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DIE LINKE – Menschenrechte? Durchgefallen.

Die Partei „Die Linke“ ist mit der Note 5 (mangelhaft) das Schlusslicht und somit wie bereits im Jahr 2009 durchgefallen. Zwar zeichnet sich das Wahlprogramm durch wiederholte Bekenntnisse zum Schutz der Menschenrechte aus. Die Bedeutung, die Die Linke der zivilen Krisenprävention zukommen lässt, ist ebenso zu loben, wie die geforderte Aufstockung des „Zivilen Friedensdienstes“ und des Aufbaus eines europäischen Friedensdienstes. Auch werden die ökonomischen Ursachen von Konflikten und Menschenrechtsverletzungen betont, eine „Transparenz und Rechenschaftspflicht“ für den Handel und eine Verpflichtung deutscher Konzerne zur Wahrung von „sozialen und demokratischen Rechte[n]“ gefordert sowie Rüstungsexporte kategorisch abgelehnt.

Trotz einer Reihe guter Forderungen bleibt das Wahlprogramm der Linken in menschenrechtspolitischer Hinsicht allzu oft inkonsequent, undifferenziert und diffus. Zur Verhinderung systematischer Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie der Bestrafung solcher Verbrechen finden sich nicht nur keine positiven Hinweise im Wahlprogramm, sondern reihenweise problematische Positionen. Ein Beispiel ist die Aussage, dass „die weltweite Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte dem Gewaltverbot der UNO-Charta untergeordnet“ sein sollte. Dies verkennt nicht nur die Legalität und Legitimität von UN-Friedensmissionen, sondern verlässt den Boden, auf dem die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht stehen. Die Linkspartei konstruiert als einzige Partei im Bundestag einen Widerspruch zwischen Frieden und Menschenrechtsschutz, der unreflektiert und aus menschenrechtspolitischer Sicht zu kritisieren ist. Ebenso wenig will sie den Respekt der Menschenrechte als Kriterium für die Ausgestaltung bilateraler Beziehungen anerkennen, was insbesondere aus entwicklungspolitischer Sicht nicht nachzuvollziehen ist.

Es ist zu begrüßen, dass sich die Partei in ihren Antworten auf die Wahlprüfsteine von Genocide Alert grundsätzlich zur Responsibility to Protect und zum Internationalen Strafgerichtshof bekennt. Sie konterkariert diese Stellungnahme jedoch, indem sie ein militärisches Eingreifen selbst im Fall eines Genozids kategorisch ablehnt. Wie auf drohende oder laufende systematische Menschenrechtsverbrechen reagiert werden soll, beantwortet die Partei nicht. Aus diesem Grund muss die Partei am Ende des Tages mit einer 5 (mangelhaft) bewertet werden.

Zitate aus dem Wahlprogramm

„[Wir fordern] das sofortige Verbot aller Exporte von Kleinwaffen und Waffenfabriken. Es sind gerade diese so genannten Kleinwaffen – Sturmgewehre und Maschinenpistolen – mit denen die meisten Menschen in den Kriegen dieser Welt getötet werden, sie sind die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts.“

„Militärinterventionen werden oftmals mit Verweis auf »Sicherheit« gerechtfertigt: »Sicherheit vor Terrorismus« oder »Sicherheit vor regionaler Destabilisierung«, die militärisch hergestellt werden soll. Gegen dieses Verständnis von Sicherheit stellen wir den Ansatz der Sicherheit vor Hunger, Ausbeutung, Armut und Gewalt. Das Erstarken von gewalttätigen Gruppierungen und politische wie wirtschaftliche Destabilisierung haben ihre Ursachen fast immer in Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Daran tragen die Konzerne und die Politik der Bundesregierung entscheidend Mitverantwortung. Wir stellen uns gegen diese aggressive Politik und sind solidarisch mit allen Menschen weltweit, die für Frieden, sozialen Fortschritt und Demokratie kämpfen. Das ist die Alternative zur militärischen Intervention. Wir wollen die Lösung der Konfliktursachen und die Gewaltvorbeugung in den Mittelpunkt der deutschen Politik stellen.“

