Weitere Humanitäre Organisationen von Ausweisung bedroht

Das Regime des Sudan erwägt, weitere humanitäre Hilfsorganisationen des Landes zu verweisen, nachdem gegen den amtierenden Präsidenten, Omar Al-Bashir, ein Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofes erlassen worden ist. Als Reaktion auf die Entscheidung des IStGH wurden bereits mehrere humanitäre Hilfsorganisationen ausgewiesen, darunter, Oxfam, Ärzte ohne Grenzen, Save the Children, Refugee Council, Care, Actions Contre La Faim, International Rescue Committee und Mercy Corps. Der IStGH erliess den Haftbefehl wegen des Verdachts für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur.

Die Repressalien gegen Hilfsorganisationen als Reaktion auf eine solche Entscheidung wurden von Analysten vorhergesehen (vgl. Genocide Alert Policy Brief 5/2009). Sie entsprechen dem bekannten Verhaltensmuster des Regimes in Khartoum, unter Druck die Grenzen des Willens der internationalen Gemeinschaft auszuloten. Dazu unterbindet das Regime bewusst die humanitäre Versorgung für Millionen Zivilisten im Sudan, um die internationale Gemeinschaft zur Rücknahme ihrer Maßnahmen zu zwingen.

Das Vorgehen des Regimes wird von abenteuerlich anmutenden Behauptungen begleitet. Präsident Bashir bezeichnete den Haftbefehl als Ergebnis eines „zionistischen Komplotts“ und „Neokolonialismus“, während Hassabo Mohammed Abdel Rahman, Vorsitzender der „Kommission für humanitäre Angelegenheiten“ der sudanesischen Regierung, den Hilfsorganisationen Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof vorwarf. Er ging so weit zu behaupten, die Organisationen hätten Beweismaterial gegen die sudanesische Regierung gefälscht und dem IStGH zugespielt.

Teilweise wurden Mitarbeiter der Hilfsorganisationen vorübergehend eingesperrt, während andere aufgefordert wurden, das Land innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Es wurde Arbeitsmaterial der Organisationen, wie Computer und Fahrzeuge, beschlagnahmt. Die internationalen Helfer weisen die Vorwürfe zurück. Oxfam erklärt hierzu, „keine Meinung“ zu den Aktivitäten des IStGH zu haben und betont sein ausschließlich humanitäres Interesse an der Linderung der Not der Menschen.

Die 6500 Ausgewiesenen machen 40% der humanitären Helfer im Sudan aus. Obwohl sechs Untergliederungen der Vereinten Nationen den Sudan zur Rücknahem der Entscheidung aufriefen, bekräftigte Mutrif Siddig, ein hoher außenpolitischer Beamter, die Entscheidung und nannte sie „unwiderruflich“.

Währenddessen warnt Genocide Alert davor, angesichts des Verhaltens Khartums den politischen und strafrechtlichen Druck einzustellen. Bisherige Haftbefehle internationaler Tribunale hätten in der Vergangenheit, flankiert von politischem Druck, bereits Völkerrechtsbrecher wie Slobodan Milosevic vor Gericht und damit zur verdienten Verurteilung gebracht. Auch in diesem Fall könne konzertiertes Handeln der internationalen Gemeinschaft zum Erfolg führen und langfristig die Grundlage für Gerechtigkeit und Frieden schaffen.

Daniel Fallenstein

Gewalt gegen Frauen in Darfur

Die sudanesische Regierung und ihre verbündeten Milizen, die Dschandschawid, setzen sexuelle Gewalt als ein Mittel zur Kriegsführung ein. Frauen in Darfur leben in ständiger Angst vor neuen Attacken, wobei die Übeltäter in fast allen Fällen ungestraft davonkommen. Allerdings haben auch die Afrikanische Union,die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft dabei versagt, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen und den überlebenden Opfern behilflich zu sein sowie die Übeltäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.

Die größte Gefahr für Frauen besteht beim Verlassen der Flüchtlingslager zur Nahrungs- und Feuerholzsuche. Nicht nur die sudanesische Polizei und die Dschandschawid beteiligen sich mittlerweile an systematischen Vergewaltigungen, sondern auch bewaffnete Zivilisten inner- und außerhalb der Lager. Dies beeinträchtigt die allgemeine Sicherheitslage und trägt zu Unruhen in der Region bei.Die bis Ende 2007 als Friedenstruppen in Darfur dienenden  Soldaten der Afrikanischen Union (AMIS) waren nicht adäquat ausgestattet und konnten deshalb die Region nicht ausreichend überwachen und die Bevölkerung schützen. Die danach von der Afrikanischen Union (A.U.) und den Vereinten Nationen (U.N.) gestellte Friedenstruppe für Darfur, UNAMID (= United  Nations  African Union Mission in Darfur) soll über 26,000 Soldaten verfügen, von denen bis jetzt jedoch nur ein Drittel stationiert wurden. UNAMID führt zwar vermehrt Kontrollen inner- und außerhalb der Lager durch, doch die fehlende Unterstützung vor allem in den Bereichen Ausrüstung und Logistik sorgt für Einschränkungen bezüglich der Länge, der Häufigkeit und des Umfangs der Patrouillen. Die spärliche Ausstattung behindert auch eine angemessene Reaktion auf Angriffe durch die sudanesische Regierung,die oftmals systematische Vergewaltigungen beinhalten. Desweiteren wird der Einsatz der UNAMID durch Angriffe auf die Soldaten erheblich beeinträchtigt.

