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Quelle: I, Pyramid / wikipedia.org, eigene Bearbeitung

Jetzt anmelden: Workshops von Genocide-Alert in Berlin und Frankfurt zu Prävention von Völkermord und Massenverbrechen

Erinnern als Politikum – Die 20. Gedenkfeierlichkeiten des Genozids von 1994 in Ruanda

Jan Casper, Gewinner des Essaywettbewerbs von Genocide Alert und dem Land Rheinland-Pfalz, begleitete die rheinland-pfälzische Delegation um Innenminister Roger Lewentz zu den 20. Gedenkfeierlichkeiten des Genozids von 1994 in die ruandische Hauptstadt Kigali.

Als der Mann zu reden begann, fingen sie an zu schreien. Sie, das sind die Frauen im Amahoro-Stadion in Kigali, die die Rede des Mannes nicht ertragen konnten und deren Männer entweder tot oder schuldig sind. Denn er redete davon, wie 1994 Ruander Ruander systematisch ermordeten. Er legte Zeugnis darüber ab, wie einst hunderte Menschen Schutz in einer Moschee gesucht haben. Und wie annähernd alle dieser Menschen dort einen furchtbaren Tod starben. Dieser Mann überlebte als einer von wenigen.

Am Montag, den siebten April jährte sich der Ausbruch des ruandischen Genozids zum zwanzigsten Mal. Im Amahoro-Stadion, was von Kinyarwanda übersetzt „Friedens-Stadion“ bedeutet, wurde an diesem Montag eine Zeit der Trauer und des Erinnerns eingeläutet. Die afrikanische Politelite wohnte der Zeremonie ebenso bei wie die Weltgemeinschaft, repräsentiert von Ban Ki-moon. Dem Stadion wohnt, wie so viele Dinge in Ruandas boomender Hauptstadt Kigali, Symbolcharakter inne: Es wurde zur Trutzburg tausender Tutsi während des Genozids, eine Zeit lang zumindest.

Völkermord-Gedenkzeremonie im  im Amahoro-Stadion in der ruandischen Hauptstadt Kigali, April 2014

Völkermord-Gedenkzeremonie im im Amahoro-Stadion in der ruandischen Hauptstadt Kigali, April 2014

Was treibt die Frauen an diesen Ort, wo die Gräuel des Völkermordes erneut so lebendig werden, dass sie sich kreischend an den Gliedmaßen hinaustragen lassen müssen?

Seit der ehemalige Tutsi-Rebellenführer Paul Kagame das Land führt, ist Erinnern Staatsräson. Verschorfte Wunden werden in der jährlichen Gedenkwoche wieder aufgerissen; Ruanda ist, zwanzig Jahre nach dem Genozid, von „Kwibuka“ – dem Erinnern – gezeichnet. Bei Fahrten in das Landesinnere fallen um den Nachmittag herum Menschengruppen auf, die im Kreis um eine Sprecherin oder einen Sprecher sitzen. In diesen freiwilligen „conversations“ werden auch Zeugnisse abgelegt; von Opfern und Tätern. Sie finden in jedem Dorf statt, je nach Größe auch mit Mikrophon und Lautsprechern. Hier werden im Dialog Erlebnisse aufgearbeitet, die auch zwanzig Jahre später noch für Zusammenbrüche und große Trauer sorgen.

Eine Flamme der Erinnerung reiste mit einer Jugenddelegation durch das ganze Land, um schließlich das zentrale Feuer im Gedenkzentrum Gisozi in Kigali zu entzünden. Sie machte unter anderem in Camp Kigali in Nyarugenge halt, wo sich zu Zeiten des Genozids das Hauptquartier der Forces Armees Rwandaises befand. Hier wurde das Massaker an Tutsi, Twa und gemäßigten Hutu vorbereitet. Paulin Rugero, ein Überlebender aus dem Camp, berichte auch von Folter, die dort stattfand, von Folter, die weit „über die menschliche Vorstellungskraft“ hinausgehe. Die staatsnahe New Times erschien montags mit gewaltigem Dossier zum Genozid von 1994. Der staatseigene Fernseh-Sender zeigt historische Aufnahmen von belgischen Kolonialisten, die versuchen, durch Messen von Nasenlängen Unterschiede in der Physiognomie der konstruierten Ethnien zu finden. Es laufen Archivbilder vom Gemetzel und vor allem Präsident Kagame und seine Armee beim Wiederaufbau von Infrastruktur und – so legen es die Bilder nahe – nahezu des gesamten Landes.

