Beiträge

Wir brauchen unabhängige Beobachter in Darfur!

Am 24. September hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Mandat der Sonderberichtserstatterin Sima Samar um sechs Monate SimaSamar verlängert. Der Menschenrechtsrat hat sich so selbst die Chance genommen, eine eindeutige Position gegen Völkermord zu beziehen. Er droht sich durch eine solche Haltung mittelfristig überflüssig zu machen.

Abdel Daiem Zumrawi, Untersekretäaer des sudanesischen Justizministeriums, hatte sich zuvor mit der Forderung an den UN Menschenrechtsrat gewandt, das bestehende Mandat der derzeitigen Sonderermittlerin Sima Samar, nach dessen Ablauf im Dezember, nicht zu erneuern. Dieser Schritt wurde von ihm damit begründet, dass Sima Samar „terroristische Attacken“ der Rebellengruppen nicht verurteilt habe. Weiterhin hatte Zumrawi die Sonderermittlerin als „Agentin der Europäischen Union“ bezeichnet. Dies kann nur als weiterer Versuch des Sudan gewertet werden, Kritik an seinen Handlungen in Darfur abzuwenden. Samar war stellvertretende Premierministerin in Afghanistan und wirkt seit 2005 als UN Menschenrechtsberichterstatterin im Sudan. In einem Bericht vom 9. September 2008 erklärte sie, dass die Situation in Darfur weiterhin düster sei. Unbeteiligte Zivilisten würden sowohl von der Regierung als auch von Rebellengruppen getötet. Außerdem fänden willkürliche Festnahmen und Folter statt. Frau Samar hebt in ihrem Bericht insbesondere die willkürliche und unverhältnismäßige Bombardierung, sowie das Verschwinden von Zivilisten durch sudanesische Kräfte hervor.

Seit 2003 wurden ca. 400.000 Menschen in Darfur getötet und weitere 2,5 Millionen aus ihren Heimatstäaetten vertrieben. Im vergangen Jahr hat sich der UN Menschenrechtsrat dazu überreden lassen, den Bericht einer von der amerikanischen Friedensnobelpreistraegerin Jody Williams geleiteten Kommission zur Menschenrechtslage in Darfur zu ignorieren. Auf die Mitarbeit des Sudans bei der Verbesserung und Kontrolle der Menschenrechtslage zu hoffen, scheint in Anbetracht dieser Umstände und dem bisherigen hinderlichen Verhalten des Sudans nicht angebracht.

In diesem Sinne fordert Genocide Alert die Bundesregierung dazu auf, vor dem Geschehen in Darfur nicht die Augen zu verschließen und sich im UN Menschenrechtsrat aktiv dafür einzusetzen, dass die Menschenrechtslage weiterhin unabhängig beobachtet wird.

Zwar ist das Mandat Frau Samars verlängert worden, jedoch auf Druck des Sudan hin nur für sechs Monate. Dies ist eine große Enttäuschung. Die Lage in Darfur ist nachwievor außerordentlich ernst. Jeden Tag sterben Zivilisten sowohl durch das Verhalten der sudanesischen Regierung und als auch das der Rebellen. Die Welt darf sich nicht einfach umdrehen und die Augen verschließen, nur weil eine für Verbrechen verantwortliche Regierung dies wünscht. Es müssen deutliche Maßnahmen gegen die von Sima Samar berichteten Gräueltaten ergriffen werden.

Frau Samar als unabhängige Beobachterin vor Ort zu haben, kann so nur als erster Schritt verstanden werden, um die Gewalt einzudämmen und die Situation zu stabilisieren. Wenn aber bereits dieser erste Schritt nicht ernstgenommen wird, bleibt die Situation für viele Menschen hoffnungslos. Der Sudan war bislang nicht zur Kooperation bereit. Die Weltgemeinschaft darf nicht blind darauf hoffen, dass sich die Situation wie von Zauberhand von selbst lösen wird, der Sudan guten Willen beweisen wird, solange nur seinen Forderungen nachgegeben und Beobachter aus dem Land abgezogen werden. Das Mandat nur um sechs Monate zu verlängern, setzt deshalb ein falsches Signal. Der Menschenrechtsrat hätte eine deutliche Position einnehmen müssen. Der Menschenrechtsrat hat sich so selbst die Chance genommen, eine eindeutige Position gegen Völkermord zu beziehen. Er droht sich durch eine solche Haltung mittelfristig überflüssig zu machen.

Trotz der Aufforderung von Genocide Alert und vielen weiteren Organisationen hat sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede an die UNO Generalversammlung nicht explizit für eine Verbesserung der Situation in Darfur ausgesprochen. Es bleibt zu wünschen, dass die Bundesrepublik gerade im Hinblick auf ihre eigene Geschichte, deutlich Position gegen den Sudan bezieht.

Omar al-Bashir – Einer der schlimmsten Diktatoren unserer Zeit

Der Internationale Strafgerichtshof schreibt in diesen Tagen Geschichte indem er ein Staatsoberhaupt noch während seiner Amtszeit anklagt. Doch wer ist eigentlich Omar al-Bashir und was macht ihn „anklagenswert“? Ein Portrait.

Omar al-Bashir gilt als der schlimmste Diktator der Post-Weltkrieg Ära. Er hat sowohl die meisten Toten zu verantworten  (geschätzte 2,5 Millionen in Darfur und im Süd-Sudan), die meisten Vertriebenen (7 Millionen) und die meisten niedergebrannten Dörfer (allein in Darfur sind es mindestens 1500).

