Humanitäre Intervention in Libyen: Eine historische Entscheidung

Es ist ein historischer Moment: Mit Resolution 1973 hat der UN-Sicherheitsrat ein Mandat zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen sowie aller notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlassen. Ausgenommen hiervon ist nur der Einsatz von Besatzungstruppen auf libyschem Boden. Endlich setzt die internationale Gemeinschaft ein Zeichen für Menschenrechte, inklusive der Ermächtigung, Deklarationen nun auch Taten folgen zu lassen. Es sind offenbar keine geo-strategischen Interessen, sondern humanitäre Motive, die die Welt endlich zu einem Eingreifen veranlasst haben. Spät, aber nicht zu spät macht die internationale Gemeinschaft klar, dass sie zur Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung gegenüber der libyschen Bevölkerung willens ist.

Für Gaddafi bedeutet dies, dass weitere Bombardierungen durch seine Luftwaffe künftig durch Kampfjets Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, der USA sowie weiterer Staaten verhindert werden. Außerdem ist auch ein Ausschalten von vorrückenden Panzern oder anderer Bodenziele abgedeckt, wenn diese die Zivilbevölkerung gefährden sollten. Bemerkenswert ist außerdem, dass es sich nicht um einen westlichen Alleingang handelt. Die arabische Liga hat nicht nur selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert, sondern ist sogar bereit bei der militärischen Umsetzung zu helfen. Nach allem Zwist und bösem Blut der letzten zehn Jahre handelt es sich um einen bemerkenswerten Schulterschluss zwischen Orient und Okzident, wenn auch nur im speziellen Falle Libyens. Für die westliche Staatenwelt bedeutet die humanitäre Intervention zum Schutz des libyschen Volkes vor seiner eigenen Regierung eine Handreichung an die muslimischen Völker dieser Welt mit der Aussage: Auch für bedrohte Muslime ist der Westen bereit, das Leben eigener Soldaten aufs Spiel zu setzen. Angesichts einer Mehrheit kriegsmüder Wähler daheim und einer schwierigen Mission am Hindukusch ist dies eine mehr als beachtliche Entscheidung.

Zwar haben Russland und China nicht für Sicherheitsratsresolution 1973 gestimmt, sie haben aber auch nicht ihr Veto dagegen eingelegt. Dies allein kann schon als ein Schritt in die richtige Richtung gewertet werden wenn man bedenkt, dass beide Länder ansonsten jeglichem Eingriff in die Souveränität dritter Staaten zu Menschenrechtszwecken extrem skeptisch gegenüberstehen. Der wirkliche Wermutstropfen ist vielmehr die Enthaltung Brasiliens, Indiens und Deutschlands. Alle drei Staaten haben sich für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat beworben und haben nun doch bewiesen, dass sie offenbar zur Übernahme von Verantwortung im weltweiten Maßstab nicht in der Lage sind. Von den aufstrebenden Mächten Indien und Brasilien hätte man mehr erwarten können. Von Deutschland hätte man mehr erwarten müssen. Mit ihrer Enthaltung hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung im Westen isoliert, durch ihre Blockadehaltung hat sie die Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik verhindert. Vor allem aber hat sie mit ihrer ablehnenden Positionierung populistischen Pazifismus mit Friedens- und Menschenrechtspolitik verwechselt. Man muss von Glück reden, dass Deutschlands Stimme in der Welt kein Gehör gefunden hat. Die Bundesregierung hat sich für die falsche Seite der Geschichte entschieden.

von Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert

Libyen: Die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft

Seit Tagen lässt der libysche Staatschef Muammar Gaddafi auf demonstrierende Zivilisten schießen. Die Zahl der Toten soll in die Tausende gehen, und doch tut sich die internationale Gemeinschaft schwer, konkrete Maßnahmen zu beschließen. Dabei ist sie dazu verpflichtet.

Im Wüstenstaat Libyen herrscht seit dem 15. Januar, als in Benghasi die ersten Proteste ausbrachen, der Ausnahmezustand. Nach dem Vorbild Tunesiens und Ägyptens will sich nun das libysche Volk vom Joch des Tyrannen Muammar Gaddafi befreien. Doch der exentrische Machthaber Libyens, der sich selbst als ewiger Revolutionsführer bezeichnet, denkt nicht daran, es den tunesischen und ägyptischen Diktatoren gleich zu tun, und schon bald von der Bildfläche zu verschwinden. Stattdessen wiegelt er seine Anhänger zur Gewalt auf und lässt sein Volk von ausländischen Söldnern und der Luftwaffe beschießen. Zeugen vor Ort sprechen von tausenden Toten, wie Saif al-Islam Gaddafi versprochen hatte, fließt das Blut in Strömen. Immer mehr Diplomaten Libyens sagen sich von ihrem Führer los. Und doch regt sich auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft nicht viel.

Seit Tagen tun sich die internationalen Institutionen schwer damit, auf die Tragödie in Libyen zu reagieren. Erst zehn Tage nach Anfang der Proteste konnten die südlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union davon überzeugt werden, dass Europa mit Sanktionen reagieren muss. Die Nato bietet an, gegebenenfalls eine Flugverbotszone über Libyen durchzusetzen, die Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung unterbinden würde. Doch diese Maßnahmen erfordern ein UN-Mandat, und dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fällt es besonders schwer, sich zu mehr als einer Verurteilung der Gewaltakte durchzuringen. Dabei ist er eigentlich zu mehr verplichtet.

Im Jahre 2005 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig das Prinzip der Schutzverantwortung angenommen. Sie soll vor allem dazu beitragen, dass Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen rechtzeitig von UNO-Mitgliedsstaaten, der UNO selbst, regionalen und subregionalen Organisationen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren erkannt und verhindert werden. Falls eine Regierung unfähig oder unwillens ist, ihre eigene Bevölkerung zu beschützen, oder sie selbst Verbrechen ihr gegenüber verübt, wie dies in Libyen momentan der Fall ist, dann wird die Schutzverantwortung auf die internationale Gemeinschaft übertragen. Sie muss in diesem Fall dafür Sorge tragen, dass die von Massakern bedrohte Bevölkerung geschützt wird, wobei Zwangsmittel wie Sanktionen oder sogar eine militärische Intervention nicht ausgeschlossen sind.

Der Kern des Konzepts der Schutzverantwortung ist allerdings die sogenannte „Responsibility to Prevent“. Sie umfasst, neben einer generell auf Armutsbekämpfung und Streitschlichtung ausgerichteter Außenpolitik, ein Frühwarnsystem, dass potentielle Konflikte herausheben soll, bevor sie ausbrechen. Leider hat die internationale Gemeinschaft in diesem Gebiet kläglich versagt. Seit zwei Monaten wüten Unruhen durch die arabische Welt, und doch scheint die internationale Gemeinschaft bei jedem neuen Fall ungläubig daneben zu stehen und nach Worten zu ringen.