Im April 2007 erließ der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle gegen den sudanesischen Minister Ahmed Haroun und den Dschandschawid-Anführer Ali Kosheib wegen Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlickkeit unter anderem auch wegen systematischen Vergewaltigungen und der Anwendung von sexueller Gewalt. Beide wurden bis jetzt noch nicht verhaftet. Im Juli 2008 stellte der Chefankläger des InternationalenStrafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er begründete sein Gesuch unter anderem damit, dass die sudanesische Regierung Vergewaltigungen in Darfur gezielt einsetzt, um den Willen, die Seele und das Leben selbst zu zerstören („to kill the will, the spirit, and life itself“). Bedauerlicherweise werden im Sudan derzeit Menschen, die eine Vergewaltigung melden, eher verfolgt als diejenigen, die ein solches Verbrechen begangen haben: Gegen Mitglieder des Militärs, des Sicherheitsdienstes, der Polizei und des Grenzschutzes werden im Sudan keine gerichtlichen Schritte eingeleitet. Da dies die meisten Mitglieder der Dschandschawid miteinschließt, kommen auch sie ungestraft davon.

Was muss getan werden, um Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen?

Da die sudanesische Regierung nicht dazu bereit ist, ihre bisherige Taktik zu ändern, muss die internationale Staatengemeinschaft verschärfte Maßnahmen ergreifen und der Reaktion auf sexuelle Gewalt höchste Priorität geben. Eine durchgreifende Verbesserung der Situation in Darfur – insbesondere für Frauen – ist nur durchdie Umsetzung einer Gesamt-Strategie möglich. Hierzu zählen vor allem die nachstehend genannten Maßnahmen:

  1. Schnellstmögliche Vollstreckung der Haftbefehle gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und den sudanesischen Minister Ahmed Haroun sowie den Dschandschawid-Anführer Ali Kosheib.
  2. Unverzügliche Aufstockung der UNAMID-Truppenstärke auf die vorgesehenen 26,000 Soldaten.
  3. Umfassende Verbesserung der Ausrüstung und Ausbildung der UNAMID zur Durchführung effektiver Patrouillen.
  4. Spezielles Training für Soldaten und Polizeieinheiten, um sexuelle Gewalt zu verhindern und um mit Vergewaltigungsopfern angemessen umgehen zu können.
  5. Stationierung von weiblichen Soldaten, Ermittlern und Übersetzern in jedem Flüchtlingslager, um Opfern zu assistieren.
  6. Ahndung von Gewalttaten im Rahmen der UN Null-Tolleranz-Politik.
  7. Größere finanzielle Unterstützung für humanitäre Organisationen vor Ort, unter anderem zur Verhinderung geschlechtsspezifischer Gewalt.
  8. Sanktionen seitens der europäischen Union und anderer Staaten, um vermehrten Druck auf die sudanesische Regierung auszuüben.
Autorin: Katharina Zechner

PetroChinas profitables Geschäft mit den Völkermördern im Sudan

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe. Die chinesische Ölgesellschaft PetroChina ist an ihrem ersten Börsentag zum wertvollsten Unternehmen der Welt (nach Börsenwert) avanciert. Was bei dem Trubel leicht vergessen wird: PetroChina verdient Geld durch Geschäfte mit dem sudanesischem Regime, welches die größte humanitäre Katastrophe der Welt in der Krisenregion Darfur verursacht hat.

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe. Die chinesische Ölgesellschaft PetroChina ist an ihrem ersten Börsentag zum wertvollsten Unternehmen der Welt (nach Börsenwert) avanciert. Die Regierung der Volksrepublik China wird es freuen: Sie hält ungefähr 80% der Anteile an  PetroChina und ist damit der unangefochtene Hauptaktionär. Was bei dem Trubel leicht vergessen wird: PetroChina verdient Geld durch Geschäfte mit dem sudanesischem Regime, welches die größte humanitäre Katastrophe der Welt in der Krisenregion Darfur verursacht hat. CNPC (China National Petroleum Company) finanziert über seine Tochtergesellschaft PetroChina   einen Völkermord  mit, der inzwischen 400.000 Menschen das Leben gekostet und 2,5 Millionen vertrieben hat.

Die Regierung des Sudan nutzt ca. 70% ihrer gesamten Einnahmen für den Kauf von Militärgerät und zur Bewaffnung arabischer Reitermilizen, den sogenannten Janjaweed, welche seit Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in Darfur begehen. Ein Großteil dieses Geldes bezieht das Regime in Khartum aus dem Verkauf von Erdöl, welches in erster Linie von der chinesischen CNPC gefördert wird. Letztere besitzt nicht bloß zum größten Teil PetroChina. Auch das Topmanagement ist nahezu identisch und CNPC wie PetroChina sind Teil der gleichen Unternehmensstruktur. Aus diesem Grund benennt die „Sudan Divestment Taskforce“ PetroChina auch als einen der „grössten Missetäter“ (Highest Offender) in Bezug auf die Unterstützung des Völkermords in Darfur. Die hochgefeierte PetroChina macht ihre Profite also unter anderem auf dem Rücken der Opfer des ersten Völkermords des 21. Jahrhunderts. Kein Grund zu feiern.

Als Aktienunternehmen hat PetroChina ein vitales Interesse an einem hohen Börsenwert. Dies sollte die Bundesregierung, Fonds und private Anleger nutzen, um die Volksrepublik China zu einem konstruktiveren Verhalten zur Beendigung des Völkermords in Dafur aufzufordern. China pflegt engste wirtschaftliche und politische Kontakte zum Sudan. Seit Jahren ist die Volksrepublik der größte diplomatische Protegé sowie ökonomischer Investor und Handelspartner des Sudans. Der Abzug von Kapital aus PetroChina ist der beste Weg, der chinesischen Regierung zu zeigen, dass Menschenrechte nicht in Profiten und steigenden Aktienkursen aufzuwiegen sind.

Wir brauchen unabhängige Beobachter in Darfur!

Am 24. September hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Mandat der Sonderberichtserstatterin Sima Samar um sechs Monate SimaSamar verlängert. Der Menschenrechtsrat hat sich so selbst die Chance genommen, eine eindeutige Position gegen Völkermord zu beziehen. Er droht sich durch eine solche Haltung mittelfristig überflüssig zu machen.