In einem durch ethnische, religiöse und sozio-ökonomische Unterschiede gespaltenen Land, das Christen, Animisten, Muslime, Araber, Schwarzafrikaner, arme Regionen und durch Ölförderungen reich gewordene Regionen vereint, war es al-Bashirs zentrale Position in der Armee zu verdanken, dass er 1989 die demokratisch gewählte Sadeq al-Mahdi-Regierung stürzen konnte – „um das Land vor verdorbenen politischen Parteien zu schützen“, wie er später sagte. Konsequenterweise löste er daraufhin das Parlament auf, verbot alle politischen Parteien und stellte die Presse kalt. Das Verbot von politischen Parteien sicherte seine Wiederwahlen, die Opposition wurde erfolgreich gespalten und al-Bashir muss daher nicht wirklich um seine Position fürchten. Jeder Kritiker muss fürchten, als Agent des Imperialismus und Zionismus diffamiert zu werden, denn wie viele andere seiner Kollegen im Nahen Osten beharrte al-Bashir wiederholt auf einer Weltverschwörung des globalen Judentums. Auch den Protest gegen seine Politik in Darfur in den USA sieht er in diesem Licht: So sagte er auf Nachfrage von Journalisten während einer Pressekonferenz mit Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki im Juni 2006, dass es eindeutig eine Absicht hinter der „immensen Propaganda und den Medienkampagnen“ zugunsten einer internationalen Intervention im Darfur gäbe. „Wenn wir uns die letzten Demonstrationen in den USA und die Gruppen, die sie organisiert haben, anschauen, so sehen wir, dass sie alle jüdische Organisationen sind.“ Bashir spielte hierbei auf Demonstrationen in Washington, New York und Philadelphia, bei denen unter anderem der Schauspieler George Clooney, der ehemalige Basketballspieler Manute Bol, ein Sudanese, und jüdische Persönlichkeiten wie der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel auftraten.

Das Hauptziel al-Bashirs ist einzig und allein sein Machterhalt. Um diesen zu sichern wendet er eine „Teile und Erobere“-Strategie an, die inter-ethnische Konflikte herauf beschworen hat. Der heute 64jährige Präsident gilt als ein Geheimniskrämer und widersprüchliche Figur. Auf der einen Seite hat er einige Elemente der Scharia eingeführt, auf der anderen Seite aber auch Liberalisierungen der Wirtschaft in die Wege geleitet, insbesondere da, wo die Förderung von Öl betroffen ist. Die Abhängigkeit des Sudans vom Export seines Öls könnte sich als al-Bashirs größter Schwachpunkt erweisen. Seine Nervosität bezüglich einer Anklageerhebung durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverbrechen in Darfur wurde schon durch seine Drohungen deutlich, dass dies „blutigen Konsequenzen“ und „verheerende“ Folgen haben würde, wie Die Welt in ihrer Ausgabe des 14. Juli berichtete.

Zurzeit gibt es innerhalb des Sudans keine Kräfte, die al-Bashir zwingen könnten, sich dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu stellen. Und doch steht Sudans dynamische Wirtschaft auf unsicheren Füßen, denn sie ist auf die Kooperation derjenigen Länder angewiesen, die ihm bei der Ölförderung helfen. Dies ist insbesondere China. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Anklage der internationale Druck auf das Regime zunimmt und die Regierung des Sudans entgegenkommender werden könnte.

Die Autorin Johanne Kübler ist Policy Analyst für Genocide Alert.

Tschad und Darfur – Geschichte eines Konflikts

Am 2. und 3. Februar wurde N´Djamena, Hauptstadt des Tschads, zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen des Tschads und Rebellentruppen aus dem Sudan. Der Angriff ging von politischen Kontrahenten des aktuellen Präsidenten des Tschad, Idriss Déby, aus, und kann somit nicht als integraler Bestandteil des Darfur-Konflikts bewertet werden.

Vielmehr handelt es sich um eine von Rebellen und Milizen geführte Auseinandersetzung zwischen Tschad und Sudan. Jedoch steckt die sudanesische Regierung hinter dieser Rebellion. Dadurch, dass sie die bewaffnete Opposition im Tschad unterstützt und so aus der Ferne auf einen offenen Konflikt mit dem Tschad hinwirkt, könnte der Sudan die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft vom Konflikt in Darfur ablenken wollen. Die Spannungen zwischen den Hauptstädten N’Djamena und Khartum sind auf einem vorläufigen Höhepunkt. Im Süd-Osten des Tschads ereignen sich inzwischen ähnliche Gewalttätigkeiten wie in Darfur.

Von besonderer Brisanz sind diese Entwicklungen auch aufgrund der Tatsache, dass  Khartum und N’Djamena seit 1990 Verbündete waren. Jedoch haben sich die diplomatischen Beziehungen seit 2003, dem Jahr, das den Anfang des Völkermords in Darfur markiert, massiv verschlechtert. Somit spielt Darfur in diesem Zusammenhang sehr wohl eine Rolle. Die für den 1. Februar geplante EUFOR-Friedensmission – die Entsendung von EU-Truppen – ist von einem  Mindestmaß an Frieden abhängig; so wurde sie aufgrund der jüngsten gewaltsamen Entwicklungen verschoben. Ein Blick in die Vergangenheit der Beziehung beider Staaten zueinander, hilft, den aktuellen Konflikt einzuordnen und zu verstehen.

Der Aufstieg des Idriss Déby

Karte von Tschad und SudanDie Geschichte wiederholt sich. So ist es ist nichts Neues, dass Rebellen versuchen, die Hauptstadt N’Djamena zu erobern. Seit Anfang der von Entkolonialisierung geprägten 1960er Jahre, haben Rebellen im Tschad mehrmals gewaltsam gegen die Regierung geputscht. Vertriebene ehemalige Regierungsmitglieder des Tschads suchten und fanden oftmals im Sudan Zuflucht. Sie erhielten sogar in vielen Fällen finanzielle und militärische Unterstützung durch Khartum (APANEWS 2008), die sie in die Lage versetzte, durch Rebellion ihre Macht zurückzuerlangen.  So waren die drei letzten tschadischen Präsidenten in den Sudan vertriebene Mitglieder der Front zur Nationalen Befreiung des Tschad (Front de Libération national du Tchad). Dieses gilt auch für den aktuellen Präsidenten, Idriss Deby, der vom Sudan aus seine Truppen koordinierte, um die Regierung von Hissein Habré im Jahr 1990 zu stürzen. Er konnte von der Unterstützung des islamischen Regimes in Khartum profitieren. Das also markierte den Anfang der engen Zusammenarbeit zwischen N’Djamena und Khartum.

