Beiträge

Darfur: Leiden der Kinder nimmt kein Ende

In einer gemeinsamen Erklärung machen deutsche humanitäre und Menschenrechtsorganisationen – darunter Genocide Alert – auf die prekäre Lage von Kindern in der Krisenregion Darfur aufmerksam und fordern die Bundesregierung sowie die Europäische Union zum Handeln auf. Bundesregierung und EU müssen sich stärker für Beendigung der Darfur-Krise engagieren!

 

Seit fünf Jahren herrschen Krieg und Gewalt in der westsudanesischen Provinz Darfur. Bisher starben über 200.000 Menschen; mehr als 2,2 Millionen sind geflüchtet und leben in Lagern in Darfur sowie dem benachbarten Tschad. Insgesamt sind 4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Kinder tragen keine Schuld an dem Konflikt, sind aber am stärksten von der Gewalt und ihren Folgen betroffen. Schätzungen der Vereinten Nationen zu Folge sterben in Darfur jeden Tag 75 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen des Krieges. Und ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.

Wir wollen deswegen auf das besondere Schicksal der etwa 2 Millionen betroffenen Kinder in Darfur aufmerksam machen:

  • Akute Unterernährung unter Kindern nimmt zu:

Massive Gewalt gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen, bürokratische Blockaden und Finanznot dauern unvermindert an. Der Zugang für humanitäre Hilfe verschlechtert sich, worunter besonders Kinder leiden. 2007 nahm der Anteil der akut unterernährten Kinder in Darfur von 12,9 % auf 16,1 % zu. Damit ist in Darfur seit 2004 erstmals wieder die Marke für einen offiziellen UN-Notstand überschritten.

  • Jedes zweite Kind ohne Schulzugang

Trotz Anstrengungen humanitärer Organisationen in Flüchtlingslagern Schulen aufzubauen, sind über 650.000 Kinder und damit die Hälfte aller Kinder im Schulalter ohne Zugang zu Schulbildung.

  • Kindersoldaten

Etwa 7.000 Kinder und Jugendliche sind in Darfur Mitglieder bewaffneter Gruppen. Dieser Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention betrifft alle Konfliktparteien. Vor allem regierungsnahe Milizen rekrutieren zudem mit brutaler Gewalt.

  • Kinder als Opfer jüngster Kämpfe

Bei Angriffen der Regierungsarmee und verbündeter Milizen auf die Städte Sirba, Abusurouj und Sylyia in Westdarfur wurden im Februar 115 Menschen getötet, 12.000 Menschen flohen in den benachbarten Tschad, viele Kinder wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt, Frauen und Mädchen werden permanent Opfer sexueller Gewalt.

Wir appellieren an die Bundesregierung und die Europäische Union, sich deutlich aktiver als bisher für die Menschen in Darfur und ein Ende des Konflikts einzusetzen. In diesem Zusammenhang darf auch die Lage im Tschad und die Umsetzung des Nord-Süd-Friedensabkommens im Sudan nicht länger vernachlässigt werden. Die EU muss mit einer energischen diplomatischen Initiative China, Russland, die Staaten der Arabischen Liga und die USA endlich zu einem gemeinsamen Vorgehen im Rahmen der Vereinten Nationen bewegen. Nur wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam und entschlossen gegenüber den Konfliktparteien in Darfur auftritt, können ein baldiger Waffenstillstand und eine dauerhafte Friedenslösung erreicht werden. Nur dann können auch die Kinder in Darfur wieder ohne Krieg und Gewalt aufwachsen.

Unterzeichner:

amnesty international, Deutsche Sektion
Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER e.V.)
Darfur Hilfe e.V.
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
Deutsches Komitee für UNICEF
Genocide Alert
Gesellschaft für bedrohte Völker
Save the Children Deutschland
Stiftung Nord-Süd-Brücken
terre des hommes
Welthungerhilfe

 

pdf Darfur: Leiden der Kinder nimmt kein Ende – 111 KB

Tschad und Darfur – Geschichte eines Konflikts

Am 2. und 3. Februar wurde N´Djamena, Hauptstadt des Tschads, zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen des Tschads und Rebellentruppen aus dem Sudan. Der Angriff ging von politischen Kontrahenten des aktuellen Präsidenten des Tschad, Idriss Déby, aus, und kann somit nicht als integraler Bestandteil des Darfur-Konflikts bewertet werden.

Vielmehr handelt es sich um eine von Rebellen und Milizen geführte Auseinandersetzung zwischen Tschad und Sudan. Jedoch steckt die sudanesische Regierung hinter dieser Rebellion. Dadurch, dass sie die bewaffnete Opposition im Tschad unterstützt und so aus der Ferne auf einen offenen Konflikt mit dem Tschad hinwirkt, könnte der Sudan die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft vom Konflikt in Darfur ablenken wollen. Die Spannungen zwischen den Hauptstädten N’Djamena und Khartum sind auf einem vorläufigen Höhepunkt. Im Süd-Osten des Tschads ereignen sich inzwischen ähnliche Gewalttätigkeiten wie in Darfur.

Von besonderer Brisanz sind diese Entwicklungen auch aufgrund der Tatsache, dass  Khartum und N’Djamena seit 1990 Verbündete waren. Jedoch haben sich die diplomatischen Beziehungen seit 2003, dem Jahr, das den Anfang des Völkermords in Darfur markiert, massiv verschlechtert. Somit spielt Darfur in diesem Zusammenhang sehr wohl eine Rolle. Die für den 1. Februar geplante EUFOR-Friedensmission – die Entsendung von EU-Truppen – ist von einem  Mindestmaß an Frieden abhängig; so wurde sie aufgrund der jüngsten gewaltsamen Entwicklungen verschoben. Ein Blick in die Vergangenheit der Beziehung beider Staaten zueinander, hilft, den aktuellen Konflikt einzuordnen und zu verstehen.

Der Aufstieg des Idriss Déby

Karte von Tschad und SudanDie Geschichte wiederholt sich. So ist es ist nichts Neues, dass Rebellen versuchen, die Hauptstadt N’Djamena zu erobern. Seit Anfang der von Entkolonialisierung geprägten 1960er Jahre, haben Rebellen im Tschad mehrmals gewaltsam gegen die Regierung geputscht. Vertriebene ehemalige Regierungsmitglieder des Tschads suchten und fanden oftmals im Sudan Zuflucht. Sie erhielten sogar in vielen Fällen finanzielle und militärische Unterstützung durch Khartum (APANEWS 2008), die sie in die Lage versetzte, durch Rebellion ihre Macht zurückzuerlangen.  So waren die drei letzten tschadischen Präsidenten in den Sudan vertriebene Mitglieder der Front zur Nationalen Befreiung des Tschad (Front de Libération national du Tchad). Dieses gilt auch für den aktuellen Präsidenten, Idriss Deby, der vom Sudan aus seine Truppen koordinierte, um die Regierung von Hissein Habré im Jahr 1990 zu stürzen. Er konnte von der Unterstützung des islamischen Regimes in Khartum profitieren. Das also markierte den Anfang der engen Zusammenarbeit zwischen N’Djamena und Khartum.

Brisant ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Idriss Déby dem auch in Darfur ansässigen Volksstamm der Zaghawa angehört. Seit Beginn der 1990er Jahre unterstützten ihn die Zaghawa beim Sturz der Diktatur von Hissein Habré. Déby versprach vor seiner Machtübernahme, die Zaghawa-Rebellen in Darfur zu unterstützen. Eben jener Volksstamm der Zaghawa wird seit vielen Jahren von Khartum jedoch politisch und wirtschaftlich marginalisiert. Maurice Hel Bongo  prangert das zweigleisige Verhalten Idriss Débys an, sowohl mit der islamischen Regierung in Khartum, als auch mit den Zaghawa-Rebellen zu kooperieren (Agazzi 2008). Er berichtet sogar von „hartnäckigen Gerüchten“, gemäß derer Déby versprochen haben soll, den Zaghawa ein eigenes Reich in Darfur zu schaffen.