Abdel Daiem Zumrawi, Untersekretäaer des sudanesischen Justizministeriums, hatte sich zuvor mit der Forderung an den UN Menschenrechtsrat gewandt, das bestehende Mandat der derzeitigen Sonderermittlerin Sima Samar, nach dessen Ablauf im Dezember, nicht zu erneuern. Dieser Schritt wurde von ihm damit begründet, dass Sima Samar „terroristische Attacken“ der Rebellengruppen nicht verurteilt habe. Weiterhin hatte Zumrawi die Sonderermittlerin als „Agentin der Europäischen Union“ bezeichnet. Dies kann nur als weiterer Versuch des Sudan gewertet werden, Kritik an seinen Handlungen in Darfur abzuwenden. Samar war stellvertretende Premierministerin in Afghanistan und wirkt seit 2005 als UN Menschenrechtsberichterstatterin im Sudan. In einem Bericht vom 9. September 2008 erklärte sie, dass die Situation in Darfur weiterhin düster sei. Unbeteiligte Zivilisten würden sowohl von der Regierung als auch von Rebellengruppen getötet. Außerdem fänden willkürliche Festnahmen und Folter statt. Frau Samar hebt in ihrem Bericht insbesondere die willkürliche und unverhältnismäßige Bombardierung, sowie das Verschwinden von Zivilisten durch sudanesische Kräfte hervor.

Seit 2003 wurden ca. 400.000 Menschen in Darfur getötet und weitere 2,5 Millionen aus ihren Heimatstäaetten vertrieben. Im vergangen Jahr hat sich der UN Menschenrechtsrat dazu überreden lassen, den Bericht einer von der amerikanischen Friedensnobelpreistraegerin Jody Williams geleiteten Kommission zur Menschenrechtslage in Darfur zu ignorieren. Auf die Mitarbeit des Sudans bei der Verbesserung und Kontrolle der Menschenrechtslage zu hoffen, scheint in Anbetracht dieser Umstände und dem bisherigen hinderlichen Verhalten des Sudans nicht angebracht.

In diesem Sinne fordert Genocide Alert die Bundesregierung dazu auf, vor dem Geschehen in Darfur nicht die Augen zu verschließen und sich im UN Menschenrechtsrat aktiv dafür einzusetzen, dass die Menschenrechtslage weiterhin unabhängig beobachtet wird.

Zwar ist das Mandat Frau Samars verlängert worden, jedoch auf Druck des Sudan hin nur für sechs Monate. Dies ist eine große Enttäuschung. Die Lage in Darfur ist nachwievor außerordentlich ernst. Jeden Tag sterben Zivilisten sowohl durch das Verhalten der sudanesischen Regierung und als auch das der Rebellen. Die Welt darf sich nicht einfach umdrehen und die Augen verschließen, nur weil eine für Verbrechen verantwortliche Regierung dies wünscht. Es müssen deutliche Maßnahmen gegen die von Sima Samar berichteten Gräueltaten ergriffen werden.

Frau Samar als unabhängige Beobachterin vor Ort zu haben, kann so nur als erster Schritt verstanden werden, um die Gewalt einzudämmen und die Situation zu stabilisieren. Wenn aber bereits dieser erste Schritt nicht ernstgenommen wird, bleibt die Situation für viele Menschen hoffnungslos. Der Sudan war bislang nicht zur Kooperation bereit. Die Weltgemeinschaft darf nicht blind darauf hoffen, dass sich die Situation wie von Zauberhand von selbst lösen wird, der Sudan guten Willen beweisen wird, solange nur seinen Forderungen nachgegeben und Beobachter aus dem Land abgezogen werden. Das Mandat nur um sechs Monate zu verlängern, setzt deshalb ein falsches Signal. Der Menschenrechtsrat hätte eine deutliche Position einnehmen müssen. Der Menschenrechtsrat hat sich so selbst die Chance genommen, eine eindeutige Position gegen Völkermord zu beziehen. Er droht sich durch eine solche Haltung mittelfristig überflüssig zu machen.

Trotz der Aufforderung von Genocide Alert und vielen weiteren Organisationen hat sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede an die UNO Generalversammlung nicht explizit für eine Verbesserung der Situation in Darfur ausgesprochen. Es bleibt zu wünschen, dass die Bundesrepublik gerade im Hinblick auf ihre eigene Geschichte, deutlich Position gegen den Sudan bezieht.

Update: Probleme und Herausforderungen der UN-AU Friedensmission in Darfur

Die UNAMID-Mission in Darfur sollte vorbildlich werden. Aufgrund verschiedener Probleme ist die Glaubwürdigkeit der UN nun jedoch gefährdet. Es fehlen zum Einen Ressourcen, um UNAMID vor Ort eine effektive Arbeit zu ermöglichen. Zum Anderen versucht die sudanesische Regierung den Einsatz von UNAMID zu unterbinden. Was muss getan werden um die Mission doch noch erfolgreich werden zu lassen?

UNAMID: Herausforderungen und Probleme

Die gemeinsame Friedenstruppe der Afrikanischen Union (A.U.) und der Vereinten Nationen (U.N.) für Darfur, UNAMID (= United Nations African Union Mission in Darfur) wurde vor fast einem Jahr ins Leben gerufen und am 31. Dezember 2007 offiziell in Darfur eingesetzt. Sie übernahm die damals nur unzureichend ausgestatteten A.U.-Truppen und ergänzte sie mit U.N.-Soldaten – schlussendlich soll sie auf 26 000 Soldaten und damit zum größten Friedenssicherungseinsatz in der Geschichte der UNO anwachsen. Bisher ist UNAMID aber weit davon entfernt, eine vorbildliche Mission zu sein, mit der die Vereinten Nationen ihr Image aufpolieren könnten. Stattdessen wurde bis jetzt nur ein Drittel der vorgesehenen Truppen vor Ort stationiert, und es fehlt an Unterstützung, vor allem in den Bereichen Ausrüstung und Logistik.