Brisant ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass Idriss Déby dem auch in Darfur ansässigen Volksstamm der Zaghawa angehört. Seit Beginn der 1990er Jahre unterstützten ihn die Zaghawa beim Sturz der Diktatur von Hissein Habré. Déby versprach vor seiner Machtübernahme, die Zaghawa-Rebellen in Darfur zu unterstützen. Eben jener Volksstamm der Zaghawa wird seit vielen Jahren von Khartum jedoch politisch und wirtschaftlich marginalisiert. Maurice Hel Bongo  prangert das zweigleisige Verhalten Idriss Débys an, sowohl mit der islamischen Regierung in Khartum, als auch mit den Zaghawa-Rebellen zu kooperieren (Agazzi 2008). Er berichtet sogar von „hartnäckigen Gerüchten“, gemäß derer Déby versprochen haben soll, den Zaghawa ein eigenes Reich in Darfur zu schaffen.

Zankapfel Darfur

Verschiedene Rebellengruppen haben somit nach 1990 die Hilfe von Präsident Déby angefordert. Dennoch hat der tschadische Präsident es abgelehnt, die Rebellion gegen Khartum zu unterstützen – aus Sorge, die guten Beziehungen zum sudanesischen Präsidenten Omar el Bashir zu gefährden. Die Lage verkomplizierte sich jedoch mit Kriegsausbruch in Darfur 2003. Viele sudanesische Zaghawa desertierten aus der Armee des Tschads, um die Rebellen gegen den Sudan zu unterstützen. Anfangs versuchte Déby, sich den Rebellen in Darfur entgegenzustellen, um die traditionell guten Beziehungen mit seinen sudanesischen Verbündeten aufrecht zu erhalten. Er schickte Truppen in den Sudan, um SLA (Sudan Liberation Army) und JEM (Justice and Equality Movement) zu bekämpfen, doch seine eigenen Soldaten weigerten sich, gegen andere Zaghawa zu Felde zu ziehen. Idriss Déby befand sich somit in einer Zwickmühle. Er sah sich einerseits vom  Volksstamm der Zaghawa – vor allem aus dem Kreis seiner Familie – und andererseits von seinen Verbündeten in Khartum unter Druck gesetzt. Die sudanesische Regierung verzieh  ihm sein Versagen bei der Truppenführung nicht und unterstützt so seit 2005 im Gegenzug systematisch tschadische Rebellen. Der Bruch zwischen beiden Ländern wurde durch einen Überraschungsangriff des Sudans in der Grenzregion von Adré endgültig vollzogen, und der Tschad begann nun seinerseits, die Rebellen in Darfur zu unterstützen.

Bedrohung des tschadischen Regimes durch Rebellen

Déby sieht sich mit zunehmender Unbeliebtheit sowie Kritik am Ausbleiben eines echten Demokratisierungsprozesses konfrontiert. Zudem hat er sich zahlreiche Feinde geschaffen. Sein Regime wird von Verschwörungen innerhalb seines unmittelbaren Umfelds sowie von regelmäßigen Überfällen durch von Khartum unterstützten Gruppierungen bedroht. Die Rebellen, die Anfang Februar 2008 gegen die tschadische Hauptstadt in die Offensive gingen, stammen ebenfalls aus dem direkten Umfeld Débys. Nahmat Nouri, ein ehemaliger Minister Habrés und Débys, der gleichzeitig sein Schwager ist sowie sein ehemaliger Kabinettschef,  Débys eigener Neffe, gehören zu diesen Rebellen. Beide erklärten, eine neue, auf allgemeinem Wahlrecht beruhende, Demokratie gründen zu wollen. Déby hingegen behauptet, dass es sich um einen versteckten Vorstoß des Sudan handele. Der Sudan hat seinerseits dementiert, die tschadische Opposition zu unterstützen, denn „er habe kein Interesse, das zu tun“ (RFI 07.01.2008).  N’Djamena beschuldigt schließlich Khartum, den Angriff geplant zu haben, um die Entsendung von EUFOR-Truppen der Europäischen Union im Osten des Tschad sowie die Dislozierung einer gemischten UNAMID-Truppe aus Streitkräften der Afrikanischen Union (AU) und der UN in Darfur zu erschweren oder gar zu verhindern. Khartum ist offenbar nicht an einer wie auch immer gearteten Internationalisierung des Konflikts interessiert.

Die Rolle der internationalen Gemeinschaft

Die derzeitig kritische Lage beunruhigt sowohl humanitäre Hilfsorganisationen in Darfur als auch die internationale Gemeinschaft. Im Januar diesen Jahres rief Rodolphe Adada, Oberkommandierender der UNAMID-Truppe in Darfur, in einer aus Khartum verbreiteten Pressemitteilung die Regierungen des Sudan und des Tschad „zur Zurückhaltung, zum Dialog und zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen“  auf. Hierbei nahm er Bezug auf eine Vereinbarung über gute nachbarschaftliche Beziehungen, die zwischen den beiden Staaten abgeschlossen worden war. Es liegt auf der Hand, dass die Spannungen zwischen Tschad und Sudan den Einsatz internationaler Streitkräfte zur Friedenserhaltung erschweren oder gar gefährden. Die Entsendung europäischer und UN-Streitkräften ist weder im Interesse des Sudans noch der tschadischen Rebellen. Diese Rebellen würden ihrer Chance beraubt, das Regime Débys zu stürzen, was gleichzeitig auch eine beträchtliche Ausdehnung der sudanesischen Einflusszone bedeuten würde.

