Parlamentarisches Frühstück „Prävention von Massenverbrechen – lessons learned from Myanmar?“
Am 15. Januar 2019 fand auf Einladung von Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag, sowie Frank Schwabe, Menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, ein parlamentarisches Frühstück statt. Dort hat unser Vorsitzender Gregor Hofmann gemeinsam mit Adama Dieng, dem UN Sonderberater für die Prävention von Völkermord und Alexey Yusupov, Leiter der Friedrich Ebert Stiftung in Myanmar, die Bedeutung der Prävention von Massenverbrechen am Beispiel von Myanmar mit Abgeordneten, deren Mitarbeitenden und Außenpolitikexpertinnen und -experten diskutiert.
Säuberungsaktionen in Rakhine State ab 2017
Polizei und Militär in Myanmar haben ab Ende August 2017 in sogenannten Säuberungsaktionen in Rakhine State in Reaktion auf Angriffe der Arakan Rohingya Salvation Army auf Polizeistationen Massenverbrechen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya begangen. Es kam zu Tötungen, Vergewaltigungen und Brandschatzungen, die zur Vertreibung von über 700.000 Menschen führten. In Folge der Gewalt ist die Zahl der in Bangladesch schutzsuchenden Rohingya-Flüchtlinge auf über 900.000 Menschen angestiegen. Im August 2018 kam die Unabhängige internationale Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu dem Schluss, dass bei den ethnisch-basierten Vertreibungen eine genozidäre Absicht vorlag, die auf eine Zerstörung der Rohingya-Gemeinschaft und die Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung in Rakhine ausgerichtet gewesen sei.
Adama Dieng: die Wurzeln solcher Probleme angehen!
Beim Parlamentarischen Frühstück präsentierte Adama Dieng den Frühwarnanalyserahmen des UN Büros für Völkermordprävention und die Schutzverantwortung. Dabei betonte er, dass es wichtig sei, die Wurzeln solcher Probleme anzugehen: Diskriminierung, Hassrede und Exklusion bestimmter Bevölkerungsgruppen. Zudem sei es wichtig Gerechtigkeit für die Opfer solcher Verbrechen zu suchen. Es sei daher von zentraler Bedeutung, dass die Rohingya in Myanmar Schutz und Unterstützung durch den Staat erhielten. Auch die vielen Gemeinschaften, die Flüchtlinge aufgenommen haben, insbesondere in Bangladesch, benötigten mehr Unterstützung.
Alexey Yusupov von der Friedrich Ebert Stiftung sprach über die komplexe Gemengelage in Myanmar. Das Land habe sich in den vergangenen Jahren demokratisch geöffnet. Trotzdem bestünden große Probleme im Minderheitenschutz. Gleichzeitig gebe es mehrere bewaffnete Konflikte im Land. Viele in der Bevölkerung stellten sich angesichts internationaler Kritik hinter die Regierung und sähen das Land zu Unrecht an den Pranger gestellt. Zivilgesellschaftliche Kritik am Umgang mit den Rohingya gebe es zwar vereinzelt, sie sei jedoch kaum zu hören. Er warnte davor, dass zu harte Sanktionen gegen die Wirtschaft Myanmars großen Schaden anrichten könnten, was letztendlich wieder das Militär gegenüber der zivilen Regierung unter der Führung von Staatsrätin Aung San Suu Kyi stärken könnte.
Genocide Alert: internationale Gemeinschaft hat in Myanmar versagt!
Gregor Hofmann betonte in seinem Beitrag, dass die internationale Gemeinschaft darin versagt habe, die Verantwortlichen für die Gräueltaten gegen die Rohingya zur Rechenschaft zu ziehen. Die zivile Regierung Myanmars unter der Führung von Staatsrätin Aung San Suu Kyi seit ihrer Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung nicht nur nicht nachgekommen, sondern habe die Geschehnisse geleugnet. Das habe das Militär ermutigt, seine Kampagne in Rakhine immer weiter fortzusetzen. Sanktionen seien zu spät verhängt worden, um Wirkung zu zeigen. Mit Blick auf Deutschland zeige der Fall Myanmar daher aufs Neue, dass ein spezifischer Ansatz zur Prävention von Massenverbrechen fehle. Zivile Krisenprävention – im Sinne von Peacebuilding und langfristiger Entwicklungszusammenarbeut – werde in Deutschland oft in Abgrenzung zur Debatte über die Responsibility to Protect diskutiert, da diese immer noch oft als vermeintlicher Ausdruck einer militärischen Interventionspolitik gesehen werde. Das habe dazu geführt, dass die Frage, was „Prävention von Massenverbrechen“ bedeute, in Deutschland kaum diskutiert werde.
Dass es eines Tages zu massiver Gewalt gegen die Rohingya kommen könnte, sei angesichts umfassender Diskriminierung und Ausgrenzung bereits seit langem absehbar gewesen. International sei jedoch nur verhalten reagiert worden, um die sich ab 2010 abzeichnende demokratische Öffnung Myanmars nicht zu schädigen. Die Gefahren für die Rohingya seien aus dem Blick geraten. Deutschland alleine hätte die Geschehnisse ab August 2017 zwar nicht verhindern können. Würde die Prävention von Massenverbrechen aber konsistent und ressortübergreifend bei der außenpolitischen Prioritätensetzung berücksichtigt hätte die Gefahr früher berücksichtigt werden können, betonte Gregor Hofmann.