Si vis bellum, para pacem ? Wie Khartums präkäre Beziehungen mit dem Südsudan einen Frieden in Darfur erwirken könnte

Der Konflikt in Darfur hat bis ins Jahr 2010 schätzungsweise 400.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als 2,7 Millionen vertrieben. Nach jahrelangen Kämpfen wurde nun am 20. Februar eine 60-tägige Waffenruhe zwischen der Regierung und Vertretern des Justice and Equality Movement (JEM) unterzeichnet. Dies ist seit langem ein Zeichen der Hoffnung für Frieden in einer von Krieg und Zerstörung gebeutelten Region. Doch wurden bei kürzlichen Kämpfen wurden Einheiten der JEM verschont, andere Rebellengruppen aber nach wie vor ins Visier genommen. Und inwiefern finden die an und für sich begrüßenswerten Friedensbemühungen in einem Klima eines nach wie vor nicht ausgeschlossenen neuen Nord-Süd-Bürgerkriegs statt? Versucht der sudanesische Präsident, Omar al-Bashir, die Front in Darfur zu befrieden um den Rücken für eine erneute Auseinandersetzung mit dem sezessionswilligen Süd-Sudan frei zu haben?

Am 20. Februar war es soweit, das Abkommen wurde vom sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und JEM Führer Khalil Ibrahim in N’Djamena, der Hauptstadt des benachbarten Tschad, unterzeichnet. Diese Übereinkunft ist bemerkenswert, da die JEM bis Mai 2009 eine der wenigen Gruppen war, die nicht bereit war, den Konflikt mit der sudanesischen Regierung zu diskutieren. Darüber hinaus ist es die Sudan Liberation Army (SLA), die sich ebenfalls weigert, mit der Regierung zu sprechen bevor es nicht ein Ende der Gewalt gibt. Der Ort der Verhandlungen ist auch von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass der Tschad bisher JEM und andere Rebellengruppen unterstützt hat und vielen vertriebenen Darfurern ein Zufluchtsort geworden ist. Ohne die Unterstützung des Tschads, welcher den Rebellen bis heute einen Rückzugsraum geboten hat, wären die Aufständischen gar nicht in der Lage gewesen, der Regierung Sudans Paroli zu bieten.

Trotz der kürzlich ausgehandelten begrüßenswerten Waffenruhe besteht jedoch die Gefahr, dass es sich um ein Manöver Bashirs handeln könnte, um sich die JEM zeitweilig vom Leibe zu halten. So finden parallel zu den Friedensverhandlungen mit zehn anderen Rebellengruppen in Doha Fliegerangriffe auf Siedlungen in Darfur statt. Rebellen in der Gegend berichten, dass innerhalb von zwei Tagen 50 Zivilisten Opfer von Kämpfen in der strategisch wichtigen Region in zentralen Darfur geworden seien. Die einzige Hilfsorganisation vor Ort ist gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Nach Angaben der Organisation Médecins du Monde, wurden 100.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben. Man kann die neuesten Angriffe als einen Versuch der Regierung interpretieren, die verbleibenden Rebellengruppen durch Gewalt zu einem Einlenken zu zwingen. In der Tat drängen die Vermittler der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen, die Gastgeber aus Katar und der US-Sondergesandte Scott Gration die Rebellengruppen, mit der Regierung Sudans parallel zu JEM zu verhandeln und am Ende beide Vereinbarungen miteinander zu verbinden.

Khartums plötzlicher Eifer, die Rebellengruppen zu einer Waffenruhe, wenn nicht sogar zu einem Frieden zu drängen, lässt sich mit Hinblick auf die mögliche Unabhängigkeit des Süd-Sudans und dem Unabhängigkeitsreferendum im Januar 2011 erklären. Falls sich der erdölreiche Süden nach dem Referendum zur Sezession entschließen sollte, würde dies aller Wahrscheinlichkeit nach erneut Krieg bedeuten. Aus der Perspektive Khartums wäre ein Frieden in Darfur vor allem deshalb wichtig, um nicht einen Zwei-Fronten-Krieg gegen den Süden und Westen des Landes führen zu müssen. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass die Furcht vor einer Abspaltung des Südens das Handeln der Regierung in Khartum ditkiert. Außerdem könnte Präsident Bashir im Sinn zu haben, die bevorstehenden nationalen Wahlen zu nutzen, um sich und die Herrschaft seiner Partei trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs zu legitimieren. „erfolgreiche“ Wahlen könnten als Argument missbraucht werden, Bashir nicht für seine Kriegsverbrechen und schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu machen.

Die internationale Gemeinschaft, die EU und Deutschland sind nun gefragt, die Waffenruhe zwischen Khartum und JEM zu unterstützen, weitere Rebellengruppen zur Teilnahme zu bewegen und letztlich einen umfassenden Friedensprozess in Darfur anzustoßen. Gleichzeitig sollte sich jedoch verstärkt darum bemüht werden, das für seine Skrupellosigkeit berüchtigte Regime in Khartum von jeglichen militärischen Aktionen gegen den Süd-Sudan im Falle einer Sezession abzuhalten. Noch besteht die Möglichkeit einer internationalen konzertierten Initiative in diese Richtung, in der vor allem die Volksrepublik China auf Grund ihrer engen wirtschaftlichen Kontakte mit Khartum in die Pflicht genommen werden sollte. Noch ist ein Krieg zwischen Norden und Süden abwendbar, der zweifellos die gesamte Region destabilisieren würde.

Johanne Kübler

Sudan vor den Wahlen – Prävention gegen neue Gewaltausbrüche gefragt

Auf den ersten Blick könnte man in den für April angesetzten Wahlen im gesamten Sudan – die ersten seit 1986 – und in dem für Anfang 2011 angekündigten Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans ein Hoffnungsschimmer für das von Gewalt geschundene Land vermuten. Doch sowohl die Wahlen, als auch das Referendum birgt die Gefahr eines neuen Aufflammens der Gewalt. Es wäre ein tödlicher Fehler der Internationalen Gemeinschaft, die damit verbundenen Risiken für die sudanesische Bevölkerung zu ignorieren.

Schon jetzt gibt es zahlreiche Berichte von Gewalttaten, welche neuerdings vor allem wieder vermehrt im Süden vorkommen. So gab es 2009 im Südsudan 2500 Gewaltopfer, sogar mehr als im gleichen Zeitraum in Dafur. 360000 Menschen mussten fliehen. Neben Stammeskonflikten und dem Eindringen der Lord Resistance Army aus Uganda, lässt sich dabei auch wieder eine Zunahme der Spannungen mit dem Norden feststellen. Die Ursprünge des Konflikts zwischen dem arabisch dominierten Norden und dem christlichen schwarzafrikanischen Süden des Sudans reichen dabei weit in die Vergangenheit zurück. Der bisher letzte offene Bürgerkrieg brach Anfang der 1980er Jahre aus und konnte erst im Januar 2005 mit dem sogenannten „Comprehensive Peace Agreement“ beigelegt werden. Darin einigten sich die Parteien neben der Schaffung einer Autonomen Provinz Südsudan und der Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ unter anderem auch darauf, bis spätestens Januar 2011 ein Referendum über eine staatliche Unabhängigkeit des Südsudans durchzuführen.