Der Putschversuch Anfang Februar steht wahrscheinlich mit der Ankunft des europäischen Kommissars Louis Michel, der N’Djamena im Rahmen der Aufstellung der EUFOR-Truppen bereist, in Zusammenhang. Die Offensive auf die Hauptstadt des Tschads war zeitlich dermaßen gut abgestimmt, dass die EU-Mission einstweilen auf Eis gelegt wurde und nun offiziell am 1. März beginnen soll. Gleichzeitig hat Frankreich, dessen Armee an Ort und Stelle stationiert ist, offiziell nicht in die Kampfhandlungen eingegriffen. Stattdessen ließ es im Sicherheitsrat der UNO über eine Resolution abstimmen, die den Angriff der Rebellen und ihren Versuch, die Macht durch Gewalt zu ergreifen, verurteilt. Diese UNO-Resolution gewährt dem tschadischen Staat somit die Hilfe der internationalen Gemeinschaft und könnte laut Verfassung im Falle neuer Konfrontationen die Intervention französischer Streitkräfte rechtfertigen. Die Resolution des Sicherheitsrats soll vor allem abschrecken. Die ohnehin schon als problematisch empfundene Vermengung einer gesamteuropäischen Mission mit rein französischen Interessen wird durch die jüngsten Ereignisse weiter bestärkt. In jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass Präsident Idriss Déby de facto durch eine Entsendung der EU-Truppen gestärkt wird.

Carine Lin-Kwang ist Mitglied von Genocide Alert.

Quellen:

– APANEWS: Tchad-Soudan : 45 ans de relations tumultueuses TCHAD, 06.01.2008
– Florence Brisset-Foucault: Interview auf http://www.mouvements.info/spip.php?article118
– Isolda Agazzi: Interview mit Maurice Hel Bongo, Info Sud (Schweiz), 2008
– LE MESSAGER, Alain Boyomo, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– Magazin « Afrique-Asie, Soudan dits et non dits d’un conflit », November 2007
– N’DJAMENA BIHEBDO, Serge Félix N’Piénikoua, courrier international n°901, vom 7. bis 13. Februar 2008
– RFI: http://www.rfi.fr/actufr/articles/097/article_61157, 07.01.2008

6 Monate enttäuschter Hoffnung in Darfur

Vor genau sechs Monaten am 31.07.2007 hat der Weltsicherheitsrat die Stationierung von Friedenstruppen der UNO und der Afrikanischen Union im Westen des Sudan beschlossen. Dieser UNAMID-Einsatz soll den Schutz der Zivilbevölkerung und humanitärer Helfer sicherstellen. Nach fünf Jahren Völkermord und Vertreibung brauchen die Menschen in Darfur endlich Schutz vor weiteren Übergriffen.

Niemals war die Lage der Zivilbevölkerung im Westen des Sudan so katastrophal wie heute. Mehrere hunderttausend Menschen können aufgrund der schlechten Sicherheitslage nicht mehr von internationalen Helfern erreicht werden. Seit Januar 2007 wurden 74 Hilfskonvois angegriffen, 12 Mitarbeiter von Hilfswerken starben bei diesen Überfällen. 131 Helfer wurden entführt. Doch die humanitäre Arbeit wird durch die Willkür der sudanesischen Behörden auf das schwerste behindert. So wurden 58 Angestellte von Hilfsorganisationen verhaftet. Zahlreiche Helfer wurden ausgewiesen, weil sie Behinderungen ihrer humanitären Arbeit kritisiert hatten. Neben frischem Wasser und Nahrungsmitteln fehlt es den Menschen in Darfur jedoch vor allem an Schutz, denn schwere Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Völkerrechts dauern weiter an. So werden zehntausende Menschen gezielt vertrieben, Flüchtlingslager durch sudanesische Behörden gewaltsam aufgelöst, Frauen und Mädchen vergewaltigt und ganze Dörfer ausgelöscht. Erst am letzten Sonntag (27.1.2008) wurden erneut 21 Dorfbewohner bei einem Überfall von Janjaweed-Milizen getötet. Mehr als 90 Häuser in der Siedlung Sureif Judad sollen niedergebrannt worden sein. Es ist das 2067. Dorf, das von Janjaweed seit Beginn des Genozids im Jahr 2003 zerstört wurde. Weitere 685 Dörfer wurden durch Angriffe der von der Armee unterstützten Milizen beschädigt.

Mehr als 2,8 Millionen Menschen sind bislang vertrieben worden. Allein im Jahr 2007 mussten mindestens 300.000 Menschen ihre Dörfer verlassen. Auch in Flüchtlingslagern finden sie keinen angemessenen Schutz. Denn Frauen und Mädchen werden auch in der Nähe dieser Camps zu Hunderten Opfer von Vergewaltigungen. Angesichts der katastrophalen Sicherheitslage breitet sich in den Lagern Mutlosigkeit aus, da eine Rückkehr in ihre zerstörten Dörfer in immer größere Ferne rückt. Außerdem wird die Perspektive auf ein normales Leben zunehmend unrealistischer, seit die sudanesische Regierung loyale arabische Stämmen auf dem von Kriegsflüchtlingen ansiedelt und so den Status Quo zu zementieren sucht.

Die UNAMID-Friedensmission

So ruhen die Hoffnungen vieler Menschen in Darfur auf der UNAMID Friedensmission. Doch deren Stationierung geht nur sehr schleppend voran. Ursprünglich sollten bis zu 31.000 Sicherheitskräfte (19. 000 Soldaten, 6.000 Polizisten, 5.000 Zivilisten) bis zum Ende des Jahres 2007 in Darfur stationiert werden. Doch sechs Monate nach Beschluss der UNAMID sind kaum mehr Friedenstruppen in Darfur als zuvor unter dem alleinigem AU-Mandat. Immer eindringlicher warnen UN-Experten vor einem Scheitern der Mission, die Anfang Januar von sudanesischem Militär angegriffen wurde, von den sudanesischen Behörden systematisch behindert wird und der es chronisch an Soldaten mangelt. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-mon kritisierte die unzureichende Ausstattung der Friedenstruppen, der es vor allem an Hubschraubern fehlt.