Die Schutzverantwortung bedeutet vor allem, in Situationen von zwingender Notwendigkeit zum Schutz der Menschen zu reagieren. Wenn präventive Maßnahmen zur Behebung der Situation fehlschlagen, dann sind umfassendere Interventionsmaßnahmen erforderlich. Waffenembargos, das Ende von militärischen Kooperationen, das Einfrieren von Bankkonten, die Einrichtung von Flugverbotszonen, eine Einschränkung der Reisefreiheit für Mitglieder des Regimes und das Ruhen der Mitgliedschaft oder ein Ausschluss aus internationalen oder regionalen Organisationen sind Teil der Schutzverantwortung. Auch wird sich Gaddafi vor dem Internationalen Strafgerichtshof für potenzielle Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten müssen. Doch muss man sich im Falle Libyens fragen, inwiefern sich Gaddafi davon beeindrucken lässt und die Gewalt gegen sein Volk einstellt. Schließlich war Gaddafi schon früher jahrzehntelang der Paria der Staatengemeinschaft, als er den internationalen Terrorismus unterstützte.

Die Rückkehr Libyens in die internationale Gemeinschaft lässt sich auch nur im Kontext der veränderten Verhältnisse nach dem 11. September 2001 und der Invasion des Iraks durch die Amerikaner erklären. Gaddafi hatte schlicht Angst, wie Saddam Hussein zu enden. Deshalb gab er sein Atomprogramm auf und dann lieferten sich die westlichen Staaten ein Wettrennen, wer die besten Deals mit Libyen abschloss. Das Kurzzeitgedächtnis der westlichen Staaten wurde in den letzten Tagen gewaltsam wieder aufgefrischt. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass sich die internationale Gemeinschaft bald ihrer Pflicht, nämlich das libysche Volk vor ihrem Diktator zu retten, erinnert. Denn abzuwarten und am Ende die Toten zu zählen, wäre mehr als unverantwortlich. Es wäre ein Verbrechen.

Sudan nach dem Referendum: Die Gefahren bleiben groß

Im Sudan hat es am 9. Januar zum ersten Mal seit vielen Jahren eine faire und freie Wahl gegeben. Die Bevölkerung des Südsudan hat sich dabei in einem Referendum mitüberwältigender Mehrheit für eine Abspaltung vom Norden ausgesprochen.

Dass das Referendum relativ friedlich verlief und bisher keine massive politische Krise ausgelöst hat, ist vor allem den Menschen im Sudan zu verdanken, die auf ihre Rechte bestanden haben. Es ist aber auch ein Beweis dafür, dass das internationalem Engagement Gewalt verhindert werden kann, wenn der politische Wille da ist. In den Monaten vor dem Referendum hatte sich vor allem die amerikanische Regierung auf höchster Ebene für einen friedlichen Verlauf eingesetzt.

Trotzdem stehen dem Sudan noch große Gefahren bevor, die ohne intensives Engagement der internationalen Gemeinde kaum abzuwenden sind. Deutschland und die Europäische Union müssen nun nach jahrelangem Zögern entschieden handeln. Vor allem folgende Gefahren könnten innerhalb kürzester Zeit ein erneutes Massenleiden unter den Menschen im Sudan auslösen:

Eine weitere Verschlechterung der Lage in Darfur. Die westliche Region hat offiziell zwar nichts mit dem Nord-Süd Konflikt zu tun, aber 2003 haben Darfurs Rebellen aus ähnlichen Beweggründen zur Waffe gegriffen, die auch den Süden zum Aufstand bewegt haben. Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir reagierte mit einem Völkermord, dessen Überlebende immer noch zu Hunderttausenden in Flüchtlingslager ohne Perspektive hausieren. Zivilisten werden unterdessen von neuen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen bedroht. Allein im Dezember mussten 40.000 Menschen in Darfur wegen Unruhen fliehen. Und immer noch nimmt die international Gemeinde den Zustand hin, dass Khartoum als Strategie der Kriegsführung humanitäre Hilfe für Zivilisten blockiert.

Ein Auflodern lokaler Konflikte. Besonders hoch ist die Gefahr in der Region Abyei, ein Zankapfel an der Grenze zwischen Norden und Süden. Zwischen den Nomaden des Misseriya Stamms, die sich mit dem Norden assoziieren, und den ansässigen Mitgliedern des Ngok Dinka Stamms, der sich dem Süden angliedert, hat es in jüngster Zeit schwere Kämpfe gegeben. Schon 2008 sind solche Kämpfe in eine Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften der beiden Regionen eskaliert. Damals eilten die Militärs ihren Verbündeten zur Hilfe.

Eine direkte Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften des Norden und des Südens. Auslöser hierfür könnte vor allem die Tatsache sein, dass wichtige Punkte über den Verlauf der Abspaltung immer noch ungeklärt sind- zum Beispiel die Verteilung der Erlöse von Erdölvorkommen, die im Süden gefördert aber durch nördliche Pipelines an den internationalen Markt gebracht werden. Vor allem das Regime der „National Congress Party“ im Norden des Landes könnte versuchen durch Gewalt seine Handlungsposition zu stärken. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass der Norden versuchen wird durch einen neuen Krieg die Abspaltung gar zu verhindern. Zu sehr sehnt er sich nach der internationalen Legitimität, die es durch eine komplette Abkehr der Vereinbarungen mit dem Süden verlieren würde.

Ein totgeborener Staat im Süden. Über die viele Jahre des Krieges und Instabilität haben sich zum Teil lang andauernde Konflikte verschiedener Stämme im Süden verschärft. Allein 2010 haben ethnische Kämpfe und Grenzübergriffe der ugandischen Rebellengruppe Lords Resistance Army zur Vetreibung von 200.000 Menschen im Süden geführt. Ob die sich entwickelnde Regierung in der Haupstadt Juba den Willen und die Mittel hat, solche Konflikte einzudämmen, ist fragwürdig. Immer wieder muss der noch aufkeimende Staat die Loyalität verschiedener Kriegsherren erkaufen, die sich zu Zeiten des Bürgerkrieges etabliert haben. Zum Beispiel droht jetzt ein früherer General der südlichen Armee, Einwohner und Migrantenzüge im Grenzstaat Unity State zu terrorisieren. Außerdem ist der Südsudan trotzt seiner Erdölvorkommen zutiefst unterentwickelt. Viele Menschen leben von humanitärer Hilfe. Ob der Südsudan den typischen „Ressourcenfluch“ von Korruption und Armut vermeiden kann, ist zu bezweifeln.

Größere Repressalien im Norden. Unterdessen ist das Regime al Baschirs in der Krise. Sinkende Erdölpreise haben eine wirtschaftliche Krise ausgelöst, die die Bevölkerung hart trifft. Essen und Energiepreise sind stark gestiegen. Firmen werden zur Kasse gebeten, weil dem Regime die Devisenreserven ausgehen. Massive Demonstrationen im Nachbarstaat Ägypten müssen das Regime befürchten lassen, dass es ähnlich Proteste ernten wird. Baschir ist sich den Gefahren bewusst und hat bereits einen Oppositionsführer, seinen alten Rivalen Turabi, einsperren lassen. Mit anderen wichtigen Oppositionsparteien spielt er auf Ausgleich. Unklar ist, inwiefern Baschir in seiner eigenen Partei Rückhalt genießt. Bisher hat er sich jedoch stets behaupten können. Sogar wenn er seine Macht verlieren sollte, würde er einen Staat hinterlassen, der seit über 20 Jahren von derselben Partei geführt wird und über einen ausgedehnten Sicherheitsapparat verfügt. Unterdessen hat Baschir verkündet, im Norden die Scharia auszubreiten.