Vor den jetzt anstehenden Abstimmungen darf man vor allem nicht vergessen, dass das Abhalten Wahlen allein noch keine Demokratie ausmacht. Dennoch steht für die Parteien im Sudan viel auf dem Spiel. So sollen ein Staatspräsident für Gesamtsudan, der Präsident für den Südsudan, die Gouverneure der 26 Bundesstaaten, sowie die Parlamente der Nationalversammlung in Khartum und in den Bundesstaaten gewählt werden. Im Hinblick auf die humanitäre Notlage und die immer noch mangelnde Sicherheit weiter Bevölkerungsteile – vor allem in Dafur und im Südsudan – sind wirklich fairen Wahlen nur begrenzt zu erwarten. Die Regierung von Präsident Omar al Bashir hat es in den vergangenen Jahren unterlassen, die notwendigen demokratischen Reformen durchzuführen, welche im „Comprehensive Peace Agreement“ von 2005 verlangt werden. Ohne verstärkte Aufmerksamkeit und Druck durch die Internationale Gemeinschaft wird es weder faire noch freie Wahlen geben.

Auch wenn die Wahlen im April ohne größere Verwerfungen und Gewaltausbrüche über die Bühne gehen sollten, droht Anfang 2011 mit dem Referendum, welches der südsudanesischen Bevölkerung die Aussicht auf einen eigenen Staat einräumt, ein erneuter offener Bürgerkrieg. Es ist zu erwarten, dass die Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden zunehmen, je näher das Referendum rückt. Schon jetzt wirft die südsudanesische Regierung dem Norden Waffenlieferung an einzelne Gruppen im Süden vor. Aber auch der Süden rüstet auf.

Es ist davon auszugehen, dass sich eine Mehrheit der Menschen im Südsudan für eine Unabhängigkeit entscheiden werden. Schwer vorstellbar ist jedoch, dass – trotz anderslautender Bekundungen – die Zentralregierung in Khartum die Loslösung des Südens und damit den Verlust von ölreichen Provinzen einfach hinnehmen wird. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass wichtige Fragen wie Grenzziehungen und die Verteilung der Öleinnahmen nach wie vor ungeklärt geblieben sind.

Die Zeit drängt und es sind entschlossene Schritte notwendig, um einem erneuten Ausbruch eines Bürgerkriegs vorzubeugen. So müssen die in einem Bericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vom 19. Januar 2010 geforderte Verstärkung der UNMIS und die notwendigen versprochenen Mittel für das UNDP sofort bereitgestellt werden. Sowohl die südsudanesische Regierung als auch die Internationale Gemeinschaft haben die Pflicht, umgehend ihre Anstrengungen für die Herstellung von kurz und langfristiger Sicherheit des Bevölkerung zu erhöhen. Die internationale Staatengemeinschaft hat dabei die Aufgabe, die Konfliktparteien zu Verhandlungen und zur friedlichen Beilegung von Konflikten zu drängen. In den verbleibenden Monaten vor dem Referendum muss mit aller Kraft an der Lösung der ungeklärten Fragen gearbeitet werden. Die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Verstärkung der UN-Truppe zur Überwachung der Nord-Süd-Grenze im Vorfeld des Referendums sollten rechtzeitig geprüft und gegebenenfalls auch realisiert werden. Als einer der Garantie-Staaten des Friedensvertrags hat die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung, dem Sudan mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Christoph Schlimpert

Afrikanische Union: Bashir verhaften oder nicht?

Die Afrikanische Union (AU) sendet zurzeit widersprüchliche Signale bezüglich der Vollstreckung des Haftbefehls gegen Sudan’s Präsidenten Omar al-Bashir. So zitierten am 11. Juli Nachrichtenagenturen wie Reuters und AFP Thabo Mbeki, ehemaliger Präsident Südafrikas und Vorsitzender einer Arbeitsgruppe der AU zum Thema Darfur, mit der Aussage, dass sicherlich alle vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeklagten in Den Haag erscheinen sollten. Allerdings setze sich in der achtköpfigen Kommission die Erkenntnis durch, dass die Herstellung von Gerechtigkeit auf andere Weise angegangen werden müsse, da die Verfolgung al-Bashirs durch den IStGH die Friedensbemühungen im Sudan behindern würde.

Schon am 4. Juli, während des Gipfels der Afrikanischen Union in Sirte, Libyen, hatte der Revolutionsführer Ghadafi verkündet, dass die afrikanischen Mitglieder des IStGHs al-Bashir nicht ausliefern würden. Dies wäre im Gegensatz zu ihren Verpflichtungen als Unterzeichner des Statuts des IStGHs. Am 4. März 2009 hatte ein unabhängiges Tribunal des IStGHs, bestehend aus Richtern ghanischer, litauischer und brazillianischer Herkunft, den Haftbefehl gegen Bashir erlassen. Der Haftbefehl wirft ihm Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, der Anklagepunkt des Völkermords wurde fallengelassen. Chefankläger Luis Moreno Ocampo hält jedoch an diesem Anklagepunkt fest und bekräftigt, genügend Beweise zu haben, um al-Bashir Völkermord an Darfurern nachzuweisen.  Zuvor waren auch Haftbefehle gegen x und y wegen xy erlassen worden.

Nachdem Reuters von einem Beschluss des Gremiums berichtet hatte, den internationalen Haftbefehl gegen Sudan’s Präsident Omar al-Bashir zu ignorieren und Bashir nicht an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auszuliefern, wurde dies tags darauf vehement bestritten. Reuters publizierte daraufhin eine korrigierte Version seiner Mitteilung, ohne jedoch die Aussagen Mbekis zu verändern. Laut Quellen von Sudan Tribune hat Mbeki stark gegen den Vorschlag Libyens militiert, da dieser die Arbeit der vom ihm angeführten Kommission untergrabe. Auf der anderen Seite befürchten Kritiker, dass die Kommission al-Bashir vor seiner gerichtlichen Verfolgung beschützen wolle.

Die Diskussion ist bei weitem nicht beendet und vollzieht sich sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der Afrikanischen Union. So kündigte Uganda am 13. Juli an, dass al-Bashir möglicherweise während seines Besuchs des Landes ihm Rahmen einer internationalen Konferenz am Ende des Monats verhaftet werden könnte. Chefankläger Ocampo unterstrich während einer Pressekonferenz, dass Uganda als Unterzeichner des Status des IStGHs zur Kooperation verpflichetet wäre. Die Möglichkeit einer Verhaftung hatte al-Bashir schon davon abgehalten, Jacob Zuma’s Vereidigung in Südafrika zu besuchen. 30 afrikanische Staaten haben das Statut des Internationalen Gerichtshofes unterzeichnet und sind somit verpflichtet, ihn bei Besuchen in ihren Ländern festzunehmen.

 Johanne Kübler

Balance-Akt der afrikanischen Mitgliedstaaten des IStGH

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete vor kurzem, dass die Afrikanischen Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) trotz der Anklage des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir ihre Mitgliedschaft nicht beenden würden.

Vom 8. bis 9. Juni trafen sich die Vertreter der 30 afrikanischen Mitgliedstaaten des IStGH, um ihre Reaktion auf die Anklage des sudanesischen Präsidenten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu diskutieren. Die allgemeine Haltung war, vom UN Sicherheitsrat einen Aufschub des Verfahrens unter Artikel 16 des Römer Statuts zu verlangen. Der von einigen Beobachtern befürchtete Rückzug der 30 afrikanischen Mitgliedsstaaten vom IStGH fand keinen Konsens. Lediglich Libyen, Senegal, Djibouti und die Komoren hatten sich dafür stark gemacht. Die afrikanischen Mitgliedsstaaten scheinen mehrheitlich die Position zu vertreten, dass der UN Sicherheitsrat das Verfahren um ein Jahr aufschieben solle. Diese Position hatte sich schon anlässlich eines Treffens der Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) im Februar diesen Jahres herauskristalisiert. Die Argumentation der AU ist, dass eine Strafverfolgung al-Bashirs einen Friedensprozess gefährden könne und deshalb Alternativen zur Lösung des Darfur Konflikts gefunden werden müssten. Gemäss einem Artikel der Sudan Tribune hatten die 19 Mitgliedsstaaten des COMESA (Market for Eastern and Southern Africa) diese Position auf ihrem Gipfeltreffen in Simbabwe vom 7. Juni erneut bestätigt. Im Vorfeld des Treffens der 30 Mitgliedstaaten haben 40 Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft eine Erklärung herausgegeben. In dieser so genannten Kapstadt Erklärung teilen die Vertreter der Zivilgesellschaft einerseits die Bedenken der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die westliche Dominanz und Politisierung der internationalen Strafgerichtsbarkeit, gleichzeitig fordern sie diese aber auch auf, den IStGH aktiv zu unterstützen und zu dessen gesteigerten Legimität beizutragen und gleichzeitig nationale und regionale Justizmechanismen zu stärken.