Zankapfel Darfur

Verschiedene Rebellengruppen haben somit nach 1990 die Hilfe von Präsident Déby angefordert. Dennoch hat der tschadische Präsident es abgelehnt, die Rebellion gegen Khartum zu unterstützen – aus Sorge, die guten Beziehungen zum sudanesischen Präsidenten Omar el Bashir zu gefährden. Die Lage verkomplizierte sich jedoch mit Kriegsausbruch in Darfur 2003. Viele sudanesische Zaghawa desertierten aus der Armee des Tschads, um die Rebellen gegen den Sudan zu unterstützen. Anfangs versuchte Déby, sich den Rebellen in Darfur entgegenzustellen, um die traditionell guten Beziehungen mit seinen sudanesischen Verbündeten aufrecht zu erhalten. Er schickte Truppen in den Sudan, um SLA (Sudan Liberation Army) und JEM (Justice and Equality Movement) zu bekämpfen, doch seine eigenen Soldaten weigerten sich, gegen andere Zaghawa zu Felde zu ziehen. Idriss Déby befand sich somit in einer Zwickmühle. Er sah sich einerseits vom  Volksstamm der Zaghawa – vor allem aus dem Kreis seiner Familie – und andererseits von seinen Verbündeten in Khartum unter Druck gesetzt. Die sudanesische Regierung verzieh  ihm sein Versagen bei der Truppenführung nicht und unterstützt so seit 2005 im Gegenzug systematisch tschadische Rebellen. Der Bruch zwischen beiden Ländern wurde durch einen Überraschungsangriff des Sudans in der Grenzregion von Adré endgültig vollzogen, und der Tschad begann nun seinerseits, die Rebellen in Darfur zu unterstützen.

Bedrohung des tschadischen Regimes durch Rebellen

Déby sieht sich mit zunehmender Unbeliebtheit sowie Kritik am Ausbleiben eines echten Demokratisierungsprozesses konfrontiert. Zudem hat er sich zahlreiche Feinde geschaffen. Sein Regime wird von Verschwörungen innerhalb seines unmittelbaren Umfelds sowie von regelmäßigen Überfällen durch von Khartum unterstützten Gruppierungen bedroht. Die Rebellen, die Anfang Februar 2008 gegen die tschadische Hauptstadt in die Offensive gingen, stammen ebenfalls aus dem direkten Umfeld Débys. Nahmat Nouri, ein ehemaliger Minister Habrés und Débys, der gleichzeitig sein Schwager ist sowie sein ehemaliger Kabinettschef,  Débys eigener Neffe, gehören zu diesen Rebellen. Beide erklärten, eine neue, auf allgemeinem Wahlrecht beruhende, Demokratie gründen zu wollen. Déby hingegen behauptet, dass es sich um einen versteckten Vorstoß des Sudan handele. Der Sudan hat seinerseits dementiert, die tschadische Opposition zu unterstützen, denn „er habe kein Interesse, das zu tun“ (RFI 07.01.2008).  N’Djamena beschuldigt schließlich Khartum, den Angriff geplant zu haben, um die Entsendung von EUFOR-Truppen der Europäischen Union im Osten des Tschad sowie die Dislozierung einer gemischten UNAMID-Truppe aus Streitkräften der Afrikanischen Union (AU) und der UN in Darfur zu erschweren oder gar zu verhindern. Khartum ist offenbar nicht an einer wie auch immer gearteten Internationalisierung des Konflikts interessiert.

Die Rolle der internationalen Gemeinschaft

Die derzeitig kritische Lage beunruhigt sowohl humanitäre Hilfsorganisationen in Darfur als auch die internationale Gemeinschaft. Im Januar diesen Jahres rief Rodolphe Adada, Oberkommandierender der UNAMID-Truppe in Darfur, in einer aus Khartum verbreiteten Pressemitteilung die Regierungen des Sudan und des Tschad „zur Zurückhaltung, zum Dialog und zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen“  auf. Hierbei nahm er Bezug auf eine Vereinbarung über gute nachbarschaftliche Beziehungen, die zwischen den beiden Staaten abgeschlossen worden war. Es liegt auf der Hand, dass die Spannungen zwischen Tschad und Sudan den Einsatz internationaler Streitkräfte zur Friedenserhaltung erschweren oder gar gefährden. Die Entsendung europäischer und UN-Streitkräften ist weder im Interesse des Sudans noch der tschadischen Rebellen. Diese Rebellen würden ihrer Chance beraubt, das Regime Débys zu stürzen, was gleichzeitig auch eine beträchtliche Ausdehnung der sudanesischen Einflusszone bedeuten würde.

Der Putschversuch Anfang Februar steht wahrscheinlich mit der Ankunft des europäischen Kommissars Louis Michel, der N’Djamena im Rahmen der Aufstellung der EUFOR-Truppen bereist, in Zusammenhang. Die Offensive auf die Hauptstadt des Tschads war zeitlich dermaßen gut abgestimmt, dass die EU-Mission einstweilen auf Eis gelegt wurde und nun offiziell am 1. März beginnen soll. Gleichzeitig hat Frankreich, dessen Armee an Ort und Stelle stationiert ist, offiziell nicht in die Kampfhandlungen eingegriffen. Stattdessen ließ es im Sicherheitsrat der UNO über eine Resolution abstimmen, die den Angriff der Rebellen und ihren Versuch, die Macht durch Gewalt zu ergreifen, verurteilt. Diese UNO-Resolution gewährt dem tschadischen Staat somit die Hilfe der internationalen Gemeinschaft und könnte laut Verfassung im Falle neuer Konfrontationen die Intervention französischer Streitkräfte rechtfertigen. Die Resolution des Sicherheitsrats soll vor allem abschrecken. Die ohnehin schon als problematisch empfundene Vermengung einer gesamteuropäischen Mission mit rein französischen Interessen wird durch die jüngsten Ereignisse weiter bestärkt. In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass Präsident Idriss Déby de facto durch eine Entsendung der EU-Truppen gestärkt wird.

Carine Lin-Kwang ist Mitglied von Genocide Alert.

Quellen:

– APANEWS: Tchad-Soudan : 45 ans de relations tumultueuses TCHAD, 06.01.2008
– Florence Brisset-Foucault: Interview auf http://www.mouvements.info/spip.php?article118
– Isolda Agazzi: Interview mit Maurice Hel Bongo, Info Sud (Schweiz), 2008
– LE MESSAGER, Alain Boyomo, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– Magazin « Afrique-Asie, Soudan dits et non dits d’un conflit », November 2007
– N’DJAMENA BIHEBDO, Serge Félix N’Piénikoua, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– RFI: http://www.rfi.fr/actufr/articles/097/article_61157, 07.01.2008

6 Monate enttäuschter Hoffnung in Darfur

Vor genau sechs Monaten am 31.07.2007 hat der Weltsicherheitsrat die Stationierung von Friedenstruppen der UNO und der Afrikanischen Union im Westen des Sudan beschlossen. Dieser UNAMID-Einsatz soll den Schutz der Zivilbevölkerung und humanitärer Helfer sicherstellen. Nach fünf Jahren Völkermord und Vertreibung brauchen die Menschen in Darfur endlich Schutz vor weiteren Übergriffen.

Niemals war die Lage der Zivilbevölkerung im Westen des Sudan so katastrophal wie heute. Mehrere hunderttausend Menschen können aufgrund der schlechten Sicherheitslage nicht mehr von internationalen Helfern erreicht werden. Seit Januar 2007 wurden 74 Hilfskonvois angegriffen, 12 Mitarbeiter von Hilfswerken starben bei diesen Überfällen. 131 Helfer wurden entführt. Doch die humanitäre Arbeit wird durch die Willkür der sudanesischen Behörden auf das schwerste behindert. So wurden 58 Angestellte von Hilfsorganisationen verhaftet. Zahlreiche Helfer wurden ausgewiesen, weil sie Behinderungen ihrer humanitären Arbeit kritisiert hatten. Neben frischem Wasser und Nahrungsmitteln fehlt es den Menschen in Darfur jedoch vor allem an Schutz, denn schwere Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Völkerrechts dauern weiter an. So werden zehntausende Menschen gezielt vertrieben, Flüchtlingslager durch sudanesische Behörden gewaltsam aufgelöst, Frauen und Mädchen vergewaltigt und ganze Dörfer ausgelöscht. Erst am letzten Sonntag (27.1.2008) wurden erneut 21 Dorfbewohner bei einem Überfall von Janjaweed-Milizen getötet. Mehr als 90 Häuser in der Siedlung Sureif Judad sollen niedergebrannt worden sein. Es ist das 2067. Dorf, das von Janjaweed seit Beginn des Genozids im Jahr 2003 zerstört wurde. Weitere 685 Dörfer wurden durch Angriffe der von der Armee unterstützten Milizen beschädigt.