Solch radikale Erinnerungskultur stößt nicht nur auf Sympathie. Eine junge Frau, die nach Ende des Genozids geboren und Besitzerin einer kleinen Boutique im Hôtel des Mille Collines ist, weltweit bekannt als eine der wenigen sicheren Häfen für Tutsi in 1994, stört die Omnipräsenz des Themas und die mediale Aufmerksamkeit: „Alle Journalisten wollen nur von mir wissen, wie ich mich fühle, wen ich im Genozid verloren habe, was diese Zeit des Erinnerns mir bedeutet – lasst mich doch einfach in Frieden!“

Und natürlich gibt es auch die andere, die dunkle Seite von Kwibuka. Wer Ruanda dieser Tage besucht, bekommt ein Bild davon, wie Paul Kagame, der big boss, die historischen Ereignisse zu Instrumentarien des Machtausbaus und Legitimation seiner Politik macht. An vielen prominenten Stellen sind Zitate Kagames zu lesen, in einem heißt es: „Der Körper Ruandas wurde gebrochen, doch sein Geist ist niemals gestorben.“ Der „Geist Ruandas“; ihn beschwört Kagame derzeit häufig. Ihm ist es wichtig, von einem vereinten Volk zu reden, einem Volk, das nur durch den Einfluss Außenstehender zerrissen werden konnte. Kagame stilisiert den Genozid zu einem Gründungsmythos eines neuen, erfolgreichen Ruandas, eines Phönix aus der Asche. Paul Kagame wird in der öffentlichen Wahrnehmung zur Personifikation dieses Mythos – sein Gesicht ist das Gesicht eines vereinten und friedlichen Landes. Und die Bürgerinnen und Bürger stehen hinter ihm. Er ist der starke Mann Ruandas. Die Erfolge Kagames sind nicht vom Tisch zu weisen: Er befreite das Land 1994 aus den Irren des Genozids, Wohlstand und Wachstum keimen, und unter ihm scheint endlich die Auflösung des Konstrukts Hutu/Tutsi zu gelingen. Doch Opposition, Pluralismus und Freidenkertum sind Institutionen, die nicht in Paul Kagames Konzept der Staatsführung passen und in der Entstehung dieses Mythos keinen Platz haben. Den Urfeind, den ein solcher Mythos braucht, liefert die Historie bedauernswerter Weise mit dazu: Die ehemaligen deutschen und belgischen Kolonialherren, die die starre Einteilung in Hutu und Tutsi schufen sowie eine globale Gemeinschaft, die 1994 aktiv weggeschaut hat. Kagame findet in beiden Verantwortliche für das Massaker, das vor zwanzig Jahren das Land verwüstete. Wie lange die Konzentration auf Paul Kagame dem Land noch guttun kann, bleibt fraglich. Die Herausforderung für die kommenden Generationen in Ruanda wird wohl nicht darin bestehen, einen weiteren Genozid zu verhindern. Sie besteht vielmehr darin, einen Staat wahrhaftiger Demokratie und aufgeklärter Bildung aufzubauen, dessen Stabilität und Einheit nicht mehr von Präsident Kagame und seiner „Erinnern – vereinigen – erneuern“-Rhetorik abhängt.

