Beiträge

20 Jahre danach – Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda? – von Lea Henrich

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

In 100 Tagen kann man mit dem Fahrrad durch Europa fahren, den Sommer im Schwimmbad genießen, einen Garten anpflanzen, Freundschaften schließen.
100 Tage dauert es, bis ein kleiner Schwan fliegen kann, in 100 Tagen kann man sich 300 Mal die Zähne putzen, 100 Tage dauert die Probezeit in einem neuen Job.
In 100 Tagen kann man Rache begehen.
In 100 Tagen kann man ein Land unfähig machen zu handeln.
In 100 Tagen kann man mehr als einer Million Menschen das Leben stehlen, Familien auseinander reißen und Generationen zerstören.
Weiterlesen

20 Jahre danach-Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda? – von Marlen Klassen

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Der 7. April 2014. Während ein Großteil unserer deutschen Bevölkerung mit diesem Monat den Frühling und die ersten warmen Sonnenstrahlen verbindet, ist dieses Datum für die Einwohner Ruanders mit Todesangst, Leid, Verlust und Trauer verbunden. Es ist 20 Jahre her, dass im Land der 1000 Hügel ein erbarmungsloser Völkermord ausbrach. Innerhalb von ca. 3 Monaten starben etwa 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu durch die Hand der radikalen Hutu. Das wochenlange Morden fand nicht im Geheimen statt, sondern unter größtenteils passiver Beobachtung der Weltbevölkerung. Weiterlesen

20 Jahre Völkermord in Ruanda: Was haben wir gelernt? – von Philipp Hesch

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Vor zwanzig Jahren ist im Herz von Afrika etwas Unvorstellbares geschehen: binnen hundert Tagen wurden 1994 fast eine Million Menschen getötet. Von ihren Nachbarn und Freunden, aber auch von Fremden, denen sie nie etwas getan hatten. Diese Tragödie allein wäre schon schlimm  genug gewesen, wenn man nicht das zusätzliche Versagen der UNO, der Weltgemeinschaft und aller anderer Institutionen zu beklagen gehabt hätte.Man hätte den Genozid verhindern können, man hätte Menschenleben retten können, man hätte Infrastrukturen und Truppen nutzen können, man hätte die  Menschenrechte einfordern können.

Stattdessen: Versagen auf ganzer Linie.

Wird heute Vor – Ort – Prävention betrieben? Wird in Ruanda offen über den Genozid geredet? Wurde der Weg für zukünftige Interventionen diplomatisch und rechtlich klar geregelt? Wurde für eine entsprechende personelle und materielle Infrastruktur gesorgt?

So will ich zunächst den Blick auf unser ruandisches Partnerland lenken. Das Gymnasium Kusel besuchte Ruanda im Jahr 2012 und 2013 mit einer Schülergruppe. Als die Gruppe von 2012 an die Partnerschule kam, wurde sie informiert, dass am nächsten Tag der Abschluss der  Trauerfeierlichkeiten für den Genozid stattfinden würde. Man hatte die Gruppe im Vorfeld über diese Gedenkveranstaltung nicht informiert. Im Lauf  ihrer Vorbereitung hatten sich die Schüler schon mit diesem Thema beschäftigt und es wurde ihnen Bildmaterial zu diesem Genozid gezeigt. Diese Veranstaltung wurde von unserer Partnerschule stellvertretend für die ganze Region durchgeführt. Fast alle Bürger der Umgebung waren auf den Beinen und es entstand ein langer Zug der zum Gebeinhaus führte. Dort werden die Überreste der Toten  gesammelt und aufgebahrt. Es wurde den Schülern freigestellt, in das Gebeinhaus zu gehen. Auch die Lehrer schienen ebenso wie viele andere Erwachsene überfordert und überwältigt von diesem Anblick der menschlichen Überreste zu sein; dies war so von der Partnerschule gewollt.Es geht um Aufklärung, Sensibilisierung und das Verhindern der Verdrängung dieses Genozids. Es ist eine Ermahnung an die Lebenden, dass sich so etwas nicht wiederholt.

Dies ist nicht nur ein nationales Problem Ruandas.

Häufig wurden Völkermord und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht wirklich aufgearbeitet und geahndet Oft fehlte der Wille der internationalen Gemeinschaft und in dem betroffen Land wurden die Verbrechen totgeschwiegen.