Khartum lehnt die Position der afrikanischen Mitgliedsstaaten mit der Argumentation ab, dass ein Bezug auf Artikel 16 des Römer Statuts die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkennen würde. Der Sudan hat das Statut nicht ratifiziert und hat bisher versucht den massiven Menschenrechtsverletzungen mit nationalen Justizmechanismen zu begegnen. Das Regime in Khartum nutzt diese beiden Gründe als Vorwand, um nicht mit dem Gerichtshof kooperieren zu müssen und eine mögliche Verurteilung al-Bashirs abzuwehren. Diese nationalen Bestrebungen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die im Darfur begangenen Gräueltaten zu schaffen sind höchst unzureichend und müssen deshalb als Abwehrstrategie gegenüber dem Strafgerichtshof bezeichnet werden.

Seit der IStGH im März 2009 einen internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten erlassen hat, hat al-Bashir mehrere Auslandsreisen in Länder getätigt, die allesamt keine Mitglieder des IStGH sind. Mit diesen Reisen in befreundete Staaten scheint al-Bashir einerseits Unterstützung von Verbündeten zu suchen und andererseits die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs untergraben zu wollen. Genocide-Alert hat diese Thematik an anderer Stelle in einem Artikel  analysiert.

Das kürzliche Treffen der 30 Mitgliedstaaten des IStGH und die dabei eingenommene Mittelposition zeigen, dass diese Staaten ihre eigenen Interessen und Agenden verfolgen. Eine Desavouierung des IStGH durch einen allgemeinen Rückzug der Mitgliedschaft wurde auf der einen Seite vermieden. Die Gründe dafür mögen vielschichtig sein. Die meisten afrikanischen Mitgliedsstaaten wollen sich bestimmt keinen Affront gegenüber den westlichen Mitgliedstaaten des IStGH leisten. Dazu kommt, dass für viele dieser Staaten ein Image-Verlust aufgrund eines Rückzugs vom IStGH zu verkraften wäre. Des Weiteren haben sie auch ein genuines Interesse an der Umsetzung des IStGH-Mandats, da die Beendigung einer Kultur der Straflosigkeit mittel- und langfristig zur inneren Stabilität beitragen kann. Sie setzen voraus, dass ihre Souveränität respektiert und nicht ungleiche Maßstäbe zwischen afrikanischen und westlichen Ländern angelegt werden. Auf der anderen Seite können die afrikanischen Staaten das Wirken des Gerichtshofs im Fall al-Bashirs jedoch nicht ohne weiteres gutheissen. Zum einen wollen sie einen Präzedenzfall vermeiden, in welchem ein amtierender Präsident verurteilt würde und zum anderen wollen sie einer befürchteten Politisierung der internationalen Strafgerichtsbarkeit entgegenwirken.

Angesichts dieser verschiedenen Beweggründe ist die eingenommene Mittelposition zu deuten. In welche Richtung sich dieser Balance-Akt der afrikanischen Mitgliedstaaten bewegt, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass diese Staaten mit ihrer „Artikel 16“-Mittelposition einen solchen Balance-Akt vollführen, macht sie empfänglich für Überzeugungsversuchen derjenigen Staaten und zivilgesellschaftlichen Vertreter, welche al-Bashir entweder politisch zu isolieren oder diesen zu verhaften und nach Den Haag zu überstellen versuchen. Es gilt nun die afrikanischen Mitgliedstaaten von der politischen Neutralität der internationalen Strafgerichtsbarkeit zu überzeugen, wobei diese Bekenntnisse auch durch eine entsprechende Praxis des UN Sicherheitsrates und Chef-Anklägers unterstrichen werden müssen. Der Strafgerichtshof muss von allen Mitgliedstaaten als legitimes und komplementäres Instrument zu nationalen und regionalen Justizmechanismen angesehen werden, welches die staatliche Souveränität nicht bedroht, sondern diese mittel- und langfristig zu stärken vermag. Gelingt dies, ist es wahrscheinlich, dass die Skepsis der afrikanischen Mitgliedstaaten beseitigt, der Gerichtshof gestärkt und al-Bashir ein für allemal isoliert und womöglich verhaftet werden kann.

Christoph Bleiker

Responsibility to Protect – Pure Machtpolitik oder echte Menschenrechtspolitik?

Die Internationalen Kommission zu Intervention und staatlicher Souveränität (ICISS) veröffentlichte im Jahre 2001 einen Bericht, der mit der benennung der Schutzverantwortung oder „Responsibility to Protect“ die Debatte über die sogenannte humanitäre Intervention neu entfacht. Robert Schütte und Johanne Kübler haben in einem Occasional Paper der Human Security Research Unit der Universität Marburg den Hintergrund der Kontroverse rund um Souveränität und Intervention analysiert und gängige Kritiken des Konzepts mithilfe von Theorien der Internationalen Beziehungen erklärt.

Conclusion: The Responsibility to Protect Between Concealed Power Politics and Principled Policy

Humanitarian objectives play an increasing role in the public discourse of politicians and media, which has even lead social scientists to identify a so called CNN effect influencing the public agenda profoundly. The mobilization of political support and financial aid in cases of human suffering brought to the attention of a wider international public indicates an increasing attachment to the needs and fears of people around the world. It has become a commonplace to assume that economic globalisation and liberal-democratic hegemony are contributing to or even causing the growing extent of interdependence throughout the world, thereby cumulatively reducing the importance of the factors time and space for social interaction. It is for this that classical concepts of security are increasingly queried with the aim to broaden the focus and analysis of the issue. Kofi Annan got this situation to the point stating that “today, no walls can separate humanitarian or human rights crises in one part of the world from national security crises in the other.“ In fact, the fall of the Berlin wall and the dissolution of the communist military and ideological counterpart to liberal democracy have greatly picked up the pace in favour of human rights. It is in this new global political context that the gap between expectations in a new human world order and the mind-shocking humanitarian catastrophes at the beginning of the 90s have provoked a controversy concerning the limits of sovereignty as well as the international community’s duty to react. Furthermore, the failure of the United Nations Security Council to overcome old lines of division has spread the opinion of a need to reform the global architecture of global security governance.

The present paper has outlined that, thanks to its long engagement for the humanitarian cause and its implementation of Human Security as official foreign policy doctrine, Canada has took up the task to find a viable answer to the question of humanitarian intervention and state sovereignty. The resulting report The Responsibility to Protect has elaborated and clarified a more comprehensive notion of sovereignty, which stresses the responsibility of a state to protect its citizens from harm. Given that a state is not able or not willing to provide for the security of its people, the international community is allowed to react under certain conditions. Such an interference in the domestic affairs of another state has to meet high criteria of legitimacy, adequacy, proportionality and prospect of success over the long run, therefore comprising also a responsibility to prevent and to rebuild, besides the already discussed responsibility to intervene. In this setting the Security Council plays the chief part, which can only be overridden in cases of an obvious defection on grounds of political mischief of a veto-power. Despite all efforts to avoid any possibility of voluntaristic exploitation of the rules stated by the ICISS, there is a line of division mainly between the liberal democratic sphere and the G-77. In order to account for the prevailing logic of approval and opposition to the reports proposition, the paper has outlined and discussed two theoretical approaches to the question: A Classical Realist position, drawing on E. H. Carr, identifying the support of the west and the resistance of the G-77 as a form of concealed powerpolitics. Furthermore a Constructivist perspective, which considers the enforcement of human rights a principled belief gaining a more salient role for the definition of national interests after the end of Cold War, thereby granting to normative ideas an independent and powerful role in the explanation of foreign policy. In any case, it is impossible to assign one of the approaches an a priori superiority. The Judgement of which paradigm serves better as an explication of the logic for support and opposition of a new notion of sovereignty is contingent on the preferences of the researcher, and maybe also on his cultural and political background.