Doch so sehr die offizielle Erinnerungskultur in Ruanda einem außenstehenden politischen Beobachter auch Bauchschmerzen bereiten mag, ist sie doch immens wichtig für Opfer wie Täter zur Verarbeitung der Geschehnisse. Die Frauen, die nach zwanzig Jahren noch unter Schreikrämpfen zusammenbrechen, belegen das. Dialog ist das beste Mittel zur Verarbeitung von Gewalt, und Kommunikation das Beste zur Verhinderung derselben. Deswegen arbeitet die Organisation Aegis Trust, die sich den Kampf gegen Genozid weltweit zur Aufgabe gemacht und das eindrucksvolle Gedenkzentrum Gisozi in Kigali gestaltet hat, aktuell am Aufbau eines globalen Parlamentarier-Netzwerks. Ein solches soll als Brücke zwischen den nationalen und zuweilen regionalen Parlamenten und den internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen dienen und helfen, Verbrechen gegen die Menschheit zu verhindern. Stephen Twigg, britischer Labour-Abgeordneter, warb zusammen mit Aegis Trust-Mitarbeitern bei einem Treffen in Ruanda mit Abgeordneten des Bundestags sowie einer Delegation des rheinland-pfälzischen Landtags um Innenminister Roger Lewentz um deutsche Partizipation in diesem Netzwerk.

Twigg stimmte zu, dass ein solches Netzwerk Verantwortung um den ganzen Erdball verteilen und ein Versagen ähnlich dem der Weltgemeinschaft im Genozid von 1994 unwahrscheinlicher machen würde.

Jan Casper

 

Pressemitteilung: 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda – Deutschland muss die richtigen Lehren ziehen

20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda – Deutschland muss die richtigen Lehren ziehen

 

Mehr als 800.000 Tote. Das ist die schockierende Bilanz des Völkermordes in Ruanda, dessen Beginn sich 2014 zum 20. Mal jährt. 20 Jahre später ruft die Menschenrechtsorganisation Genocide Alert zu einem entschiedeneren deutschen Engagement zur weltweiten Verhinderung schwerster Menschenrechtsverbrechen auf. Dr. Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert, erklärt hierzu:

 

„1994 schaute die Welt dem Morden tatenlos zu. Wenn wir in diesen Tagen den Opfern des Völkermordes gedenken, darf dieses Versagen nicht vergessen werden. Schwerste Menschenrechtsverbrechen wie der Völkermord in Ruanda sind systematisch geplant. Sie müssen ebenso systematisch verhindert werden. Auch heute sind Hundertausende Zivilisten von schwersten Menschenrechtsverbrechen bedroht: In Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in der Demokratischen Republik Kongo. Wir dürfen nicht einfach wegsehen, wenn Menschen systematisch ermordet und vertrieben werden. Deutschland hat die Verantwortung und moralische Pflicht, ein erneutes Ruanda zu verhindern.“

 

Im Jahr 1994 war Ruanda ein Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe.  Deutsche Behörden reagierten jedoch nicht auf Warnzeichen, selbst als NGOs wie Human Rights Watch bereits auf schwere Menschenrechtsverbrechen hinwiesen. Auch eine Bundeswehrberatergruppe unterstütze das ruandische Regime bis zuletzt. Als Deutschland von den Vereinten Nationen während des Genozids um konkrete Hilfe gebeten wurde, lehnte die Regierung von Helmut Kohl ab. Noch nicht einmal 147 Flüchtlinge, die das Land Rheinland-Pfalz aufnehmen wollte, durften nach Deutschland kommen.

 

Genocide Alert ruft die deutsche Politik dazu auf, die eigenen Frühwarnmechanismen zu stärken, um Warnzeichen früher und effektiver sammeln und analysieren zu können. Deutschland sollte UN-Friedensmissionen stärker unterstützen: Mit Personal, Material und logistischen Fähigkeiten. Die Bundesregierung sollte zudem die Mittel für Krisenprävention deutlich erhöhen..


 

Mehr Informationen zu den Projekten von Genocide Alert anlässlich des Völkermords in Ruanda finden Sie hier auf unseren Projektwebseiten zum Thema.