Allerdings nahmen bei dieser Gedenkfeier in Ruanda Vertreter des Staates und der religiösen Gemeinschaften sowie ein Zeitzeuge eindeutig zu dem Genozid Stellung.

Zum Teil ist es verständlich, dass Ruanda sich als Demokratie auf wackeligen Beinen nicht ewig mit der Aufarbeitung des Genozids beschäftigen kann und will. Zum Anderen müssen wir sehen, dass Opfer und Täter Haus an Haus wohnen und sich vielleicht bei der Arbeit begegnen.Permanentes Misstrauen und Angst ist ein schlechtes Fundament für eine funktionierende Demokratie.

Anderenorts wurde auch auf ein schlechtes Fundament gebaut. Nehmen wir den Kosovo oder Somalia und ganz aktuell Syrien. Aber hier wurde weder bei der UN noch bei der NATO für ein schnelles konsequentes Eingreifen gesorgt. Selbst wenn ganz offensichtlich Menschenrechte gebrochen werden, wenn Menschenleben aus reiner Willkür gefährdet sind, wird nicht eingegriffen.Entsprechende Eingriffsmöglichkeiten bestehen, werden aber oft aus unterschiedlichen Gründen nicht angewendet.Es wäre den Verantwortlichen zu unangenehm, einen Einsatz vor ihrer Bevölkerung zu rechtfertigen.

Auch in Deutschland ist eine ähnliche Haltung festzustellen, die viel mit der deutschen Geschichte zu tun hat.

Diese passive Haltung steht im Moment jedoch in der Kritik wie die Münchner Sicherheitskonferenz gezeigt hat. Bundespräsident Gauck erklärte dort,dass „wir nicht verschont bleiben von den Konflikten der Welt“ und er sich wünsche, wir würden schneller und nachhaltiger reagieren. Auch stellte er klar, dass es weder ein Recht auf Wegsehen gebe noch sich die Politiker mit Verweis auf die ablehnende Haltung der Bürger ihrer Verantwortung entziehen könnten.

Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte auf der Münchner Konferenz, dass Gleichgültigkeit für Deutschland keine Option sei und eine Verpflichtung für Deutschland bestehe zu handeln, da es die Mittel und Fähigkeiten dazu besitze.

Jedoch ist die deutsche öffentliche Meinung weiterhin gegen Militäreinsätze im Ausland wie die Reaktion auf den deutschen Einsatz in Mali zeigt: Bei einer Meinungsumfrage waren69 % der Befragten gegen einen solchen Einsatz. Eine Lösung wäre vielleicht das Eingreifen der deutsch-französischen Brigade im europäischen Rahmen. Dann würde die Verantwortung nicht allein bei Deutschland liegen.

Aber da wo Menschenleben so massiv gefährdet waren wie 1994 in Ruanda, muss eine schnelle Entscheidung möglich sein.

Dazu war aber die UN wegen der verschiedenen Interessen ihrer Mitgliedsstaaten nicht in der Lage.

Trotzdem hat sich einiges zum Positiven gewendet. So will die NATO auch in Zukunft unabhängig von der UN Interventionen prüfen und durchführen. Das steht zumindest in ihrem strategischen Konzept von 1999.

2006 kam es zur Einrichtung der oben erwähnten Krisen-Reaktionstruppe bei der NATO. Diese besteht aus Land- und Seestreitkräften und soll ein breites Aufgabenspektrum abdecken, was bedeutet, dass sie nicht nur bei einem eventuellen Völkermord zum Einsatz käme.Den Truppen der UN 1994 fehlten angeblich die Gelder, das Personal und die Rechtssicherheit.

Dies bedeutet, dass man einer erneuten Unterschätzung der jeweiligen Gefahr vorbeugen muss man muss jedoch zugeben, dass die richtige Einschätzung der Situation oft schwierig ist. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verbrecher in Ruanda nicht entsprechend ihrer Schuld bestraft wurden.

Es scheint kein echtes Interesse an einer Aufarbeitung der Vorkommnisse zu geben. Auch wird unterschwellig immer noch zwischen Hutu und Tutsi unterschieden, was ganz offen die Parteienlandschaft zeigt. Prävention und Diskussion wird nicht zugelassen wobei es zu einer inszenierten Dramatisierung des Genozids kommt, sodass eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich ist.

