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Libyen: Stresstest für die Schutzverantwortung?

Als das Regime des Muammar Ghaddafi zu stürzen begann und die Truppen des Nationalen Übergangsrats Tripolis einnahmen, klopfte man sich in den außenpolitischen Schaltzentralen in London und Paris auf die Schultern: Man hatte richtig entschieden und in einem innerstaatlichen Konflikt Partei ergriffen, um die Bevölkerung von Bengasi vor der angekündigten Rache des Diktators zu schützen.

Unter britischer und französischer Federführung wurde die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats vom März, in welcher der unbedingte Schutz der libyschen Zivilbevölkerung mit allen dafür notwendigen Mitteln gefordert wurde, umgesetzt. Die bei der UN-Generalversammlung 2005 verabschiedete Schutzverantwortung („Responsibility to Protect“) wurde dadurch in Libyen zum ersten Mal angewendet.

Deutschland hatte sich nicht an dem Einsatz beteiligt und dadurch die sicherheitspolitischen Partner brüskiert und seine Glaubwürdigkeit als langjähriger Verfechter der Schutzverantwortung beschädigt. Gleichwohl fühlte sich kurioser Weise auch Außenminister Westerwelle nach dem Sturz Ghaddafis als Sieger. Die von Deutschland mitgetragenen Sanktionen hätten nämlich ebenfalls zum Sturz des Regimes beigetragen. Westerwelle war im März mit seiner Entscheidung innenpolitisch allerdings nicht allein, Amtsvorgänger Steinmeier und auch der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, sprachen sich ebenfalls gegen den Einsatz militärischer Mittel aus und stellten damit wieder einmal unter Beweis, dass Deutschland nicht bereit ist, ein bestimmender Akteur auf dem internationalen Parkett zu werden, dessen Handeln sich nur auf dem Papier an der Durchsetzung internationaler Normen und der Verteidigung von Menschenrechten ausrichtet. Ruanda und Srebrenica, wesentliche Ausgangspunkte für die Entwicklung der Schutzverantwortung, waren den Herren wohl nicht mehr im Gedächtnis und von der historischen Verantwortung deutscher Außenpolitik (vgl. von Schorlemer) war nichts zu spüren.

Das Konzept der Schutzverantwortung (RtoP) : Entstehung & Hintergrund

Am 24.Oktober 2005 stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit dem Konzept der Schutzverantwortung zu. Dieses wurde auf Betreiben der kanadischen Regierung durch die „International Commission on Intervention and State Sovereignity“ entwickelt.
Ziel der Schutzverantwortung ist es, die Gefahr von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit frühzeitig zu erkennen und bestenfalls zu verhindern oder zumindest zu stoppen. Sollte diese Verantwortung von Nationalstaaten nicht erfüllt oder sogar verletzt werden, geht sie auf die internationale Gemeinschaft über, die dann mit Hilfe von Verhandlungen, Sanktionen und im äußersten Fall militärischen Interventionen die Pflicht hat, Zivilisten zu schützen.
Grundlegend für das Konzept ist die „Responsibility to prevent“, welche besagt, dass alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft dazu verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, um Konflikte präventiv zu unterbinden. Hierzu gehören vor allem Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit wie Armutsbekämpfung, Förderung von guter Regierungsführung und Bildung sowie des Dialogs zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen. Flankiert werden müssen diese Maßnahmen natürlich von einer verantwortungsvollen Außen- und Außenhandelspolitik, die im Zweifel eigene Interessen zurückstellt, wenn dadurch erkennbar das Konfliktpotential in einem Land oder einer Region erhöht wird. In einem Waffenexportland wie Deutschland muss daher stets besonders sorgfältig geprüft werden, was in welche Länder geliefert werden darf. Dabei geht es nicht nur um Panzer, sondern auch um Kleinwaffen und militärisch nutzbare Radar- und Kommunikationstechnik.

In den politischen und feuilletonistischen Debatten wird dieser Teil des Konzepts von seinen Gegnern häufig vernachlässigt. Man beschränkt sich – insbesondere in linken und pazifistischen Kreisen – auf die Handlungsoption der militärischen Intervention (responsibility to react), die gerne als „humanitärer Interventionismus“ oder auch als „Rückkehr zum Faustrecht“ (Ruf) bezeichnet und mit der Vermutung versehen wird, neoimperialistische Motive seien nicht auszuschließen.

Während diese Polemiken eher ideologisch motiviert scheinen, muss das Konzept der Schutzverantwortung kritisch analysiert werden, da durch ihre Anwendung folgende komplexe völkerrechtliche und politische Fragen aufkommen:

  1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Verantwortung des Schutzes von Zivilisten auf die internationale Gemeinschaft übergeht und ggfs. eine Militärintervention gerechtfertigt und legitim ist?
  2. Wo ist die Grenze zwischen Schutzverantwortung und regime change?
  3. Wie kann verhindert werden, dass durch eine militärische Intervention Zivilisten zu Schaden kommen?