Es ist der Führung der UNAMID hoch anzurechnen, dass es ihr, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung durch häufigere und längere Patrouillen zu verbessern. Dadurch kann sich zumindest ein Teil der Darfurer im Alltag sicherer fühlen. Durch mangelnde Ausrüstung ist es den Truppen jedoch nicht möglich, die Dauer der Patrouillen weiter auszudehnen, und einige Flüchtlingslager müssen noch immer ganz ohne Schutz auskommen. Durch die geringe Anzahl an Soldaten in Darfur kann UNAMID leider nicht verhindern, dass weiterhin Menschen getötet sowie Häuser geplündert und angezündet werden. Leider haben mangelnde Reaktionen der UN auf wiederholte Angriffe auf UNAMID-Truppen durch Rebellengruppen und die sudanesische Armee den Eindruck der Bevölkerung noch verstärkt, dass der Einsatz der Streitkräfte wirkungslos sei.

Die Rolle der sudanesischen Regierung

Die Regierung in Khartum hat sich bisher vor allem durch eine sture Blockadehaltung hervorgetan. So verzögerte sie die Anerkennung des „Status of Forces Agreement“ (SOFA) – einer Vereinbarung zwischen zwei Ländern über die Stationierung ihrer Truppen auf dem Gebiet der jeweils anderen Nation – und damit den Einsatz von UNAMID um sechs Monate. Obwohl das SOFA den freien Einsatz der Streitkräfte theoretisch ermöglicht, ist dies in Darfur praktisch leider immer noch nicht der Fall.

Des Weiteren versucht die sudanesische Regierung systematisch den vollständigen Einsatz von UNAMID zu unterbinden. Die im Oktober 2007 von A.U. und U.N. vorgelegte Liste der Länder, die zusätzliche Soldaten beisteuern sollten, wurde nicht gebilligt, und obwohl Khartum einige vage Zusagen über den Einsatz weiterer UNAMID-Einheiten gemacht hatte, gab es keine konkreten Beschlüsse. Vor Ort wird den internationalen Streikräften nicht genügend Land zum Bau von Unterkünften und Stützpunkten mit ausreichendem Zugang zu Wasser zur Verfügung gestellt. Außerdem sind Nachtflüge grundsätzlich verboten, teilweise wurden auch tagsüber Flugverbote verhängt. Somit hatten die Streitkräfte bei zwei Luftangriffen von Regierungstruppen auf mehrere Dörfer im April und Mai 2008 keine andere Möglichkeit, als verletzte Zivilisten auf dem Landweg zu evakuieren, was nicht nur zeitaufwendig und ineffizient, sondern auch höchst gefährlich ist. Zudem werden Nachschubgüter nicht nur unnötig lange vom sudanesischen Zoll aufgehalten, sondern die sudanesische Regierung weigert sich außerdem, ausreichende Sicherheitsvorkehrungen für den Transport des Materials durch ihr Territorium zu treffen.

Wie geholfen werden kann

Diese Hindernisse machen ein Handeln seitens der Internationalen Gemeinschaft unumgänglich. Zum Einen brauchen die Truppen mehr Ressourcen, zum Beispiel mehr Hubschrauber und Lastwagen, um Darfurer im Falle von Angriffen ausreichend schützen zu können. Des Weiteren brauchen sie eine verbesserte Luftaufklärung sowie den Einsatz von zusätzlichen Ingenieuren und eine verstärkte logistische Unterstützung. Während die internationale Gemeinschaft also gefragt ist, um diese unentbehrlichen Ressourcen bereitzustellen, ist es ebenfalls problematisch, dass nach der Bewilligung des geforderten Materials es noch einige Monate dauert, bis es in Darfur ankommen wird.

Da die UNO über keine eigenen Mittel verfügt um die Versorgung der Truppen vor Ort zu gewährleisten, ist sie auch hier auf die Kooperation der truppenstellenden Länder angewiesen. Da es beispielsweise amerikanischen Firmen jedoch nicht mehr erlaubt ist, Geschäfte mit der Friedensmission in Sudan zu betreiben, wird eine gute Versorgung der Truppen erschwert. Denn da es den meisten afrikanischen Ländern nicht möglich ist, ihre Soldaten im Einsatzgebiet zu versorgen, sind sie auf ausländische Hilfe angewiesen. Eine gute Versorgung der Truppen ist aber absolut erforderlich und muß eine hohe Priorität bei den Vereinten Nationen haben, damit die Streitkräfte auch während längerer Einsätze außerhalb ihrer Stützpunkten operieren können.

In diesem Zusammenhang schlagen Jerry Fowler (Präsident der amerikanischen Save Darfur Koalition) und John Pendergast (Mitgründer der ENOUGH Kampagne) dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor, einen Beschluss zu fassen, der klare Maßstäbe und Ziele für den Einsatz der UNAMID-Truppe setzt. Bürokratische Hindernisse sollten so weit als möglich abgebaut werden, und sie schlagen auch vor, Sanktionen gegen Länder zu verhängen, die die Stationierung der Soldaten behindern. Eine weiterer Vorschlag ist, dass UNAMID einen Militäranwalt beauftragen sollte, der die Einhaltung des SOFA-Abkommens sowie alle Verstöße von sudanesischer Regierung, Rebellen, Milizen und kriminellen Elementen überwachen soll.

Diese Maßnahmen sind wichtig, da die Glaubwürdigkeit der UN und auch der AU vom Gelingen dieser Mission abhängen. Nachdem der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, im Mai 2008 erklärt hatte, dass die UNAMID-Truppen bis Ende dieses Jahres 80% ihrer Sollstärke erreichen sollen, muss jetzt unverzüglich gehandelt werden.

Dieser Text basiert auf einem Papier der Save Darfur Coalition und ENOUGH.
[Genocide Alert ist nicht zwingend der Ansicht der Autoren dieses externen Links]

Katharina Zechner ist Policy Analyst von Genocide Alert und derzeit für die amerikanische Save Darfur Coalition in Washington D.C. tätig.