Die Regierung des Sudan behindert nicht nur den Einsatz von Friedenstruppen, sondern verweigert auch jede Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) bei der Bestrafung der Verantwortlichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Steckbrieflich gesuchte Personen werden nicht bestraft, sondern befördert. So wurde der berüchtigte Janjaweed-Führer Musa Hilal zum Berater des sudanesischen Präsidenten ernannt, der wegen Menschlichkeitsverbrechen gesuchte frühere Minister Ahmed Harun wurde sogar mit dem Vorsitz eines Komitees betraut, dass Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu untersuchen vorgibt.

Der Völkermord in Darfur gefährdet nicht nur das Überleben hunderttausender Menschen im Sudan, sondern die Sicherheit in der gesamten Region. Wenn die UNAMID scheitert, droht ein Flächenbrand, der Krieg und Gewalt in Ostafrika schüren wird. Bereits jetzt metastasiert der Konflikt in die angrenzenden Ländern Tschad und der Zentralafrikanischen Republik.

Sudanesische Menschenrechtler appellieren schon seit einiger Zeit, den politischen Druck auf die Führung des Sudan zu verstärken, damit die UNAMID-Mission nicht länger behindert wird, der Schutz der Zivilbevölkerung sichergestellt und Friedensverhandlungen befördert werden. Aus diesem Grund sollte die deutsche Politik dringend auf eine Verhängung gezielter Sanktionen durch die EU gegen die Verantwortlichen der schweren Menschenrechtsverbrechen dringen. Deutschland kann jedoch komplementär hierzu auch im nationalen Rahmen Gesetzesinitiativen ergreifen, um zu verhindern, dass deutsche Firmen die Kriegswirtschaft der sudanesischen Regierung unterstützen. Seit dem Beginn des Völkermords im Jahr 2003 hat die deutsche Wirtschaft ihre Exporte in den Sudan um 300% erhöht. Deutschland ist inzwischen der bedeutendste europäische Handelspartner des Sudan. Im Jahr 2006 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 330 Millionen Euro in den Sudan, was 5 Prozent der Importe des Sudan ausmachte. Deutschland nimmt hierbei eine besondere Rolle ein, weil es besonders kapital- und wissensintensive Güter und Dienstleistungen anbietet, die nur schwer durch andere Anbieter ersetzt werden könnte. Dass es tatsächlich effektive Möglichkeiten einer gezielten ökonomischen Druckausübung gibt, zeigen bisherige Erfahrungen mit Sanktionen gegen das Regime in Khartum.

Sanktionen gegen den Sudan – Ein Überblick:

Angesichts der von der sudanesischen Regierung zu verantwortenden schweren Menschenrechtsverletzungen in der Krisenregion Darfur gerät Khartum zunehmend unter weltweiten wirtschaftlichen und politischen Druck. In diesem Zusammenhang erwägen aktuell 15 verschiedene Staaten eine Verhängung gezielter Sanktionen oder Disvestitionsmaßnahmen , um die politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Kosten für den Sudan im Falle einer Weiterführung seiner brutalen Politik zu erhöhen. Experten schätzen, dass der Sudan ca. 70-80% seiner Einnahmen aus dem Außenhangel direkt in sein Militärbudget zur Fortführung seiner Kampagne in Darfur umleitet. Vor diesem Hintergrund haben gezielte wirtschaftliche Sanktionen einen direkten Einfluss auf die Lage im krisengeschüttelten Darfur.

Der amerikanische Kongress hat in diesem Zusammenhang einstimmig ein Gesetz erlassen, welches es der amerikanischen Bundesregierung verbietet, öffentliche Aufträge an Firmen zu vergeben, welche im Sudan geschäftlich tätig sind. Dies bezieht sich gezielt auf Unternehmen im Öl-, Energie-, Bergbau- und Rüstungssektor , und hat aus diesem Grund keine schädlichen Konsequenzen für die sudanesische Zivilbevölkerung. Des Weiteren wird es institutionellen Aktienanlegern wie Pensionsfonds erleichtert, ihre Anteile an im Sudan tätigen Unternehmen abstoßen. Laut Angaben der Sudan Divestment Task Force haben inzwischen 22 US-Bundesstaaten entsprechende Aktienanteile aus dem Sudan disvestiert . Auf Grund von bereits im Mai 2007 ergriffenen Strafmaßnahmen ist die sudanesische Regierung außerdem von verschärften Finanzsanktionen betroffen, welche Transaktionen in US-Dollar verhindern sollen. Aus diesem Grund hat Khartum zu Ablauf des Jahres 2007 sämtliche Finanztransaktionen auf Euro umgestellt. In der Tat scheinen diese von der US-Regierung erlassenen Maßnahmen beträchtliche Wirkung zu entfalten. Der sudanesische Zentralbankpräsident Sabir Mohammed Hassan erklärt hierzu, dass die amerikanischen Sanktionen „die sudanesische Volkswirtschaft verletzen“.  Des Weiteren erläutert Abdel-Moniem Hassan Sayed, Präsident der Al-Shamal Islamic Bank in Sudan, dass „sudanesische Banken unter den endlosen amerikanischen Regulierungen für Geschäfte in US-Dollar leiden (und) sich extremen Schwierigkeiten gegenübersehen“.

Auf Grund der anhaltenden Obstruktionspolitik des Sudan erwägen weitere Regierung, Menschenrechtsorganisationen und Firmen eine Erhöhung des Drucks auf Khartum. So hat die japanische Kansai Electric Power Company, Japans zweitgrößter Elektrizitätserzeuger, alle Öl-Importe aus dem Sudan aus Besorgnis gestoppt, dass der Sudan die hiermit verbundenen Öleinnahmen zur Finanzierung seiner Kampagne in Darfur nutze. Weitere Firmen wie La Mancha Resources, CHC Helicopter, ABB, Siemens, Rolls Royce, ICSA of India, Weatherford International, Weir Group und Schlumberger haben sich auf Grund der besorgniserregenden Situation in Darfur auf unbestimmte Zeit aus dem Sudan-Geschäft zurückgezogen oder dies angekündigt.  Groß-Investoren wie Fidelity Investment und Berkshire Hathaway haben im Laufe des Jahres 2007 massive Anteile PetroChinas auf Grund des zunehmenden zivilgesellschaftlichen Drucks abgestoßen.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Sudan auf wirtschaftlichen Druck in hohem Maße sensibel reagiert. Es gilt, diesen Umstand für eine Beendigung des Völkermords in Darfur zu nutzen. In diesem Sinn fordern wir Deutschland sowie alle europäischen Staaten auf: Sanktionen jetzt! Handeln statt Handel!