 

Schüler setzen sich in Essaywettbewerb von Genocide Alert und Rheinland Pfalz mit Völkermord in Ruanda auseinander

Vor zwanzig Jahren geschah der Völkermord in Ruanda. Ohne ein entschiedenes Eingreifen und vor den Augen der Weltöffentlichkeit wurden innerhalb von nur 100 Tagen über 800.000 Ruander ermordet und Millionen zur Flucht aus der Heimat gezwungen. Um diese Fragen zu diskutieren und an den Völkermord in Ruanda zu erinnern, haben Genocide Alert und die Landesregierung Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2014 einen Essaywettbewerb für alle Schüler/innen ab der 11. Klasse in Rheinland-Pfalz ausgeschrieben. Dieser ist nun  abgeschlossen. Die Jury hat durchweg hochwertige Zusendungen erhalten und es war eine knappe Entscheidung. Trotz der schweren Wahl, konnte sich die Jury letztlich einigen: Der Gewinner des Essaywettbewerbs ist Jan Casper vom Stefan-George-Gymnasium Bingen am Rhein mit seinem Essay zur Macht der Sprache. Auf Platz zwei findet sich Matthias Meyer vom Thomas-Morus-Gymnasium Daun. Drittplatzierte ist Helen Bremm, die das Herzog-Johann-Gymnasium in Simmern im Hunsrück besucht.

„Es ist gut, dass sich auch Schülerinnen und Schüler für diese wichtige soziale Sache engagieren und sich kritisch mit den historischen Ereignissen in unserem Partnerland auseinandersetzen“, betonten die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen und Innenminister Roger Lewentz in diesem Zusammenhang. Genocide Alert freut sich mit diesem Essaywettbewerb zur Stärkung der seit 1982 bestehenden Partnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit Ruanda beigetragen zu haben. Die Essays zeugten von einer intensiven Beschäftigung der Schülerinnen und Schüler mit dem Völkermord in Ruanda und seinen Folgen. Einige der Essays, wie auch das des Gewinners Jan Casper, zogen Parallelen zu heutigen Ereignissen in Deutschland. So fordert Casper mehr Sensibilität im Umgang mit Sprache an. In Ruanda habe manipulierende und aufhetzende Sprache in den Medien den Völkermord mit ermöglicht.  Eine Gefahr des Sprachmissbrauchs bestehe immer, das zeigten Stigmatisierungen wie „Armutsmigrant“ oder „Homo-Propaganda“ mit welchen bestimmte Gruppen auch in Deutschland gezielt aus der Gesellschaft ausgegrenzt würden.

Der Verfasser des erstplatzierten Essays, Jan Casper, wird nun Anfang April zu den Gedenkfeierlichkeiten in Ruanda reisen und den für die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda verantwortlichen Innenminister Roger Lewentz dorthin begleiten. Der Flug wird von Brussels Airlines finanziert. Die  Zweit und Drittplatzierten werden einen Bücherpreis erhalten.

Die offizielle Preisverleihung erfolgt im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung des Innenministeriums RLP und Genocide Alert am Mittwoch den 15. Mai 2014 ab 19.00 Uhr im Wappensaal des Landtags Rheinland-Pfalz. Die Veranstaltung ist öffentlich und als Podiumsdiskussion konzipiert, zum Thema „Was haben deutsche NGOs aus ihrer Rolle in Ruanda 1994 gelernt“. Den aktuellen Stand der Veranstaltungsplanung finden sie hier.

Wir danken allen TeilnehmerInnen für Ihre Zusendungen.

» Die Gewinner und eine Auswahl der eingesendeten Essays sind hier zu finden.

 

Weitere Informationen:

» Pressemitteilung des Innenministeriums Rheinland-Pfalz zum Ergebnis des Essaywettbewerbs

» Ausschreibung des Essaywettbewerbs

» 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda: Was haben wir gelernt?

 

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Die Macht der Sprache – von Jan Casper

Erster Platz beim Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

1994 starben 800 000 Menschen im ruandischen Genozid. Der Nährboden für dieses Verbrechen war eine Atmosphäre des Hasses und des Misstrauens. Einen maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung dieser Atmosphäre hatte die Sprache. Die Sprache, die von Demagogen und Rassisten gezielt instrumentalisiert wurde, um Zwist und Zerwürfnis zu streuen.

Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Ausdrücke wie „Armutsmigrant“ und „Homo – Propaganda“ prägen Debatten in Deutschland und Europa. Die Macht der Sprache ist hier ebenso allgegenwärtig wie in Ruanda 1994. Russische Homosexuelle werden verfolgt, Migranten in der Bundesrepublik stigmatisiert. In punkto Sprachsensibilität müssen noch einige Lehren gezogen werden. Weiterlesen

Der Genozid der anderen – von Matthias Meyer

Zweiter Platz beim Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Selbstverständlich, Ruanda ist weit weg. Der Zweite Weltkrieg auch. Konzentrationslager voller aufgestapelter Leichen, Opfer eines Völkermordes. Nie wieder hieß es damals 1945, nie wieder. Viele Jahre ist das her, viele Jahre, in denen dieses Vorhaben hätte umgesetzt werden können. Doch die Realität ist von dieser Vorstellung noch viel weiter entfernt, als es Deutschland von Ruanda ist. Massengräber voller aufgestapelter Leichen 1994 in Ruanda, Opfer eines Völkermordes: Nie wieder, hieß es 50 Jahre nach dem Holocaust erneut: Nie wieder darf so etwas geschehen, nie wieder dürfen Hunderttausende Menschen einfach abgeschlachtet werden. Selbstverständlich nicht.

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20 Jahre danach – Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda? – von Hellen Bremm

Dritter Platz im Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Der Völkermord in Ruanda wurde in den letzten 20 Jahren auf viele Weisen aufgearbeitet.

Besonders eindrücklich ist die Geschichte Roméo Dallaires, dem Leiter der UNAMIR, der seine Sicht der Ereignisse aus dem Jahr 1994, die er aus nächster Nähe erfuhr, darstellt. Sein Buch „Shake Hands with the Devil – The Failure of Humanity in Rwanda“  ist zugleich eine unmissverständliche Anklage an die Vereinten Nationen und die gesamte westliche Welt. Er beschreibt: “In just one hundred days over 800,000 innocent Rwandan men, women and children were brutally murdered while the developed world, impassive and apparently unperturbed, sat back and watched the unfolding apocalypse or simply changed the channels.”[i] Es gilt sich zu fragen, ob er Recht hat mit seiner Anschuldigung und welche Fehler die internationale Gemeinschaft aber auch Einzelstaaten und vielleicht man selbst, als Privatperson am anderen Ende der Welt, gemacht hat und wie wir aus diesen Fehlern für ähnliche Verbrechen in Zukunft lernen können. Weiterlesen

Frieden und Gerechtigkeit – von Itua Omosigho

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

20 Jahre ist der Völkermord in Ruanda nun her, doch vergessen ist er noch nicht! Dieser Text, der aufgrund eines Wettbewerbs entstand, beschäftigt sich mit der Frage, was wir aus den begangenen Verbrechen lernen können? Wie wir sie nachvollziehen und vor allem anderen eine Wiederholung verhindern können; wie Frieden und Gerechtigkeit für die Opfer und alle Betroffenen erreicht werden kann?   Weiterlesen

20 Jahre danach – Was sind die Lehren aus dem Völkermord? – von Jenny Schößler

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Noch 20 Jahre nach dem erschreckenden Genozid in Ruanda, kann die Welt die Vorfälle immer noch nicht verkraften. Zu schrecklich waren die Ereignisse von 1994 mit den circa 800.000 getöteten Tutsi, dass nicht umsonst die Frage nach dem verwehrten Eingreifen der UN im Raum steht. Schon einen Monat vor dem Anschlag auf den ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana, der Auslöser für die Massenmorde war, hatte ein Kommandeur der UN-Blauhelme ein Telegramm nach New York geschickt, in dem er vor dem geplanten Völkermord warnte und um Hilfe bat. Doch statt auf die eindringlichen Warnungen einzugehen, ließ die UN die bis dato 2500 stationierten Blauhelme abziehen. Lediglich 270 Männer blieben zurück, die die Situation und die Gräueltaten nicht hätten aufhalten können, geschweige denn, dass sie ihnen gewachsen wären. Weiterlesen

