, sondern auch aus direkten oder indirekten Beiträgen europäischer Staaten an solchen Verbrechen. Mit ihrer Unterstützung für die internationalen Schutzverantwortung – die Responsibility to Protect (RtoP) – hat sich die Europäische Union zu dieser Verantwortung bekannt. Die Schutzverantwortung proklamiert, dass jeder Staat die Verantwortung hat seine Bürgerinnen und Bürger vor Menschenrechtsverbrechen wie Völkermord, ethnischen Säuberungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Versagt der Einzelstaat in seiner Verantwortung steht die internationale Gemeinschaft in der Pflicht durch Unterstützung des Einzelstaates oder Zwang in Form von Sanktionen bis hin zum Einsatz militärischer Gewalt, mandatiert durch den UN Sicherheitsrat, die bedrohte Bevölkerung zu schützen. Aus diesem Bekenntnis ergibt sich eine Verpflichtung nicht nur die eigene Bevölkerung vor diesen Verbrechen zu schützen, sondern auch auf solche Verbrechen in Drittstaaten zu reagieren bzw. diese zu verhindern. Doch was tut die Europäische Union in diesem Bereich? Weiterlesen

Genocide Alert unterzeichnet Aufforderung an den tschadischen Präsidenten Idriss Deby, den Haftbefehl gegen Umar al-Baschir anzuerkennen

Genocide Alert unterzeichnet Aufforderung an den tschadischen Präsidenten Idriss Deby, den Haftbefehl gegen Umar al-Baschir anzuerkennen. Am 12. Juli 2010 stellte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen al-Bashir, Präsident des Sudan einen Haftbefehl wegen Völkermords aus. In einem gemeinsamen Schreiben fordern 97 internationale Organisationen den Präsidenten des Tschad dazu auf, den Haftbefehl anzuerkennen, Umar al-Baschir nicht in den Tschad einreisen zu lassen oder den Haftbefahl bei einer Einreise auszuführen.

Pdf.-Version der Aufforderung an den tschadischen Präsident Idriss Deby