Karte und Flagge von Burundi, Putschgeneral Godefroid Niyombare (links), Präsident Pierre Nkurunziza (rechts); Quellen: public domain, Wikimedia

Menschenrechtslage in Burundi bleibt angespannt

Mit der Ankündigung, für eine dritte Amtsperiode antreten zu wollen, spaltet der Präsident Pierre Nkurunziza die burundische Gesellschaft. Mehrere NGOs haben bereits zu neuen Protesten aufgerufen. Die Vorgänge verdeutlichen, wie brüchig der im Jahr 2000 ausgehandelte Arusha-Friedensvertrag ist. Die Menschen in Burundi – insbesondere die politischen Eliten – müssen nun entscheiden, ob sie die bisherigen Friedensbemühungen seit dem Ende des Bürgerkrieges vor zehn Jahren weiter fortsetzen wollen. Insbesondere die Ostafrikanische Gemeinschaft (engl. East African Community, EAC) sollte als Regionalorganisation ihren politischen Einfluss und ihre institutionellen Mediationsmöglichkeiten nutzen, um eine Verschärfung des Konfliktes zu verhindern.

von Hannes Krüger

Ab Mittwoch, dem 13. Mai, eskalierte die Situation in Burundi in kürzester Zeit. Godefroid Niyombare, ein im Februar entlassener Geheimdienstchef, hatte die Absetzung des Präsidenten über einen zuvor von der Regierung verbotenen, privaten Radiosender verkündet. Zudem drohten die Putschisten dem aus Tansania ankommenden Flugzeug des Präsidenten Nkurunziza mit dem Abschuss. Der Präsident musste umkehren und zurück nach Arusha fliegen, wo er an einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Regionalorganisation EAC teilgenommen hatte. Vertreter der EAC und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilten den Putschversuch scharf.

Mehrere tausend Menschen versammelten sich nach der Verkündung des Putsches jubelnd in den Straßen der Landeshauptstadt Bujumbura. Es kursierte die Nachricht, dass Armeeeinheiten aus anderen Teilen des Landes auf dem Weg in die Hauptstadt seien, um die Putschisten zu unterstützen. Zeitgleich begannen die Gefechte zwischen Kampfeinheiten der Putschisten und regierungstreuen Truppen, bei denen auch schwere Geschütze eingesetzt wurden.

Nach zweitägigen Gefechten in und um Bujumbura haben die Putschisten ihre Niederlage eingestanden und drei ranghohe Anführer wurden festgenommen. Aktuell erscheint die Situation wieder ruhig. Niyombare scheint das Land verlassen zu haben. Jedoch gibt es aktuelle Meldungen, dass derzeit Unterstützer der Putschisten, durch Mithilfe der Polizeigezielt ermordet werden. Die ersten Gerichtsverfahren gegen 18 Unterstützer des Putsches wurden eingeleitet.

Der versuchte Coup d’État verdeutlicht, wie schnell die Unzufriedenheit und Frustration in der Bevölkerung, die sich in den vergangenen Wochen auf den Straßen zeigte, in Gewalt umschlagen kann. Der zum Ende des Bürgerkrieges begonnene Friedensprozess hat auch nach über zehn Jahren scheinbar keine ausreichenden Konfliktlösungsmechanismen schaffen können. Anders als während des Bürgerkrieges verlaufen die aktuellen Konfliktlinien nicht mehr entlang ethnischer Identifikation, sondern formieren sich um die politischen Parteien. Allerdings finden sich in aktuellen Reden, nach dem Putschversuch ,zunehmend ethnische Anspielungen wieder. Dies ist insbesondere besorgniserregend, weil Burundi bereits mehrfach, vor und während des Bürgerkrieges, Schauplatz von ethnisch motivierten Massenverbrechen war.

100.000 fliehen, Proteste eskalieren über Verfassungsfrage

Ursprung der Proteste und damit auch des Putsches war die Ankündigung des Präsidenten Nkurunziza, für eine dritte Amtszeit kandidieren zu wollen. Daraufhin hatte sich ein breites Oppositionsbündnis, bestehend aus oppositionellen Parteien, zahlreichen NGOs und der katholischen Kirche, gebildet und zu Protesten aufgerufen.