Mehr als 2,8 Millionen Menschen sind bislang vertrieben worden. Allein im Jahr 2007 mussten mindestens 300.000 Menschen ihre Dörfer verlassen. Auch in Flüchtlingslagern finden sie keinen angemessenen Schutz. Denn Frauen und Mädchen werden auch in der Nähe dieser Camps zu Hunderten Opfer von Vergewaltigungen. Angesichts der katastrophalen Sicherheitslage breitet sich in den Lagern Mutlosigkeit aus, da eine Rückkehr in ihre zerstörten Dörfer in immer größere Ferne rückt. Außerdem wird die Perspektive auf ein normales Leben zunehmend unrealistischer, seit die sudanesische Regierung loyale arabische Stämmen auf dem von Kriegsflüchtlingen ansiedelt und so den Status Quo zu zementieren sucht.

Die UNAMID-Friedensmission

So ruhen die Hoffnungen vieler Menschen in Darfur auf der UNAMID Friedensmission. Doch deren Stationierung geht nur sehr schleppend voran. Ursprünglich sollten bis zu 31.000 Sicherheitskräfte (19. 000 Soldaten, 6.000 Polizisten, 5.000 Zivilisten) bis zum Ende des Jahres 2007 in Darfur stationiert werden. Doch sechs Monate nach Beschluss der UNAMID sind kaum mehr Friedenstruppen in Darfur als zuvor unter dem alleinigem AU-Mandat. Immer eindringlicher warnen UN-Experten vor einem Scheitern der Mission, die Anfang Januar von sudanesischem Militär angegriffen wurde, von den sudanesischen Behörden systematisch behindert wird und der es chronisch an Soldaten mangelt. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-mon kritisierte die unzureichende Ausstattung der Friedenstruppen, der es vor allem an Hubschraubern fehlt.

Die Regierung des Sudan behindert nicht nur den Einsatz von Friedenstruppen, sondern verweigert auch jede Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) bei der Bestrafung der Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Steckbrieflich gesuchte Personen werden nicht bestraft, sondern befördert. So wurde der berüchtigte Janjaweed-Führer Musa Hilal zum Berater des sudanesischen Präsidenten ernannt, der wegen Menschlichkeitsverbrechen gesuchte frühere Minister Ahmed Harun wurde sogar mit dem Vorsitz eines Komitees betraut, dass Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu untersuchen vorgibt.

Der Völkermord in Darfur gefährdet nicht nur das Überleben hunderttausender Menschen im Sudan, sondern die Sicherheit in der gesamten Region. Wenn die UNAMID scheitert, droht ein Flächenbrand, der Krieg und Gewalt in Ostafrika schüren wird. Bereits jetzt metastasiert der Konflikt in die angrenzenden Ländern Tschad und der Zentralafrikanischen Republik.

Sudanesische Menschenrechtler appellieren schon seit einiger Zeit, den politischen Druck auf die Führung des Sudan zu verstärken, damit die UNAMID-Mission nicht länger behindert wird, der Schutz der Zivilbevölkerung sichergestellt und Friedensverhandlungen befördert werden. Aus diesem Grund sollte die deutsche Politik dringend auf eine Verhängung gezielter Sanktionen durch die EU gegen die Verantwortlichen der schweren Menschenrechtsverbrechen dringen. Deutschland kann jedoch komplementär hierzu auch im nationalen Rahmen Gesetzesinitiativen ergreifen, um zu verhindern, dass deutsche Firmen die Kriegswirtschaft der sudanesischen Regierung unterstützen. Seit dem Beginn des Völkermords im Jahr 2003 hat die deutsche Wirtschaft ihre Exporte in den Sudan um 300% erhöht. Deutschland ist inzwischen der bedeutendste europäische Handelspartner des Sudan. Im Jahr 2006 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 330 Millionen Euro in den Sudan, was 5 Prozent der Importe des Sudan ausmachte. Deutschland nimmt hierbei eine besondere Rolle ein, weil es besonders kapital- und wissensintensive Güter und Dienstleistungen anbietet, die nur schwer durch andere Anbieter ersetzt werden könnte. Dass es tatsächlich effektive Möglichkeiten einer gezielten ökonomischen Druckausübung gibt, zeigen bisherige Erfahrungen mit Sanktionen gegen das Regime in Khartum.

Sanktionen gegen den Sudan – Ein Überblick:

Angesichts der von der sudanesischen Regierung zu verantwortenden schweren Menschenrechtsverletzungen in der Krisenregion Darfur gerät Khartum zunehmend unter weltweiten wirtschaftlichen und politischen Druck. In diesem Zusammenhang erwägen aktuell 15 verschiedene Staaten eine Verhängung gezielter Sanktionen oder Disvestitionsmaßnahmen , um die politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Kosten für den Sudan im Falle einer Weiterführung seiner brutalen Politik zu erhöhen. Experten schätzen, dass der Sudan ca. 70-80% seiner Einnahmen aus dem Außenhangel direkt in sein Militärbudget zur Fortführung seiner Kampagne in Darfur umleitet. Vor diesem Hintergrund haben gezielte wirtschaftliche Sanktionen einen direkten Einfluss auf die Lage im krisengeschüttelten Darfur.

Der amerikanische Kongress hat in diesem Zusammenhang einstimmig ein Gesetz erlassen, welches es der amerikanischen Bundesregierung verbietet, öffentliche Aufträge an Firmen zu vergeben, welche im Sudan geschäftlich tätig sind. Dies bezieht sich gezielt auf Unternehmen im Öl-, Energie-, Bergbau- und Rüstungssektor , und hat aus diesem Grund keine schädlichen Konsequenzen für die sudanesische Zivilbevölkerung. Des Weiteren wird es institutionellen Aktienanlegern wie Pensionsfonds erleichtert, ihre Anteile an im Sudan tätigen Unternehmen abstoßen. Laut Angaben der Sudan Divestment Task Force haben inzwischen 22 US-Bundesstaaten entsprechende Aktienanteile aus dem Sudan disvestiert . Auf Grund von bereits im Mai 2007 ergriffenen Strafmaßnahmen ist die sudanesische Regierung außerdem von verschärften Finanzsanktionen betroffen, welche Transaktionen in US-Dollar verhindern sollen. Aus diesem Grund hat Khartum zu Ablauf des Jahres 2007 sämtliche Finanztransaktionen auf Euro umgestellt. In der Tat scheinen diese von der US-Regierung erlassenen Maßnahmen beträchtliche Wirkung zu entfalten. Der sudanesische Zentralbankpräsident Sabir Mohammed Hassan erklärt hierzu, dass die amerikanischen Sanktionen „die sudanesische Volkswirtschaft verletzen“.  Des Weiteren erläutert Abdel-Moniem Hassan Sayed, Präsident der Al-Shamal Islamic Bank in Sudan, dass „sudanesische Banken unter den endlosen amerikanischen Regulierungen für Geschäfte in US-Dollar leiden (und) sich extremen Schwierigkeiten gegenübersehen“.

Auf Grund der anhaltenden Obstruktionspolitik des Sudan erwägen weitere Regierung, Menschenrechtsorganisationen und Firmen eine Erhöhung des Drucks auf Khartum. So hat die japanische Kansai Electric Power Company, Japans zweitgrößter Elektrizitätserzeuger, alle Öl-Importe aus dem Sudan aus Besorgnis gestoppt, dass der Sudan die hiermit verbundenen Öleinnahmen zur Finanzierung seiner Kampagne in Darfur nutze. Weitere Firmen wie La Mancha Resources, CHC Helicopter, ABB, Siemens, Rolls Royce, ICSA of India, Weatherford International, Weir Group und Schlumberger haben sich auf Grund der besorgniserregenden Situation in Darfur auf unbestimmte Zeit aus dem Sudan-Geschäft zurückgezogen oder dies angekündigt.  Groß-Investoren wie Fidelity Investment und Berkshire Hathaway haben im Laufe des Jahres 2007 massive Anteile PetroChinas auf Grund des zunehmenden zivilgesellschaftlichen Drucks abgestoßen.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Sudan auf wirtschaftlichen Druck in hohem Maße sensibel reagiert. Es gilt, diesen Umstand für eine Beendigung des Völkermords in Darfur zu nutzen. In diesem Sinn fordern wir Deutschland sowie alle europäischen Staaten auf: Sanktionen jetzt! Handeln statt Handel!

Ulrich Delius ist Ostafrika-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Robert Schütte ist Präsident von Genocide Alert.

Darfur, ein Klima-Krieg? Darfur, ein Völkermord!

Im TA-Gespräch vom 10.12.2007 erklärt Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes, dass es sich beim Darfur-Konflikt um den ersten „Klima-Krieg“ der Geschichte handle. Diese These ist politisch bagatellisierend und sachlich undifferenziert. Eine Antwort von Robert Schütte.