20 Jahre danach – Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda? – von Jeremias Koch

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Als es nach zweieinhalb Jahren des Bürgerkrieges in Ruanda am 4. August 1993 zum Arusha- Friedensabkommen kam, bedeutete dies einen großen Schritt für das durch lange Kämpfe gebeutelte Land. Das Abkommen legte einen 22-monatigen Zeitplan fest, in dem zunächst eine Übergangsregierung, bestehend aus allen verschiedenen Parteien und der Rebellenbewegung RPF, eingesetzt werden sollte. Freie, demokratische und multiethnische Wahlen waren das langfristige Ziel. Außerdem wurde die Aufstellung einer internationalen, neutralen Friedensmission gefordert.

Als Beginn dieser Mission wurde der 10. September 1993 im Abkommen gewünscht, der Tag, an dem die Übergangsregierung ins Amt kommen sollte, das vollständige Kontingent der UNAMIR (United Nations Assistance Mission for Rwanda) befand sich jedoch erst am 15. Dezember in Ruanda. Es sollte zu einer Friedensmission nach Kapitel 6 der UN-Charta kommen. Eine Kombination aus bewaffneten Soldaten und unbewaffneten Beobachtern waren mit der Einhaltung des Friedensabkommens beauftragt. Gewalt durfte nur zur Selbstverteidigung und zur „Verhinderung von Verbrechen an der Menschheit“ eingesetzt werden.

Durch den schwerwiegenden ethnischen Konflikt, der Vielzahl von Gegnern des Abkommens und der hohen Kriminalität von marodierenden Banden hätte ein Eingreifen nach Kapitel 7 der UN-Charta, mit offensiver, militärischer Gewalt in das Land einzumarschieren und alle Parteien zum Frieden zu zwingen, durchaus einen schnellen Fortschritt bedeuten können. Kein Land war jedoch bereit, Truppenkontingente oder unterstützende Mittel bereitzustellen, erst recht nicht für eine Mission nach Kapitel 7.

Ruanda stellte aus strategischer Sicht keinen Anreiz für das internationale Interesse dar, es gab keine nennenswerte Vorkommen an Rohstoffen, außerdem stellte der Konflikt keine größere Gefahr für den Weltfrieden dar. Ruanda war abhängig von Auslandshilfen und Finanzspritzen, kein Entsendeland hätte einen politischen Gewinn an einer schnellen, erfolgreichen Mission gehabt. Generalmajor Maurice Baril (Kanada) sagte zu UN-General Romeo Dallaire (Kanada) kurz vor dessen Aufbruch zur Sondierungsreise nach Ruanda: „Diese Sache muss klein bleiben und darf nicht viel kosten, sonst wird der Sicherheitsrat sie nie billigen“ (aus Dallaire: Handschlag mit dem Teufel, S. 103). Von Beginn an hatte die Mission mit Rationalisierungsmaßnahmen und Unterversorgung zu kämpfen. Von den veranschlagten 5500 Soldaten und Beobachtern wurden nur etwa 2500 gebilligt. Wie ein roter Faden zieht sich die Anforderung von Nachschub (Nahrung, Medizin, Munition, Waffen, Fahrzeuge, Soldaten, Beobachter, Ausrüstung,…) und die damit einhergehende Ablehnung der UNO durch den Zeitraum der UNAMIR-Mission.

Als es im Nachbarland Burundi zu einem Putsch, ersten Gewalttaten an Tutsi und gewaltigen Flüchtlingsströmen nach Ruanda kam, veränderte die UNO ihre Haltung zu der Mission in Ruanda nicht, auch nicht, als die Einsetzung der Übergangsregierung mehrfach verhindert wurde, es zur Radikalisierung der Hutu, zu politischen Morden und zu Informationen über Waffenschmuggel aus den Nachbarländern und Waffenlager kam.

Selbst auf eine konkrete Warnung vor einem bevorstehenden Völkermord durch Hutumilizen an den Tutsi, herangetragen vom Chefausbilder der Hutumilizen, und die damit einhergehende Missachtung des Friedensabkommens an die UNO blieb folgenlos, die Weisung, Gewalt nur zur Selbstverteidigung anzuwenden wurde bekräftigt.