Ulrich Delius ist Ostafrika-Experte der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Robert Schütte ist Präsident von Genocide Alert.

Geradewegs in die Sackgasse: Warum die Darfur-Friedensverhandlungen in Sirte scheitern mussten

Wie zu erwarten war sind am 1. November die Friedensgespräche zwischen dem Regime in Khartum und verschiedenen Rebellenfraktionen aus Darfur abgebrochen worden. Die Verhandlungen im libyschen Sirte haben wieder einmal die unzureichenden Bemühungen der internationalen Gemeinschaft ans Licht gebracht, den Völkermord in Darfur zu stoppen.

Stattdessen konnte Khartum, nachdem es zu Beginn der Gespräche mit großem Getöse einen unilateralen Waffenstillstand verkündet hat, einen Tag nach dem Abbruch der Gespräche wieder ungehindert seine Söldner in Flüchtlingslager in Darfur schicken, um dort untergebrachte Flüchtlinge in unsichere Gegenden zu treiben, wie die Vereinten Nationen, Human Rights Watch und Journalisten in der Region berichten.

Dabei waren die Friedensgespräche scheinbar von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn niemand  anderes als Libyens Präsident Muammar al-Gaddafi hatte zu ihnen eingeladen, der von Beobachtern des Konflikts als einer der Hauptschuldigen für die regionale Instabilität gilt. Schließlich hatte er den Janjaweed als Teil seiner ‚Islamischen Legion‘ als erstes Waffen verschafft. Während eines Interviews mit Cambridger Studenten erklärte er, dass er den Darfur Konflikt ohnehin nur für einen größeren Stammestwist halte. Laut Gaddafi handele es sich nicht um viel mehr als einen Zank um ein Kamel.

  „Be aware that the main problem there is an issue of tribes … you might laugh but it is all about a quarrel over a camel.“

Diese Äußerung verdeutlicht wie fatal die Wahl von Gaddafi als Vermittler war: Ohne die Rebellengruppen zu konsultieren, hatte UN Generalsekretär Ban Ki-moon die Einladung akzeptiert. Das Ergebnis war, dass eine der wichtigsten Gruppen gar nicht erst in Sirte auftauchte.

Eines der Hauptprobleme in den Verhandlungen ist sicherlich, dass die Rebellen sich bisher nicht zu einer einheitlichen Gruppe haben zusammenschließen können und zum Teil radikale Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Gruppierungen bestehen. So haben die Rebellen, die im September den Stützpunkt der Afrikanischen Union (AU) nahe Haskanita angegriffen haben, wenig mit der Rebellenbewegung im Norden Darfurs gemeinsam. Dennoch sind die Aussichten für eine Vereinigung der verschiedenen Strömungen realistisch: Stammesvermittler glauben, dass innerhalb weniger Wochen eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage erreicht werden kann und bitten deshalb um mehr Zeit vor weiteren Friedensgesprächen. Ein Zeichen für diese Entwicklung scheint die Abkehr von bedeutenden Persönlichkeiten derjenigen Rebellenfraktion zu sein, die das unsägliche Abuja Friedensabkommen unterzeichnet haben. Diese scheinen eine Distanzierung von ihrem brutalen und inkompetenten Führer Minni Minawi zu vollziehen und über eine Rückwendung zu ihrer ursprünglichen Rebellengruppe, der Sudan Liberation Movement/Unity, nachzudenken. Doch anstatt auf eine Vereinigung der Rebellen hinzuarbeiten, haben Vermittler der AU und der UN diese Aufgabe vernachlässigt und ihre Bemühungen auf das Regime in Khartum konzentriert. Sie haben nicht nach Wegen gesucht, die Differenzen zwischen lokalen Kommandeuren und Exil-Führern zu überbrücken. Noch weniger haben sie sich dafür eingesetzt, dass auch und gerade die Stimmen der Zivilisten in den Camps bei Friedensgesprächen Gehör finden.

Der tiefer liegende Grund für das Scheitern der Gespräche in Sirte ist jedoch, dass weder die UN noch die AU Willens sind, Khartum energisch die Stirn zu bieten. Die sudanesische Regierung hat einen ganzen Katalog von Verstößen gegen internationale Abkommen vorzuweisen: Sie widersetzt sich UN-Resolutionen, erschwert die Entsendung von humanitärer Hilfe und behindert auf mannigfaltige Weise die Entsendung der UN/AU Hybridtruppe. Das Regime in Khartum hat den Nord-Süd Friedensbeschluss von Januar 2005 gebrochen, und ebenso versagt sie die Erfüllung von Vereinbarungen des Abuja Friedensabkommen, z.B. die Entwaffnung der Janjaweed. Somit haben die Rebellen und die Menschen in Darfur wahrlich keinen Grund, den  Lippenbekenntnissen dieser Regierung zu trauen. Bisher hat sie sich noch nie an Vereinbarungen mit Rebellengruppen gehalten – also warum sollte es diesmal anders sein? Schließlich wurden selbst die Janjaweed von der Regierung betrogen. So ließ Khartum den Versprechungen, ihnen enteignetes Land zu geben, bisher keine Taten folgen. Nun herrscht in Darfurs Bevölkerung die von der Zentralregierung gesäte Gewalt, ganz gleich, ob es sich dabei um arabische oder afrikanische Stämme handelt.