Following Kuhn’s explanation of normal science and paradigmatic shift, this is rather a socio-psychological question of persuading researchers than a task to consider what is right or wrong, because a paradigm “cannot be made logically or even probabilistically compelling for those who refuse to step into the circle” of its hermeneutical hard-core. Both approaches concede an intrinsic value to the understanding of world politics, and it lies basically with the prevailing researcher to estimate which one is more convincing. It remains still to be answered whether the Realist hegemony in International Relations Theory will be challenged by more sociologically influenced theories like that of Constructivism. In order to see further than the end of ones own epistemic nose, it is remarkable to note such a steady shift in economics translating in an incorporation of psychological and sociological, that is for our purpose ideational, variables in its research design: For his work on psychological factors in economics, Daniel Kahnemann even received the Nobel Price in 2002. In any case, to find adequate theoretical interfaces for the concept of Human Security in International Relations theory is a valuable field of research for the Human Security community, clarifying thereby the scope and precision of the concept to analyze question of security at the beginning of the 21st century.

Die Schutzverantwortung und die humanitäre Lage in Darfur

Die Schutzverantwortung („responsibility to protect“) wurde im Jahr 2005 einstimmig von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) zur Prävention von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschlossen. Wie ist sie in Bezug auf die derzeitige humanitäre Lage in Darfur zu interpretieren?

Die Schutzverantwortung soll in erster Linie dazu beitragen, dass Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen rechtzeitig von UNO-Mitgliedsstaaten, der UNO selbst, regionalen und subregionalen Organisationen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren erkannt und verhindert werden. Die Schutzverantwortung basiert auf drei Säulen, in denen festgelegt ist, dass der jeweilige Staat primär die Verantwortung zu tragen hat. Versagt eine Regierung dabei, ihre eigene Bevölkerung zu schützen, wird die Schutzverantwortung auf die internationale Gemeinschaft (2. Säule) und auf die UNO (3. Säule) übertragen, wobei Zwangsmittel wie Sanktionen oder sogar militärische Intervention nicht ausgeschlossen sind.

Nachdem der Internationale Strafgerichtshof am 4. März 2009 Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar al-Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur erließ, hat die sudanesische Regierung mehrere humanitäre Organisationen des Landes verwiesen. Die im Sudan verbliebenen Organisationen sind mit der Situation überfordert, eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln, sanitären Anlagen und ausreichender medizinischer Versorgung. Die UNO sprach kurz nach der Ausweisung der Organisationen von ca. 1.1 Millionen Darfuris, die ohne Nahrung und Gesundheitsfürsorge auskommen müssen, und von einer weiteren Million ohne Zugang zu Wasser.

Die UNO hat gemeinsam mit der sudanesischen Regierung die gegenwärtige Situation in Darfur geprüft (Government of Sudan & United Nationes: Joint Assessment Mission to Darfur), wobei besonders auf die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischer Versorgung, Unterkünften und sanitären Anlagen geachtet wurde. Bei einer Pressekonferenz Ende März 2009 zur Bekanntgabe der Ermittlungen hat der Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten der UNO, John Holmes, für eine schnelle Aufhebung der Ausweisung zahlreicher internationaler Hilfsorganisationen plädiert: Obwohl die sudanesische Regierung, die UNO und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) versuchen, die klaffenden Versorgungslücken zu überbrücken, wird es ihnen nicht dauerhaft gelingen, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, ist die Instandhaltung von Wasserpumpen und sanitären Einrichtungen von besonders großer Bedeutung, kann aber in der momentanen Situation nicht gewährleistet werden. Die bevorstehende Regenzeit wird die Lage noch verschlimmern: Ganze Regionen können durch den anhaltenden starken Regen von der Außenwelt abgeschnitten werden, Notunterkünfte können überschwemmt werden, Krankheiten sich leichter ausbreiten. Ein anderes Problem stellt der Zugang von Regierungsmitarbeitern zu Flüchtlingslagern dar, da deren Bewohner oftmals regierungsfeindlich gestimmt sind.

Leider ist die internationale Antwort auf die sich anbahnende Notsituation zögernd, und die sudanesische Regierung bis jetzt nicht kooperativ. John Holmes betont, dass die Schutzverantwortung in erster Linie eine präventive Maßnahme ist: Wenn ein betroffener Staat keine humanitäre Hilfe in Anspruch nehmen möchte, kann er nicht dazu gezwungen werden. Die sudanesische Regierung hat sich zwar im oben genannten „Joint Assessment to Darfur“ dazu verpflichtet, die Arbeit der sich noch vor Ort befindlichen Hilfsorganisationen in vollem Umfang zu erleichtern. Das alleine wird aber nicht ausreichen, um eine Verschlechterung der humanitären Lage in Darfur zu verhindern. Nationale NGOs sollen nach Wunsch der sudanesischen Regierung die Aufgaben der ausgewiesenen Organisationen übernehmen, aber sie sind nicht in der Lage, sofort sämtliche Tätigkeiten auszuführen. Im Bericht der UNO heißt es, dass zumindest die meisten Engpässe (Versorgung mit Wasser und sanitären Anlagen) durch die internationalen und sudanesischen NGOs, die sudanesische Regierung und UNO-Behörden vor Ort behoben werden können, wenn die dazu erforderliche Finanzierung bereitgestellt wird.

Wird die UNO nun mit ihrem Vorgehen der Schutzverantwortung gerecht? Laut der dritten Säule der „Responsibility to Protect“ sind die internationale Gemeinschaft und die UNO zu einem rechtzeitigen und direkten Eingreifen aufgerufen, um unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern bzw. zu beenden. Das Unterlassen oder Verhindern von humanitärer Hilfe, welche sich zu einer menschlichen Katastrophe für eine ganze Region entwickeln könnte, könnte jedoch durchaus als Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden. Sollte es zu einer humanitären Katastrophe in Darfur kommen, ist jedoch fraglich, ob die fehlende Hilfeleistung der sudanesischen Regierung zur Last gelegt werden wird: Nachdem der tropische Wirbelsturm „Nargis“ Myanmar im Frühjahr 2008 schwer verwüstete, wurden die Behinderungen internationaler Hilfsmaßnahmen durch die Regierung Myanmars zwar weltweit stark kritisiert, Konsequenzen seitens der UNO hatte dies jedoch nicht zur Folge.

Um die Schutzverantwortung in Darfur zu verwirklichen, muss die UNO zu einem Konsens kommen, wobei auch die Afrikanische Union und die Arabische Liga miteinbezogen werden müssen. Solange sich jedoch die UNO nicht mit allen Beteiligten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann, werden die Verstöße gegen die Schutzverantwortung – so wie im Falle Myanmars auch – ohne Konsequenzen für die sudanesische Regierung bleiben. 