Darfur, ein Klima-Krieg? Darfur, ein Völkermord!

Der Klimawandel ist nicht für den Völkermord in Darfur verantwortlich. Dies ist die einfache Wahrheit in einer Diskussion um die Ursachen und Gründe der humanitären Tragödie im West-Sudan. Ban Ki-Mun machte Mitte 2007 erstmalig die These populär, dass die Erderwärmung der eigentliche Grund des Kriegs in Darfur sei. In diese Kerbe schlägt nun auch Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes, mit seiner These, dass in Darfur tatsächlich der erste Klima-Krieg der Welt stattfinde. Diese These ist jedoch sachlich zweifelhaft und politisch verfehlt.

Es ist zwar richtig, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gibt, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. So ist das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur enorm und seine Auswirkungen sind einer der Auslöser und Anheizer der Konflikte zwischen sich als arabisch verstehenden Nomaden und sesshaften afrikanischen Stämmen. Die Zunahme von Konflikten um knappe Ressourcen präjudiziert jedoch in keiner Weise die Notwendigkeit eines Kriegsausbruchs oder gar eines Völkermords wie im Fall Darfur. Die eigentliche Frage ist, ob und wie Gesellschaften solche Konflikte regulieren: friedlich, kooperativ oder gewaltsam. Die Regierung des Sudan hat die Entscheidung getroffen, den Konflikt zwischen den Bevölkerungen Darfurs sukzessive zu ethnisieren und schließlich einen Völkermord zu organisieren. Einer der Organisatoren, der ehemalige Innenminister des Sudan Ahmed Haruan, wird deswegen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht.

Vor diesem Hintergrund ist Professor Lundestads „Klima-Krieg“-These irreführend und undifferenziert. Der in der Region stattfindende Völkermord war und ist keine „Naturkatastrophe“, sondern eine beabsichtigte und geplante Politik der Regierung in Khartum zur Zerstörung bestimmter dort lebender afrikanischer Volksgruppen. Die politische Entscheidung zur Vernichtung, Vertreibung, Terrorisierung und Vergewaltigung von unschuldigen Zivilisten kann nicht anhand des Klimawandels erklärt oder entschuldigt werden. Die politische Dimension des Schreckens in Darfur darf nicht klimatologisch banalisiert werden, wie dies Prof. Geir Lundestad implizit (und wahrscheinlich unbeabsichtigt) tut. Es ist sicher begrüßenswert, dass die sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels größere Aufmerksamkeit erfahren. Fatal wäre jedoch, wenn Völkermorde künftig als quasi-unvermeidbare Naturkatastrophen wahrgenommen würden und nicht als das was sie sind: Willentliche Entscheidungen von Menschen zur Vertreibung oder Vernichtung anderer Menschen. Deswegen ist es auch viel leichter einen Völkermord zu verhindern als eine Naturkatastrophe. Es bedarf hierfür nur ausreichenden politischen Willens.

Robert Schütte ist Vorsitzender von Genocide Alert.



Zur Dokumentation anbei der Artikel „Darfur ist der erste Klimakrieg“ aus der Thüringer Allgemeinen vom 10.12.2007

Im TA-Gespräch: Prof. Geir Lundestad, Direktor des Norwegischen Nobel-Institutes.

Wenn man den Namen hört, denkt man sofort an Frieden. Das war bisher Ihre Definition der Friedensnobelpreisträger?

Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung des Nobel-Komitees für Al Gore und den Weltklimarat IPCC. Wir denken, dass es verschiedene Arten von Frieden gibt. Seit der ersten Preisvergabe 1901 gibt es immer wieder Diskussionen um die Friedensdefinition. Damals wurde der Preis zwischen dem Pazifisten Frédéric Passy und Jean Henri Dunant, dem Gründer des Internationalen Roten Kreuzes, geteilt. So wurde argumentiert, dass das Rote Kreuz zwar einen guten Job macht, aber nichts dafür tut, Kriege zu verhindern. Indes, das Nobel-Komitee will die Definition von Frieden sehr breit fassen.

Wie hat sich dieses Friedensverständnis verändert?

Wir haben uns immer an den Kriterien orientiert, die Alfred Nobel im Testament hinterließ. Demnach gingen viele Preise an Politiker, die auf internationalem Niveau arbeiteten, sowie an humanitäre Organisationen – und wir haben später auch den Kampf für Menschenrechte einbezogen. Gerade dagegen gab es Widerstand: Was hat Demokratie mit Frieden zu tun? Inzwischen haben die Friedensforscher handfeste Argumente für einen Zusammenhang zwischen Menschrechten, Demokratie und Frieden.

Jetzt haben Sie auch die Umwelt als Thema entdeckt?

Innerhalb des Komitees haben wir schon seit mehreren Jahren einen Zusammenhang gesehen. Nun wird der Preis erstmals für umweltpolitisches Engagement vergeben. Wir glauben, dass die Erderwärmung deutliche Konsequenzen hat. Wenn der Meeresspiegel steigt, Küstengebiete überflutet werden und Inseln im Wasser verschwinden, führt das zu großen Flüchtlingsströmen. Das verändert das internationale Sicherheitsgefüge erheblich.

Haben Sie dafür Beispiele?

Aus den überfluteten Regionen von Bangladesch sind bereits Millionen Menschen nach Indien geflohen; ohne dass es Krieg gibt. Ein anderes Beispiel ist das Schmelzen des Eises am Nordpol, das zum Streit um Gebietsansprüche führen kann. So denken bereits Kanada, Dänemark und Russland über eine Ausweitung ihrer Hoheitsgebiete nach. Das wohl dramatischste Beispiel ist jedoch die Sahel-Zone. Gewiss, es gibt viele Dimensionen, die hinter dem Darfur-Konflikt stehen. Doch wenn sich die Wüste ausweitet, müssen die Nomaden aus dem Norden auf die Farmen im Süden ziehen. Darüber hinaus kämpfen Araber gegen Afrikaner, Moslems gegen Christen. Neben diesen verschiedenen Erklärungen kann man aber tatsächlich davon ausgehen, dass in Darfur der erste Klimakrieg stattfindet.

Gibt es nicht wichtigere Krisenherde als derartige Umweltkonflikte?

Wir vergeben den Friedensnobelpreis jetzt seit 106 Jahren. Es gab viele Preisträger mit ganz unterschiedlichen Begründungen. Der diesjährige Preis repräsentiert dabei nur eine Kategorie. Denn der Klimawandel ist das bestimmende Thema in diesem Jahr. Jeder hat wohl verstanden, dass wir jetzt damit beginnen müssen, den Klimawandel zu stoppen, sonst ist es zu spät.

Gab es in diesem Jahr Kandidaten aus Deutschland?

Es gibt weltweit vier Nationalversammlungen, die regelmäßig Vorschläge unterbreiten: das schwedische und norwegische Parlament, der US-Kongress und der Deutsche Bundestag. Dabei handelt es sich nicht nur um deutsche Kandidaten. Ich kann mich aber nicht erinnern, wer auf dieser Liste stand.

Dominiert so nicht eine westliche Vorstellung von Frieden?

Seit 1960 haben wir versucht, aus dem Preis eine globale Auszeichnung zu machen. Wir hören sehr oft, dass wir ein westliches Konzept der Menschenrechte vertreten. Und natürlich ist der Friedenspreis ein politisches Statement. Aber wir sind nicht die einzigen: diese Vorstellungen sind auch in der UN-Charta enthalten. Ich glaube, in jedem Land haben die Menschen ein tiefes Verlangen nach demokratischen Werten.

Gespräch: Karsten JAUCH

Eine Welt, ein Traum? China, die Olympischen Spiele und der Völkermord in Darfur

In China laufen die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2008 auf Hochtouren. Futuristische Sportstätten werden aus dem Boden gestampft, Peking wird begrünt, Polizisten geschult. Auch die Bevölkerung wird im Schlangestehen und gutem Benehmen trainiert. Nichts soll dem Zufall überlassen werden, denn China will sich von seiner besten Seite zeigen.

