(c) NASA, http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AAfrica_satellite.jpg

Menschenrechtspolitische Vorschläge zum neuen Afrikakonzept

von Christoph Schlimpert

Der afrikanische Kontinent wurde in den außenpolitischen Überlegungen Deutschlands lange vernachlässigt. Es ist begrüßenswert, dass aktuell eine neue Afrikapolitik diskutiert wird. In diesem Licht sollte auch die Überarbeitung des aus dem Jahr 2011 stammenden Afrikakonzeptes der Bundesregierung verstanden werden. Friedensförderung und Menschenrechtsschutz sollten ein zentraler Aspekt des neuen Konzeptes werden.

In vielen Staaten Afrikas sind bemerkenswerte Fortschritte in guter Regierungsführung, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit festzustellen. Zudem wird Afrika für Deutschland auch in wirtschaftlicher Hinsicht zunehmend interes-santer. Dennoch zeigen die jüngsten Krisen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik sowie fortdauernde Konflikte in der DR Kongo, Sudan und dem Südsudan, dass der Schutz von Zivilisten vor schwersten Menschenrechtsverletzungen von größter Bedeutung bleibt. Aus diesem Grund muss Friedens- und Menschenrechtspolitik ein Schwerpunkt der künftigen deutschen Afrikapolitik werden. Viele Staaten bedürfen weitaus größerer Unterstützung bei der Verhinderung von Völker­mord, ethnischen Säuberungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Solche Hilfen hatte die internationale Gemeinschaft im Jahr 2005 in ihrer Verabschiedung der sogenannten Schutzverantwortung (engl. respons­ibility to protect) zugesagt. Bisher ist in diesem Politikfeld zu wenig geschehen.

 

Grundsätze eines neuen Afrikakonzeptes

 

Die bereits im Afrikakonzept von 2011 vorhandenen Bekenntnisse zu Frieden, Sicherheit und Menschenrechten sollten um ein explizites Bekenntnis zur Verwirklichung der Schutz-verantwortung ergänzt werden. Der zwanzigste Jahrestag des Genozids in Ruanda verdeutlicht: Angesichts zahlreicher bewaffneter Konflikte und den hiermit verbundenen Bedrohungslagen für Zivilisten kommt der Umsetzung der Schutz­verantwortung eine zentrale Rolle zu.

Der Kampf gegen die Straflosigkeit von Gräueltaten erfordert zudem die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Nach anfänglich großer Unterstützung des IStGHs ist derzeit zunehmende Kritik von Seiten afrikan­ischer Staaten zu beobachten. Um die bisher ge­machten Fortschritte nicht zu gefährden, sollte Deutschland im Dialog für eine Stärkung des Vertrauens in diese junge, politisch unabhängige Institution werben.

Die Einhaltung und Förderung der Menschen-rechte sollte ausnahmslos in allen Bereichen der deutschen Afrikapolitik verankert sein. Dies gilt insbesondere auch für die deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen. Im Hinblick auf die Themen Wirtschaft und Rohstoffe sollten deutsche Interessen an einer Intensivierung der Handels­beziehungen nicht auf Kosten menschen­rechtlicher Standards gehen. Gerade das konflikt­ver­schärfende Potential von Rohstoff­exporten sollte im Zusammenhang von Entwicklungs- und Friedenspolitik gesehen werden. In inter­nationalen Verhandlungen mit afrikanischen Partnerländern und gegenüber heimischen Unter­nehmen müssen Menschenrechte besondere Be­rücksichtigung finden.

 

Menschenrechtspolitische Instrumente nutzen

 

Die Rolle Deutschlands bei der Entwicklung der zivilen Konfliktprävention sowie der Förderung der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur ist lobenswert. Die im Afrikakonzept von 2011 aufgeführten Instrumente sollten deswegen weiter intensiv genutzt und nach Möglichkeit ausgebaut werden. Im Bereich der Prävention von Massenverbrechen sollten jedoch zusätzliche Instrumente Anwendung finden.