Omar al-Bashir – Einer der schlimmsten Diktatoren unserer Zeit

Der Internationale Strafgerichtshof schreibt in diesen Tagen Geschichte indem er ein Staatsoberhaupt noch während seiner Amtszeit anklagt. Doch wer ist eigentlich Omar al-Bashir und was macht ihn „anklagenswert“? Ein Portrait.

Omar al-Bashir gilt als der schlimmste Diktator der Post-Weltkrieg Ära. Er hat sowohl die meisten Toten zu verantworten  (geschätzte 2,5 Millionen in Darfur und im Süd-Sudan), die meisten Vertriebenen (7 Millionen) und die meisten niedergebrannten Dörfer (allein in Darfur sind es mindestens 1500).

In einem durch ethnische, religiöse und sozio-ökonomische Unterschiede gespaltenen Land, das Christen, Animisten, Muslime, Araber, Schwarzafrikaner, arme Regionen und durch Ölförderungen reich gewordene Regionen vereint, war es al-Bashirs zentrale Position in der Armee zu verdanken, dass er 1989 die demokratisch gewählte Sadeq al-Mahdi-Regierung stürzen konnte – „um das Land vor verdorbenen politischen Parteien zu schützen“, wie er später sagte. Konsequenterweise löste er daraufhin das Parlament auf, verbot alle politischen Parteien und stellte die Presse kalt. Das Verbot von politischen Parteien sicherte seine Wiederwahlen, die Opposition wurde erfolgreich gespalten und al-Bashir muss daher nicht wirklich um seine Position fürchten. Jeder Kritiker muss fürchten, als Agent des Imperialismus und Zionismus diffamiert zu werden, denn wie viele andere seiner Kollegen im Nahen Osten beharrte al-Bashir wiederholt auf einer Weltverschwörung des globalen Judentums. Auch den Protest gegen seine Politik in Darfur in den USA sieht er in diesem Licht: So sagte er auf Nachfrage von Journalisten während einer Pressekonferenz mit Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki im Juni 2006, dass es eindeutig eine Absicht hinter der „immensen Propaganda und den Medienkampagnen“ zugunsten einer internationalen Intervention im Darfur gäbe. „Wenn wir uns die letzten Demonstrationen in den USA und die Gruppen, die sie organisiert haben, anschauen, so sehen wir, dass sie alle jüdische Organisationen sind.“ Bashir spielte hierbei auf Demonstrationen in Washington, New York und Philadelphia, bei denen unter anderem der Schauspieler George Clooney, der ehemalige Basketballspieler Manute Bol, ein Sudanese, und jüdische Persönlichkeiten wie der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel auftraten.

Das Hauptziel al-Bashirs ist einzig und allein sein Machterhalt. Um diesen zu sichern wendet er eine „Teile und Erobere“-Strategie an, die inter-ethnische Konflikte herauf beschworen hat. Der heute 64jährige Präsident gilt als ein Geheimniskrämer und widersprüchliche Figur. Auf der einen Seite hat er einige Elemente der Scharia eingeführt, auf der anderen Seite aber auch Liberalisierungen der Wirtschaft in die Wege geleitet, insbesondere da, wo die Förderung von Öl betroffen ist. Die Abhängigkeit des Sudans vom Export seines Öls könnte sich als al-Bashirs größter Schwachpunkt erweisen. Seine Nervosität bezüglich einer Anklageerhebung durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverbrechen in Darfur wurde schon durch seine Drohungen deutlich, dass dies „blutigen Konsequenzen“ und „verheerende“ Folgen haben würde, wie Die Welt in ihrer Ausgabe des 14. Juli berichtete.

Zurzeit gibt es innerhalb des Sudans keine Kräfte, die al-Bashir zwingen könnten, sich dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu stellen. Und doch steht Sudans dynamische Wirtschaft auf unsicheren Füßen, denn sie ist auf die Kooperation derjenigen Länder angewiesen, die ihm bei der Ölförderung helfen. Dies ist insbesondere China. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Anklage der internationale Druck auf das Regime zunimmt und die Regierung des Sudans entgegenkommender werden könnte.

Die Autorin Johanne Kübler ist Policy Analyst für Genocide Alert.

US-Präsidentschaftswahlen: Was denken Obama und McCain über Darfur?

Anlässlich der bevorstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahl hat Genocide Alert die Positionierungen der beiden Präsidentschaftskandidaten Obama and McCain bezüglich der Krise in Darfur zusammengestellt. Wie wird sich die Darfur-Politik unter dem nächsten amerikanischen Präsidenten verändern? Und was kommt auf Deutschland zu? Katharina Zechner von „Save Darfur USA“ erklärt die Lage.

 

Was denken die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten űber Darfur?

Barack Obama, designierter Kandidat der Demokratischen Partei für die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2008, ist der Meinung, dass die USA als mächtigste Nation der Welt eine moralische Verpflichtung haben, gegen den Völkermord in Darfur einzuschreiten. Eine Schutzmacht vor Ort sei dafür unbedingt erforderlich. Dabei műssten die USA solche Truppen im Hinblick auf Logistik, Transport und Ausrüstung unterstützen. Des Weiteren sollten die USA die begonnenen Sanktionen gegen den Sudan ausdehnen und dabei sowohl die EU als auch andere Staaten mit einbeziehen. Obama war, zusammen mit Samuel Brownback (Senator fűr den US-Bundesstaat Kansas), einer der Ersten, die sich für eine aus den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union bestehenden Friedenssicherungstruppe in Darfur sowie  für verstärkte Sanktionen gegen Sudan ausgesprochen hatte. Im Falle seines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2008 sollte die Beendigung des Völkermords in Darfur eine von Obamas Prioritäten werden.