Auch für die Zukunft gibt es in Ruanda wenig Hoffnung, weil es immer noch ein großes Demokratiedefizit gibt, was aber zum Teil durch die Geschichte des Landes bedingt ist.

Das Fazit fällt also eher negativ aus :

Haben wir nichts gelernt ? 

Wird auch in Zukunft ein Völkermord nicht verhindert werden können?

Die Antwort kann nur die Völkergemeinschaft geben.

 

 » Zurück zu den anderen Beiträgen des Essaywettbewerbs

 

Irgendwo in Afrika – von Violetta Citaku

Beitrag zum Essaywettbewerb “20 Jahre danach –

Was sind die Lehren aus dem Völkermord in Ruanda”

Ruanda – ein Land irgendwo in Afrika. Ein Land von vielen auf dieser Welt, die wir nur aus den Medien und der Schule kennen. Ein Land mit einer grausamen, fast vergessenen Geschichte: einem Völkermord. Heute, 20 Jahre danach interessieren sich nur noch wenige für ihn. Doch soll dieses Massaker eine archivierte Schlagzeile bleiben oder haben wir die Pflicht uns auch noch heute damit und vor allem mit den Lehren zu beschäftigen?

Völkermord in Ruanda? Was war da nochmal? Ein Blick in Wikipedia genügt: Unter dem Völkermord (Genozid) in Ruanda versteht man das vier Monate lang andauernde, regelrechte Abschlachten der Tutsi-Minderheit durch die Hutu-Bevölkerung. Etwa 75% der Tutsi wurden umgebracht. Insgesamt starben ungefähr 900.000 Menschen. Weiterlesen

Genocide Alert Policy Brief 2/2014: Zentralafrikanische Republik – Ein Brandherd erfordert Handeln

In der Zentralafrikanischen Republik sind fast eine Million Menschen auf der Flucht, Tausende fanden den Tod. Es ist zu erwarten, dass weiterhin schwere Gräueltaten begangen werden. Um dies zu verhindern, hat die EU einen Überbrückungs-Militäreinsatz beschlossen. Deutschland kann und sollte einen Beitrag hierzu leisten und daher einen solchen Einsatz logistisch unterstützen. Die Bundeswehr sollte verfügbare Transportkapazitäten freistellen, sich finanziell am Ausbau der humanitären Hilfe beteiligen sowie die schlecht ausgerüsteten MISCA-Friedenstruppe der Afrikanischen Union logistisch und finanziell unterstützen.

Staatlicher Kollaps

Seit der ehemalige Präsident François Bozizé im März 2013 durch die mehrheitlich muslimischen Séléka-Rebellen („Allianz“ in Sango) gestürzt wurde, befindet sich die Zentralafrikanische Republik (ZAR) in einer Gewaltspirale. Angesichts des Zusammenbruchs staatlicher Institutionen und zahlreicher Menschenrechtsverbrechen verschiedenster Milizen steht das knapp 4,6 Millionen Einwohner zählende Land vor einer humanitären Katastrophe.

Nachdem der selbsternannte Präsident Djotoda Anfang 2014 zurücktrat, wählte der Nationale Übergangsrat Catherine Samba Panza zur neuen Präsidentin des Landes. Sie gilt in Bangui bislang als kompetente und unbestechliche Politikerin, die sich durch ihr Eintreten für Bürger- und Frauenrechte einen guten Ruf erworben hat. Für die neue Übergangsregierung ist es wegen des weitgehenden Zusammenbruchs staatlicher Institutionen unmöglich, den Kämpfen Einhalt zu gebieten, Zivilisten effektiv zu schützen und gleichzeitig eine politische Lösung für den Konflikt zu finden. Externe Unterstützung durch die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen und die Europäische Union sind daher unabdingbar.