Deutschland sollte seine Fähigkeiten zu einer aktiveren Unterstützung von UN-Friedens-missionen ausbauen und auch einsetzten. Neben der gegenwärtigen Praxis einer Beteiligung durch Militärbeobachter und Stabsoffizieren sollte Deutschland mehr logistische Kapazitäten, ziviles Fachpersonal und Polizeikräfte für Friedens-missionen zur Verfügung stellen. Deutschland sollte bei massiver Gefährdung einer Zivil­bevölkerung im Zusammenspiel mit EU, UN und regionaler Organisationen auch zum Einsatz militärischer Kräfte auf Grundlage der Schutzver-antwortung bereit sein. Die Bereitstellung von Luftaufklärungs- und Lufttransportkapazitäten ist hierbei eine mögliche Option. In besonders gravierenden Situationen sollte auch eine kurzfristige Entsendung von Einheiten der der EU-Battle Groups oder NATO-Response-Force erwogen werden, wenn vor Ort präsente Friedensmissionen mit der Lage überfordert sind. Die Entsendung solcher kurzzeitigen Über-brückungskräfte (engl. bridging forces) hat sich in der Vergangenheit bewährt.

Zusätzlich zu den im bisherigen Afrikakonzept genannten militärpolitischen Aspekten der Sicherheitssektorreform (SSR) müssen auch zivile Komponenten stärker in den Blick ge-nommen werden. Die Instrumente der SSR zur Stärkung einer unabhängigen Justiz und einer die Bürgerrechte achtenden Polizei sind ein wichtiger Bestandteil der Verhinderung von Gräueltaten. Ausbildungsmissionen zur Stärkung und Unter­weisung nationaler Sicherheitsapparate in humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten sind von besonderer Bedeutung. Insbesondere im Rahmen der deutschen Ertüchtigungsinitiative muss darauf geachtet werden, dass die verbesserte Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitskräften immer mit einer Stärkung des Menschenrechtsschutzes einhergeht.

Die „goldene Regel“ des Arms Trade Treaties zur Berücksichtigung der Menschenrechtslage bei der Genehmigung von Rüstungsexporten sollte als wichtigstes Kriterium für deutsche Rüstungs-exporte nach Afrika angesehen werden. Bei der sogenannten „Ertüchtigung“ von Sicherheitskräf­ten muss darauf geachtet werden, dass in diesem Zusammenhang gelieferte Ausrüstungsgegen-stände nachweisbar nicht missbraucht werden.

Zur Prävention von Gräueltaten sollten sich die durchführenden Ressorts bei der wirtschaft-lichen Kooperation mit afrikanischen Staaten stärker an den Zielen und Leitlinien der konfliktsensiblen Entwicklungszusammenar-beit orientieren. Dabei muss auf eine Stärkung lokaler Strukturen geachtet werden, um gesellschaftlichen Spannungen den Nährboden zu ent­ziehen. Das Bundesministerium für wirtschaft­liche Zusammenarbeit und Entwicklung sollte bei der Koordinierung von Entwicklungshilfe­programmen stärker mit den relevanten Länder­referaten und der UN-Abteilung im Auswärtigen Amt zusammenarbeiten. Auch die Außen­wirtschaftsförderung durch das Bundesminister­ium für Wirtschaft und Energie sowie das Auswärtige Amt sollten solche Projekten prioritär fördern, die in Zielstaaten zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der lokalen Bevölker­ung und der allgemeinen Menschenrechtslage beitragen.

 

Menschenrechtspolitische Vorschläge zum Afrikakonzept der Bundesregierung – Genocide Alert Policy Brief

 

Christoph Schlimpert ist stellvertretender Vorsitzender von Genocide Alert.