John McCain, designierter Kandidat der Republikanischen Partei für die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten 2008, spricht sich dafür aus, dass die USA die notwendige logistische und finanzielle Unterstützung für die Friedenstruppen in Darfur bereitstellen müssen. Wenn China weiterhin Handel mit der sudanesischen Regierung treibe und jegliche Bemühungen der USA und der Vereinten Nationen abblocke, sollten die USA ein demokratisches Bündnis gründen, welches die Menschenrechte schützen und den Völkermord in Darfur beenden solle. McCain ist davon überzeugt, dass die USA eine Verpflichtung haben, in dieser Angelegenheit die Führung zu übernehmen und zu handeln. Er dankt den Organisationen und engagierten Bürgern in den USA, die sowohl ihre eigene Regierung als auch die anderer Länder zum Handeln aufgefordert haben und die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Mitmenschen über die Lage in Darfur aufzuklären.

Gemeinsame Erklärung von Barack Obama, John McCain und Hilary Clinton vom 27. Mai 2008:

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg haben amerikanische Präsidentschaftskandidaten eine gemeinsame Erklärung zu einem internationalen Thema abgegeben. Trotz unterschiedlicher Auffassungen in anderen Fragen solidarisieren sich Clinton, Obama und McCain in Bezug auf den nun schon seit dem Jahr 2003 andauernden Völkermord in Darfur. Sie fordern ein Ende der Gewalt und des Mordens, sowie die Einhaltung des „Comprehensive Peace Agreement“ (CPA), welches im Januar 2005 von der „Sudan’s People Liberation Movement/Army” (SPLAM/A) und der sudanesischen Regierung unterzeichnet worden war. Die Präsidentschaftsanwärter versprechen, dass sich die nächste Regierung unabhängig davon für die Umsetzung dieser Ziele einsetzen wird, wer von ihnen gewählt werden wird. Bis zur Wahl wollen sie sich auch als Senatoren für den Frieden in Darfur und den Schutz der Darfuris einsetzen.
Katharina Zechner ist Policy Analyst von Genocide Alert und derzeit für die amerikanische Save Darfur Coalition in Washington D.C. tätig.

Darfur: Leiden der Kinder nimmt kein Ende

In einer gemeinsamen Erklärung machen deutsche humanitäre und Menschenrechtsorganisationen – darunter Genocide Alert – auf die prekäre Lage von Kindern in der Krisenregion Darfur aufmerksam und fordern die Bundesregierung sowie die Europäische Union zum Handeln auf. Bundesregierung und EU müssen sich stärker für Beendigung der Darfur-Krise engagieren!

 

Seit fünf Jahren herrschen Krieg und Gewalt in der westsudanesischen Provinz Darfur. Bisher starben über 200.000 Menschen; mehr als 2,2 Millionen sind geflüchtet und leben in Lagern in Darfur sowie dem benachbarten Tschad. Insgesamt sind 4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Kinder tragen keine Schuld an dem Konflikt, sind aber am stärksten von der Gewalt und ihren Folgen betroffen. Schätzungen der Vereinten Nationen zu Folge sterben in Darfur jeden Tag 75 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen des Krieges. Und ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.

Wir wollen deswegen auf das besondere Schicksal der etwa 2 Millionen betroffenen Kinder in Darfur aufmerksam machen:

  • Akute Unterernährung unter Kindern nimmt zu:

Massive Gewalt gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen, bürokratische Blockaden und Finanznot dauern unvermindert an. Der Zugang für humanitäre Hilfe verschlechtert sich, worunter besonders Kinder leiden. 2007 nahm der Anteil der akut unterernährten Kinder in Darfur von 12,9 % auf 16,1 % zu. Damit ist in Darfur seit 2004 erstmals wieder die Marke für einen offiziellen UN-Notstand überschritten.

  • Jedes zweite Kind ohne Schulzugang

Trotz Anstrengungen humanitärer Organisationen in Flüchtlingslagern Schulen aufzubauen, sind über 650.000 Kinder und damit die Hälfte aller Kinder im Schulalter ohne Zugang zu Schulbildung.

  • Kindersoldaten

Etwa 7.000 Kinder und Jugendliche sind in Darfur Mitglieder bewaffneter Gruppen. Dieser Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention betrifft alle Konfliktparteien. Vor allem regierungsnahe Milizen rekrutieren zudem mit brutaler Gewalt.

  • Kinder als Opfer jüngster Kämpfe

Bei Angriffen der Regierungsarmee und verbündeter Milizen auf die Städte Sirba, Abusurouj und Sylyia in Westdarfur wurden im Februar 115 Menschen getötet, 12.000 Menschen flohen in den benachbarten Tschad, viele Kinder wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt, Frauen und Mädchen werden permanent Opfer sexueller Gewalt.

Wir appellieren an die Bundesregierung und die Europäische Union, sich deutlich aktiver als bisher für die Menschen in Darfur und ein Ende des Konflikts einzusetzen. In diesem Zusammenhang darf auch die Lage im Tschad und die Umsetzung des Nord-Süd-Friedensabkommens im Sudan nicht länger vernachlässigt werden. Die EU muss mit einer energischen diplomatischen Initiative China, Russland, die Staaten der Arabischen Liga und die USA endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen im Rahmen der Vereinten Nationen bewegen. Nur wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam und entschlossen gegenüber den Konfliktparteien in Darfur auftritt, können ein baldiger Waffenstillstand und eine dauerhafte Friedenslösung erreicht werden. Nur dann können auch die Kinder in Darfur wieder ohne Krieg und Gewalt aufwachsen.

Unterzeichner:

amnesty international, Deutsche Sektion
Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER e.V.)
Darfur Hilfe e.V.
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
Deutsches Komitee für UNICEF
Genocide Alert
Gesellschaft für bedrohte Völker
Save the Children Deutschland
Stiftung Nord-Süd-Brücken
terre des hommes
Welthungerhilfe

 

pdf Darfur: Leiden der Kinder nimmt kein Ende – 111 KB

Tschad und Darfur – Geschichte eines Konflikts

Am 2. und 3. Februar wurde N´Djamena, Hauptstadt des Tschads, zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen des Tschads und Rebellentruppen aus dem Sudan. Der Angriff ging von politischen Kontrahenten des aktuellen Präsidenten des Tschad, Idriss Déby, aus, und kann somit nicht als integraler Bestandteil des Darfur-Konflikts bewertet werden.