Katharina Zechne

Omar al-Bashir zu Gast bei Freunden

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir wird seit Anfang März als erstes Staatsoberhaupt im Amt mit einem internationalen Haftbefehl wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen als Anführer der sudanesischen Kampagne gegen Aufständische in Darfur durch den Internationalen Strafgerichthof (IStGH) verfolgt. Theoretisch müsste nun jeder Staat, der das Statut von Rom unterzeichnet hat, al-Bashir verhaften, wenn er sich in diesem Staat aufhielte. Kurz nach der Veröffentlichung hatten sudanesische Politiker Bashir von internationalen Reisen abgeraten. Mittlerweile ist er aber wieder unterwegs.

Von der Weltöffentlichkeit unbeachtet ist Präsident Omar al-Bashir am 21. April nach Äthiopien zu Gesprächen gereist. Verhaftet zu werden brauchte Bashir nicht zu fürchten, schließlich gehört Äthiopien nicht zu den Unterzeichnern des Status des IStGH, wie auch Außenamtssprecher Wahide Belay in Addis Abeba betonte.Seitdem hat Al Bashir Eritrea, Ägypten, Katar, Saudi-Arabien und Libyen unbehelligt besucht.

Als Reaktion auf den Haftbefehl hatten religiöse Führer Bashir noch vor Reisen ins Ausland abgeraten. Dabei hatten sie vor allem den Besuch des Gipfels der Liga der arabischen Staaten in Doha, Katar, im Visier. Der Präsident gibt sich über alle Zweifel erhaben und deutete an, dass der Haftbefehl seine Position gestärkt habe. So sagte er laut AFP, dass er an der heimischen Front im Sudan gesehe habe „wie das sudanesische Volk spontan auf die Straßen ging um den Präsidenten des Sudans zu unterstützen“ und „wir haben einen sehr starken Rückhalt von regionalen Organisationen und der Liga arabischer Staaten gefunden“. 

In der Tat ist es so, dass Omar al-Bashir seit Veröffentlichung des Haftbefehls sein Land sogar häufiger verlassen hat als zuvor. Die Afrikanische Union (AU) hat sich schon vor Bekanntgabe des Haftbefehls gegen eine derartige strafrechtliche Verfolgung Bashirs ausgesprochen und den UN-Sicherheitsrat in dieser Frage um Beistand gebeten. Laut AU gefährdeten die Bemühungen des IStHGH den – bisher nirgendwo sichtbaren – Friedensprozess im Sudan und einen Erfolg der gemeinsamen AU-UN-Mission für die sudanesische Krisenregion Darfur (UNAMID). Auch die Arabische Liga hat Bashir auf dem Gipfel in Doha ihre „Solidarität“ zugesichert.

Al-Bashir scheint es allen beweisen zu wollen, dass ihm der Haftbefehl mehr Unterstützung gebracht hat als je zuvor. Allerdings hat es wählte er seine Reiseziele mit Bedacht gewählt. So meint auch der Chefankläger des IStGH, Luis Moreno-Ocampo in einem Interview mit der Basler Zeitung, Bashir sei verzweifelt und ein Präsident auf der Flucht. Er versuche zu demonstrieren, dass er sich frei bewegen könne, und doch habe er durch die Wahl seiner Reiseziele deutlich gemacht, dass ihm der IStGH auf den Fersen sei. So erfreut sich Bashir außsserhalb der arabischen Welt weniger Freunde. Dies wurde deutlich, als sich der Präsident Brasiliens, Lula da Silva, sich beim arabisch-süd-amerikanischen Gipfel nicht neben Bashir setzen wollte. Und doch bleibt die Frage warum Bashir für die arabischen Staaten noch kein ausreichendes Imageproblem ist um zu einer Distanzierung zu führen.

Wenn Äthiopien einen  wegen schwerster Menschenrechtsverbrechen per Haftbefehl gesuchten Staatsmann mit vollen Ehren empfängt und die Arabische Liga sich hinter Bashir stellt, so hat das vor allem einen Grund: Diese Staatschefs haben zwar nicht imminent eine Verfolgung durch den IStGH zu fürchten, da ihre Staaten das Rom Statut nicht unterzeichnet haben, doch sind ihnen unabhängige internationale Gerichtsbarkeiten nicht geheuer. Von den Mitgliedern der Arabischen Liga haben bisher lediglich Jordanien, Djibuti und die Komoren das Statut ratifiziert. Aus diesem Lager hört man nun vor allem den Vorwurf, bei der Verfolgung durch den IStGH handele es sich um Neo-Kolonialismus. Bashir hat es verstanden, die real existierenden Erblasten aus dem Kolonialismus propagandistisch für seine Zwecke zu instrumentalisieren und angebliche Araber gegen angebliche Afrikaner aufzuhetzen.

Wenn also die westlichen Diplomaten und Gesandten das Staatsessen in Addis Abeba boykottieren ist das ein mehr als nötiges diplomatisches Zeichen des Protests. Bisher haben es die Unterstützer des IStGH in Europa allerdings versäumt, den Worten Taten folgen zu lassen. Denn die gemeinsame Truppe der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur zählt nur 15 000 Soldaten und Polizisten, obwohl 26 000 vorgesehen waren, und obwohl die Reaktion Bashirs auf den Haftbefehl abzusehen war. Und nach wie vor ist die Europäische Union der zweitgrößte Handelstpartner des Sudan (EUROSTAT). Über mangelnden Einfluss kann sich die EU also nicht beklagen.

Omar al-Bashir scheint sich also momentan zu Recht in Sicherheit zu wiegen. Innenpolitisch hat es ihm sicher gefallen, als einige Tausend Sudanesen in die Hauptstadt Karthoum gefahren worden sind, um ihm zuzujubeln und gegen den Haftbefehl zu demonstrieren. Momentan schaffen es interne Kritiker Bashirs auch noch nicht, sich gegen Bashirs Getreuen durchzusetzen. Bis dahin kann sich al-Bashir noch vor seinen „Freunden“ als Widerstandskämpfer gegen die angeblichen westlichen Kolonisatoren profilieren. Nach wie vor scheint Solidarität mit dem Täter, nicht mit den Opfern, Trumpf zu sein.

Johanne Kübler ist stellvertr. Vorsitzende von Genocide Alert.

Zusammenfassung des UN-Berichts zur Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) beschloss im Jahr 2005 einstimmig die Schutzverantwortung („responsibility to protect“) zur Prävention von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, veröffentlichte im Januar 2009 einen Bericht zur Umsetzung dieser Verantwortung, der auf drei Säulen basiert und insbesondere die Bedeutung einer rechtzeitigen Erkennung und Einleitung von Maßnahmen bei derartigen Verbrechen hervorhebt. Eine öffentliche Verabschiedung der Schutzverantwortung wird für das erste Quartal dieses Jahres erwartet. Nichtregierungsorganisationen bereiten sich bereits auf die kommende Sitzung der UNO-Generalversammlung vor.

 

Der UN-Generalsekretär

Generalsekretär Ban Ki-moon betont in seinem Bericht die Verantwortung aller Staaten, die sich auf ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Menschen vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Eine angemessene und notwendige Reaktion auf diese Delikte beinhaltet verschiedene Präventions- und Schutzmaßnahmen durch die UNO-Mitgliedsstaaten, die UNO selbst, regionale und subregionale Organisationen sowie zivilgesellschaftliche Akteure. Dabei werden nicht nur die westlichen, sondern auch andere, insbesondere afrikanische Staaten miteinbezogen.

Ban Ki-moon erwähnte die drei Säulen der Schutzverantwortung erstmals im Juli 2008. Die in den drei Säulen genannten Maßnahmen sind in ihrer Bedeutung gleichwertig. Sie müssen jeweils unmittelbar nach Feststellung des Tatbestandes umgesetzt werden können.