Kontakt: info@genocide-alert.de

Genocide Alert e.V., März 2014

 

V.i.S.d.P.: Dr. Robert Schütte

Deutschland und der Völkermord in Ruanda: Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht Studie der stellvertretenden Vorsitzenden von Genocide Alert

Am 7. April 2014 veröffentlichte die Heinrich-Böll-Stiftung  ein E-Paper der stellvertetenden Vorsitzenden von Genocide Alert Sarah Brockmeier zur Rolle Deutschlands während des  Völkermords in Ruanda.

Die internationale Reaktion auf den Völkermord in Ruanda wurde in den letzten 20 Jahren vielfach analysiert. International besteht ein weitgehender Konsens, dass der Genozid mit entschlossenerem Handeln der Weltgemeinschaft verhindert oder zumindest in seinem Ausmaß erheblich hätte eingeschränkt werden können.  Dabei standen die Vereinten Nationen und einige ihrer einflussreichen Mitgliedsstaaten wie die USA, Frankreich und Belgien im Mittelpunkt der internationalen Kritik. Die Rolle Deutschlands während des Völkermords wurde bislang nicht ausführlich untersucht.

Für ihr Papier „Deutschland und der Völkermord“ untersuchte Sarah Brockmeier neben der bestehenden Literatur zu Ruanda zahlreiche Primärquellen wie Bundestagsprotokolle, Pressemitteilungen und Reden  und führte 15 Interviews mit Deutschen, die vor oder nach dem Völkermord 1994 in Ruanda waren oder sich intensiv mit dem Völkermord auseinandergesetzt haben.

Das Ausmaß der deutschen Zurückhaltung vor und während des Völkermords ist ernüchternd. Deutschland war zum Zeitpunkt des Genozids schon seit Jahrzehnten entwicklungspolitisch in Ruanda engagiert und enger mit dem Land verbunden als mit den meisten anderen afrikanischen Ländern. Als deutsche Stellen in Ruanda während der frühen 1990er Jahre immer mehr Warnzeichen für einen massiven Gewaltausbruch wahrnahmen, wurden diese von wichtigen Schaltstellen nicht an Bonn weitergegeben oder stießen dort auf keine Reaktion. Gleichzeitig erhöhte die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für Ruanda. Nach Beginn des Völkermords und der Evakuierung der eigenen Staatsbürger lehnte Deutschland einen Beitrag zur Unterstützung der Vereinten Nationen ab, auch als diese explizit um deutsche Hilfe baten. Auch nach konkreten Anfragen des Landes Rheinland-Pfalz nahm Deutschland keine Flüchtlinge aus Ruanda auf. Bis heute hat sich die Bundesregierung nicht intensiv mit der Rolle Deutschlands vor und während des Völkermords in Ruanda auseinandergesetzt.

Die Autorin schlussfolgert, dass Deutschland aus einer solchen Auseinandersetzung viel hätte lernen können: „über die Bedeutung von ressortübergreifender Zusammenführung von Warnzeichen; über die Dringlichkeit einer korrekten Konfliktanalyse; über den Wert einer akkuraten Medienberichterstattung in komplexen Krisensituationen; über die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Aufmerksamkeit; über die Wichtigkeit einer schnellen und entschlossenen Unterstützung der Vereinten Nationen; nicht zuletzt über die Bedeutung eigener politischer Initiativen.“

Das E-Paper ist hier auf der Seite der Heinrich-Böll-Stiftung abrufbar: Deutschland und der Völkermord in Ruanda.

 

 

Projekte von Genocide Alert anlässlich des 20. Gedenkens an den Völkermord in Ruanda

Genocide Alert organisiert gemeinsam mit verschiedenen Partnern in den nächsten Monaten eine Podiumsdiskussionsreihe in sechs Städten Deutschlands zur Fragestellung „20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda – Was haben wir gelernt?“. Die Reihe wird von der Bundeszentrale für Politische Bildung finanziert.