Große Teile der Bevölkerung haben durch Zerstörung und Vertreibung ihre Existenzgrundlage verloren. Laut dem Büro der UN für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) befinden sich derzeit über 900.000 Zentralafrikaner auf der Flucht. Etwa 500.000 von ihnen befinden sich in der Hauptstadt Bangui, 100.000 auf dem von französischen Truppen gesicherten Flughafen. Die Verteilung dringend benötigter Nahrungsmittel sowie medizinischer Hilfe gestaltet sich trotz der von der UN mandatierten 1.600 französischen Soldaten und der auf 6.000 Soldaten ausgerichteten (aber noch nicht vollständig stationierten) MISCA-Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) als schwierig. Viele Teile des Landes sind unerreichbar. Gezielte Angriffe auf die internationalen Truppen sowie Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung haben dramatisch zugenommen. UNICEF schätzt die Zahl der von diversen Milizen rekrutierten Kindersoldaten auf ca. 6.000.

Reaktion Deutschlands und der EU

Deutschland hat sich bislang zum einen  finanziell am Militäreinsatz der AU beteiligt sowie logistische Hilfe in Form von Transportflügen bereitgestellt. Am 20. Januar 2014 haben mehrere EU-Staaten insgesamt 469 Millionen US-Dollar an humanitärer Hilfe zugesagt. 200 Millionen sollen sofort fließen. Zudem beschlossen die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten, binnen weniger Wochen eine rund 500 Soldaten umfassende europäische Truppe zur Unterstützung der bereits vor Ort im Einsatz befindlichen französischen und afrikanischen Soldaten zu entsenden. Die EU-Truppe soll auf einen Einsatz in der Hauptstadt Bangui sowie die Sicherung des Flughafens begrenzt sein und dient der Überbrückung, bis entweder die afrikanische Mission MISCA ihre geplante Truppenstärke erreicht hat oder eine UN-Mission entsandt wird. Deutschland beschränkt sich hierbei auf die logistische Unterstützung des EU-Einsatzes und plant, die französische Armee bei ihrem Einsatz in Mali zu entlasten.

Erforderliche Maßnahmen und mögliche Beiträge Deutschlands

Der unmittelbare Schutz der Zivilbevölkerung vor weiteren Gräueltaten muss gesichert und die öffentliche Ordnung insbesondere in der Hauptstadt Bangui wiederhergestellt werden.

  • Für die Arbeit vieler Hilfsorganisationen und für die Verteilung von Hilfsgütern ist Schutz, etwa in Form sicherer Korridore, grundlegend.
  • Weitere logistische und finanzielle Unter-stützung der schlecht ausgerüsteten MISCA ist hierfür essenziell. Das Engagement der EU und Deutschlands ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen. Es muss zudem eine Regelung für eine EU-weite Lastenverteilung der französischen und europäischen Einsatzkosten gefunden werden.
  • Die rund 500 EU-Soldaten könnten neben dem Schutz von Flüchtlingen und Zivilisten auch durch Aufklärung, medizinische Unterstützung und Transporthubschrauber einen großen Beitrag zur Stabilisierung der Hauptstadt und zur Arbeit von Hilfsorganisationen leisten. Wichtig ist nun, dass die inzwischen vom UN-Sicherheitsrat mandatierte Mission schnell vor Ort stationiert wird.
  • Zur Befriedung ist die Finanzierung und Durchführung eines umfassenden Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramm für Ex-Rebellen der verfeindeten Gruppen erforderlich.
  • Die Bundeswehr sollte umgehend verfügbare Transportkapazitäten bereitstellen.
  • Finanziell sollte Deutschland sich am Ausbau der humanitären Hilfe gemäß den Anforderungen des OCHA beteiligen. Der Strategic Response Plan des OCHA für die Zentral-afrikanische Republik ist mit 59,8 von angestrebten 552 Millionen US-Dollar erst zu 11 % finanziert Das Technische Hilfswerk und das Deutsche Rote Kreuz könnten im Flüchtlingslager am Flughafen Bangui einen großen Beitrag leisten. Die Versorgung der über 100.000 Flüchtlinge ist bislang nicht gewährleistet.
  •  Bei Friedensverhandlungen ist eine Betei-ligung der Minderheiten aus den Rand-gebieten dringend notwendig, um nachhaltige Lösungen finden zu können. Zur Verhinderung weiterer Gräueltaten zwischen Christen und Muslimen, die als Produkt und nicht als Grund der Rebellion anzusehen sind, sollten parallel dazu Stabilisationsmaßnahmen, wie interreligiöse Dialoge und dringend benötigte Wiederaufbauhilfe eingeleitet werden. Hier können sich Vermittler der UN, AU und EU zwischen den Konfliktparteien einschalten.
  • Die Zentralafrikanische Republik ist Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs. Verantwortliche für Menschenrechtsverbrechen die Rekrutierung von Kindersoldaten sollten angeklagt werden. Die UN sollte hierfür umgehend eigene Untersuchungen einleiten.
  • Das beschlossene Waffenembargo muss aufrechterhalten werden.
  • Mögliche gezielte Sanktionen gegen jene, die politische Verhandlungen blockieren, sollten – wie in der UN-Resolution vorbehalten – weiterhin in Betracht gezogen werden.