Laut burundischer Verfassung ist eine dritte Amtszeit für den Präsidenten nicht möglich. Präsident Nkurunziza argumentiert, dass er 2005 nach dem Bürgerkrieg jedoch nicht, wie von der Verfassung wörtlich festgelegt, vom Volk, sondern lediglich von der Nationalversammlung gewählt wurde. Daher würde er sich dem Verfassungstext folgend nun erst zum zweiten Mal einem populären Votum stellen. Dieser Argumentation ist auch das burundische Verfassungsgericht gefolgt. Allerdings ist einen Tag vor der Entscheidung der Vizepräsident des Gerichtes aus dem Land geflohen. Von dort gab er bekannt, dass die Richter massiven Drohungen ausgesetzt waren, um ein entsprechendes Votum abzulegen.

Die Regierung reagiert repressiv auf die Proteste. So wurden bereits Ende April 65 Demonstranten verhaftet und wegen angeblicher Rebellion angeklagt. Die Polizei setzte nicht nur Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein, sondern begann auch, scharfe Munition zu verwenden. Dabei kamen mindestens sechs Menschen ums Leben. Weiterhin wurde am 8. Mai ein Mann auf offener Straße von einem Mob lebendig verbrannt.

Private Fernseh- und Radiostationen wurden verboten, nachdem sie live von den Protesten berichteten. Oppositionelle Politiker wurden verfolgt, verhaftet oder bedroht. Vor der zunehmenden Gewalt im Land flüchten inzwischen über 100.000 Menschen. Die Gewalt geht nach Berichten der Vereinten Nationen und der Medien insbesondere von der Jugendmiliz der Regierungspartei CNDD-FDD, der Imbonerakure, aus. Bereits seit mehreren Monaten terrorisiert diese gezielt Regierungsgegner.

Internationale Unterstützung für Deeskalation notwendig

Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union (AU), die Europäische Union sowie die EAC haben sich inzwischen kritisch zu den aktuellen Vorkommnissen geäußert und fordern eine Verschiebung der Wahlen, bis die Durchführung von fairen und freien Wahlen sichergestellt werden kann. Die AU hat zudem am 15.Mai eine High-Level Mission mit Elder Statesmen als Mediatoren nach Burundi geschickt.

Teile der Armee haben den Putsch entschieden niedergeschlagen. Die Situation ist durch die monatelangen repressiven und gewaltsamen Maßnahmen durch regierungsnahe Organisationen gegen Oppositionelle angespannt. Doch die Armee ist, wie auch die Bevölkerung, gespalten in Anhänger und Gegner des Präsidenten. Daher besteht die akute Gefahr, dass das nun weiter geschürte Misstrauen und verbale Hetzen erneut in gewaltsame Auseinandersetzungen und gezielt Vernichtungsaktionen ausarten. Es ist daher entscheidend, dass alle Akteure ihre verfassungsrechtlich verankerten Rechte nutzen, um eine friedliche Lösung zu finden.

Teil davon sollte sein, dass die Nationale Wahlkommission sich für eine friedliche Vorbereitung der Wahlen einsetzt. Hierzu zählen Maßnahmen wie eine umfassende Wählererfassung, die Gewährleistung von freiem Zugang für alle Menschen zu Informationen über die Wahl sowie die Umsetzung von Reise- und Redefreiheit für die kandidierenden Politiker. Hierfür ist die Schaffung eines parteiübergreifenden Konsenses vonnöten.

Ebenso sollten die Europäische Union und die Afrikanische Union die zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort verstärkt unterstützen, um auch eine inner-burundische Vorbereitung und Beobachtung der Wahl zu fördern. Unterstützend sollte sich auch der UN Special Envoy for the Great Lakes Region für Verhandlungen zwischen den politischen Akteuren einsetzen, um eine weitere Eskalation der Proteste zu verhindern.

Sollte die burundische Regierung sich nicht Willens zeigen, die eigene Bevölkerung vor weiteren Gewalttaten zu schützen, bzw. diese sogar eigenständig fördern, müssten sämtliche finanziellen Unterstützungen mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Hierzu zählen insbesondere auch die internationalen Zuwendungen direkt an die burundische Regierung als Ausgleich für Burundis Teilnahme an Friedensmissionen.

Die Deutsche Bundesregierung hat als zentrales Mitglied der Europäischen Union und insbesondere als ehemalige Kolonialmacht die humanitäre Verantwortung, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen und konkrete Schritte zu unternehmen, um eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern. Dem Beispiel Belgiens folgend, welches die finanzielle Unterstützung aktueller Projekte zunächst gestoppt hat, sollte die Bundesregierung dringend überprüfen, ob die aktuellen Projekte der Wirtschaftsförderung und Dezentralisierungsmaßnahmen unter den aktuellen Umständen weitergeführt werden sollten.

 

Autor: Hannes Krüger, stellvertretender Vorsitzender von Genocide Alert.