Zuletzt veröffentlichte die ZEIT vom 27.03.2014 den Artikel „Ruanda ist heute“ von Sarah Brockmeier, in dem sie mehr zivilgesellschaftliches Engagement für die Verhinderung von Völkermord fordert. Am 4. April argumentierte die stellvertende Vorsitzende von Genocide Alert außerdem im Deutschlandradio Kultur, dass Deutschland die eigene Rolle während des Völkermords in Ruanda aufarbeiten müsse.

Gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz organisierte Genocide Alert in diesem Jahr einen Essaywettbewerb in Rheinland-Pfalz für SchülerInnen ab der 11. Klasse zu den Lehren aus dem Völkermord. Der Gewinner des Wettbewerbs fuhr mit der Delegation von Rheinland-Pfalz zu den offiziellen Gedenkveranstaltungen nach Ruanda.

Vom Twitteracccount @Ruanda1994 berichtet Genocide Alert 2014 täglich von den Ereignissen in Ruanda im Jahr 1994. Ziel ist, den Völkermord in Erinnerung zu rufen und dabei die vor zwanzig Jahren weitgehend unbeachteten Ereignisse vor und nach dem Genozid hervorzuheben.

Alle Informationen zu den Projekten von Genocide Alert zu diesem Thema finden Sie auf unserer Projektwebseite zum Völkermord in Ruanda. Für Fragen und Anmerkungen kontaktieren Sie bitte sarah.brockmeier[at]genocide-alert.de.

Pressemitteilung: 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda – Deutschland muss die richtigen Lehren ziehen

20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda – Deutschland muss die richtigen Lehren ziehen

 

Mehr als 800.000 Tote. Das ist die schockierende Bilanz des Völkermordes in Ruanda, dessen Beginn sich 2014 zum 20. Mal jährt. 20 Jahre später ruft die Menschenrechtsorganisation Genocide Alert zu einem entschiedeneren deutschen Engagement zur weltweiten Verhinderung schwerster Menschenrechtsverbrechen auf. Dr. Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert, erklärt hierzu:

 

„1994 schaute die Welt dem Morden tatenlos zu. Wenn wir in diesen Tagen den Opfern des Völkermordes gedenken, darf dieses Versagen nicht vergessen werden. Schwerste Menschenrechtsverbrechen wie der Völkermord in Ruanda sind systematisch geplant. Sie müssen ebenso systematisch verhindert werden. Auch heute sind Hundertausende Zivilisten von schwersten Menschenrechtsverbrechen bedroht: In Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in der Demokratischen Republik Kongo. Wir dürfen nicht einfach wegsehen, wenn Menschen systematisch ermordet und vertrieben werden. Deutschland hat die Verantwortung und moralische Pflicht, ein erneutes Ruanda zu verhindern.“

 

Im Jahr 1994 war Ruanda ein Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe.  Deutsche Behörden reagierten jedoch nicht auf Warnzeichen, selbst als NGOs wie Human Rights Watch bereits auf schwere Menschenrechtsverbrechen hinwiesen. Auch eine Bundeswehrberatergruppe unterstütze das ruandische Regime bis zuletzt. Als Deutschland von den Vereinten Nationen während des Genozids um konkrete Hilfe gebeten wurde, lehnte die Regierung von Helmut Kohl ab. Noch nicht einmal 147 Flüchtlinge, die das Land Rheinland-Pfalz aufnehmen wollte, durften nach Deutschland kommen.

 

Genocide Alert ruft die deutsche Politik dazu auf, die eigenen Frühwarnmechanismen zu stärken, um Warnzeichen früher und effektiver sammeln und analysieren zu können. Deutschland sollte UN-Friedensmissionen stärker unterstützen: Mit Personal, Material und logistischen Fähigkeiten. Die Bundesregierung sollte zudem die Mittel für Krisenprävention deutlich erhöhen..


 

Mehr Informationen zu den Projekten von Genocide Alert anlässlich des Völkermords in Ruanda finden Sie hier auf unseren Projektwebseiten zum Thema.