Die Situation mag hoffnungslos aussehen, aber die internationale Gemeinde hat Mittel, um die Wahrscheinlichkeit all dieser Szenarien erheblich zu reduzieren. Die Möglichkeiten wird Genocide Alert demnächst in einem weiteren Artikel vorstellen.

Von David Dagan

Policy Brief 7/2011: Sudan vor der Sezession – Wie Deutschland zum Schutz der Zivilbevölkerung beitragen kann

Zusammenfassung:

Am 9. Januar 2011 wird sich die Bevölkerung des Südsudan mit überwältigender Mehrheit für eine Abtrennung ihres Landesteils vom Rest des Sudans entscheiden. Es besteht die große Gefahr, dass der Nordsudan unter Führung des vom Internationalen Strafgerichtshofs angeklagten Omar al-Bashir dies nicht gewaltlos hinnehmen wird. Insbesondere über die ölreiche Region Abiye könnte es zu einem Waffengang kommen, dem hunderttausende Zivilisten zum Opfer fallen könnten. Deutschland sollte gemeinsam mit der Europäischen Union, den USA und den Vereinten Nationen kurzfristig Schritte einleiten, um Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung zu verhindern.
Das vorliegende Genocide Alert Policy Brief stellt Möglichkeiten dar, wie Deutschland kurzfristig einen positiven Einfluss auf die Situation im Sudan nehmen kann. Berlin kann – in Zusammenarbeit mit EU, VN und den USA – durch gezielte humanitäre Maßnahmen, diplomatische Einflussnahme und wirtschaftliche Anreize dazu beitragen, dass ein Krieg zwischen Nord- und Südsudan nicht zu einer humanitären Katastrophe eskaliert. Sollte trotz aller Bemühungen dennoch der Fall eintreten, dass es wie in der Vergangenheit zu systematischen Massenverbrechen gegen die Zivilbevölkerung kommt, sollte als letztes Mittel auch über militärische Notfallmaßnahmen zum Schutz unschuldiger Menschen nachgedacht werden.

 Den vollständigen Genocide Alert Policy Brief 7/2011 können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.

Maßnahmen die Deutschland möglichst schnell ergreifen sollte sind:

Auf humanitärer Ebene:
• sicherstellen, dass die von VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon angeforderten 63 Millionen US-Dollar zur Bereitstellung humanitärer Hilfe kurzfristig zur Verfügung gestellt werden.
• den im Sudan aktiven Nichtregierungsorganisationen für den Zeitraum des Referendums sowie der folgenden Monate zusätzliche logistische und finanzielle Unterstützung anbieten.

Auf diplomatischer Ebene:
• durch öffentliche und diplomatische Kanäle Sorge über die Lage im Sudan ausdrücken und alle Seiten ausdrücklich vor Angriffen auf Zivilisten warnen.
• gemeinsam mit den Partnern in der EU konkrete diplomatische Konsequenzen für etwaige  Menschenrechtsverletzungen seitens Khartums vorbereiten, und diese Khartum vermitteln.

Auf wirtschaftlicher Ebene:
• Khartum zu verstehen geben, dass Provokationen in Folge des Referendums ein Entgegenkommen beim Schuldenerlass des Landes ausschließen würden.
• sich innerhalb der EU dafür einsetzen, gezielte Sanktionen vorzubereiten, die gegen verantwortliche Politiker, deren Familien und deren Umfeld verhängt werden könnten.

Auf sicherheitspolitischer Ebene:
• sich als Mitglied des VN-Sicherheitsrates dafür einsetzen, dass die VN-Blauhelmtruppe UNMIS uneingeschränkte Unterstützung für ihr Mandat zum Schutz von Zivilisten erhält.
• der VN kurzfristig Hilfe in Sachen Kommunikation, Nachrichtensammlung, Sicherheit und Mobilität für die UNMIS Mission anbieten.
• in Kooperation mit seinen Partnern eine Prüfung militärischer Notfalloptionen durchführen, um für den Fall vorbereitet zu sein, dass systematische Massenverbrechen gegen Zivilisten begangen werden.

Policy Brief – Referendum in Sudan

A referendum on January 9 will see the people of South Sudan voting overwhelmingly to secede from the rest of the country. There is a grave danger that this decision could lead to violence if the regime led by Sudanese President Omar al-Bashir, wanted by the International Criminal Court for war crimes, refuses to accept the result. The border region of Abyei in particular could be a flashpoint for the renewal of a war with potentially hundreds of thousands of civilian victims. Against this backgroup, Germany should take urgent steps in cooperation with the European Union, United States and United Nations to prevent mass atrocities against the civilian population.

This Genocide Alert Policy Brief describes Germany’s options for ameliorating the situation in Sudan. In partnership with the EU, US and UN, Berlin can use targeted humanitarian measures, diplomatic pressure and economic incentives to help prevent a potential renewal of the North-South war in Sudan from escalating to a humanitarian catastrophe. Germany and its partners should also consider military options for the protection of civilians to be prepared for the case that mass atrocities resume in spite of all efforts to prevent them.

In summary, Germany should swiftly adopt the following measures:

In the humanitarian realm:

  • ensure that a plea by UN Secretary-General Ban Ki-Moon for $63 million to fund humanitarian preparations is swiftly met.  If necessary, Germany should provide the entire sum itself and only later seek reimbursement from its allies.
  • offer financial and logistical assistance to NGOs operating in southern Sudan as they pre-position critical supplies and equipment.

In the diplomatic realm:

  • express concern about the situation in Sudan and warn all sides to the conflict from resorting to violence, both publicly and through diplomatic channels.
  • prepare, in consultation with EU partners, concrete diplomatic consequences for human rights violations on the part of Khartoum, and communicate these to the regime.

In the economic realm:

  • make clear to Khartoum that provocations following the referendum will rule out progress on international debt relief for the regime.
  • urge EU partners to prepare sanctions that would target responsible politicians and their families and associates if necessary.

In the realm of physical security:

  • as a member of the Security Council, advocate urgently for the UNMIS peackeeping force in South Sudan to receive unqualified support to maximize its mandate for the protection of civilians.
  • offer the UN short-term assistance in areas such as communications, intelligence, security and mobility for UNMIS.
  • in conjunction with its partners, initiate a review of last-resort military options that could be considered if mass atrocities against the civilian population ensure.

Table of Contents

1. Crisis scenarios
2. Support humanitarian preparations
3. Demand protection of civilians publicly and through diplomatic channels
4. Leverage economic influence on behalf of civilian protection
5. Helping UN peacekeepers protect civilians
6. Creating safe havens in case of mass atrocities against civilians

1. Crisis scenarios

The mostly likely instigator of violence in the wake of the North-South referendum is the National Congress Party of Omar al-Bashir. The NCP could respond to the referendum by launching all-out attacks against the southern military, the Sudan People’s Liberation Army. Alternately, the NCP could arm tribal militias in flashpoint areas such as Abyei and provide them air support to carry out local ethnic battles. This was a commonly employed strategy during the genocide in Darfur and the long North-South civil war that ended in 2005. The goals of the NCP’s military action could range from preventing the secession of the South to gaining leverage in negotiations over the nature of the secession or vis a vis the international community. A frequent NCP strategy is to commit humanitarian abuses and then use the cessation of such abuses as a “bargaining chip.”