Nichts wünschen sich die Menschen in Darfur mehr als ein Friedensabkommen, denn was am dringlichsten ersehnt wird ist Sicherheit. Hier und jetzt. Die Verbesserung der Sicherheitslage ist lebenswichtig, denn hiervon hängt auch die humanitäre Hilfe ab, von der heute ca. 4,2 Millionen Darfurer abhängig sind.  Bisher gibt es aber niemanden, der für ein solches Abkommen zu garantieren bereit ist, was die Ergebnisse von Friedensgesprächen leicht Makulatur werden lassen kann. Friedensgespräche werden aber nur dann erfolgreich geführt werden, wenn glaubhafter Druck auf die Beteiligten ausgeübt wird. Zu einem Gelingen ist die Unterstützung Pekings unerlässlich. Bisher hat China jedoch jegliche Sanktionen gegen Khartum verhindert und damit dem Regime von Khartum den Eindruck vermittelt, dass es mit einer Blockadetaktik ungestraft davon kommen kann. Die Rebellenführer müssen ernst genommen werden. Auf eine gemeinsame Position muss hingearbeitet werden. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass den Darfurern in den Flüchtlingslagern bei den Verhandlungen eine Stimme verliehen wird. Der Ort der nächsten Verhandlungen muss in einem größeren Einvernehmen gefunden werden, auch wenn Einstimmigkeit eine Utopie bleiben wird.

In der Zwischenzeit muss die sich verschärfende Sicherheitskrise angegangen werden. Denn wenn die Flüchtlingslager in Gewalt untergehen, werden hunderttausende Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, sterben. Für diese Toten käme ein Friedensabkommen zu spät.

Unsere Autorin Johanne Kübler ist Policy Analyst für Genocide Alert.

„Weil die Kinder der Fur zu Rebellen geworden sind, sind alle Fur und alles, was sie besitzen Kriegsbeute geworden.“

Ein Zitat eines Mannes, der aufgrund von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. Der Haftbefehl wurde durch die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) am 2. Mai 2007 erlassen. In welch groteskem Zusammenhang steht dieser Satz jedoch, wenn man weiß, dass es sich bei diesem Mann um den Minister für humanitäre Angelegenheiten handelt?!

Die Rede ist von Ahmed Mohammed Harun, der ungefähr 1964 als Mitglied des Bargou Stammes in der Provinz Nord-Kordofan im Sudan geboren wurde, an der Cairo University studierte, zum Richter ausgebildet und nach 1990 in den sudanesischen Geheim- und Sicherheitsdienst (Intelligence and Security Service) berufen wurde, wo er bis ca. 2005 aktiv war. 1995 ernannte man Harun offiziell zum Chief of Staff des Gouverneurs der Provinz Nord-Kordofan. Zu seinen Aufgaben in dieser Position gehörte es unter anderem, lokale Stämme zu mobilisieren und diese in die sogenannte Popular Defence Forces (PDF) zu integrieren. PDF bezeichnen Reserveeinheiten, die zur Bekämpfung von Aufständen eingesetzt wurden und letztlich der Niederschlagung eines internen Aufstandes in der Provinz dienten- eine Taktik, die nun auch in Darfur angewendet wird.

Als Mitglied der regierenden National Party war Harun sudanesischer Innenstaatssekretär und wurde 2003 zum Leiter des „Darfur Security Desk“ ernannt. In dieser Position organisierte er sowohl die Rekrutierung, Finanzierung als auch die Bewaffnung der Janjaweed Milizen (die von der sudanesischen Regierung im Kampf gegen die Rebellengruppen Sudan Liberation Movement/Army und des Justice and Equality Movement eingesetzt wurden) und führte diese laut Zeugenaussagen auch selbstständig durch. Er setzte sie in vollem Wissen über sämtliche Gräueltaten ein oder war sogar selbst aktiv an Angriffen beteiligt. Die Janjaweed Milizen begingen regelmäßig und oft zusammen mit Einheiten der sudanesischen Armee Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, insbesondere an Zivilisten. Ahmed Harun sah sich als Leiter des „Darfur Security Desk“ in der Verantwotung „im Interesse von Frieden und Sicherheit in Darfur zu töten und zu vergeben“. Sprich er sah sich in der Position, die Macht und die Autorität zu besitzen willkürlich Vergewaltigungen, Tötungen, Verfolgung, Folter, Vertreibungen, Zerstörung von Privateigentum, Plünderungen, unmenschliche Handlungen, Beeinträchtigung der persönlichen Würde, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit zu begehen. All diese schwerwiegenden Verbrechen -begangen an Personen, die nicht am bewaffneten Konflikt teilnahmen- sah er dadurch als gerechtfertigt an, als dass diese dazu dienten, die Zivilisten von einer allfälligen Unterstützung der Rebellen abzuhalten. Anders formuliert sind seiner Meinung nach sowohl Kriegsverbrechen als auch jegliche Verbrechen gegen die Menschenwürde –durchgeführt an unschuldigen Zivilisten- lediglich eine präventive Maßnahme, um eine mögliche Unterstützung der Rebellen  vorzubeugen.

Trotz des Haftbefehls am 2. Mai 2007 weigert sich der Sudan jedoch, Harun zu überstellen und anerkennt die Zuständigkeit des IstGH nicht. Stattdessen wurde Harun vier Monate nach diesem Haftbefehl zum Co-Präsidenten des Nationalkommittees ernannt, welches mit der Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im Sudan und besonders in Darfur beauftragt wurde. Diese Absurdität  kann und darf man nicht verstehen und sollte auch all diejenigen endlich wachrütteln, die sich bis jetzt noch nicht so sehr mit dem Konflikt in der im Westsudan gelegenen Provinz Darfur beschäftigt haben.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden sie unter:
Kein Frieden ohne Gerechtigkeit: Kriegsverbrecher hinter Gitter!

Autorin dieses Artikels, Jana Becks, ist Mitglied bei Genocide Alert.

Klimawandel als Ursache des Völkermords in Darfur?

