Darfur, ein Klima-Krieg? Darfur, ein Völkermord!
Im TA-Gespräch vom 10.12.2007 erklärt Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes, dass es sich beim Darfur-Konflikt um den ersten „Klima-Krieg“ der Geschichte handle. Diese These ist politisch bagatellisierend und sachlich undifferenziert. Eine Antwort von Robert Schütte.
Darfur, ein Klima-Krieg? Darfur, ein Völkermord!
Der Klimawandel ist nicht für den Völkermord in Darfur verantwortlich. Dies ist die einfache Wahrheit in einer Diskussion um die Ursachen und Gründe der humanitären Tragödie im West-Sudan. Ban Ki-Mun machte Mitte 2007 erstmalig die These populär, dass die Erderwärmung der eigentliche Grund des Kriegs in Darfur sei. In diese Kerbe schlägt nun auch Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes, mit seiner These, dass in Darfur tatsächlich der erste Klima-Krieg der Welt stattfinde. Diese These ist jedoch sachlich zweifelhaft und politisch verfehlt.
Es ist zwar richtig, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gibt, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. So ist das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur enorm und seine Auswirkungen sind einer der Auslöser und Anheizer der Konflikte zwischen sich als arabisch verstehenden Nomaden und sesshaften afrikanischen Stämmen. Die Zunahme von Konflikten um knappe Ressourcen präjudiziert jedoch in keiner Weise die Notwendigkeit eines Kriegsausbruchs oder gar eines Völkermords wie im Fall Darfur. Die eigentliche Frage ist, ob und wie Gesellschaften solche Konflikte regulieren: friedlich, kooperativ oder gewaltsam. Die Regierung des Sudan hat die Entscheidung getroffen, den Konflikt zwischen den Bevölkerungen Darfurs sukzessive zu ethnisieren und schließlich einen Völkermord zu organisieren. Einer der Organisatoren, der ehemalige Innenminister des Sudan Ahmed Haruan, wird deswegen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht.
Vor diesem Hintergrund ist Professor Lundestads „Klima-Krieg“-These irreführend und undifferenziert. Der in der Region stattfindende Völkermord war und ist keine „Naturkatastrophe“, sondern eine beabsichtigte und geplante Politik der Regierung in Khartum zur Zerstörung bestimmter dort lebender afrikanischer Volksgruppen. Die politische Entscheidung zur Vernichtung, Vertreibung, Terrorisierung und Vergewaltigung von unschuldigen Zivilisten kann nicht anhand des Klimawandels erklärt oder entschuldigt werden. Die politische Dimension des Schreckens in Darfur darf nicht klimatologisch banalisiert werden, wie dies Prof. Geir Lundestad implizit (und wahrscheinlich unbeabsichtigt) tut. Es ist sicher begrüßenswert, dass die sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels größere Aufmerksamkeit erfahren. Fatal wäre jedoch, wenn Völkermorde künftig als quasi-unvermeidbare Naturkatastrophen wahrgenommen würden und nicht als das was sie sind: Willentliche Entscheidungen von Menschen zur Vertreibung oder Vernichtung anderer Menschen. Deswegen ist es auch viel leichter einen Völkermord zu verhindern als eine Naturkatastrophe. Es bedarf hierfür nur ausreichenden politischen Willens.
Im TA-Gespräch: Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes.
Wenn man den Namen hört, denkt man sofort an Frieden. Das war bisher Ihre Definition der Friedensnobelpreisträger?
Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung des Nobel-Komitees für Al Gore und den Weltklimarat IPCC. Wir denken, dass es verschiedene Arten von Frieden gibt. Seit der ersten Preisvergabe 1901 gibt es immer wieder Diskussionen um die Friedensdefinition. Damals wurde der Preis zwischen dem Pazifisten Frédéric Passy und Jean Henri Dunant, dem Gründer des Internationalen Roten Kreuzes, geteilt. So wurde argumentiert, dass das Rote Kreuz zwar einen guten Job macht, aber nichts dafür tut, Kriege zu verhindern. Indes, das Nobel-Komitee will die Definition von Frieden sehr breit fassen.
Wie hat sich dieses Friedensverständnis verändert?
Wir haben uns immer an den Kriterien orientiert, die Alfred Nobel im Testament hinterließ. Demnach gingen viele Preise an Politiker, die auf internationalem Niveau arbeiteten, sowie an humanitäre Organisationen – und wir haben später auch den Kampf für Menschenrechte einbezogen. Gerade dagegen gab es Widerstand: Was hat Demokratie mit Frieden zu tun? Inzwischen haben die Friedensforscher handfeste Argumente für einen Zusammenhang zwischen Menschrechten, Demokratie und Frieden.
Jetzt haben Sie auch die Umwelt als Thema entdeckt?
Innerhalb des Komitees haben wir schon seit mehreren Jahren einen Zusammenhang gesehen. Nun wird der Preis erstmals für umweltpolitisches Engagement vergeben. Wir glauben, dass die Erderwärmung deutliche Konsequenzen hat. Wenn der Meeresspiegel steigt, Küstengebiete überflutet werden und Inseln im Wasser verschwinden, führt das zu großen Flüchtlingsströmen. Das verändert das internationale Sicherheitsgefüge erheblich.
Haben Sie dafür Beispiele?
Aus den überfluteten Regionen von Bangladesch sind bereits Millionen Menschen nach Indien geflohen; ohne dass es Krieg gibt. Ein anderes Beispiel ist das Schmelzen des Eises am Nordpol, das zum Streit um Gebietsansprüche führen kann. So denken bereits Kanada, Dänemark und Russland über eine Ausweitung ihrer Hoheitsgebiete nach. Das wohl dramatischste Beispiel ist jedoch die Sahel-Zone. Gewiss, es gibt viele Dimensionen, die hinter dem Darfur-Konflikt stehen. Doch wenn sich die Wüste ausweitet, müssen die Nomaden aus dem Norden auf die Farmen im Süden ziehen. Darüber hinaus kämpfen Araber gegen Afrikaner, Moslems gegen Christen. Neben diesen verschiedenen Erklärungen kann man aber tatsächlich davon ausgehen, dass in Darfur der erste Klimakrieg stattfindet.
Gibt es nicht wichtigere Krisenherde als derartige Umweltkonflikte?
Wir vergeben den Friedensnobelpreis jetzt seit 106 Jahren. Es gab viele Preisträger mit ganz unterschiedlichen Begründungen. Der diesjährige Preis repräsentiert dabei nur eine Kategorie. Denn der Klimawandel ist das bestimmende Thema in diesem Jahr. Jeder hat wohl verstanden, dass wir jetzt damit beginnen müssen, den Klimawandel zu stoppen, sonst ist es zu spät.
Gab es in diesem Jahr Kandidaten aus Deutschland?
Es gibt weltweit vier Nationalversammlungen, die regelmäßig Vorschläge unterbreiten: das schwedische und norwegische Parlament, der US-Kongress und der Deutsche Bundestag. Dabei handelt es sich nicht nur um deutsche Kandidaten. Ich kann mich aber nicht erinnern, wer auf dieser Liste stand.
Dominiert so nicht eine westliche Vorstellung von Frieden?
Seit 1960 haben wir versucht, aus dem Preis eine globale Auszeichnung zu machen. Wir hören sehr oft, dass wir ein westliches Konzept der Menschenrechte vertreten. Und natürlich ist der Friedenspreis ein politisches Statement. Aber wir sind nicht die einzigen: diese Vorstellungen sind auch in der UN-Charta enthalten. Ich glaube, in jedem Land haben die Menschen ein tiefes Verlangen nach demokratischen Werten.