However, it is also possible that the Sudan People’s Liberation Movement, the party that controls the South, will respond with violence if the North refuses to carry out or recognize the referendum, or frustrates negotiations on the seperation.  Another danger is that military units on either side may instigate violence on their own as a result of weak command-and-control.  An even greater concern is that ethnic tensions could boil over at the local level without high-level instigation.  Such ethnic battles in themselves have the potential to lead to a large number of civilian deaths. More dangerously, they could escalate into broader conflicts as rival armies move to support local ethnic militias or as other flashpoints erupt in response.

2. Support humanitarian preparations

Aid agencies active in South Sudan are preparing for a potential humanitarian emergency in the wake of the referendum. Any violence would exacerbate an already fragile humanitarian situation – hunger is widespread throughout South Sudan and 200,000 people were displaced by localized fighting in the last year alone.  Khartoum routinely frustrates the delivery of humanitarian aid as a tool of war and negotiation.  Germany and Europe must be prepared to respond to interference with humanitarian operations by using the range of policy tools described below.

Moreover, the German Foreign Ministry should contact NGO’s operating in Sudan to inquire into their logistical and financial needs as they pre-position critical supplies and equipment. Germany should offer Bundeswehr logistical assistance if necessary. Germany should also ensure that a plea by Ban Ki-moon for $63 million to fund humanitarians preparations is swiftly met.   If necessary, Germany should provide the entire sum itself and only later seek reimbursement from its allies.

Germany should:

  • ensure that a plea by UN Secretary-General Ban Ki-Moon for $63 million to fund humanitarian preparations is swiftly met.  If necessary, Germany should provide the entire sum itself and only later seek reimbursement from its allies.
  • offer financial and logistical assistance to NGOs operating in southern Sudan as they pre-position critical supplies and equipment.

3. Demand protection of civilians publicly and through diplomatic channels

Diplomatic pressure and public diplomacy are effective instruments in policy toward Khartoum insomuch as the regime is hungry for international legitimacy in the wake of the ICC’s indictment of President al-Bashir for genocide and crimes against humanity. Also in the diplomatic realm, Germany should not shy away from a public dispute with China about the latter’s Sudan policy. If China moves to block effective action by the Security Council or fails to take bilateral steps to rein in Khartoum, Germany should have the courage to make a public issue of the matter, and not be cowed by Chinese economic power.

Germany should:

  • express concern about the situation in Sudan and warn all sides against launching attacks against civilians through public statements by both the Government and opposition.
  • urgently communicate the same message to the Sudanese ambassador in Berlin and via all other diplomatic channels to Khartoum.
  • in consultation with EU partners, prepare concrete diplomatic consequences for instransigence on the part of Khartoum and communicate these to the regime. The steps could range from calling in the Sudanese ambassador for a rebuke to withdrawing the German ambassador to Khartoum.
  • use Berlin’s strong relationship with China and with parts of the Arab world to urge these countries to adopt productive policies as regards Sudan.

4. Leverage economic influence on behalf of civilian protection

As Sudan’s second-largest trading partner (by imports, after China), the EU in theory has significant economic leverage over Khartoum.  But Europe has been all too reluctant to flex those mucles.  Time and again, European leaders have refused to seriously consider imposing meaningful sanctions even as they reiterated – more than 50 times – their concern over the mass violence against civilians in Darfur.  Now, Germany and the E.U. have an opportunity to finally put their economic leverage over Khartoum to work by making credible threats to impose targeted sanctions against key figures and to withhold debt relief from the regime.

A credible threat of targeted sanctions against key regime figures is achievable in the short term, as the recent imposition of such measures against the holdout for the president of the Ivory Coast, Laurent Gbagbo, demonstrates. These can also be effective tools of pressure.

The debt issue also represents a significant opportunity. Sudan’s external debt totals about $35 billion.  The country has been in arrears to international financial institutions (IFIs) and to “Paris Club” creditor nations for years. Since 2000, Khartoum has made the problem worse by piling on debt from new creditors, including China and Arab countries. These creditors were willing to lend to Khartoum because of Sudan’s oil boom. But the global economic recession and the resulting drop in oil prices have cut off the spigot and left Khartoum facing a cash crunch. For over a year, Sudanese officials have been seeking debt relief on both a bilateral and a multilateral basis. The Council of the European Union recognizes this opportunity, having recently remarked that “fulfilment of commitments under the CPA [Comprehensive Peace Agreement of 2005] and on Darfur would positively affect this [debt relief] process.”

  • make clear to Khartoum that provocations following the referendum will rule out progress on international debt relief for the regime. Germany must take the lead on this issue, urging a joint effort among EU members but acting bilaterally if necessary. Germany could indicate that it will use its position in the IFIs and the Paris Club to block any relief for Khartoum if circumstances warrant.
  • urge EU partners to prepare sanctions that would target responsible politicians and their families and associates. These measures should target members of the regime in Khartoum and if necessary also leading politicians in South Sudan, and should include steps such as freezing assets and imposing visa bans. The EU has acted similarly in the case of Ivory Coast’s Gbagbo and should be willing to apply this policy to Sudan.

5. Helping UN peacekeepers protect civilians

UNMIS has a Chapter 7 mandate but was primarily deployed and understood by members of the mission as a Chapter 6 force, charged with monitoring the implementation of the Comprehensive Peace Agreement and protecting UN personnel and installations. UN officials have repeatedly acknowledged that UNMIS lacks the military capacity to engage in significant civilian protection, notwithstanding the fact that the Security Council has steadily ratcheted up civilian-protection expectations for the beleaguered force.  As analysts at Refugees International concluded earlier this year:  “It is too late to address staff and resource issues.”  But UNMIS is not entirely powerless. In fact, force leaders have done much since 2008 to prioritize civilian protection. Among other things, UNMIS has developed an overarching Protection of Civilians Strategy that is viewed as a model for other UN missions.  The mission has recognized the need to make the vague protection language of UNSC resolutions concrete, to flexibly adjust troop deployments as needed, and to engage in preventive dispute resolution.  In the days before the referendum, Germany should:

  • use its position as a member of the UN Security Council to ensure that these positive changes receive the necessary support and reinforcement from the political and military leadership in New York and among the troop-contributing countries.  Ideally, this view should be reinforced by a pre-referendum statement from the Security Council.
  • inquire whether it can make any immediate contributions in the way of equipment or maintenance that could faciliate UNMIS communications, intelligence, security or mobility, in particular aerial mobility. Germany should also press surrounding countries and NATO allies to share any intelligence they gather that might suggest the organization of violence.
  • warn all parties to the conflict publicly that violations of human rights and international humanitarian law will be condemned. UNMIS will play a vital role as monitor in this regard.