Die fehlende Initiative der UNO gipfelte im Abzug des Truppenkontingents zwei Wochen nach dem Ausbruch des Genozids. Lediglich 270 schlecht ausgerüstete UN-Soldaten blieben vor Ort, um Zeugen des Grauens zu werden.

Was kann die Weltgemeinschaft hieraus für Lehren ziehen? Was kann Deutschland lernen?

Die Kolonialisierung Ruandas durch Deutschland und später Belgien legte den Grundstein für den Genozid durch pseudowissenschaftliche Studien über die Artverwandtschaft der Tutsi zur europäischen „Herrenrasse“ und rassendiskriminierendes Denken. Insbesondere die Ausstellung von Pässen durch die Belgier, in denen die Stammeszugehörigkeit zu Hutu/Tutsi vermerkt war, machte das Abschlachten später so leicht.

Die Zeit des Kolonialismus in Form des 19. und 20. Jahrhunderts ist jetzt vorbei, trotzdem muss man daraus lernen. Das Eingreifen in politisch Prozesse in Krisenländern darf in Zukunft nur unter absoluter Kenntnis der Sachlage, einer umfassenden kulturspezifischen Sondierung und, am wichtigsten, absolut unparteiisch stattfinden. Die Bevor-oder Benachteiligung einzelner Gruppen führt schnell in eine prekäre Lage.

Deutschland muss in Zukunft sein politisches Gewicht in der Welt stärker ausnutzen. Die Zivilbevölkerung muss ihr demokratisches Recht auf vielfältige Weise einsetzen, um die Staatsoberhäupter in die Pflicht zu nehmen und einzugreifen. Die Verantwortungslosigkeit beginnt beim wissenden aber untätigen Bürger einer Nation, die helfen könnte, die Lage in Krisengebieten zu verbessern. Deutschland kommt durch die NS-Vergangenheit eine besondere Rolle zu, gerade wir sollten einen Völkermord nirgendwo auf der Welt noch einmal passieren lassen.

Völkermord ist nie spontan!

Im letzten Jahrhundert starben mehr Menschen durch Völkermorde als durch Kriege. Völkermorde sind immer bewusste Entscheidungen kleiner, ideologischer Kerngruppen. Sie sind sozusagen ein politisches Unternehmen, es geht um Machtansprüche und Wohlstand.

Sie benutzen den Völkermord als Mittel zur Sicherung ihrer Vorherrschaft. Vorurteile zwischen Bevölkerungsgruppen werden dabei immer instrumentalisiert, am Beispiel Ruandas wurden die Tutsi von den Hutu verunmenschlicht und als „Bestien“ dargestellt, die die Macht an sich reißen wollen.

Selbst tiefer, grundlegender Hass allein kann keine spontanen Massaker in Form eine Genozids hervorrufen. Es bedarf immer einer Vorbereitung und Planung. Dabei sind die führenden Köpfe stets vom Gelingen ihres grausamen Vorhabens überzeugt, weil sie unter anderem um die langen Entscheidungswege der UNO wissen. Bislang achtet die UNO die Souveränität von Staaten auf Kosten des eigenen Handlungsspielraums. Das gibt den Ländern eine zu große Handlungsfreiheit, mit der Sicherheit, dass die internationale Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres eingreift. Wenn wir also nichts Grundlegendes unternehmen, können sich politische Führer nach wie vor ungeahndet in Sicherheit wiegen. Außerdem sind die Kommunikationswege der UNO zu lang, die Befehlsketten uneindeutig und häufig erreichen wichtige Informationen nicht die eigentlichen Empfänger (der Sicherheitsrat der UNO gab später an, viele der Lageberichte und Forderungen der UNAMIR nicht erhalten zu haben). Staaten, die Völkermord begehen, müssten aus der UNO und allen internationalen Organisationen ausgeschlossen werden, damit ihr Handeln unterbunden werden kann.