„Eine Welt, ein Traum“, das ist das Motto der Olympischen Spiele 2008. Doch während China an seinem Image als verantwortungsvolle und friedliche neue Weltmacht feilt, ist es gleichzeitig stiller Komplize des ersten Völkermords des 21. Jahrhunderts im westsudanesischen Darfur. Chinas Blockade im UN-Sicherheitsrat hat seit 2003 ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft verhindert. Bisher hat China seinen erheblichen Einfluss auf das Regime in Khartum nur sehr widerwillig genutzt um die humanitäre Lage in Darfur zu bessern und das Morden zu stoppen. Hierauf aufmerksam zu machen hat sich Hollywood Superstar und UNICEF Botschafterin Mia Farrow vorgenommen, die im Rahmen der internationalen „Dream for Darfur“ Kampagne am 29. November Berlin besucht.
„Dream for Darfur“ macht auf die Rolle Chinas als skurpelloser Schutzmacht des Regimes in Khartum aufmerksam. Mit einer der Übergabe des Olympischen Feuers nachempfundenen Fackelübergabe von Darfur nach Peking über Länder, die Völkermorde in ihrer Geschichte erlebt haben, wird dieses Statement inszeniert. Ziel der Kampagne ist der Aufbau von öffentlichem Druck auf China, damit die Volksrepublik den Sudan zu einer Beendigung des Mordens beweget.
Was aber hat China mit der Regierung des Sudan zu tun? China ist der größte Investor im Sudan und größter Abnehmer sudanesischen Öls ist. Die Regierung des Sudan nutzt ca. 70% ihrer Einnahmen für den Kauf von Militärgerät und zur Bewaffnung arabischer Reitermilizen, den so genannten Janjaweed, welche seit Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in Darfur begehen. Ein Großteil dieses Geldes bezieht das Regime in Khartum aus dem Verkauf von Erdöl an China. Hauptakteur in diesem tödlichen Spiel ist die chinesische Ölgesellschaft PetroChina, die zu 80% der Volksrepublik gehört. PetroChina machte in letzter Zeit vor allem Schlagzeilen mit seinem kometenhaften Börsengang. Was jedoch nicht in der Zeitung stand: PetroChina macht dicke Geschäfte mit den Völkermördern in Khartum. Aus diesem Grund benennt die „Sudan Divestment Taskforce“ PetroChina auch als einen der „größten Missetäter“ (Highest Offender) in Bezug auf die Unterstützung des Völkermords in Darfur. China finanziert also einen Völkermord, der inzwischen 400.000 Menschen das Leben gekostet und 2,5 Millionen vertrieben hat. Kein Grund zu feiern.Durch seine Unterstützung des Regimes in Khartum ist China zum stillen Komplizen des ersten Völkermords dieses Jahrhunderts geworden. Anstatt ihrer völkerrechtlichen Verantwortung zum Schutz der Menschen vor Völkermord gerecht zu werden, hat die Volksrepublik China ihren Profit im Auge. Doch die Olympischen Spiele 2008 in Peking bieten eine einzigartige Möglichkeit, die internationale Öffentlichkeit über Chinas Komplizenschaft am Völkermord in Darfur zu informieren und Druck auf die chinesische Regierung auszuüben. Dieses Ziel verfolgen Dream for Darfur oder die Kampagne Genocide Olympics, welche die kommenden Olympischen Spiele als „Völkermord Olympia“ in die Geschichte eingehen lassen wollen. Ein prominentes Beispiel für den Einfluss dieser Kampagne ist der Sinnesweandel von Hollywoodregisseur Steven Spielberg, der als künstlerischer Berater an den Spielen beteiligt war. Nachdem er öffentlich mit der Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl verglichen wurde, schrieb er einen Brief an den Chinesischen Präsidenten Hu Jintao, in welchem er das Thema Völkermord und Darfur aufgriff und seine Aktivitäten bis auf weiteres suspendierte.Nichts ist im chinesischem Kulturkreis schlimmer als sein Gesicht zu verlieren. Deshalb sollte Peking vor die Wahl gestellt werden: Entweder setzt sich China mit aller Kraft für ein Ende des Völkermords und die Stationierung einer internationalen UN-Truppe in Darfur ein. Oder die Olympischen Spiele 2008 werden im Zeichen chinesischer Komplizenschaft mit den Völkermördern in Khartum als „Völkermord Olympia“ in die Geschichte eingehen. Die bisherigen Erfolge zeigen, dass China sensibel auf internationalen Druck im Zusammenhang der Spiele 2008 reagiert. Es hängt nun von allen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sportlichen Akteuren ab, ob ausreichender Druck auf China organisiert wird, um das Morden in Darfur endlich zu beenden.

Johanne Kübler & Robert Schütte
(Vorstand Genocide Alert)

Mehr Informationen sind verfügbar unter:

pdfpdf PDF Download Paper Genocide Olympics – 250 KB

Blog von Rettet Darfur zum Thema

[Genocide Alert ist nicht zwingend der Ansicht der Autoren dieses externen Links]

Geradewegs in die Sackgasse: Warum die Darfur-Friedensverhandlungen in Sirte scheitern mussten

Wie zu erwarten war sind am 1. November die Friedensgespräche zwischen dem Regime in Khartum und verschiedenen Rebellenfraktionen aus Darfur abgebrochen worden. Die Verhandlungen im libyschen Sirte haben wieder einmal die unzureichenden Bemühungen der internationalen Gemeinschaft ans Licht gebracht, den Völkermord in Darfur zu stoppen.

Stattdessen konnte Khartum, nachdem es zu Beginn der Gespräche mit großem Getöse einen unilateralen Waffenstillstand verkündet hat, einen Tag nach dem Abbruch der Gespräche wieder ungehindert seine Söldner in Flüchtlingslager in Darfur schicken, um dort untergebrachte Flüchtlinge in unsichere Gegenden zu treiben, wie die Vereinten Nationen, Human Rights Watch und Journalisten in der Region berichten.

Dabei waren die Friedensgespräche scheinbar von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn niemand  anderes als Libyens Präsident Muammar al-Gaddafi hatte zu ihnen eingeladen, der von Beobachtern des Konflikts als einer der Hauptschuldigen für die regionale Instabilität gilt. Schließlich hatte er den Janjaweed als Teil seiner ‚Islamischen Legion‘ als erstes Waffen verschafft. Während eines Interviews mit Cambridger Studenten erklärte er, dass er den Darfur Konflikt ohnehin nur für einen größeren Stammestwist halte. Laut Gaddafi handele es sich nicht um viel mehr als einen Zank um ein Kamel.

  „Be aware that the main problem there is an issue of tribes … you might laugh but it is all about a quarrel over a camel.“

Diese Äußerung verdeutlicht wie fatal die Wahl von Gaddafi als Vermittler war: Ohne die Rebellengruppen zu konsultieren, hatte UN Generalsekretär Ban Ki-moon die Einladung akzeptiert. Das Ergebnis war, dass eine der wichtigsten Gruppen gar nicht erst in Sirte auftauchte.

Eines der Hauptprobleme in den Verhandlungen ist sicherlich, dass die Rebellen sich bisher nicht zu einer einheitlichen Gruppe haben zusammenschließen können und zum Teil radikale Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Gruppierungen bestehen. So haben die Rebellen, die im September den Stützpunkt der Afrikanischen Union (AU) nahe Haskanita angegriffen haben, wenig mit der Rebellenbewegung im Norden Darfurs gemeinsam. Dennoch sind die Aussichten für eine Vereinigung der verschiedenen Strömungen realistisch: Stammesvermittler glauben, dass innerhalb weniger Wochen eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage erreicht werden kann und bitten deshalb um mehr Zeit vor weiteren Friedensgesprächen. Ein Zeichen für diese Entwicklung scheint die Abkehr von bedeutenden Persönlichkeiten derjenigen Rebellenfraktion zu sein, die das unsägliche Abuja Friedensabkommen unterzeichnet haben. Diese scheinen eine Distanzierung von ihrem brutalen und inkompetenten Führer Minni Minawi zu vollziehen und über eine Rückwendung zu ihrer ursprünglichen Rebellengruppe, der Sudan Liberation Movement/Unity, nachzudenken. Doch anstatt auf eine Vereinigung der Rebellen hinzuarbeiten, haben Vermittler der AU und der UN diese Aufgabe vernachlässigt und ihre Bemühungen auf das Regime in Khartum konzentriert. Sie haben nicht nach Wegen gesucht, die Differenzen zwischen lokalen Kommandeuren und Exil-Führern zu überbrücken. Noch weniger haben sie sich dafür eingesetzt, dass auch und gerade die Stimmen der Zivilisten in den Camps bei Friedensgesprächen Gehör finden.