6. Creating safe havens in case of mass atrocities against civilians

The United Nations determined unanimously in 2005 that every state has the responsibility to protect its population from mass atrocities. Should a state prove unwilling or unable to meet this resonsibility, the international community has the obligation to stop such violence. In the context of the referendum a situation could arise in which the use of a limited military intervention is necessary as a last resort to protect endangered civilians or put a stop to serious atrocities. In such a case, a rapid reaction will be important to prevent the deaths of hundreds of thousands of innocents. Germany should, in partnership with its partners in the EU, African Union and NATO, develop last-resort contingency plans for this scenario.  Concretely, this could require the establishment of militarily protected safe zones for refugees. The EU has the requisite capacity in the form of its Battle Groups.

Germany should:

  • in conjunction with its partners, initiate a review of last-resort military options that could be considered if mass atrocities against the civilian population ensure.
  • as part of this planning, consider the deployment of a rapid-reaction ground force such as an EU Battle Group as a way to meet the “responsibility to protect” by creating militarily secure “safe zones.”

by David Dagan

Die UN im Süd-Sudan: Schutz der Bevölkerung muss Priorität werden

Will man die Konflikte im Südsudan verstehen, muss man auch über die Rolle der Vereinten Nationen in dieser Region im Bilde sein. Mit der „United Nations Mission in Sudan“ – kurz UNMIS – verfügen diese mit einer Personalstärke von 10.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Mitarbeitern über eine nicht zu unterschätzende Präsenz auf dem Gebiet des Südsudans und in den Übergangsregionen. Die anhaltende Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung im Südsudan zeigt jedoch, dass UNMIS nur unzureichend in der Lage ist diese zu schützen. Angesicht des drohenden Gewaltausbruchs im Zusammenhang mit dem Referendum im Januar 2011 gilt es die Mission umgehend zu stärken. Andernfalls wären die Vereinten Nation wiedereinmal dazu verdammt, inmitten tausendfachen Mordens dem Leiden hilflos zusehen zu müssen.

 

Die mit der Sicherheitsratsresolution 1590 am 24. März 2005 ins Leben gerufen UNMIS soll vor allem die Einhaltung und Umsetzung des „Comprehensive Peace Agreements“ gewährleisten. Sie ist dementsprechend als eine traditionelle Peacekeeping-Mission nach Kapitel VI der UN-Charta angelegt und leicht bewaffnet. Darüber hinaus enthält ihr Mandat jedoch auch Kapitel VII Elemente. Mit anderen Worten: Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen – bis hin zum Gebrauch von Schusswaffen – zum Schutz der Zivilbevölkerung ist eindeutig zulässig. So gesehen ist UNMIS mit einer größeren Handlungsfreiheit ausgestattet, als dies in früheren UN-Mission, der Fall war.

An dieser Stelle setzt jedoch auch bereits die Kritik an der Ausführung der Mission ein. Obwohl das Mandat durchaus den Schutz von Zivilisten als Aufgabe vorsieht, lag der Fokus von Anfang an auf der Beobachtung des Friedensabkommens. Dementsprechend wurde die Schutzkomponente bei der Planung nur unzureichend berücksichtigt. Dies schlug sich nicht zuletzt in der personellen Zusammensetzung nieder. Offensichtlich hat sich die UNMIS-Führung kaum Gedanken darüber gemacht, wie sie die Schutzkomponente ihres Mandates überhaupt erfüllen könnte. Konkrete Strategien und Konzepte zu deren Umsetzung blieben aus.

Diese Mängel traten auf blutige Weise zu Tage. Dass im März und April bei interethnischen Überfällen in der Provinz Jonglei mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder ums Leben kamen, zeigte mehr als deutlich, dass UNMIS trotz seines weitgehenden Mandates nicht in der Lage war, derartige Massenverbrechen zu verhindern. Die Massaker blieben auch nicht auf Jonglei begrenzt. Auch den Tod von 72 Zivilisten im „Upper Nile State“, nur wenige Wochen später, konnte UNMIS nicht verhindern. Bereits vorher war UNMIS nicht in der Lage Attacken, wie beispielsweise von der „Lord Resistace Army“ aus Uganda, zu unterbinden.

Da es immer deutlicher wurde, dass die Regierung des Süd-Sudan ebenso wenig in der Lage ist ihre Schutzverantwortung gegenüber ihrer Bevölkerung wahrzunehmen, ist es notwendig, dass UNMIS der Schutz von Zivilisten endlich höchste Priorität einräumt und nicht nur auf die Beobachtung des Waffenstillstandes beschränkt. Obwohl die UNMIS-Führung bereits im Vorfeld der oben genannten Massaker Kenntnisse über die akuten Spannungen in der Region hatte, versäumte sie es ihre Präsenz zu erhöhen und konfliktentschärfende Maßnahmen zu ergreifen. Stattdessen müssen die Kommandeure von UNMIS ein proaktives Verhalten an den Tag legen und ihr Mandat voll ausfüllen. Dass sie es bisher nicht tut, ist der UNMIS-Führung selbst bewusst. 2008 gab ein UNMIS-Kommandeur in einem Report zu: „Jeglicher Schutz von Zivilisten, den wir bieten könnten, wäre zufällig“. Dafür sei vor allem das zu geringe Truppenkontingent verantwortlich.

Es gibt jedoch Anzeichen, dass UNMIS zum Teil aus ihrem Versagen gelernt hat und dabei ist, dem Schutz von Zivilisten eine höhere Priorität einzuräumen und ihre Truppenstärke in besonders gefährdeten Gebieten zu erhöhen. Unzureichendes Personal, der Umstand, dass es der UN generell an einem Konzept für den Schutz von Zivilisten mangelt und die traurige Erfahrung, dass UN-Kommandeure im Zweifelsfall die Sicherheit der eigenen Soldaten gegenüber der der Zivilbevölkerung Vorrang einräumen, stimmt jedoch nicht gerade hoffnungsvoll, dass weitere Gewalt verhindert werden kann.

Tatsache ist, dass UNMIS nicht einmal in der Lage ist den Schutz von Zivilisten zu gewährleisten, solange offiziell Frieden herrscht. Dies führt einem vor Augen, welches Ausmaß an Gewalt und welch horrende Opferzahlen zu erwarten sind, wenn es im Zuge des Referendums zu einem erneuten offenen Krieg in der Region kommen würde. Schließlich war auch in Ruanda eine UN-Mission zur Überwachung eines Friedensabkommen vor Ort. Als das Abkommen zerbrach und der Völkermord begann, konnte diese schließlich nur noch zusehen.

In der für den Sudan kritischen Phase des Referendums ist es deshalb notwendig, die Kapazitäten von UNMIS entsprechend anzupassen. Vor allem die Fähigkeit auf aufflammende Gewalt rechtzeitig zu reagieren muss weiter ausgebaut werden. Selbstverständlich muss eine Lösung des Konflikts auf der politischen Ebene erfolgen und die Wurzeln der Gewalt müssen in einem umfassendem Ansatz angegangen werden. Dennoch ist  auch hierfür  Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung die Grundvorraussetzung.