Erste Säule:

Hier wird die Verantwortung jedes einzelnen Staates hervorgehoben, ihre Bevölkerung zu schützen. Sie stellt die Grundlage der Schutzverantwortung dar. Regierungen müssen demnach wirksame Maßnahmen ausarbeiten, um innerstaatliche Konflikte lösen zu können. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die Rechte von Frauen, Minderjährigen und Minoritäten gewahrt werden. Mit Hilfe des UNO-Menschenrechtsrats soll überprüft werden, ob Regierungen ihren Verpflichtungen nachkommen. Alle Staaten werden dazu angehalten, durch Selbstreflexion Risikofaktoren zu ermitteln, die zu Gräueltaten führen könnten. Die Zusammenarbeit von internationalen und nationalen Organisationen muss insbesondere für die Polizei und das Militär sowie das Rechtswesen, die Parlamente und die Menschenrechtsgruppen vereinfacht werden. Zivilgesellschaftliche Akteure und internationale Organisationen sollen helfen, nationale sowie transnationale Netzwerke für Überlebende zu gründen und weiterzuführen, um damit eine Wiederholung von Gräueltaten anderenorts zu verhindern.

Zweite Säule:

Hierbei wird die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft betont, den Staaten beim Schutz ihrer Bürger und bei der Beendigung schwelender Konflikte zu helfen. Dabei sollen Staaten ermutigt und unterstützt werden, den Forderungen der ersten Säule nachzukommen. Gemeinsames Engagement und aktive Partnerschaften von und zwischen der internationalen Gemeinschaft und einzelnen Staaten sind besonders dann gefragt, wenn die politische Führung eines Landes schwach, gespalten oder unsicher ist. Eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Interessengruppen (Mitgliedsstaaten, regionale und subregionale Institutionen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft) ist dabei unbedingt erforderlich. Bei der Vermittlung von humanitären Normen soll auf Dialog, Schulung und Training gesetzt werden. Regionale und subregionale Organisationen sollen auch hier eng zusammenarbeiten. Zivilisten und Polizisten müssen auf Notsituationen vorbereitet werden, um beim Ausbruch ethnischer Spannungen schnell reagieren zu können. Die vorbeugende Stationierung von Soldaten kann zur Stabilität unruhiger Regionen beitragen. Staaten sollten ihren eigenen Sicherheitsapparat ausbauen und damit Stabilität für alle in ihren Grenzen lebenden Bevölkerungsgruppen gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verstärkte Einbindung der sogenannten „Peacebuilding Commission“ in die Schutzverantwortung.

Dritte Säule:

Versagen die ersten beiden präventiven Ansätze, dann ist die internationale Gemeinschaft dazu aufgefordert, direkt einzugreifen, um Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Rassendiskriminierung zu verhindern bzw. zu beenden. Dabei werden auch Zwangsmittel wie Sanktionen nicht ausgeschlossen. Der Sicherheitsrat, die UNO-Generalversammlung sowie der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen können einen Untersuchungsausschuss zur Ermittlung vermeintlicher Verstöße gegen internationales Recht einberufen. UNO-Missionen sollen dabei Staaten, die ihren Verpflichtungen in Bezug auf ihre Schutzverantwortung nicht nachkommen, frühzeitig warnen. Dies erleichtert ein rechtzeitiges Eingreifen der dazu befugten Institutionen wie der UNO-Generalversammlung, des Sicherheitsrates, des Internationalen Strafgerichtshofes, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und des Sonderberaters zur Verhinderung von Völkermord. Die internationale Gemeinschaft kann im Falle einer Nichtbeachtung der Schutzverantwortung den Internationalen Strafgerichtshof einschalten. Weitere Maßnahmen sind gezielte diplomatische Sanktionen (Einschränkung oder Verbot bei Reisen und Geldtransfers sowie beim Kauf von Luxusgütern und Waffen). Die Zivilgesellschaft kann ebenso direkten Einfluss auf einzelne Bürger sowie auf öffentliche und private Investoren nehmen, die Geld in fraglichen Ländern anlegen. Dem Generalsekretär kommt dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu: Er muss den Sicherheitsrat und die Generalversammlung über sich abzeichnende Konfliktsituationen informieren. Die fünf Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats werden dazu angehalten, ein erforderliches Eingreifen nicht durch ihr Veto zu blockieren. Die Generalversammlung beschließt die erforderlichen Maßnahmen, um Frieden und Sicherheit sowohl auf internationaler als auch regionaler Ebene zu überwachen. Die UNO-Mitgliedsstaaten und die Generalversammlung sowie der Sicherheitsrat müssen eine Strategie für ein schnelles militärisches Eingreifen entwickeln. Eine globale bzw. regionale Zusammenarbeit ist zur Kapazizätserweiterung und zur Frühwarnung ebenfalls notwendig.

Ban Ki-moon fordert die Generalversammlung auf, eine Strategie zur Umsetzung der Schutzverantwortung auszuarbeiten, die eine Präzisierung und Weiterentwickling der in der zweiten Säule festgelegten Maßnahmen beinhalten soll (internationale Hilfe und kapazitätserweiternde Maßnahmen). Des Weiteren soll durch eine möglichst regelmäßige Überprüfung der Mitgliedsstaaten festgestellt werden, ob sie ihre Schutzverantwortung auch einhalten. Dies könnte in Form einer halbjährlichen oder jährlichen Berichterstattung in den nächsten Jahren erfolgen.

Der Bericht warnt an verschiedenen Stellen vor den Folgen verspäteter Reaktionen und selektiver Berichterstattung. Ein reger Informationsaustausch zwischen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und die Berücksichtigung der Kenntnisse ortsansässiger Partner sind bei der Entwicklung neuer Strategien besonders wichtig.

Die Debatte um die Schutzverantwortung gibt dem Sicherheitsrat die Gelegenheit, seine Unterstützung nochmals zu beteuern. Des Weiteren können Aspekte geklärt werden, die derzeit noch zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Zivilgesellschaftliche Akteure weltweit werden noch bis Ende März an einer Strategie arbeiten, um die Erfolgsaussichten bei der Diskussion und Abstimmung dieser Angelegenheit in der kommenden Sitzung der UNO-Generalversammlung zu erhöhen.

Katharina Zechner

Der Stand des Darfur Friedensprozesses – Oberflächliche Fortschritte, immense Hürden, und mangelnder Wille

Die Friedensgespräche zwischen der sudanesischen Regierung und einer Rebellengruppe aus Darfur haben  in Doha, Qatar zur Unterzeichnung einer Absichtserklärung für einen Friedensprozess geführt. Die politischen und operativen Hürden sind jedoch so groß, dass die Friedensbekundungen der Beteiligten als Lippenbekenntnissen bezeichnet werden müssen. Wenn der Friedensprozess in Gang kommen soll, muss die internationale Gemeinschaft und insbesondere auch die Europäischen Union kritische Unterstützung leisten und gezielten Druck ausüben.

Am 17. Februar, nach einer Woche Verhandlungen in der Qatarischen Hauptstadt Doha, haben die Vertreter des Justice and Equality Movement (JEM) und der sudanesischen Regierung eine Absichtserklärung unterzeichnet. Das Dokument drückt den Willen der Parteien aus, den Darfur Konflikt mit ‘vereinten Kräften’ friedlich zu lösen und dabei einen umfassenden Ansatz zu wählen, welcher auch die zugrundeliegenden Konfliktursachen berücksichtigen würde.

Um gegenseitiges Vertrauen zu bilden und ein positives Klima für die geplanten Friedensverhandlungen zu schaffen, haben beide Seiten Zugeständnisse gemacht und beschlossen die Zivilbevölkerung Darfurs zu beschützen, den Zugang von humanitärer Hilfe zu erleichtern sowie Gefangene auszutauschen.