 

Download: Policy Brief Zentralafrikanische Republik – Ein Brandherd erfordert Handeln

 

Jens Stappenbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Genocide Alert.

Emilia von Mettenheim ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Genocide Alert.

 

Eine Welt, ein Traum? China, die Olympischen Spiele und der Völkermord in Darfur

In China laufen die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2008 auf Hochtouren. Futuristische Sportstätten werden aus dem Boden gestampft, Peking wird begrünt, Polizisten geschult. Auch die Bevölkerung wird im Schlangestehen und gutem Benehmen trainiert. Nichts soll dem Zufall überlassen werden, denn China will sich von seiner besten Seite zeigen.

„Eine Welt, ein Traum“, das ist das Motto der Olympischen Spiele 2008. Doch während China an seinem Image als verantwortungsvolle und friedliche neue Weltmacht feilt, ist es gleichzeitig stiller Komplize des ersten Völkermords des 21. Jahrhunderts im westsudanesischen Darfur. Chinas Blockade im UN-Sicherheitsrat hat seit 2003 ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft verhindert. Bisher hat China seinen erheblichen Einfluss auf das Regime in Khartum nur sehr widerwillig genutzt um die humanitäre Lage in Darfur zu bessern und das Morden zu stoppen. Hierauf aufmerksam zu machen hat sich Hollywood Superstar und UNICEF Botschafterin Mia Farrow vorgenommen, die im Rahmen der internationalen „Dream for Darfur“ Kampagne am 29. November Berlin besucht.
„Dream for Darfur“ macht auf die Rolle Chinas als skurpelloser Schutzmacht des Regimes in Khartum aufmerksam. Mit einer der Übergabe des Olympischen Feuers nachempfundenen Fackelübergabe von Darfur nach Peking über Länder, die Völkermorde in ihrer Geschichte erlebt haben, wird dieses Statement inszeniert. Ziel der Kampagne ist der Aufbau von öffentlichem Druck auf China, damit die Volksrepublik den Sudan zu einer Beendigung des Mordens beweget.
Was aber hat China mit der Regierung des Sudan zu tun? China ist der größte Investor im Sudan und größter Abnehmer sudanesischen Öls ist. Die Regierung des Sudan nutzt ca. 70% ihrer Einnahmen für den Kauf von Militärgerät und zur Bewaffnung arabischer Reitermilizen, den so genannten Janjaweed, welche seit Jahren schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in Darfur begehen. Ein Großteil dieses Geldes bezieht das Regime in Khartum aus dem Verkauf von Erdöl an China. Hauptakteur in diesem tödlichen Spiel ist die chinesische Ölgesellschaft PetroChina, die zu 80% der Volksrepublik gehört. PetroChina machte in letzter Zeit vor allem Schlagzeilen mit seinem kometenhaften Börsengang. Was jedoch nicht in der Zeitung stand: PetroChina macht dicke Geschäfte mit den Völkermördern in Khartum. Aus diesem Grund benennt die „Sudan Divestment Taskforce“ PetroChina auch als einen der „größten Missetäter“ (Highest Offender) in Bezug auf die Unterstützung des Völkermords in Darfur. China finanziert also einen Völkermord, der inzwischen 400.000 Menschen das Leben gekostet und 2,5 Millionen vertrieben hat. Kein Grund zu feiern.Durch seine Unterstützung des Regimes in Khartum ist China zum stillen Komplizen des ersten Völkermords dieses Jahrhunderts geworden. Anstatt ihrer völkerrechtlichen Verantwortung zum Schutz der Menschen vor Völkermord gerecht zu werden, hat die Volksrepublik China ihren Profit im Auge. Doch die Olympischen Spiele 2008 in Peking bieten eine einzigartige Möglichkeit, die internationale Öffentlichkeit über Chinas Komplizenschaft am Völkermord in Darfur zu informieren und Druck auf die chinesische Regierung auszuüben. Dieses Ziel verfolgen Dream for Darfur oder die Kampagne Genocide Olympics, welche die kommenden Olympischen Spiele als „Völkermord Olympia“ in die Geschichte eingehen lassen wollen. Ein prominentes Beispiel für den Einfluss dieser Kampagne ist der Sinnesweandel von Hollywoodregisseur Steven Spielberg, der als künstlerischer Berater an den Spielen beteiligt war. Nachdem er öffentlich mit der Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl verglichen wurde, schrieb er einen Brief an den Chinesischen Präsidenten Hu Jintao, in welchem er das Thema Völkermord und Darfur aufgriff und seine Aktivitäten bis auf weiteres suspendierte.Nichts ist im chinesischem Kulturkreis schlimmer als sein Gesicht zu verlieren. Deshalb sollte Peking vor die Wahl gestellt werden: Entweder setzt sich China mit aller Kraft für ein Ende des Völkermords und die Stationierung einer internationalen UN-Truppe in Darfur ein. Oder die Olympischen Spiele 2008 werden im Zeichen chinesischer Komplizenschaft mit den Völkermördern in Khartum als „Völkermord Olympia“ in die Geschichte eingehen. Die bisherigen Erfolge zeigen, dass China sensibel auf internationalen Druck im Zusammenhang der Spiele 2008 reagiert. Es hängt nun von allen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und sportlichen Akteuren ab, ob ausreichender Druck auf China organisiert wird, um das Morden in Darfur endlich zu beenden.