Die Bundesregierung muss sich hier ihrer Verantwortung stellen, den deutschen Truppenanteil aufstocken, um den Konfliktparteien deutlich zu machen, dass ihr das Schicksal der Zivilbevölkerung nicht egal ist. Bereits jetzt könnte sich die Bundeswehr auf die Bereitstellung eines Kontingents vorbereiten. Im Fall der Fälle würde dann weniger wertvolle Zeit verloren gehen und tausende Menschen könnten gerettet werden.

Damit würde die Bundesregierung nicht nur entsprechend der auf dem UN-Weltgipfel 2005 beschlossenen Schutzverantwortung handeln, sondern auch das in dem fraktionsübergreifenden Antrag am 24. März 2010 im Bundestag gegebene Versprechen halten, „sich innerhalb der UN dafür einzusetzen, dass UNMIS gemäß dem Mandat mit dem erforderlichen Personal (Militär- und Polizeikräfte) und Material ausgestattet wird.“

Von Christoph Schlimpert

Referendum 2011 – Sudan am Scheideweg

Der Sudan sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Im kommenden Januar wird der Süden des Landes darüber entscheiden, ob er in Zukunft ein Teil des Sudans bleiben will oder sich abtrennen und ein eigener Staat werden möchte. Umfragen belegen, dass eine große Mehrheit sich für die Abspaltung des Landes aussprechen wird. Die große Frage wird dann sein, ob die herrschende Elite in Khartum diesen Schritt anerkennt oder ob es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommt. Der Süden ist reich an Erdöl und eine Abtrennung wäre ein harter Schlag für den Nord-Sudan, der sich bisher in erster Linie über Öl-Exporte finanziert. Es besteht also eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass es nach dem Referendum zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird. Sowohl der Süden und der Norden treffen bereits alle notwendigen Vorkehrungen, um im Fall der Fälle wortwörtlich gewappnet zu sein.

Wie konnte es zu all dem kommen? Nach einem zwei Jahrzehnte andauerndem Krieg mit fast 2 Millionen Toten einigten sich der Norden und Süden im Jahr 2005 auf einen umfassenden Friedensvertrag, das sogenannte Comprehensive Peace Agreement (CPA). Hierin vorgesehen waren unter anderem die Bildung einer nationalen Einheitregierung, demokratische Wahlen, das 2011 anstehende Referendum sowie verschiedene weitere Maßnahmen. Vieles ist umgesetzt worden, vieles allerdings auch nicht. Eine der entscheidenden Fragen im Moment ist die der Grenzziehung zwischen Norden und Süden, die für eine eventuelle Abtrennung des Südens die Voraussetzung ist. Genau hier hakt es aber. Bei der Grenzziehung können sich beide Parteien nach wie vor nicht einigen, was insbesondere erdölreiche Gebiete wie Abiye betrifft. Auf wessen Seite die Erdölvorkommen liegen ist strittig, nicht zuletzt weil dies über die damit verbundenen Einnahmen entscheiden wird. Es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, dass man bis Januar 2011 zu einer Lösung finden wird. Die Zeichen stehen auf Sturm.

Sollte es zu einem Waffengang kommen, wird die Zivilbevölkerung wie in den vergangenen kriegerischen Auseinandersetzungen das erste Opfer sein. Die im Land befindliche UN-Schutztruppe mit der Bezeichnung UNMIS wird kaum in der Lage sein, Zivilisten vor Gewalt zu schützen, wenn nicht bald eine massive politische und militärische Unterstützung der Truppe durchgeführt wird. Deutschland, die EU und die internationalen Gemeinschaft halten sich bisher zurück oder ignorieren die Situation. Es scheint, dass wie so oft in der jüngeren Geschichte ein verhinderbares Massaker an unschuldigen Zivilisten ignoriert wird, bis es zu spät ist. Spätestens wenn die ersten Bilder von Massengräbern, Flüchtlingen und vergewaltigen Mädchen und Frauen über westliche Mattscheiben flimmern, wird die Politik „haltet den Dieb“ schreien und fragen, „wie solch eine Katastrophe geschehen konnte“. Die Lage ist aber bereits heute klar, es soll also in 4 Monaten niemand behaupten, dass die Tragödie nicht absehbar war.

Sollte es tatsächlich zu einem erneuten Krieg zwischen Norden und Süden kommen, dann wird dies nicht nur schreckliche Konsequenzen für die Menschen im Sudan haben, sondern auch die gesamte Region destabilisieren. Zum einen werden die Rebellen in Darfur ihre Chance gekommen sehen, mit einem Zweifronten-Krieg ihre politischen Forderungen gegen Khartum durchsetzen zu können. Wahrscheinlich wird der Nord-Sudan die berüchtigte Lords Resistance Army (LRA) wie in der Vergangenheit für seine Zwecke einspannen und gegen den Süden in Stellung bringen. Dies könnte wiederum Uganda in den Krieg involvieren, das seit Jahren gegen die LRA kämpft. Auch die Reaktion der Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ist nur schwer einzuschätzen. International würde ein Krieg ebenfalls Wellen schlagen, wobei die offensichtlichste Frontstellung zwischen China auf Seiten Khartums und der USA und Europas auf Seiten des Südens wäre.

Noch besteht die Möglichkeit, dass der Sudan einen friedlichen Weg einschlägt. Noch besteht die Hoffnung, dass nicht abertausende Unschuldige ihr Leben verlieren. Hierfür ist vor allem von Nöten, dass die EU und die USA alle diplomatischen Kanäle nutzen, um den Nord-Sudan von jeglicher Gewalt abzuhalten. Über den notwendigen wirtschaftlichen Einfluss verfügt Europa als zweitgrößter Importeur sudanesischer Waren auf jeden Fall, auch wenn man dies in Deutschland als Exportnation nur ungern zur Kenntnis nimmt. Neben wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln sollte die UNMIS-Truppe mit einem eindeutigen politischen Mandat zum Schutz von Zivilisten sowie den notwendigen Ressourcen ausgerüstet werden. Eine Verstärkung der Truppe durch westliche Soldaten würde ein klares Zeichen setzen, dass Europa und die USA sich nicht abwenden werden. Wenn sich die internationale Gemeinschaft in ausreichendem Maße für eine friedliche Lösung des Konfliktes engagiert besteht eine realistische Hoffnung, dass das Schlimmste verhindert werden kann. Das wäre in der Tat ein Zeichen dafür, dass die Welt aus Ruanda, Srebrenica und Darfur gelernt hat.

  Robert Schütte

Der Bürgerkrieg im Sudan: Hintergründe des Nord-Süd-Konflikts

Sudans Geschichte seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien 1956 ist eine Geschichte von Bürgerkriegen und ethnischen Säuberungen, die Millionen von Menschen das Leben gekostet haben. In den vergangenen Jahren war Sudan vor allem durch den Völkermord in Darfur in den Medien präsent. Doch lange Zeit war der so genannte Nord-Süd-Konflikt zwischen der nord- und zentralsudanesischen Elite und dem Südsudan, der mit einer Unterbrechung von elf Jahren zwischen 1956 und 2005 tobte, der zentrale Konflikt im Sudan – und galt als Musterbeispiel für einen hochkomplexen, möglicherweise gar unlösbaren Bürgerkrieg. Zwei und drei Millionen Menschen fielen dem Krieg zum Opfer, und mehr als sieben Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.