Am 4. März hatten drei Richter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) einem Haftantrag gegen den sudanesisch Präsidenten Bashir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen stattgegeben. In dessen Folge hatte die sudanesische Regierung 13 humanitäre Hilfsorganisationen des Landes verwiesen und damit vertrauensbildende Kerngehalte der Absichtserklärung verletzt. Dennoch haben sich beide Parteien zur Weiterführung der Friedensgespräche bereit erklärt. Das JEM hatte jedoch angedroht seine Position zu überdenken, würde die sudanesische Regierung nicht mit dem IStGH kooperieren und Al-Bashir nach Den Haag ausliefern.

Seit dem Beginn des Darfurkonflikts im Jahre 2003 gab es eine Serie von Waffenstillstandsvereinbarungen, Erklärungen zur Beendigung von Feindseligkeiten und Bekenntnisse zur friedlichen Konfliktlösung. Keine Initiative war bislang vom Erfolg gekrönt.

Die Gründe für die fehlgeschlagenen Friedensbemühungen sind seit Jahren dieselben und müssen auf politischer wie auch auf operativer Ebene gesucht werden.

Politische Ebene

Auf politischer Ebene gibt es verschieden Faktoren, warum die erneuten Friedensgespräche als halbherzig betitelt werden müssen und wenig Aussicht auf Erfolg haben. Die Friedensgespräche zwischen den JEM Rebellen und der sudanesischen Regierung waren alles andere als umfassend, da zwei weitere wichtige Rebellen Gruppen nicht teilnahmen und auch die weitere darfurische Zivilgesellschaft nicht repräsentiert wurde. Die beiden Gesprächsparteien versäumten es ausserdem, klare Verhandlungsziele zu formulieren. Es wäre angebracht gewesen, eine Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen zu vereinbaren und die Grundlage für ein stabiles Waffenstillstandsabkommen zu schaffen. In diesem Sinne muss die gemeinsame Absichtserklärung als ein zwar begrüßenswertes, jedoch insgesamt mageres Resultat bezeichnet werden.

In der Theorie ist klar, welche Elemente für einen erfolgreichen Friedensprozess berücksichtigt werden müssen. Die meisten Analysten betonen die Wichtigkeit von umfassenden Friedensgesprächen, an denen alle relevanten Konfliktparteien ohne Vorbedingungen teilnehmen. Des Weiteren betonen Darfur Experten drei Faktoren, welche zentral für die Stabilität und Glaubwürdigkeit eines Friedensabkommens sind: (1) Stop bewaffneter Konfrontationen und die Schaffung minimaler Sicherheit durch gegenseitige Sicherheitsgarantien und deren Überwachung durch Friedenstruppen; (2) die Lösung von Landrechtsstreitigkeiten und die Etablierung eines fairen Landrechtssystems; (3) Reparationsleistungen des Staates zur Entschädigung der Opfer.

Sudan-Experte David Reeves vertritt die Meinung, dass die derzeitigen Friedensgespräche nur deshalb soweit gediehen seien, weil die Mitglieder der Arabischen Liga und das JEM momentan überlappende Interessen hätten. Die JEM profitiert von diesen bilateralen Gesprächen, indem es sich als einziger Gesprächspartner unter den Darfur-Rebellengruppen etabliert und seiner politischen Agenda Gehör verschafft. Verschiedene Mitgliedstaaten der Arabischen Liga verfolgen ihre eigenen Interessen und unterstützen das Regime in Khartum, ohne sich um die Bedürfnisse der nicht-arabischen Bevölkerung Darfurs zu kümmern. Während Qatar sich als Vermittler hervortun möchte, ist Ägypten vor allem an der Stabilität und territorialen Integrität des Sudans interessiert. Auch Libyen und Saudi Arabien haben bisher eine wenig konstruktive Rolle gespielt. Die sudanesische Regierung selbst sieht die Friedensgespräche als ein Mittel, der internationalen Gemeinschaft ihren guten Willen zu beweisen. Mit den Gesprächen riskiert das Regime jedoch wenig, da nur eine Rebellengruppe daran teilnimmt und die zahlreichen anderen Rebellengruppen Darfurs so sehr gespalten sind, dass ein Friedensprozess mit Machtteilungsmechanismen in weiter Ferne liegt.

Angesichts des Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten Bashir dient die Gesprächsbereitschaft vor allem dazu, den Sicherheitsrat von einem Haftaufschub gemäss Artikel 16 des Romstatuts zu überzeugen. Dem Sicherheitsrat soll eine Entscheidung zwischen Frieden und Gerechtigkeit aufgezwungen werden.  Das Regime in Khartum möchte der internationalen Gemeinschaft glauben machen, dass die strafrechtliche Verfolgung Bashirs Friedensgespräche untergraben und zu zusätzlichen gewalttätigen Unruhen in Darfur führen könnte. Im Gegenteil dazu würde ein Haftaufschub die Verbesserung der katastrophalen humanitären Situation erlauben und es ermöglichen, die laufenden Friedensgespräche erfolgreich fortzuführen.

Dieser Argumentation können jedoch die Erfahrungen der letzten 20 Jahre entgegen gehalten werden. In dieser Zeit hat die Regierungspartei – National Islamic Front (NIF), heute NCP – nicht eine einzige Vereinbarung mit anderen innerstaatlichen Konfliktparteien eingehalten. Ein Beispiel der jüngsten Vergangenheit war der einseitig erklärte Darfur Waffenstillstand der Regierung vom 12. November 2008, welcher innerhalb von 24 Stunden mit Luftangriffen auf zivile Ziele gebrochen wurde. Dass es die Regierung diesmal ernster meint, ist deshalb zu bezweifeln. Das Justice and Equality Movement seinerseits hat seine alleinige Teilname an den Gesprächen sowohl seiner militärischen Stärke als auch der ablehnenden Haltung einer weiteren Rebellengruppe – Sudan Liberation Army, SLA – zu verdanken. Diese exklusive Verhandlungsposition ist ganz im Sinne der JEM, welche sich als alleinige legitime Oppositionsgruppe im Darfur zu etablieren versucht.

Die genannten politischen Gründe sind große Hürden auf dem Weg zu einem umfassenden und aufrichtigen Friedensprozess. Sie machen schon den ersten Schritt eines Waffenstillstandsabkommens zu einer schwierigen Aufgabe. Dieser notwendige erste Schritt wird durch operative und technische Hindernisse noch zusätzlich erschwert.

Operative Ebene

Die Friedensgespräche in Doha lassen weltweit Hoffnungen auf einen baldigen Waffenstillstand aufkeimen. In einem kürzlich erschienen Artikel nennt Sudan-Experte Alex de Waal jedoch verschiedene operative und technische Gründe, aus denen ein Waffenstillstandsabkommen nicht in unmittelbarer Reichweite liegt und schwierig umzusetzen ist.

Erstens, erfordert ein effektives Waffenstillstandsabkommen die Beteilung aller relevanten Konflitkparteien. Bislang wurden aber, wie oben beschrieben, verschiedene Gruppen nicht berücksichtigt, während andere es vorziehen weiter zu kämpfen.

Zweitens, gehen die meisten Verhandlungsführer fälschlicherweise davon aus, dass ein Waffenstillstand oder eine Einstellung der Feindseligkeiten rasch und einfach ausgehandelt werden könne. Aus operativen Gründen ist dies jedoch nicht möglich. Ein Waffenstillstandsabkommen ist ein komplexes militärisches Unterfangen, das umfassende Vorbereitungen und ein entsprechendes Training erfordert. Die militärischen Entscheidungsträger aller Konfliktparteien müssen in den Regeln und Verfahren eines Waffenstillstandes ausgebildet und für verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten eines solchen Waffenstillstandes sensibilisiert werden. Diese Ausbildung muss vor den Waffenstillstandsverhandlungen stattfinden und dauert gemäss Expertenschätzungen mindestens sechs Monate. Dazu kommen noch einmal mindestens drei Monate für die eigentlichen Verhandlungen. Einen Waffenstillstand auszuhandeln und erfolgreich zu implementieren ist demnach ein langwieriges Unterfangen, welches gut vorbereitet werden muss.