Der tiefer liegende Grund für das Scheitern der Gespräche in Sirte ist jedoch, dass weder die UN noch die AU Willens sind, Khartum energisch die Stirn zu bieten. Die sudanesische Regierung hat einen ganzen Katalog von Verstößen gegen internationale Abkommen vorzuweisen: Sie widersetzt sich UN-Resolutionen, erschwert die Entsendung von humanitärer Hilfe und behindert auf mannigfaltige Weise die Entsendung der UN/AU Hybridtruppe. Das Regime in Khartum hat den Nord-Süd Friedensbeschluss von Januar 2005 gebrochen, und ebenso versagt sie die Erfüllung von Vereinbarungen des Abuja Friedensabkommen, z.B. die Entwaffnung der Janjaweed. Somit haben die Rebellen und die Menschen in Darfur wahrlich keinen Grund, den  Lippenbekenntnissen dieser Regierung zu trauen. Bisher hat sie sich noch nie an Vereinbarungen mit Rebellengruppen gehalten – also warum sollte es diesmal anders sein? Schließlich wurden selbst die Janjaweed von der Regierung betrogen. So ließ Khartum den Versprechungen, ihnen enteignetes Land zu geben, bisher keine Taten folgen. Nun herrscht in Darfurs Bevölkerung die von der Zentralregierung gesäte Gewalt, ganz gleich, ob es sich dabei um arabische oder afrikanische Stämme handelt.

Nichts wünschen sich die Menschen in Darfur mehr als ein Friedensabkommen, denn was am dringlichsten ersehnt wird ist Sicherheit. Hier und jetzt. Die Verbesserung der Sicherheitslage ist lebenswichtig, denn hiervon hängt auch die humanitäre Hilfe ab, von der heute ca. 4,2 Millionen Darfurer abhängig sind.  Bisher gibt es aber niemanden, der für ein solches Abkommen zu garantieren bereit ist, was die Ergebnisse von Friedensgesprächen leicht Makulatur werden lassen kann. Friedensgespräche werden aber nur dann erfolgreich geführt werden, wenn glaubhafter Druck auf die Beteiligten ausgeübt wird. Zu einem Gelingen ist die Unterstützung Pekings unerlässlich. Bisher hat China jedoch jegliche Sanktionen gegen Khartum verhindert und damit dem Regime von Khartum den Eindruck vermittelt, dass es mit einer Blockadetaktik ungestraft davon kommen kann. Die Rebellenführer müssen ernst genommen werden. Auf eine gemeinsame Position muss hingearbeitet werden. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass den Darfurern in den Flüchtlingslagern bei den Verhandlungen eine Stimme verliehen wird. Der Ort der nächsten Verhandlungen muss in einem größeren Einvernehmen gefunden werden, auch wenn Einstimmigkeit eine Utopie bleiben wird.

In der Zwischenzeit muss die sich verschärfende Sicherheitskrise angegangen werden. Denn wenn die Flüchtlingslager in Gewalt untergehen, werden hunderttausende Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, sterben. Für diese Toten käme ein Friedensabkommen zu spät.

Unsere Autorin Johanne Kübler ist Policy Analyst für Genocide Alert.

Klimawandel als Ursache des Völkermords in Darfur?

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) berichtete am 21. Juni 2007, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gebe, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. Das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur ist enorm. Seine Auswirkungen sind gemäß des Berichts der UNEP einer der Auslöser für den Konflikt in Darfur.

Klimawandel und der Völkermord in Darfur

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) berichtete am 21. Juni 2007, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gebe, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. Das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur ist enorm. Seine Auswirkungen sind gemäß des Berichts der UNEP einer der Auslöser für den Konflikt. Diese Feststellung wirft ein Schlaglicht auf die sicherheitspolitischen Implikationen der Erderwärmung. Es stellt sich aber auch die Frage, in wie weit durch eine solche Analyse von der Verantwortung der sudanesischen Regierung abgelenkt wird, denn schließlich hat sie die politische Entscheidung zum Völkermord getroffen.

Klimawandel als Ursache für die Krise in Darfur?

Der Bericht besagt, dass ein steigender Konkurrenzkampf um Wasser, Nahrung, Land und Bauholz bei gleichzeitiger Abnahme von Regenfällen (als Resultat des regionalen Klimawandels) ein signifikanter Stressfaktor in Darfur ist. Die wenigen Teile nutzbaren Landes waren schon in der Vergangenheit eine Quelle von Konflikten zwischen Nomaden (tendenziell Araber) und sesshaften Farmern (Araber und Afrikaner). Arabische Nomaden und sesshaften Farmer arbeiteten in der Vergangenheit jedoch zusammen und bildeten so eine sozio-ökonomische Symbiose. Die Farmer erlaubten den Nomaden ihr Vieh auf ihr Land zu lassen. Als Gegenleistungen bekamen sie Milch, Fleisch und andere Naturalien. Konflikte wurden auf traditionelle Weise gelöst, so dass es zu keinen andauernden Konflikten zwischen Stämmen kam. Die Auswirkungen des regionalen Klimawandels haben die Ausgangssituation in Darfur jedoch verschärft und zur Entstehung von Konflikten beigetragen, da bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum eine geringere Anzahl an natürlichen Ressourcen zur Verfügung steht. Auch wenn der Klimawandel sicherlich eine Ursache für zunehmende Konflikte in der Region ist, so kann dieser jedoch nicht für den von der sudanesischen Regierung organisierten Völkermord verantwortlich gemacht werden. Völkermord ist keine Naturkatastrophe sondern immer eine beabsichtigte und geplante Politik zur Zerstörung bestimmter Volksgruppen. Die zunehmende Ressourcenknappheit war unter diesem Gesichtspunkt eine der strukturellen Ursachen für den Ausbruch des Konflikts zwischen Regierung und Rebellen. Die tatsächliche Entscheidung zur Vernichtung, Vertreibung, Terrorisierung und Vergewaltigung von unschuldigen Zivilisten bestimmter afrikanischer Stämme ist jedoch eine willentliche Entscheidung gewesen, für welche die Regierung in Khartum zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Ist Darfur nur der Anfang?

Die Verwüstung in Darfur zeigt die potentiellen katastrophalen Effekte des Klimawandels auf Gesellschaften in Afrika. Mittlerweile kommt es auch in Flüchtlingsgebieten angrenzender Staaten wie dem Tschad oder der Zentralafrikanischen Republik zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Zivilisten. Lokale Farmer beklagen beispielsweise, dass der Zustrom von Flüchtlingen ihr Land ruiniere. Die Anzahl an Flüchtlingen in den Flüchtlingslagern ist zu groß und zu schlecht versorgt, so dass es zu grassierender Wasser- und Feuerholzknappheit kommt. Für die Frauen, Kinder und Männer vor Ort bedeutet dies oft den Tod. Insgesamt schätzt Die UN schätzt, dass das Leben von mehr als 90 Millionen Menschen in Afrika durch die globale Erwärmung gefährdet ist. In diesem Zusammenhang veröffentlichten am 16. April 11 U.S. Generäle einen Bericht, welcher den Klimawandel als einen „Bedrohungs – Multiplikator“ in brisanten Teilen der Welt bezeichnet. Darfur ist also nicht nur eine Herausforderung zur Beendigung eines grausamen Völkermords. Es ist auch ein Test für die Fähigkeit der Weltgemeinschaft zukünftige Kriege um Ressourcen in Afrika zu verhindern. Es gibt nach wie vor viele Gegenden in der Welt, in denen sich ähnliche Probleme entwickeln. Deswegen ist es wichtig, den Völkermord in Darfur nicht nur als sicherheitspolitische Problem zu sehen, sondern ihn auch als humanitäre und ökologische Herausforderung zu verstehen. Frieden in Darfur

Der jahrzehntelange Konflikt in Dafur schädigt die Umwelt in vielen Teilen des Landes. UNEP hat erklärt, dass Investitionen ins Umweltmanagement – finanziert von der internationalen Gemeinschaft und den Erlösen des Erdöl- und Erdgasexports – ein entscheidender Teil jedes Friedensprozesses im Sudan sein muss. Helfen könnten beispielsweise neue Technologien zur Bewässerung oder Wasserspeicherung sowie eine gute Landnutzungspolitik. Der Klimawandel wird künftig die Verfügbarkeit von nutzbarem Land und natürlichen Ressourcen einschränken. Aus diesem Grund ist Afrika auf die Hilfe der Industriestaaten angewiesen, die durch stärkere finanzielle Hilfen, Technologietransfer und eine Senkung ihrer Treibhausgas-Emissionen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können.

Links:

A Climate Culprit In Darfur – By Ban Ki Moon

SUDAN: UN Says Ailing Environment a Key „Stress Factor“

Times: How to prevent the next Darfur

The UN’s bloody failure: Ban Ki-moon’s self-serving and preposterous explanations obscure the real reasons for the crisis in Darfur.