 

Wie die anderen Konflikte im Sudan auch ist der Nord-Süd-Bürgerkrieg nur zu verstehen, wenn man ihn im Zusammenhang fundamentaler Fehlentwicklungen eines postkolonialen Staates begreift. Der Staat, den die Briten in die Unabhängigkeit entließen, war keine historisch gewachsene Einheit, sondern ein willkürlich zusammengeworfener Raum der Größe Westeuropas, der mindestens 19 ethnische Gruppen mit rund 600 Untergruppen und hunderten von Sprachen beherbergt. Von Beginn an kontrollierte die überwiegend arabisch-islamische zentralsudanesische Elite im Norden – eine Minderheit – den Staat und seine Ressourcen. In der Wahrnehmung des Südens, deren Bewohner in der Regel weder Araber noch Muslime waren, hatte sich mit der Unabhängigkeit kaum etwas geändert. Waren zuvor die Briten ihre Kolonialherren gewesen, saßen die neuen Kolonialherren nun in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, definierten die Identität des Sudans arabisch-islamisch und hatten kein Interesse an einer Entwicklung des Sudans jenseits des Kernbereichs. Der Süden wehrte sich; der erste Bürgerkrieg, der bis 1972 dauern sollte, war die Folge. Im Friedensabkommen („Addis Abeba Agreement“) wurde dem Süden zunächst eine weitgehende Autonomie zugesprochen, die 1983 jedoch wieder durch Khartum aufgehoben wurde, was zum erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs führte.

In dieser Weigerung des Nordens, auf dem Verhandlungsweg föderale Strukturen zuzulassen, die allen Regionen eine politische Partizipation und eine gerechte Ressourcenverteilung ermöglicht, liegt der Kern aller Konflikte im Sudan. Die Zentrale hat jahrzehntelang systematisch und mit Erfolg daran gearbeitet, Macht, Privilegien und Wohlstand so wenig wie möglich teilen zu müssen und andere ethnische Gruppen in der „Peripherie“ des Landes zu marginalisieren. Statt politischer Prozesse, deren Ergebnis nur eine angemessene Partizipation aller Landesteile und Ethnien hätte sein können, entschied sich Khartum für eine Reihe von Unterwerfungskriegen, die – im Falle Darfurs – bis zum heutigen Tage anhalten.

Der Nord-Süd-Bürgerkrieg konnte 2005 mit dem Comprehensive Peace Agreement (CPA) vorerst beendet werden. Die zentralen Bestimmungen des Abkommens sahen zwar eine gerechte Verteilung der Ressourcen (vor allem der steigenden Öleinnahmen), eine Beteiligung der südsudanesischen Rebellengruppe SPLA/M (Sudan People’s Liberation Army/Movement) an der Regierung und eine weitgehende Autonomie des Südens vor. Die Umsetzung des Abkommens stockte jedoch von Beginn an, vor allem aus zwei Gründen. Zum einen war aus Sicht Khartums das CPA vor allem der Versuch, neue Spielräume für den Völkermord in Darfur zu gewinnen. Dementsprechend war die sudanesische Regierung natürlich nicht an einer schnellen Implementierung des CPA interessiert – im Gegenteil. Zum anderen war von Beginn an klar, dass eine Bestimmung ganz besonders über das Schicksal des Landes und über die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens entscheiden würde: die Festsetzung eines Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudans, das für den 9. Januar 2011 angesetzt ist. Die genaue Festlegung der Grenze zwischen Nord und Süd durch eine Kommission ist zwar noch nicht abgeschlossen und steht vor großen Problemen, was vor allem daran liegt, dass die zwischen Norden und Süden umstrittenen Regionen zu den ölreichsten des Landes gehören. Doch sollte sich der Südsudan in wenigen Monaten für seine Unabhängigkeit entscheiden, und sich dabei möglicherweise ein Hauptteil der ölreichen Regionen vom Sudan abspalten, bräche Khartum nicht nur ein Teil seines Herrschaftsgebietes weg, sondern gleichzeitig auch eine Hauptvoraussetzung für Wohlstand und Macht in der Zukunft. Führt man sich vor Augen, wie Präsident Bashir und seine Regierung seit 2003 auf die Krise in Darfur reagiert haben, dann kann man ermessen, wie sie in einer möglicherweise existenziellen Frage wie der Unabhängigkeitserklärung eines ölreichen Südsudans reagieren könnte. In wenigen Monaten könnte dem Sudan ein neuer Konflikt von katastrophalen Ausmaßen und Konsequenzen für die Zivilbevölkerung bevorstehen.

Von Adrian Oroz

Deutschland und das Konzept der Schutzverantwortung

Zahlreiche schwerste Menschenrechts- verletzungen in der Vergangenheit, sei es der Völkermord in Ruanda 1994, das Massaker in Srebenica 1995, die ethnischen Säuberungen im Kosovo 1999 oder auch der Holocaust, haben die Menschheit auf härteste Weise über die Gefahren ungezügelter und unverantwortlicher Herrschaftsgewalt belehrt.

R2P
Betrachtet man die andauernden Konflikte im Sudan, im Kongo oder auch in Myanmar, so bleiben Völkermorde,  Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit  immer noch zu häufig auftretende Phänomene.

Im Jahre 2000 stellte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan eine entscheidende Frage:
Wenn humanitäre Intervention eine inakzeptable Verletzung der Staatssouveränität darstellt, auf welche Weise soll dann gegen schwerste und systematische Menschenrechtsverletzungen vorgegangen werden?

Ein Jahr später veröffentlichte die International Commission on Intervention and State Sovereignty (die Internationale Kommission zu Intervention und Staatensouveränität) ICISS einen 90-seitigen Bericht unter dem Titel „The Responsibility to Protect“ und führte damit erstmalig das Konzept der Schutzverantwortung ein.
Während das Prinzip der humanitären Intervention das Risiko der Nicht-Intervention birgt, wo eine humanitäre Intervention tatsächlich notwendig ist, also das „Recht zur Intervention“ im Ermessen  des zu intervenierenden Staates liegt und dieser ebenso gut auf dieses Recht verzichten kann, legt das Konzept der Schutzverantwortung den Fokus eher auf die Verpflichtung und Verantwortung eines Staates.
In dem Fall, dass ein Staat nicht in der Lage oder nicht willig ist, seine Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen, geht diese Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen über. Auf diese Weise kann Staatssouveränität nicht mehr als Ausflucht oder Schutzschild verwendet werden; Untätigkeit ist somit keine Option mehr.