Johanne Kübler & Robert Schütte
(Vorstand Genocide Alert)

Mehr Informationen sind verfügbar unter:

pdfpdf PDF Download Paper Genocide Olympics – 250 KB

Blog von Rettet Darfur zum Thema

[Genocide Alert ist nicht zwingend der Ansicht der Autoren dieses externen Links]

Stell dir vor es ist Völkermord und keiner geht hin

Zu dieser Stunde findet in der westsudanesischen Provinz Darfur der erste Völkermord des 21. Jahrhunderts statt. Doch statt etwas dagegen zu tun, verneint die Politik diese Tatsache und präsentiert stattdessen scheinheilige Ausreden, warum sie nicht eingreifen. Aber so kann es nicht weitergehen. Wir, die Bürger, sind gefragt.

Laut UNO befinden sich im Darfur über 2,5 Millionen Menschen auf der Flucht, ca. 400.000 Zivilisten sind ermordet worden. Warum? Nicht weil sie etwas getan haben. Sie werden ermordet, vergewaltigt, gefoltert und vertrieben bloß weil sie sind. Dies sollte uns bekannt vorkommen: Kosovo 1999, Bosnien 1995, Ruanda 1994, Irak 1988, Kambodscha 1979, Deutschland 1945 und Türkei 1915 sind nur die bekanntesten Beispiel für die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind aber genauso Zeugnisse für die Mitschuld unserer eigenen Regierungen, die nicht eingriffen um das Morden zu verhindern. Unter dem Eindruck des Holocaust verabschiedete die UNO im Jahr 1948 die sogenannte Genozid-Konvention. Hiernach ist Völkermord ein internationales Verbrechen, das jeder Staat zu verhüten verpflichtet ist. Leider sind in den folgenden Jahren keine Taten gefolgt. Noch immer ist es schwer, den notwendigen politischen Willen zu mobilisieren, wenn es um den Schutz fremder Menschen geht. Die Ausreden sind dabei immer die gleichen:

 Perverse Konsequenz:

„Wenn wir eingreifen würden noch viel mehr Menschen sterben.“ Dieses Argument wurde nicht zuletzt von US Generälen vorgebracht, um ein Bombardierung von Auschwitz zu verhindern.