„Auch die weltweite Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte ist dem Gewaltverbot der UNO-Charta untergeordnet. Wir stellen uns gegen jeden Versuch, Menschenrechte gegen das Völkerrecht auszuspielen und sie als Kriegsbegründung zu missbrauchen, wie es alle Bundesregierungen der letzten 15 Jahre getan haben.“

 Hier können Sie das gesamte Genocide Alert Menschenrechtszeugnis herunterladen (pdf)

Fotoquelle: Pressestelle DIE LINKE

Ein trauriger Irrtum – Die Linkspartei und die Schutzverantwortung

Wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern ist die Linkspartei stets ganz vorne mit dabei – und das ist gut so. Durch unbequeme Fragen eröffnen sie das Störfeuer gegen eine Realpolitik, in welcher Wirtschaftsinteressen Vorfahrt gegenüber Menschenrechten haben. Leider kommt jedoch der Partei ihr ebenso großer Eifer in Sachen „Anti-Militarismus“ und ihr Generalverdacht des „westlichen Imperialismus“ gerade dann in die Quere, wenn es darum geht, die allerschlimmsten Formen der Menschenrechtsverletzungen – Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit- zu verhindern.
Dieser Irrtum ist nicht nur traurig aufgrund der Missverständnisse, welchen dieser falsch verstandene Pazifismus aufsitzt, sondern ist in seiner Konsequenz auch tödlich für die Menschen, für welche die Linkspartei zu sprechen meint. In ihrer fundamentalen Ablehnung von UN-Mission ignoriert die Linkspartei, dass die Blauhelme von UNAMID in Darfur oder MONUCSO im Ost-Kongo trotz ihrer Unzulänglichkeiten oft die Einzigen sind, welche für einen wenigstens minimalen Schutz der Bevölkerung sorgen, in dem sie vor Überfällen auf Dörfer abschrecken und beispielsweise Zivilisten beim Sammeln von Feuerholz begleiten.
Deutlich wird dieser Irrtum auch in ihrer Haltung zur Schutzverantwortung. Die jüngsten innerparteilichen Diskussionen zeigen zwar, dass es hier zumindest Hoffnung auf eine differenziertere Positionierung gibt. Letztendlich sind jedoch diejenigen Stimmen nach wie vor lauter, welchen das reine Dogma schwerer wiegt als ein Massengrab.
In dem Papier „Reformen zur Stärkung der UNO sind notwendig und machbar -Vorschläge für eine linke Positionierung zur Weltorganisation“ vom August 2011 wagten dessen Autoren André Brie, Ernst Krabatsch, Stefan Liebich, Paul Schäfer und Gerry Woop einen Schritt der zeigt, dass es auch in der Linkspartei Außenpolitiker gibt, die sich einem Umdenken nicht gänzlich verschließen.
Ein Abschnitt aus dem Menschenrechtskapitel lässt aufhorchen: „Die UNO haben Ende der 1990er Jahre einige zentrale Weichenstellungen zur Stärkung der Menschenrechte vorgenommen, zu denen die Annahme des Statuts des IStrGH in Den Haag (Römisches Statut vom 17. Juli 1998) und das […] Konzept der Schutzverantwortung (‚responsibility to protect‘) gehören. Dieses Konzept ist ein Kernstück des Übereinkommens zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords.“ Die Schutzverantwortung eine „zentrale Weichenstellung zur Stärkung der Menschenrechte„? Das wäre in der Tat eine längst überfällige Einsicht der Linkspartei, welche bislang darin doch ausschließlich ein Werkzeug des Neokolonialismus sieht.
Erfreulich ist ebenfalls, dass in dem Papier auch die erste und dritte Komponente – die Verantwortung zur Prävention und zum Wiederaufbau – als Teil der RtoP zur Kenntnis genommen werden – was in der Auseinandersetzung mit der Schutzverantwortung allzu oft, und nicht nur von Seiten der Linkspartei, vergessen wird.
Ist nun also auch in der Linkspartei der Weg zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Schutzverantwortung frei? Werden sich am Ende gar diejenigen durchsetzen, welche bereit sind, im Angesicht eines Völkermordes auch mal ein Dogma hintenanzustellen? Vorerst wohl nicht. Denn die Dogmatiker melden sich gleich umso lauter zu Wort. Und zwar so laut und grell, dass man nur noch mit dem Kopf schütteln kann. Die bloße Erwähnung der RtoP reich dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linken, Jan van Aken, in dem differenzierten Papier seiner Parteigenossen vor allem eins zu sehen: „eine Kampfschrift für militärische UN-Interventionen“, letztendlich gar eine „Militäreinsatz-Propaganda“.