Drittens, ist es entscheidend, die Kombattanten während eines Waffenstillstandes zu versorgen. In einer komplexen Konfliktsituation wie der in Darfur versorgen sich insbesondere die Rebellengruppen durch konfliktnahe Aktivitäten wie Handelssteuern, Diebstahl und andere kriminelle Aktivitäten sowie Überfälle auf gegnerische Truppen und deren Infrastruktur. Es ist deshalb wichtig, die Konfliktparteien logistisch und materiell zu unterstützen. Die Anreize müssen so gesetzt werden, dass die Konfliktparteien in ihrem Entscheid bestätigt und ihnen die Einhaltung des Abkommens materiell ermöglicht wird. Ein weiteres Hindernis für einen stabilen Waffenstillstand im Darfur zeigt sich in der Natur des Konflikts und den Eigenschaften der Rebellengruppen. Eine erfolgreiche Aushandlung und Implementierung eines Waffenstillstandes erfordert die Identifikation von Truppenstandorten und die Zuteilung von Zuständigkeitsgebieten. Diese Vorgehensweise ist nur sehr schwierig auf die JEM Rebellen anzuwenden, da diese mit ihren ‚Technicals‘ hoch mobil sind und ihre Operationsbasis nicht an einen bestimmten Territorium festmachen, wie dies konventionelle Streitkräfte tun.
Als letzter Grund ist die Komplexität des Konflikts an sich zu nennen. Der Darfur Konflikt besteht aus mehreren überlappenden Konflikten, welche eine Vielzahl an Akteuren und Interessen beinhalten und es so äußerst schwierig machen, das Ausmaß der Gewalt zu reduzieren und bewaffnete Auseinandersetzungen zu überwachen. Wenn das Ausmaß der Gewalt nicht ausreichend reduziert werden und Gewaltausbrüche nicht eindeutig identifiziert und analysiert werden können, ist es unmöglich, das nötige Vertrauen zwischen den Konfliktparteien zu schaffen und einen stabilen Waffenstillstand zu erreichen. Dazu braucht es eine effektive Friedenstruppe. Jedoch ist die hybride AU/UN Friedensmission aus Mangel an Personal und Material (noch immer) nicht in der Lage, diese Aufgaben zu erfüllen.

Schlussfolgerungen

Wenn die Friedensgespräche in Doha zu einem stabilen Waffenstillstand führen und in einen erfolgreichen Friedensprozess münden sollen, müssen die politischen Hindernisse reduziert und die operativen Hürden aus dem Weg geräumt werden. Dies ist kein Ding der Unmöglichkeit, erfordert jedoch das aufrichtige Engagement der Konfliktparteien, der Staaten der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union und vor allem die zusätzliche Unterstützung und den gezielten Druck durch die internationale Gemeinschaft. Die folgenden Empfehlungen könnnen den Weg zu einem potenziellen Friedensprozess weisen:

Der Sicherheitsrat muss den Sondergesandten der UN und der Afrikanischen Union, Bassolé, in dessen Verhandlungsbemühungen uneingeschränkte unterstützen.
Die Europäische Union muss die Staaten der Arabischen Liga, die Afrikanische Union und die Konfliktparteien zu aufrichtigen Friedensverhandlungen aufrufen. Sie muss ausserdem einen umfassenden Friedensprozess fordern, welcher zusätzliche Konfliktparteien mit einbezieht und die Konfliktursachen berücksichtigt.
Der Sicherheitsrat sollte zu diesem Zeitpunkt keinen Haftaufschub gemäß Artikel 16 des Romstatuts beschließen, da dies weder Frieden noch Gerechtigkeit bringen und lediglich die Strategie der sudanesischen Regierung bestätigen würde.
Der Friedensprozess und die erfolgreiche Aushandlung eines Waffenstillstandes erfordert die Unterstützung einer glaubwürdigen und einflussreichen Drittpartei. Diese Rolle könnte von der EU übernommen werden. Die EU muss hierbei auf einen umfassenden und integrativen Ansatz drängen. Sie sollte notwendige langfristige Vorbereitungen treffen und sich nicht zu raschen Resultaten gedrängt fühlen. Sie muss vor allem auch die notwendige Ausbildung und Versorgung der Konfliktparteien garantieren.
Die internationale Gemeinschaft muss ausserdem die Darfur-Friedenstruppe UNAMID stärken, damit diese in eine Lage versetzt wird, den Schutz der Zivilbevölkerung in Darfur sowie die Einhaltung eines zukünftigen Waffenstillstandes garantieren zu können.

 Christoph Bleiker, Policy Analyst Genocide Alert

Haftbefehl gegen Omar al-Bashir

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat am Mittwoch, 4. März 2009, Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar al-Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur erlassen. Es ist das erste Mal, dass der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef erlässt. Dies ist vor allem ein Zeichen dafür, dass solche Verbrechen nicht weiterhin ungestraft bleiben.

Der Anschuldigung wegen Völkermordes wurde nicht stattgegeben. Völkermord wird als willkürliche und systematische, teilweise oder vollständige  Vernichtung von ethnischen, rassischen, religiösen oder nationalen Gruppen definiert. Der Hauptankläger, Luis Moreno-Ocampo, beschuldigte al-Bashir, eine Kampagne zur Auslöschung der afrikanischen Stämme Fur, Masalit und Zaghawa gelenkt zu haben. Zwei der drei Richter des Untersuchungsausschusses befanden die Indizien dafür als nicht ausreichend, da sie die drei afrikanischen Stämme als auch andere Gruppen in der Region als sudanesische Staatsangehörige ansehen, die der gleichen Rasse und Religion angehören. Für eine Anklage wegen Völkermordes wird jedoch ein einstimmiges Urteil benötigt. Moreno-Ocampo führte des Weiteren an, dass die Unterbindung von humanitären Hilfeleistungen, der Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern durch die sudanesische Regierung als ein Indiz für Völkermord verstanden werden kann, was jedoch für zwei Richter nicht ausreichend war. Moreno-Ocampo kann jedoch die Völkermordanklage zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgreifen, wenn er neue Beweise dafür vorlegen kann.
Unabhängig davon, welche Verbrechen zur Anklage geführt haben: Das Urteil des Strafgerichtshofs bedeutet für viele Opfer in Darfur Hoffnung auf Gerechtigkeit. Moreno-Ocampo betonte in seiner Anklage vom Juni 2008, dass die Mobilisierung des gesamten Staatsapparates, inklusive Militär, Geheimdienst, diplomatische und öffentliche Ämter sowie Rechtssystem die unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung dieser Verbrechen war. Al Bashir ist schon der dritte Sudanese, gegen den ein Haftbefehl verhängt wurde. Die sudanesische Regierung hat sich bis jetzt geweigert, den sudanesischen Minister Ahmed Haroun und den Dschandschawid-Anführer Ali Kosheib nach Den Haag auszuliefern, obwohl sie nach Resolution 1593 der Vereinten Nationen rechtmäßig dazu verpflichtet ist. Der Internationale Strafgerichtshof kann zwar die Festnahme von al-Bashir im Sudan nicht erzwingen. Die beteiligten Richter wiesen jedoch darauf hin, dass alle Vertragsparteien des Rom-Statuts sowie auch alle Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Kooperation bei der Festnahme und Auslieferung aufgefordert sind.
Katharina Zechner