Sudan vor den Wahlen – Prävention gegen neue Gewaltausbrüche gefragt
Auf den ersten Blick könnte man in den für April angesetzten Wahlen im gesamten Sudan – die ersten seit 1986 – und in dem für Anfang 2011 angekündigten Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans ein Hoffnungsschimmer für das von Gewalt geschundene Land vermuten. Doch sowohl die Wahlen, als auch das Referendum birgt die Gefahr eines neuen Aufflammens der Gewalt. Es wäre ein tödlicher Fehler der Internationalen Gemeinschaft, die damit verbundenen Risiken für die sudanesische Bevölkerung zu ignorieren.
Schon jetzt gibt es zahlreiche Berichte von Gewalttaten, welche neuerdings vor allem wieder vermehrt im Süden vorkommen. So gab es 2009 im Südsudan 2500 Gewaltopfer, sogar mehr als im gleichen Zeitraum in Dafur. 360000 Menschen mussten fliehen. Neben Stammeskonflikten und dem Eindringen der Lord Resistance Army aus Uganda, lässt sich dabei auch wieder eine Zunahme der Spannungen mit dem Norden feststellen. Die Ursprünge des Konflikts zwischen dem arabisch dominierten Norden und dem christlichen schwarzafrikanischen Süden des Sudans reichen dabei weit in die Vergangenheit zurück. Der bisher letzte offene Bürgerkrieg brach Anfang der 1980er Jahre aus und konnte erst im Januar 2005 mit dem sogenannten „Comprehensive Peace Agreement“ beigelegt werden. Darin einigten sich die Parteien neben der Schaffung einer Autonomen Provinz Südsudan und der Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ unter anderem auch darauf, bis spätestens Januar 2011 ein Referendum über eine staatliche Unabhängigkeit des Südsudans durchzuführen.
Vor den jetzt anstehenden Abstimmungen darf man vor allem nicht vergessen, dass das Abhalten Wahlen allein noch keine Demokratie ausmacht. Dennoch steht für die Parteien im Sudan viel auf dem Spiel. So sollen ein Staatspräsident für Gesamtsudan, der Präsident für den Südsudan, die Gouverneure der 26 Bundesstaaten, sowie die Parlamente der Nationalversammlung in Khartum und in den Bundesstaaten gewählt werden. Im Hinblick auf die humanitäre Notlage und die immer noch mangelnde Sicherheit weiter Bevölkerungsteile – vor allem in Dafur und im Südsudan – sind wirklich fairen Wahlen nur begrenzt zu erwarten. Die Regierung von Präsident Omar al Bashir hat es in den vergangenen Jahren unterlassen, die notwendigen demokratischen Reformen durchzuführen, welche im „Comprehensive Peace Agreement“ von 2005 verlangt werden. Ohne verstärkte Aufmerksamkeit und Druck durch die Internationale Gemeinschaft wird es weder faire noch freie Wahlen geben.
Auch wenn die Wahlen im April ohne größere Verwerfungen und Gewaltausbrüche über die Bühne gehen sollten, droht Anfang 2011 mit dem Referendum, welches der südsudanesischen Bevölkerung die Aussicht auf einen eigenen Staat einräumt, ein erneuter offener Bürgerkrieg. Es ist zu erwarten, dass die Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden zunehmen, je näher das Referendum rückt. Schon jetzt wirft die südsudanesische Regierung dem Norden Waffenlieferung an einzelne Gruppen im Süden vor. Aber auch der Süden rüstet auf.
Es ist davon auszugehen, dass sich eine Mehrheit der Menschen im Südsudan für eine Unabhängigkeit entscheiden werden. Schwer vorstellbar ist jedoch, dass – trotz anderslautender Bekundungen – die Zentralregierung in Khartum die Loslösung des Südens und damit den Verlust von ölreichen Provinzen einfach hinnehmen wird. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass wichtige Fragen wie Grenzziehungen und die Verteilung der Öleinnahmen nach wie vor ungeklärt geblieben sind.
Die Zeit drängt und es sind entschlossene Schritte notwendig, um einem erneuten Ausbruch eines Bürgerkriegs vorzubeugen. So müssen die in einem Bericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vom 19. Januar 2010 geforderte Verstärkung der UNMIS und die notwendigen versprochenen Mittel für das UNDP sofort bereitgestellt werden. Sowohl die südsudanesische Regierung als auch die Internationale Gemeinschaft haben die Pflicht, umgehend ihre Anstrengungen für die Herstellung von kurz und langfristiger Sicherheit des Bevölkerung zu erhöhen. Die internationale Staatengemeinschaft hat dabei die Aufgabe, die Konfliktparteien zu Verhandlungen und zur friedlichen Beilegung von Konflikten zu drängen. In den verbleibenden Monaten vor dem Referendum muss mit aller Kraft an der Lösung der ungeklärten Fragen gearbeitet werden. Die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Verstärkung der UN-Truppe zur Überwachung der Nord-Süd-Grenze im Vorfeld des Referendums sollten rechtzeitig geprüft und gegebenenfalls auch realisiert werden. Als einer der Garantie-Staaten des Friedensvertrags hat die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung, dem Sudan mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Christoph Schlimpert