Sein Argument gegenüber der Sanktionierung militärischer Zwangsmaßnahmen durch den UN-Sicherheitsrat lautet: „die Kriterien sind butterweich, unklar definiert und können sehr weit ausgelegt werden.“ Und weiter: „Was z. B. als „massenhafte systematische Menschenrechtsverletzung“ gilt, darüber entscheiden vor allem Machtinteressen und massive Medienkampagnen. Rein formal sind auch die Sanktionen gegen Hartz-IV-Betroffene, die das Existenzminimum wegkürzen, ‚massenhafte systematische Menschenrechtsverletzungen‘.“ Van Aken hat recht, massenhafte systematische Menschenrechtsverletzungen gibt es leider zu genüge. Deren Grausamkeit mit Hartz-IV gleichzusetzen, kann man nur als eine geschmacklose Verunglimpfung der Opfer verurteilen. Und dennoch: Überall dort militärisch zu Intervenieren, wo Menschenrechte verletzt werden ist keine sinnvolle Option. In diesem Punkt ist Van Aken zuzustimmen.

Nur: Diese Argumentation verfehlt an dieser Stelle vollständig und zeugt von einen fundamentalen Missverständnis des Konzepts der Schutzverantwortung. In ihr geht es nicht um Menschenrechtsverletzungen per se. Lediglich Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit fallen unter die Schutzverantwortung. Van Aken sollte wissen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit etwas anderes sind, als Menschenrechtsverletzungen. So schwierig es im Einzelfall auch sein mag, zu entscheiden, wann das Ausmaß erreicht ist, welches ein Eingreifen notwendig macht – butterweich sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit wohl kaum – und bei Hartz-IV sollte es für eine Intervention nach diesen Kriterien sicherlich nicht reichen. Schlimmer noch: Wieder einmal wird der Kernpunkt des Konzeptes der RtoP verkannt: Es geht darin nicht nur darum, Wege zu finden, um derartige Massenverbrechen vorzubeugen und in akuten Situationen zu unterbinden. Es ging in der Entwicklung der Schutzverantwortung von Anfang an vor allem darum, in der Debatte um die Willkür eines „Rechts zur humanitären Intervention“ eine Alternative zu bieten, welche sich einem möglichen Missbrauch verschließt.

Man muss sich fragen, ob dieses Missverständnis lediglich auf Unwissenheit beruht, was verwundern würde, oder ob eine bewusste Täuschung über das Konzept der Schutzverantwortung gewollt ist – es ist immerhin auch ganz praktisch, sich in dem Selbstverständnis als der „einzigen echten Friedenspartei“ gegenüber den „Kriegstreibern“ von SPD und Grünen im linken Lager abgrenzen und dies wahltaktisch Ausschlachten zu können. Bleibt die Frage, ob man lieber über Leichen gehen würde, als für die Verhinderung eines Völkermordes einen Populismus aufzugeben? Es ist zu hoffen, dass die Genossen um André Brie den Mut haben, sich den Kriegstreibervorwürfen aus der eigenen Partei zu stellen und mit unbequemen Fragen in Sachen Menschenrecht vielleicht auch einmal innerhalb der Linkspartei ein Störfeuer zu entfachen.

Christoph Schlimpert