Die internationale Gemeinschaft braucht einen Mechanismus, um schnell auf Völkermorde und dessen Vorboten zu reagieren. Eine Mächteorganisation demokratischer Staaten mit einer Null-Toleranz Politik. Nur durch schnelles, gezieltes und vor allem selbstloses Eingreifen kann die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinde gesichert werden.

Nationalpolitische Abwägungen über den Nutzen oder die Vorteile des eigenen Eingreifens dürfen unsere Außenpolitik nicht länger prägen. Wir müssen uns in die Lage der Opfer hineinversetzen und in jedem einzelnen Opfer eines Völkermordes die eigene Mutter, den Vater, Sohn oder Tochter sehen. Dann kann auch die Zivilbevölkerung auf der Welt ihre Staatsoberhäupter dazu bewegen, zu handeln.

Wenn Täter und Opfer in einem Land wie Ruanda ihre unterschiedlichen Rollen im Genozid verarbeiten, ihre Taten hinterfragen und Schuld und Fehler eingestehen beziehungsweise anerkennen, kann ein Prozess der Versöhnung entstehen, der kommenden Konflikten den Nährboden nimmt. Doch die nationale Ebene der Prävention reicht nicht aus.

Die Zivilbevölkerung weltweit muss durch Wissen und Bildung vor Völkermorden geschützt werden. Viel zu viele Menschen wissen nichts über den Genozid in Ruanda! Das muss sich dringend ändern. Es muss weltweit ein Bewusstsein geschaffen werden für Recht und Unrecht, für den Wert allen Lebens, für Verständnis und Akzeptanz Andersdenkender und für Zusammenhalt der Weltgemeinschaft trotz Unterschiede in Religion, politischer Ansicht und ethnischer Herkunft.

Ziel des neuen Bewusstseins muss sein, Instrumentalisierung und Hetze entgegen wirken zu können. Das persönliche Bild, die eigenen Begegnungen und Erfahrungen müssen dem stilisierten Feindbild entgegengesetzt werden („mein Nachbar ist Tutsi und immer nett zu mir gewesen, warum soll ich ihn töten?“).

Diese Art Bildung fehlt bislang auf internationaler Ebene. Zwar werden Konflikte aufgearbeitet, meist jedoch nicht länderübergreifend und international. Diese Bildung zum „Menschsein“ sollte primäres Ziel der durch Entwicklungshilfe geförderten Bildungsprojekte sein.

Insbesondere Deutschland muss zu dieser Art von Bildung beitragen. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, dass ist das erklärte Ziel des Geschichtsunterrichts. Wenn (als Beispiel) Zeitzeugen des Holocaust auf der ganzen Welt aufklären über Machtmechanismen und Handlungsabläufe (z.B. das Ermächtigungsgesetz, die Reichsprogromnacht, die Einschränkung der Rechte von Juden, Deportationen, Massenvernichtung,…), dann würde in den Köpfen der Menschen ein Bewusstsein entstehen, dass das Potential und erste Anzeichen von Völkermorden und Unterdrückung früh erkennt.

Wenn die Menschen in Ruanda gewusst hätten, dass Hitler die deutsche Bevölkerung durch die gleichen Medien wie die Hutuextremisten aufgestachelt hat (Radio, Zeitung) und das auch Hitler seine „Präsidentengarde“ (die SS) gehabt hat, die die Menschen zu Gewalttaten angestachelt haben, hätten sie ihr Handeln zumindest in soweit infrage gestellt, dass sie sich einem Schuldgefühl nicht hätten entledigen können. Sie hätten die Vorgänge in ihrem Land kritisch hinterfragt und Eigenverantwortung entwickelt. Die Beteiligung der breiten Masse wäre nicht möglich gewesen, weil Parallelen zu vergangenen Genoziden erkannt worden wären.

Quellen:

Dallaire, Romeo: Handschlag mit dem Teufel, Verlag Zweitausendeins, 2009, Deutsche Ausgabe

Youtube: „Schlimmer als Krieg – Völkermord verstehen und verhindern“ von Mike Dewitt & David Jonah Goldhagen URL: http://www.youtube.com/watch?v=sjk75DGz5D8 Zugriff: 11.02.2014

 

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