 Hilflosigkeit:

„Es ist unmöglich für uns den uralten Hass zwischen diesen Menschen zu stoppen.“ So begründete Bill Clinton im Jahr 1994, warum die USA nicht in den ruandischen Völkermord eingreifen wollten. 800.000 Tote und 9 Jahre später erklärte Clinton, dass fünf- bis zehntausend Soldaten dem Völkermord hätten Einhalt bieten können.

 Gefahren-Abwehr:

„Wenn wir eingreifen, bringen wir Hilfsorganisationen und Blauhelme in Gefahr von Racheaktionen.“ 200.000 ermordete bosnische Muslime zu spät bombte die NATO im Jahr 1995 Slobodan Milosevic an den Verhandlungstisch und erreichte ein lange überfälliges Friedensabkommen.

Völkermorde sind keine Naturkatastrophen, die plötzlich und unaufhaltsam über uns hereinbrechen. Völkermorde haben eine Vorwarnzeit von mehreren Jahren, wenn man die Zeichen zu deuten weiß. Es mangelt uns nachweislich nicht an Informationen oder Wissen. Völkermord ist verhinderbar, wenn der politische Wille zum rechtzeitigen Eingreifen mobilisiert wird. Wenn Völkermord aber erst einmal geschieht, muss die internationale Gemeinschaft mit allen notwendigen Mitteln eingreifen. Dies schließt militärische Gewalt ausdrücklich mit ein. Der Westen ist seit spätestens 2003 detailliert über den  Völkermord im Sudan und die Verantwortlichkeit der sudanesischen Regierung informiert. Getan hat sich allerdings kaum etwas. China macht hervorragende Geschäfte mit dem Sudan und wird damit zum Komplizen eines Regimes, welches seine eigene Bevölkerung ermordet und vergewaltigt. Gleichzeitig möchte sich China mit den Olympischen Spielen 2008 als „friedliche und verantwortliche Weltmacht“ präsentieren. Die Erwartungen sind hoch, der Stolz enorm. Was kann man also tun? Genau an dieser Stelle setzt die Kampagne „Genocide Olympics“ an, welche die Olympischen Spiele als Plattform zur Bloßstellung Chinas inhumaner Politik im Sudan nutzen will. Ziel ist es, die chinesische Regierungspolitik durch eine Strategie aktiven internationalen Beschämens an den Pranger zu stellen. Diese Art von öffentlichem Druck hat auch Steven Spielberg (Botschafter für die Spiele 2008) zu spüren bekommen, als amerikanische NGOs ihn als neue „Leni Reifenstahl“ darstellten. Als Folge flog ein chinesischer  Sonderabgeordneter nach Darfur und erreichte eine bis dahin als unmöglich angesehene Zustimmung Khartums zur Stationierung von 26.000 UN-Soldaten. Man sieht also: Öffentlicher Druck kann helfen!

Was kann man hier, vor Ort tun? Vor allem öffentlichen Druck aufbauen, z.B. durch stetiges Klagen und Fragen seiner örtlichen Bundestagsabgeordneten, wie Er/Sie sich an diesem Thema beteilige um den Menschen zu helfen. Was kann die Regierung tun? Sich für einen besseren Schutz von Zivilisten vor Mord und Vergewaltigung einsetzen; zu einer politischen Lösung der Krise beitragen; und dem Internationalen Strafgerichtshof in Dan Haag bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechern helfen. Was können Unternehmen tun? Sich wirtschaftlich mit Verweis auf aus dem Sudan zurückziehen. Im April 2007 hat zum Beispiel Rolls Royce sich der „Desinvestitionskampagne“ in England angeschlossen. Was können die Parteien tun? Innerparteilich Druck machen und das Thema auf die innenpolitische Tagesordnung der Mandatsträger setzen. Zu diesem Zweck ist eine Vernetzung von Parteien mit zivilgesellschaftlichen Gruppen ein muss. Unser Handeln entscheidet, ob „internationale Solidarität“ und „nie wieder Auschwitz“ bloße Floskel oder politisches Leitbild sind.

Welche Tat ist nobler als einem Fremden zur Hilfe zu kommen, der dir weder Dank noch Lohn geben kann?

Link: Stanton, Gregory: Twelve Ways to Deny a Genocide, 2004

[Genocide Alert ist nicht zwingend der Ansicht der Autoren dieses externen Links]