Vielmehr handelt es sich um eine von Rebellen und Milizen geführte Auseinandersetzung zwischen Tschad und Sudan. Jedoch steckt die sudanesische Regierung hinter dieser Rebellion. Dadurch, dass sie die bewaffnete Opposition im Tschad unterstützt und so aus der Ferne auf einen offenen Konflikt mit dem Tschad hinwirkt, könnte der Sudan die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft vom Konflikt in Darfur ablenken wollen. Die Spannungen zwischen den Hauptstädten N’Djamena und Khartum sind auf einem vorläufigen Höhepunkt. Im Süd-Osten des Tschads ereignen sich inzwischen ähnliche Gewalttätigkeiten wie in Darfur.

Von besonderer Brisanz sind diese Entwicklungen auch aufgrund der Tatsache, dass  Khartum und N’Djamena seit 1990 Verbündete waren. Jedoch haben sich die diplomatischen Beziehungen seit 2003, dem Jahr, das den Anfang des Völkermords in Darfur markiert, massiv verschlechtert. Somit spielt Darfur in diesem Zusammenhang sehr wohl eine Rolle. Die für den 1. Februar geplante EUFOR-Friedensmission – die Entsendung von EU-Truppen – ist von einem  Mindestmaß an Frieden abhängig; so wurde sie aufgrund der jüngsten gewaltsamen Entwicklungen verschoben. Ein Blick in die Vergangenheit der Beziehung beider Staaten zueinander, hilft, den aktuellen Konflikt einzuordnen und zu verstehen.

Der Aufstieg des Idriss Déby

Karte von Tschad und SudanDie Geschichte wiederholt sich. So ist es ist nichts Neues, dass Rebellen versuchen, die Hauptstadt N’Djamena zu erobern. Seit Anfang der von Entkolonialisierung geprägten 1960er Jahre, haben Rebellen im Tschad mehrmals gewaltsam gegen die Regierung geputscht. Vertriebene ehemalige Regierungsmitglieder des Tschads suchten und fanden oftmals im Sudan Zuflucht. Sie erhielten sogar in vielen Fällen finanzielle und militärische Unterstützung durch Khartum (APANEWS 2008), die sie in die Lage versetzte, durch Rebellion ihre Macht zurückzuerlangen.  So waren die drei letzten tschadischen Präsidenten in den Sudan vertriebene Mitglieder der Front zur Nationalen Befreiung des Tschad (Front de Libération national du Tchad). Dieses gilt auch für den aktuellen Präsidenten, Idriss Deby, der vom Sudan aus seine Truppen koordinierte, um die Regierung von Hissein Habré im Jahr 1990 zu stürzen. Er konnte von der Unterstützung des islamischen Regimes in Khartum profitieren. Das also markierte den Anfang der engen Zusammenarbeit zwischen N’Djamena und Khartum.

Brisant ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Idriss Déby dem auch in Darfur ansässigen Volksstamm der Zaghawa angehört. Seit Beginn der 1990er Jahre unterstützten ihn die Zaghawa beim Sturz der Diktatur von Hissein Habré. Déby versprach vor seiner Machtübernahme, die Zaghawa-Rebellen in Darfur zu unterstützen. Eben jener Volksstamm der Zaghawa wird seit vielen Jahren von Khartum jedoch politisch und wirtschaftlich marginalisiert. Maurice Hel Bongo  prangert das zweigleisige Verhalten Idriss Débys an, sowohl mit der islamischen Regierung in Khartum, als auch mit den Zaghawa-Rebellen zu kooperieren (Agazzi 2008). Er berichtet sogar von „hartnäckigen Gerüchten“, gemäß derer Déby versprochen haben soll, den Zaghawa ein eigenes Reich in Darfur zu schaffen.

Zankapfel Darfur

Verschiedene Rebellengruppen haben somit nach 1990 die Hilfe von Präsident Déby angefordert. Dennoch hat der tschadische Präsident es abgelehnt, die Rebellion gegen Khartum zu unterstützen – aus Sorge, die guten Beziehungen zum sudanesischen Präsidenten Omar el Bashir zu gefährden. Die Lage verkomplizierte sich jedoch mit Kriegsausbruch in Darfur 2003. Viele sudanesische Zaghawa desertierten aus der Armee des Tschads, um die Rebellen gegen den Sudan zu unterstützen. Anfangs versuchte Déby, sich den Rebellen in Darfur entgegenzustellen, um die traditionell guten Beziehungen mit seinen sudanesischen Verbündeten aufrecht zu erhalten. Er schickte Truppen in den Sudan, um SLA (Sudan Liberation Army) und JEM (Justice and Equality Movement) zu bekämpfen, doch seine eigenen Soldaten weigerten sich, gegen andere Zaghawa zu Felde zu ziehen. Idriss Déby befand sich somit in einer Zwickmühle. Er sah sich einerseits vom  Volksstamm der Zaghawa – vor allem aus dem Kreis seiner Familie – und andererseits von seinen Verbündeten in Khartum unter Druck gesetzt. Die sudanesische Regierung verzieh  ihm sein Versagen bei der Truppenführung nicht und unterstützt so seit 2005 im Gegenzug systematisch tschadische Rebellen. Der Bruch zwischen beiden Ländern wurde durch einen Überraschungsangriff des Sudans in der Grenzregion von Adré endgültig vollzogen, und der Tschad begann nun seinerseits, die Rebellen in Darfur zu unterstützen.