Stell dir vor es ist Völkermord und keiner geht hin

Zu dieser Stunde findet in der westsudanesischen Provinz Darfur der erste Völkermord des 21. Jahrhunderts statt. Doch statt etwas dagegen zu tun, verneint die Politik diese Tatsache und präsentiert stattdessen scheinheilige Ausreden, warum sie nicht eingreifen. Aber so kann es nicht weitergehen. Wir, die Bürger, sind gefragt.

Laut UNO befinden sich im Darfur über 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht, ca. 400.000 Zivilisten sind ermordet worden. Warum? Nicht weil sie etwas getan haben. Sie werden ermordet, vergewaltigt, gefoltert und vertrieben bloß weil sie sind. Dies sollte uns bekannt vorkommen: Kosovo 1999, Bosnien 1995, Ruanda 1994, Irak 1988, Kambodscha 1979, Deutschland 1945 und Türkei 1915 sind nur die bekanntesten Beispiel für die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind aber genauso Zeugnisse für die Mitschuld unserer eigenen Regierungen, die nicht eingriffen um das Morden zu verhindern. Unter dem Eindruck des Holocaust verabschiedete die UNO im Jahr 1948 die sogenannte Genozid-Konvention. Hiernach ist Völkermord ein internationales Verbrechen, das jeder Staat zu verhüten verpflichtet ist. Leider sind in den folgenden Jahren keine Taten gefolgt. Noch immer ist es schwer, den notwendigen politischen Willen zu mobilisieren, wenn es um den Schutz fremder Menschen geht. Die Ausreden sind dabei immer die gleichen:

 Perverse Konsequenz:

„Wenn wir eingreifen würden noch viel mehr Menschen sterben.“ Dieses Argument wurde nicht zuletzt von US Generälen vorgebracht, um ein Bombardierung von Auschwitz zu verhindern.

 Hilflosigkeit:

„Es ist unmöglich für uns den uralten Hass zwischen diesen Menschen zu stoppen.“ So begründete Bill Clinton im Jahr 1994, warum die USA nicht in den ruandischen Völkermord eingreifen wollten. 800.000 Tote und 9 Jahre später erklärte Clinton, dass fünf- bis zehntausend Soldaten dem Völkermord hätten Einhalt bieten können.

 Gefahren-Abwehr:

„Wenn wir eingreifen, bringen wir Hilfsorganisationen und Blauhelme in Gefahr von Racheaktionen.“ 200.000 ermordete bosnische Muslime zu spät bombte die NATO im Jahr 1995 Slobodan Milosevic an den Verhandlungstisch und erreichte ein lange überfälliges Friedensabkommen.

Völkermorde sind keine Naturkatastrophen, die plötzlich und unaufhaltsam über uns hereinbrechen. Völkermorde haben eine Vorwarnzeit von mehreren Jahren, wenn man die Zeichen zu deuten weiß. Es mangelt uns nachweislich nicht an Informationen oder Wissen. Völkermord ist verhinderbar, wenn der politische Wille zum rechtzeitigen Eingreifen mobilisiert wird. Wenn Völkermord aber erst einmal geschieht, muss die internationale Gemeinschaft mit allen notwendigen Mitteln eingreifen. Dies schließt militärische Gewalt ausdrücklich mit ein. Der Westen ist seit spätestens 2003 detailliert über den  Völkermord im Sudan und die Verantwortlichkeit der sudanesischen Regierung informiert. Getan hat sich allerdings kaum etwas. China macht hervorragende Geschäfte mit dem Sudan und wird damit zum Komplizen eines Regimes, welches seine eigene Bevölkerung ermordet und vergewaltigt. Gleichzeitig möchte sich China mit den Olympischen Spielen 2008 als „friedliche und verantwortliche Weltmacht“ präsentieren. Die Erwartungen sind hoch, der Stolz enorm. Was kann man also tun? Genau an dieser Stelle setzt die Kampagne „Genocide Olympics“ an, welche die Olympischen Spiele als Plattform zur Bloßstellung Chinas inhumaner Politik im Sudan nutzen will. Ziel ist es, die chinesische Regierungspolitik durch eine Strategie aktiven internationalen Beschämens an den Pranger zu stellen. Diese Art von öffentlichem Druck hat auch Steven Spielberg (Botschafter für die Spiele 2008) zu spüren bekommen, als amerikanische NGOs ihn als neue „Leni Reifenstahl“ darstellten. Als Folge flog ein chinesischer  Sonderabgeordneter nach Darfur und erreichte eine bis dahin als unmöglich angesehene Zustimmung Khartums zur Stationierung von 26.000 UN-Soldaten. Man sieht also: Öffentlicher Druck kann helfen!

Was kann man hier, vor Ort tun? Vor allem öffentlichen Druck aufbauen, z.B. durch stetiges Klagen und Fragen seiner örtlichen Bundestagsabgeordneten, wie Er/Sie sich an diesem Thema beteilige um den Menschen zu helfen. Was kann die Regierung tun? Sich für einen besseren Schutz von Zivilisten vor Mord und Vergewaltigung einsetzen; zu einer politischen Lösung der Krise beitragen; und dem Internationalen Strafgerichtshof in Dan Haag bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechern helfen. Was können Unternehmen tun? Sich wirtschaftlich mit Verweis auf aus dem Sudan zurückziehen. Im April 2007 hat zum Beispiel Rolls Royce sich der „Desinvestitionskampagne“ in England angeschlossen. Was können die Parteien tun? Innerparteilich Druck machen und das Thema auf die innenpolitische Tagesordnung der Mandatsträger setzen. Zu diesem Zweck ist eine Vernetzung von Parteien mit zivilgesellschaftlichen Gruppen ein muss. Unser Handeln entscheidet, ob „internationale Solidarität“ und „nie wieder Auschwitz“ bloße Floskel oder politisches Leitbild sind.

Welche Tat ist nobler als einem Fremden zur Hilfe zu kommen, der dir weder Dank noch Lohn geben kann?

Link: Stanton, Gregory: Twelve Ways to Deny a Genocide, 2004

[Genocide Alert ist nicht zwingend der Ansicht der Autoren dieses externen Links]

Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe in Darfur

Vergewaltigung ist ein Akt von Gewalt und Aggression, in dem es dem Täter darum geht, Dominanz und Macht gegenüber dem Opfer zu demonstrieren. Die betroffenen Frauen erleben häufig starke Angst, Machtlosigkeit und Erniedrigung. Sie sind dem Täter schutzlos ausgeliefert und empfinden oft die Bedrohung des eigenen Lebens.

Vergewaltigung ist eine der schlimmsten und schwerwiegendsten Formen von Gewalt. Sie dient nicht der Befriedigung des Sexualtriebs, sondern ist eine sexualisierte Form von Macht und Kontrolle. In Kriegen sind Vergewaltigungen zumeist ein Instrument des organisierten Terrors der Zivilbevölkerung. Den Tätern dient sie als Bestätigung ihrer Männlichkeit und Fähigkeit, auf ihre Opfer Macht auszuüben. Massenvergewaltigungen dienen vor allem der Demoralisierung und/oder Vertreibung des Feindes, welcher durch sein Versagen als Beschützer seiner Gruppe in seiner Identität angegriffen wird. Dies macht sexuelle Gewalt zu einem Instrument des Völkermords, zu einer effektiven Waffe, die somit zunehmend gezielt als Kriegsstrategie eingesetzt bzw. indirekt gefördert und geduldet wird.

Physische, psychische und soziale Folgen von Vergewaltigung

Vergewaltigung hat das Ziel, Frauen zu demütigen, einzuschüchtern und ihnen ihre Persönlichkeit zu nehmen, indem sie auf ihr Geschlecht reduziert werden. Somit haben Vergewaltigungen viel belastendere psychische Folgen als andere aggressive Handlungen. Die physischen/medizinischen Folgen sind zum einen sexuell übertragbaren Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften. Oftmals werden den Opfern bei der Gewalttat aber auch so schwere Verletzungen zugefügt, dass die Frauen keine Kinder mehr bekommen können.