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) berichtete am 21. Juni 2007, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gebe, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. Das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur ist enorm. Seine Auswirkungen sind gemäß des Berichts der UNEP einer der Auslöser für den Konflikt in Darfur.

Klimawandel und der Völkermord in Darfur

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) berichtete am 21. Juni 2007, dass es Belege für einen langfristigen regionalen Klimawandel in mehreren Teilen des Sudans gebe, der durch einen starken Rückgang der Niederschläge gekennzeichnet ist. Das Ausmaß des Klimawandels in Nord-Darfur ist enorm. Seine Auswirkungen sind gemäß des Berichts der UNEP einer der Auslöser für den Konflikt. Diese Feststellung wirft ein Schlaglicht auf die sicherheitspolitischen Implikationen der Erderwärmung. Es stellt sich aber auch die Frage, in wie weit durch eine solche Analyse von der Verantwortung der sudanesischen Regierung abgelenkt wird, denn schließlich hat sie die politische Entscheidung zum Völkermord getroffen.

Klimawandel als Ursache für die Krise in Darfur?

Der Bericht besagt, dass ein steigender Konkurrenzkampf um Wasser, Nahrung, Land und Bauholz bei gleichzeitiger Abnahme von Regenfällen (als Resultat des regionalen Klimawandels) ein signifikanter Stressfaktor in Darfur ist. Die wenigen Teile nutzbaren Landes waren schon in der Vergangenheit eine Quelle von Konflikten zwischen Nomaden (tendenziell Araber) und sesshaften Farmern (Araber und Afrikaner). Arabische Nomaden und sesshaften Farmer arbeiteten in der Vergangenheit jedoch zusammen und bildeten so eine sozio-ökonomische Symbiose. Die Farmer erlaubten den Nomaden ihr Vieh auf ihr Land zu lassen. Als Gegenleistungen bekamen sie Milch, Fleisch und andere Naturalien. Konflikte wurden auf traditionelle Weise gelöst, so dass es zu keinen andauernden Konflikten zwischen Stämmen kam. Die Auswirkungen des regionalen Klimawandels haben die Ausgangssituation in Darfur jedoch verschärft und zur Entstehung von Konflikten beigetragen, da bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum eine geringere Anzahl an natürlichen Ressourcen zur Verfügung steht. Auch wenn der Klimawandel sicherlich eine Ursache für zunehmende Konflikte in der Region ist, so kann dieser jedoch nicht für den von der sudanesischen Regierung organisierten Völkermord verantwortlich gemacht werden. Völkermord ist keine Naturkatastrophe sondern immer eine beabsichtigte und geplante Politik zur Zerstörung bestimmter Volksgruppen. Die zunehmende Ressourcenknappheit war unter diesem Gesichtspunkt eine der strukturellen Ursachen für den Ausbruch des Konflikts zwischen Regierung und Rebellen. Die tatsächliche Entscheidung zur Vernichtung, Vertreibung, Terrorisierung und Vergewaltigung von unschuldigen Zivilisten bestimmter afrikanischer Stämme ist jedoch eine willentliche Entscheidung gewesen, für welche die Regierung in Khartum zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Ist Darfur nur der Anfang?

Die Verwüstung in Darfur zeigt die potentiellen katastrophalen Effekte des Klimawandels auf Gesellschaften in Afrika. Mittlerweile kommt es auch in Flüchtlingsgebieten angrenzender Staaten wie dem Tschad oder der Zentralafrikanischen Republik zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen Zivilisten. Lokale Farmer beklagen beispielsweise, dass der Zustrom von Flüchtlingen ihr Land ruiniere. Die Anzahl an Flüchtlingen in den Flüchtlingslagern ist zu groß und zu schlecht versorgt, so dass es zu grassierender Wasser- und Feuerholzknappheit kommt. Für die Frauen, Kinder und Männer vor Ort bedeutet dies oft den Tod. Insgesamt schätzt Die UN schätzt, dass das Leben von mehr als 90 Millionen Menschen in Afrika durch die globale Erwärmung gefährdet ist. In diesem Zusammenhang veröffentlichten am 16. April 11 U.S. Generäle einen Bericht, welcher den Klimawandel als einen „Bedrohungs – Multiplikator“ in brisanten Teilen der Welt bezeichnet. Darfur ist also nicht nur eine Herausforderung zur Beendigung eines grausamen Völkermords. Es ist auch ein Test für die Fähigkeit der Weltgemeinschaft zukünftige Kriege um Ressourcen in Afrika zu verhindern. Es gibt nach wie vor viele Gegenden in der Welt, in denen sich ähnliche Probleme entwickeln. Deswegen ist es wichtig, den Völkermord in Darfur nicht nur als sicherheitspolitische Problem zu sehen, sondern ihn auch als humanitäre und ökologische Herausforderung zu verstehen. Frieden in Darfur

Der jahrzehntelange Konflikt in Dafur schädigt die Umwelt in vielen Teilen des Landes. UNEP hat erklärt, dass Investitionen ins Umweltmanagement – finanziert von der internationalen Gemeinschaft und den Erlösen des Erdöl- und Erdgasexports – ein entscheidender Teil jedes Friedensprozesses im Sudan sein muss. Helfen könnten beispielsweise neue Technologien zur Bewässerung oder Wasserspeicherung sowie eine gute Landnutzungspolitik. Der Klimawandel wird künftig die Verfügbarkeit von nutzbarem Land und natürlichen Ressourcen einschränken. Aus diesem Grund ist Afrika auf die Hilfe der Industriestaaten angewiesen, die durch stärkere finanzielle Hilfen, Technologietransfer und eine Senkung ihrer Treibhausgas-Emissionen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können.

Links:

A Climate Culprit In Darfur – By Ban Ki Moon

SUDAN: UN Says Ailing Environment a Key „Stress Factor“

Times: How to prevent the next Darfur

The UN’s bloody failure: Ban Ki-moon’s self-serving and preposterous explanations obscure the real reasons for the crisis in Darfur.