Bedrohung des tschadischen Regimes durch Rebellen

Déby sieht sich mit zunehmender Unbeliebtheit sowie Kritik am Ausbleiben eines echten Demokratisierungsprozesses konfrontiert. Zudem hat er sich zahlreiche Feinde geschaffen. Sein Regime wird von Verschwörungen innerhalb seines unmittelbaren Umfelds sowie von regelmäßigen Überfällen durch von Khartum unterstützten Gruppierungen bedroht. Die Rebellen, die Anfang Februar 2008 gegen die tschadische Hauptstadt in die Offensive gingen, stammen ebenfalls aus dem direkten Umfeld Débys. Nahmat Nouri, ein ehemaliger Minister Habrés und Débys, der gleichzeitig sein Schwager ist sowie sein ehemaliger Kabinettschef,  Débys eigener Neffe, gehören zu diesen Rebellen. Beide erklärten, eine neue, auf allgemeinem Wahlrecht beruhende, Demokratie gründen zu wollen. Déby hingegen behauptet, dass es sich um einen versteckten Vorstoß des Sudan handele. Der Sudan hat seinerseits dementiert, die tschadische Opposition zu unterstützen, denn „er habe kein Interesse, das zu tun“ (RFI 07.01.2008).  N’Djamena beschuldigt schließlich Khartum, den Angriff geplant zu haben, um die Entsendung von EUFOR-Truppen der Europäischen Union im Osten des Tschad sowie die Dislozierung einer gemischten UNAMID-Truppe aus Streitkräften der Afrikanischen Union (AU) und der UN in Darfur zu erschweren oder gar zu verhindern. Khartum ist offenbar nicht an einer wie auch immer gearteten Internationalisierung des Konflikts interessiert.

Die Rolle der internationalen Gemeinschaft

Die derzeitig kritische Lage beunruhigt sowohl humanitäre Hilfsorganisationen in Darfur als auch die internationale Gemeinschaft. Im Januar diesen Jahres rief Rodolphe Adada, Oberkommandierender der UNAMID-Truppe in Darfur, in einer aus Khartum verbreiteten Pressemitteilung die Regierungen des Sudan und des Tschad „zur Zurückhaltung, zum Dialog und zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen“  auf. Hierbei nahm er Bezug auf eine Vereinbarung über gute nachbarschaftliche Beziehungen, die zwischen den beiden Staaten abgeschlossen worden war. Es liegt auf der Hand, dass die Spannungen zwischen Tschad und Sudan den Einsatz internationaler Streitkräfte zur Friedenserhaltung erschweren oder gar gefährden. Die Entsendung europäischer und UN-Streitkräften ist weder im Interesse des Sudans noch der tschadischen Rebellen. Diese Rebellen würden ihrer Chance beraubt, das Regime Débys zu stürzen, was gleichzeitig auch eine beträchtliche Ausdehnung der sudanesischen Einflusszone bedeuten würde.

Der Putschversuch Anfang Februar steht wahrscheinlich mit der Ankunft des europäischen Kommissars Louis Michel, der N’Djamena im Rahmen der Aufstellung der EUFOR-Truppen bereist, in Zusammenhang. Die Offensive auf die Hauptstadt des Tschads war zeitlich dermaßen gut abgestimmt, dass die EU-Mission einstweilen auf Eis gelegt wurde und nun offiziell am 1. März beginnen soll. Gleichzeitig hat Frankreich, dessen Armee an Ort und Stelle stationiert ist, offiziell nicht in die Kampfhandlungen eingegriffen. Stattdessen ließ es im Sicherheitsrat der UNO über eine Resolution abstimmen, die den Angriff der Rebellen und ihren Versuch, die Macht durch Gewalt zu ergreifen, verurteilt. Diese UNO-Resolution gewährt dem tschadischen Staat somit die Hilfe der internationalen Gemeinschaft und könnte laut Verfassung im Falle neuer Konfrontationen die Intervention französischer Streitkräfte rechtfertigen. Die Resolution des Sicherheitsrats soll vor allem abschrecken. Die ohnehin schon als problematisch empfundene Vermengung einer gesamteuropäischen Mission mit rein französischen Interessen wird durch die jüngsten Ereignisse weiter bestärkt. In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass Präsident Idriss Déby de facto durch eine Entsendung der EU-Truppen gestärkt wird.

Carine Lin-Kwang ist Mitglied von Genocide Alert.

Quellen:

– APANEWS: Tchad-Soudan : 45 ans de relations tumultueuses TCHAD, 06.01.2008
– Florence Brisset-Foucault: Interview auf http://www.mouvements.info/spip.php?article118
– Isolda Agazzi: Interview mit Maurice Hel Bongo, Info Sud (Schweiz), 2008
– LE MESSAGER, Alain Boyomo, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– Magazin « Afrique-Asie, Soudan dits et non dits d’un conflit », November 2007
– N’DJAMENA BIHEBDO, Serge Félix N’Piénikoua, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– RFI: http://www.rfi.fr/actufr/articles/097/article_61157, 07.01.2008

Die Krise im Tschad: Ein Policy Paper der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die Kämpfe zwischen der tschadischen Regierung und von Khartum unterstützten Rebellengruppen stellen die geplante Mission der Europäischen Union EUFOR zunehmend in Frage. Die in Berlin ansässige Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hat hierzu eine aktuelle Analyse veröffentlicht, die Genocide Alert an dieser Stelle dokumentiert.

 
„Die jüngsten Kämpfe in Tschad zwischen Rebellentruppen und der Armee stellen die Entsendung der militärischen Operation EUFOR Tschad/Zentralafrikanische Republik in Frage, die die Europäische Union (EU) am 15. Oktober 2007 beschlossen hatte. Nicht nur die Gewalteskalation, auch die offene französische Parteinahme für das Regime von Präsident Idriss Déby haben die Rahmenbedingungen für die Operation fundamental verändert. In Anbetracht dessen muss die EU prüfen, ob und unter welchen Bedingungen die Operation noch sinnvoll durchgeführt werden kann.“