Frauen sind häufig Opfer von Gewalt in DarfurHinzu kommen zahlreiche psychische Langzeitschäden und soziale Konsequenzen. Die Opfer leiden unter Traumatisierungen mit lang anhaltenden psychischen Symptomen wie Angstzuständen und übermäßige Schreckhaftigkeit, stetiges Wiedererleben des Traumas (Flashback), Schlafstörungen und Alpträume, Apathie und Depressionen, Konzentrationsstörungen, Nervosität, veränderte Körperwahrnehmung, sexuelle Störungen, Kontaktschwierigkeiten, Gefühle von Entfremdung, Empfindungslosigkeit, Einsamkeit und tiefer Demütigung und Scham. Oft wird das traumatisierende Erlebnis so stark verdrängt, dass sogar zu einer Amnesie kommt. „Alle diese Symptome sind Reaktionen auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung, die außerhalb der menschlichen Erlebnisskala liegen und die die üblicherweise zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen eines Menschen überfordern. Viele Frauen und Mädchen erholen sich nie von diesem Trauma und leiden Zeit ihres Lebens unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Sexuelle Übergriffe können das Vertrauen in sich selbst, in andere Menschen und zum eigenen Körper nachhaltig erschüttern und verursachen ein dauerhaft niedriges Selbstwertgefühl, welches oft in Suizidgefährdung und Alkohol- und Drogenmissbrauch mündet.

    „Eine Frau, die einem Angriff auf ihr Dorf entkommen konnte, wurde Augenzeugin, wie ein zwölfjähriges Mädchen von fünf Männern vergewaltigt wurde; Das Mädchen starb kurze Zeit nach der Gewalttat.“

(Totten and Markusen: Genocide in Darfur – Investigating the Atrocities in Sudan, S.44)

 

Viele Vergewaltigungsopfer haben auch Schuldgefühle und fühlen sich mitverantwortlich für das Geschehene. Dies erschwert es ihnen, sich zur Verarbeitung des Traumas Hilfe von außen zu holen. Dabei ist gerade die soziale Unterstützung enorm wichtig, da ein gutes und sicheres gesellschaftliches und familiäres Umfeld ein guter Schutz gegen die chronischen Folgen von Traumatisierung ist. Doch gerade in vielen Kulturen der so genannten „Dritten Welt“ ist diese Unterstützung nicht gegeben, im Gegenteil: Erhebliche soziale Folgen machen den vergewaltigten Frauen und Mädchen das Leben schwer. Sie werden gesellschaftlich stigmatisiert und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Da auch Familie und Angehörige oftmals eine Mitschuld bei den Opfern suchen, werden viele Frauen von ihren Männern verstoßen – insbesondere wenn es durch die Vergewaltigung zu einer Schwangerschaft kam. Für junge Mädchen ist es sehr schwer, überhaupt einen Mann zu finden, wenn sie bereits ihre Jungfräulichkeit verloren haben. Eine junge Frau aus Darfur berichtet: „Sechs Tage lang, Nacht für Nacht, haben uns fünf bis sechs Männern stundenlang vergewaltigt. Eine nach der anderen. Mein Mann konnte mir das nicht verzeihen. Er hat mich verstoßen.“ Aufgrund des tiefen Schamgefühls und der Angst vor Verstoßung und Verachtung schweigen viele Frauen ihre traumatischen Erlebnisse tot und gehen innerlich daran kaputt, haben keine Lebensfreude mehr und stumpfen ab. Die gesellschaftlichen Folgen von Vergewaltigung lassen sich bis in die dritte, vierte Generation zurückverfolgen und bringen Rückzug und soziale Isolation mit sich.

In Darfur wird Vergewaltigung gezielt als Kriegswaffe eingesetzt, da durch die Vergewaltigung nicht nur einzelne Frauen gedemütigt, sondern ganze Volksgruppen erniedrigt werden. Die Vergewaltigungen haben System. Nicht nur die Frauen als Individuen werden gequält und gedemütigt. Im Grunde wird eine ganze Volksgruppe erniedrigt. Das ist das eigentliche Ziel der Janjaweed. Oft finden die gewaltsamen sexuellen Übergriffe auf Frauen und Mädchen sogar vor den Augen der Dorfgemeinschaft statt; Demütigung und Erniedrigung sind wirksame Waffen um den Zusammenhalt der Gemeinschaften zu zerstören.

Die aktuelle Situation in Darfur

In Darfur werden täglich unzählige grausame Verbrechen von den Janjaweed-Milizen und Soldaten der sudanesischen Regierung an der Zivilbevölkerung begangen. Während die Männer Opfer von Mord und Gewalt werden, da sie als (potenzielle) Kämpfer das Feindbild repräsentieren, sind es die Frauen in ihrer Rolle als Träger der Kultur und Verantwortlichkeit für die kommenden Generationen. Im Kontext von gewaltsamen Konflikten mit der Zivilbevölkerung sind daher zumeist Frauen die primären Ziele der Gewalt, da hier die größte Verwundbarkeit der Volksgruppe besteht. Aufgrund ihrer großen Verantwortung für die Gemeinschaft stehen sie dem Dorf  mental und physisch meist näher als die Männer und bieten daher mehr Angriffspunkte. Außerdem sind sie aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit und als Zielobjekte sexueller Gewalt für die Täter attraktiver und  durch die Entwürdigung und Machtlosigkeit wird die ganze Gruppe gedemütigt.

„Ich schlief noch als der Angriff auf Disa anfing. Ich wurde von den Angreifern weggebracht, sie waren alle in Uniformen gekleidet. Sie verschleppten duzende anderer Mädchen und zwangen uns drei Stunden lang zu marschieren. Tagsüber wurden wir von ihnen verprügelt und man sagte uns: “Ihr schwarzen Frauen, wir werden euch umbringen, ihr habt keinen Gott.“ In der Nacht wurde wir mehrfach vergewaltigt. Die Araber bewachten uns mit vorgehaltenen Waffen, wir bekamen drei Tage lang keinen Bissen zu essen.“

(Amnesty International 19.07.2004: Darfur: Rape as a weapon of war: sexual violence and its consequences)

 

Frauen werden nicht nur Opfer systematischer Massenvergewaltigung durch gewaltsam erzwungenen Geschlechtsverkehr, sondern sie werden auch auf andere grauenvolle und perverse Weise in ihrem Intimbereich geschändet, z.B. durch die Einführung von Gegenständen in die Vagina oder die Verstümmelung der Geschlechtsteile (auch bei Jungen und Männern). In vielen Fällen werden ihnen dabei so schlimme Verletzungen zugefügt, dass sie die Gewalttat nicht überleben.

Die Vergewaltigungen finden zumeist bei den Überfällen auf die Dörfer und oft vor den Augen der wehrlosen Dorfgemeinschaft statt. Viele Mädchen und Frauen werden daraufhin von den Milizen entführt und für einige Zeit festgehalten, um Opfer weiterer, tagelanger Massenvergewaltigungen zu werden. Um sie am Weglaufen zu hindern, werden ihnen die Beine gebrochen. Viele Frauen und Mädchen werden nach der Tat getötet. Einige werden jedoch auch bewusst am Leben gelassen, da die Täter die Vergewaltigung als noch schlimmer als den Tod ansehen. Fast alle Opfer dieser Sexualverbrechen können – wenn sie überhaupt überleben – nach den gewaltsamen Übergriffen auf ihre reproduktiven Geschlechtsorgane keine Kinder mehr bekommen. Wenn sie bei der Gewalttat bereits schwanger waren, verlieren sie meistens ihr Kind.

Fast immer werden die Sexualverbrechen von weiteren Formen der Gewalt oder des Missbrauchs begleitet, wie Schläge, grausame Foltermethoden, Nötigung zur Nacktheit, (sexuelle) Sklaverei, unmenschliche Bedingungen, Zerstörung ihrer Häuser, Familien, Gemeinden und der gesamten Existenzgrundlage. Vor der Gewalt, der sexuellen Ausbeutung und ihren Folgeerscheinungen sind hunderte von Dörfern in Nord-, West- und Süd-Darfur betroffen. Zunehmend finden auch in Städten und in der Umgebung von Flüchtlingslagern Vergewaltigungen statt. Keine Frau kann ohne Angst das Lager verlassen, wenn sie auf die Suche nach Brennholz oder Nahrung geht, um das Überleben ihrer Familie zu sichern.

Vergewaltigung wird zu einem umfassenden Problem in Krisengebieten, das immer größere und gravierendere Ausmaße annimmt – eine Kriegsstrategie, die durch Demütigung und Unterwerfung ganze Volksgruppen zunichte macht.
Für weitergehende Information:

Women abducted, raped and kept as sex slaves following the December 2006 attacks on Deribat (OHCHR – 20.08.2007)

Laws Without Justice: An Assessment of Sudanese Laws Affecting Survivors of Rape (Refugees International – 27.06.2007)

Sexual Violence and its Consequences among Displaced Persons in Darfur and Chad (Human Rights Watch – April 2005)

Darfur: Rape as a weapon of war: sexual violence and its consequences (Amnesty International – 19.07.2004)