Stell dir vor es ist Völkermord und keiner geht hin

Zu dieser Stunde findet in der westsudanesischen Provinz Darfur der erste Völkermord des 21. Jahrhunderts statt. Doch statt etwas dagegen zu tun, verneint die Politik diese Tatsache und präsentiert stattdessen scheinheilige Ausreden, warum sie nicht eingreifen. Aber so kann es nicht weitergehen. Wir, die Bürger, sind gefragt.

Laut UNO befinden sich im Darfur über 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht, ca. 400.000 Zivilisten sind ermordet worden. Warum? Nicht weil sie etwas getan haben. Sie werden ermordet, vergewaltigt, gefoltert und vertrieben bloß weil sie sind. Dies sollte uns bekannt vorkommen: Kosovo 1999, Bosnien 1995, Ruanda 1994, Irak 1988, Kambodscha 1979, Deutschland 1945 und Türkei 1915 sind nur die bekanntesten Beispiel für die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind aber genauso Zeugnisse für die Mitschuld unserer eigenen Regierungen, die nicht eingriffen um das Morden zu verhindern. Unter dem Eindruck des Holocaust verabschiedete die UNO im Jahr 1948 die sogenannte Genozid-Konvention. Hiernach ist Völkermord ein internationales Verbrechen, das jeder Staat zu verhüten verpflichtet ist. Leider sind in den folgenden Jahren keine Taten gefolgt. Noch immer ist es schwer, den notwendigen politischen Willen zu mobilisieren, wenn es um den Schutz fremder Menschen geht. Die Ausreden sind dabei immer die gleichen:

 Perverse Konsequenz:

„Wenn wir eingreifen würden noch viel mehr Menschen sterben.“ Dieses Argument wurde nicht zuletzt von US Generälen vorgebracht, um ein Bombardierung von Auschwitz zu verhindern.

 Hilflosigkeit:

„Es ist unmöglich für uns den uralten Hass zwischen diesen Menschen zu stoppen.“ So begründete Bill Clinton im Jahr 1994, warum die USA nicht in den ruandischen Völkermord eingreifen wollten. 800.000 Tote und 9 Jahre später erklärte Clinton, dass fünf- bis zehntausend Soldaten dem Völkermord hätten Einhalt bieten können.

 Gefahren-Abwehr:

„Wenn wir eingreifen, bringen wir Hilfsorganisationen und Blauhelme in Gefahr von Racheaktionen.“ 200.000 ermordete bosnische Muslime zu spät bombte die NATO im Jahr 1995 Slobodan Milosevic an den Verhandlungstisch und erreichte ein lange überfälliges Friedensabkommen.

Völkermorde sind keine Naturkatastrophen, die plötzlich und unaufhaltsam über uns hereinbrechen. Völkermorde haben eine Vorwarnzeit von mehreren Jahren, wenn man die Zeichen zu deuten weiß. Es mangelt uns nachweislich nicht an Informationen oder Wissen. Völkermord ist verhinderbar, wenn der politische Wille zum rechtzeitigen Eingreifen mobilisiert wird. Wenn Völkermord aber erst einmal geschieht, muss die internationale Gemeinschaft mit allen notwendigen Mitteln eingreifen. Dies schließt militärische Gewalt ausdrücklich mit ein. Der Westen ist seit spätestens 2003 detailliert über den  Völkermord im Sudan und die Verantwortlichkeit der sudanesischen Regierung informiert. Getan hat sich allerdings kaum etwas. China macht hervorragende Geschäfte mit dem Sudan und wird damit zum Komplizen eines Regimes, welches seine eigene Bevölkerung ermordet und vergewaltigt. Gleichzeitig möchte sich China mit den Olympischen Spielen 2008 als „friedliche und verantwortliche Weltmacht“ präsentieren. Die Erwartungen sind hoch, der Stolz enorm. Was kann man also tun? Genau an dieser Stelle setzt die Kampagne „Genocide Olympics“ an, welche die Olympischen Spiele als Plattform zur Bloßstellung Chinas inhumaner Politik im Sudan nutzen will. Ziel ist es, die chinesische Regierungspolitik durch eine Strategie aktiven internationalen Beschämens an den Pranger zu stellen. Diese Art von öffentlichem Druck hat auch Steven Spielberg (Botschafter für die Spiele 2008) zu spüren bekommen, als amerikanische NGOs ihn als neue „Leni Reifenstahl“ darstellten. Als Folge flog ein chinesischer  Sonderabgeordneter nach Darfur und erreichte eine bis dahin als unmöglich angesehene Zustimmung Khartums zur Stationierung von 26.000 UN-Soldaten. Man sieht also: Öffentlicher Druck kann helfen!

Was kann man hier, vor Ort tun? Vor allem öffentlichen Druck aufbauen, z.B. durch stetiges Klagen und Fragen seiner örtlichen Bundestagsabgeordneten, wie Er/Sie sich an diesem Thema beteilige um den Menschen zu helfen. Was kann die Regierung tun? Sich für einen besseren Schutz von Zivilisten vor Mord und Vergewaltigung einsetzen; zu einer politischen Lösung der Krise beitragen; und dem Internationalen Strafgerichtshof in Dan Haag bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechern helfen. Was können Unternehmen tun? Sich wirtschaftlich mit Verweis auf aus dem Sudan zurückziehen. Im April 2007 hat zum Beispiel Rolls Royce sich der „Desinvestitionskampagne“ in England angeschlossen. Was können die Parteien tun? Innerparteilich Druck machen und das Thema auf die innenpolitische Tagesordnung der Mandatsträger setzen. Zu diesem Zweck ist eine Vernetzung von Parteien mit zivilgesellschaftlichen Gruppen ein muss. Unser Handeln entscheidet, ob „internationale Solidarität“ und „nie wieder Auschwitz“ bloße Floskel oder politisches Leitbild sind.

Welche Tat ist nobler als einem Fremden zur Hilfe zu kommen, der dir weder Dank noch Lohn geben kann?

Link: Stanton, Gregory: Twelve Ways to Deny a Genocide, 2004

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