Durch die Fehler Deutschlands zur Zeit des Nationalsozialismus ist massives Unrecht erfahren worden. Auch daher wird im Allgemeinen die Überzeugung geteilt, dass Wiederholungen solcher Erfahrungen wie des Holocausts mit allen Mitteln verhindert werden müssen.
Wie Sabine von Schorlemer in einem Policy Paper der Stiftung für Entwicklung und Frieden schreibt, empfinden insbesondere die Deutschen „[…] angesichts von Massenvertreibungen, Deportationen und willkürlichen Hinrichtungen schutzloser Zivilisten […] eine besondere Verantwortung“. (Zum vollständigen Policy Paper des SEF hier klicken.)
Weiterhin stellt sie in ihrem Antwortschreiben zu einer Anhörung des Bundestags zur Internationalen Staatenverantwortung im Februar 2009 dar: „Deutschland kann und sollte eine aktive Rolle bei der weiteren Ausgestaltung der Schutzverantwortung einnehmen. Dafür sprechen nicht nur die deutsche Vergangenheit und der Umstand, dass unser Wohlstand auf dem Prinzip der Einmischung beruht (vgl. Berlinblockade), sondern auch die besonderen Expertise und das Vertrauen, das sich Deutschland als „ehrlicher Makler“ in den internationalen Beziehungen  erworben hat. Hinzu kommt die hohe Leistungsfähigkeit deutscher Einsatzkräfte und Unterstützungskomponenten.“ (Zur vollständigen Stellungnahme: hier klicken)

Der Bundestag unterstützte aktiv das High-Level Panel, das 2004 zusammenkam und die Schutzverantwortung als eine „entstehende Norm“ bezeichnete.
Auch während des Weltgipfels 2005 stimmte Deutschland für die Resolution A/Res/60/1, die das Konzept der Schutzverantwortung als das Kernelement des Gipfeltreffens enthielt.
Das Konzept erfährt seitdem eine immer stärkere Rezeption von den deutschen Politikern und wird offiziell vom deutschen Bundestag unterstützt.
Im Weißbuch des Verteidigungsministeriums wird diese positive Einstellung zur Schutzverantwortung noch einmal bestätigt:
„Auch wenn die Staaten, die sich diese Lehre zu Eigen gemacht haben, wahrscheinlich noch nicht in der Mehrheit sind, prägt die Debatte um die „Responsibility to Protect“ doch zunehmend das Denken westlicher Länder. […] Deutschland stellt sich seiner Mitverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen.“

In der deutschen Stellungnahme zum Bericht des Generalsekretärs „Implementing the Responsibility to Protect“ wird vor allem betont, dass Deutschland das Konzept der Schutzverantwortung im Allgemeinen befürwortet, im Spezifischen jedoch Kooperation und Prävention als die Grundprinzipien der Schutzverantwortung ansieht. Es wird weiterhin betont, dass die primäre Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung bei dem betroffenen Staat liegt.

Generell fällt auf, dass Deutschland zwar die Verpflichtung , sich innerhalb der Gremien der Vereinten Nationen mit humanitären Konflikten auseinanderzusetzen und angemessene, friedliche Zwangsmaßnahmen zu diskutieren, nicht aber eine Verpflichtung zu militärischen Interventionen zum Schutz fremder Staatsbürger akzeptiert.

Betrachtet man einen spezifischen Fall wie die Krise in Darfur, so betont Deutschland auch hier, dass die primäre Schutzverantwortung bei dem sudanesischen Staat liege. Da die sudanesische Regierung dieser Aufgabe jedoch offensichtlich nicht ausreichend nachkommt, haben sich nun die Vereinten Nationen in Kooperation mit der Afrikanischen Union dem Problem angenommen und suchen eine Lösung für den Konflikt.
Die deutsche Politik drückt aus, dass die Schutzverantwortung in diesem spezifischen Fall besagt, dass die Staatengemeinschaft verantwortlich dafür ist, eine Lösung für die Krise zu suchen, nicht aber besage sie eine Verantwortung zu militärischer Intervention. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Verantwortung zu reagieren (responsibility to react) durch die Ausweitung des UNMIS Mandats auf Darfur und durch diplomatische Initiativen, welche durch den Menschenrechtsrat und die Generalversammlung der Vereinten Nationen angeregt wurden, schon erfüllt worden sei.

Andererseits muss man bemerken, dass die Bundesregierung, als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Sudans, bisher keine nennenswerten Schritte unternommen hat, ihren wirtschaftlich bedingten  Einfluss zugunsten von politischen und humanitären Zwecken im Sudan zu nutzen.
Ganz im Gegenteil – anstatt durch kluge Sanktionen Druck an den richtigen Stellen – nämlich auf die Verantwortlichen in Khartum – auszuüben, hat Deutschland seine Exporte in den Sudan zwischen 2003 und 2006 um 300% erhöht.
Im Jahre 2009 war der deutsche Außenhandel mit dem Sudan allerdings wieder rückläufig. Die Exporte sanken im Vergleich  zum Vorjahr um 4,2 Prozent auf 85,3 Millionen Euro – was immer noch ein erhebliches Potenzial birgt, wirtschaftlichen Einfluss geltend zu machen; vor allem auch, weil Deutschlands  Exportgüter in den Sudan – hauptsächlich Maschinen und Ausrüstungen, sowie Fertigerzeugnisse, Chemikalien, Lebensmittel und Textilien- von solcher Art sind, dass sie nur schwer durch Firmen anderer Länder geliefert werden könnten.
Auch innerhalb der Europäischen Union, die zurzeit der zweit-größte Handelspartner des Sudan ist, könnte Deutschland sich erheblich aktiver für gezielte Sanktionen gegen die Regierung in Khartum einsetzen.

Deutschland ist allgemein betrachtet, wie die deutschen Beiträge im Sudan gezeigt haben, ein verlässlicher Akteur, wenn es um humanitäre Hilfe oder die Unterstützung von Friedensmissionen geht.
So kann niemand behaupten, dass Deutschland Mühen oder finanzielle Aufwände scheut,  um humanitäre Hilfe zu leisten. Deutschland mag vielleicht den Militarismus  scheuen, es ist jedoch angesichts der Erfahrungen des Holocausts tief geprägt durch die Überzeugung des „Nie wieder“ und leistet daher immer noch bemerkenswerte  Beiträge zur Realisierung der Schutzverantwortung.

Nichtsdestotrotz, würde ein Mancher vielleicht ein aktiveres, leitenderes Engagement sowie drastischere Maßnahmen erwarten, um Massenverbrechen zu beenden – auch angesichts des historischen Hintergrundes Deutschlands.
Die Bundesregierung sollte daher alle ihre zu Verfügung stehenden Möglichkeiten, wie etwa die oben angeführten wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Regime in Khartum, ausschöpfen, um endlich die Krise in Darfur und somit das Leid unzähliger Zivilisten zu beenden.

Na-Hyeon Shin

Die Schutzverantworung als Element des Friedens – Policy Brief der Stiftung Entwicklung und Frieden

In einem aktuellen Policy Paper der Stiftung Entwicklung und Frieden (www.sef-bonn.org) setzt sich Sabine von Schorlemer mit dem Konzept der sog. Schutzverantwortung auseinander. Dieses Konzept bedeutet, dass staatliche Souveränität eine Verantwortung der Regierung für die Sicherheit der auf ihrem Territorium befindlichen Menschen impliziert, wobei der internationalen Gemeinschaft eine subsidiäre Verantwortung zum Schutz von Zivilbevölkerungen zukommt für den Fall, dass ein Staat nicht willens oder nicht fähig ist, seiner Schutzverantwortung gegenüber der Bevölkerung nachzukommen. Neben einer Erklärung der Entwicklung und Bedeutung des Konzepts, werden sinnvolle Empfehlungen zur Fortentwicklung und Ausgestaltung der Schutzverantwortung erläutert.