Gründe für eine militärische Intervention

Formelle Voraussetzung für die Anwendung der Schutzverantwortung ist eine Resolution des UN-Sicherheitsrats. Aufgrund der unterschiedlichen teils aber auch konkurrierenden geostrategischen und machtpolitischen Interessen der ständigen Mitglieder ist davon auszugehen, dass nur in seltenen und wirklich schwerwiegenden Fällen Resolutionen zu Stande kommen. Dadurch wird einerseits die Vermutung abgeschwächt, die Schutzverantwortung legitimiere militärische Interventionen, die in Wahrheit interessengeleitet sind. Gleichzeitig entsteht durch die Machtbalance im Sicherheitsrat andererseits die Problematik, dass Diktatoren wie Omar Al-Bashir im Sudan aufgrund ihrer guten Beziehungen zu einem ständigen Mitglied vor einer völkerrechtlich legitimen Intervention wie in Libyen geschützt sind, obwohl dort schwerste Menschenrechtsverbrechen begangen wurden und werden. In der derzeitigen Situation muss daher gefragt werden, warum Syrien unter Augen der Weltöffentlichkeit mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten vorgehen darf, während in Libyen eingegriffen wurde. Der Fall Libyen zeigt deutlich welche drei Voraussetzungen noch erfüllt sein müssen, um die Anwendung von militärischen Mitteln zu rechtfertigen:

Erstens muss eine objektiv erkennbare Gefährdungslage für Zivilisten bestehen. Im Falle Libyens hat Ghaddafi selbst den Beweis erbracht, indem er den Demonstranten in Bengasi mit einer Niederschlagung der Proteste mit allen Mitteln drohte. Die ersten Reaktionen der regimetreuen Sicherheitskräfte erstickten jeden Zweifel an dieser Ankündigung umgehend (vgl. HRW).

Zweitens sollten angrenzende Staaten bzw. Regionalorganisationen in die Entscheidung über eine militärische Intervention einbezogen werden (Ischinger). Im Falle Libyens ging die Forderung nach einer Flugverbotszone maßgeblich von der Arabischen Liga aus und der Einsatz wurde trotz mitunter abweichender Stellungsnahmen grundsätzlich mitgetragen. Ohne diese Zustimmung der Arabischen Liga wäre die Intervention sicherlich aus einem anderen Blickwinkel diskutiert worden. Der Schutz der Zivilisten wäre hinter einem abermaligen Aufleben der Huntington-Thesen vom Kampf der Kulturen getreten.

gaddafi Drittens muss es eine klare Roadmap zur Umsetzung der entsprechenden Sicherheitsratsresolution geben. Im Falle Libyen forderte die Resolution 1973 den Schutz von Zivilisten vor Angriffen der Ghaddafi-Truppen, die Durchsetzung der Flugverbotszone und des Waffenembargos sowie Reiseverbote und das Einfrieren des Auslandsvermögens von Personen und Institutionen. Dies hat die NATO erfüllt. Allerdings wurden durch die Waffenlieferung an den NTC seitens Frankreichs die Grenzen der Resolution überschritten. Es handelte sich damit nicht mehr um den reinen Schutz von Zivilisten, sondern bedeutete eine klare Parteinahme innerhalb eines innerstaatlichen Konflikts.
Dieser Vorgang wurde zu Recht kritisiert, man muss allerdings fragen, welche Alternativen es in dieser Situation gibt. Hätte sich die NATO auf ihren eigentlichen Auftrag beschränkt, hätten die Truppen des NTC sicherlich Tripolis noch nicht erreicht, da ihnen auch gegen geschwächte Regierungstruppen die notwendige Schlagkraft gefehlt hätte. Ein langwieriger Bürgerkrieg wäre wohl ausgebrochen, an dessen Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Opfer zu beklagen gewesen wären. Im Libyen-Konflikt mag dieses Vorgehen durch den Erfolg des NTC und den zweifellos nachgewiesenen Gräueltaten des Regimes (HRW) nachträglich legitimiert sein. Dies darf jedoch unter keinen Umständen zur Regel werden, da die Schutzverantwortung eine Notfall-Option bleiben muss und kein Mittel darstellen sollte, um sich – im Sinne der Bush-Doktrin – Diktatoren zu entledigen. Wann aber ist ein Einsatz zum Schutz von Menschenrechten zu Ende? Der Wortlaut der UN-Resolution deckt alle Maßnahmen die zum Schutz von Zivilisten in Bedrohungslagen („under the threat of attack“) notwendig sind. Es ist schwer festzustellen, wann genau der Punkt erreicht ist, an dem ein Aggressor keine Bedrohung mehr darstellt. Im konkreten Fall musste man zudem noch davon ausgehen, dass Ghaddafi seine Ankündigung von Rache irgendwann wahr machen würde, sei es früher oder später.

„Do no harm“

Auch wenn es sich im Nachhinein nicht mit Gewissheit sagen lässt, ob eine militärische Intervention mehr Menschenleben gerettet oder zivile Opfer verursacht hat, kann bei diesem Einsatz mit hoher Wahrscheinlichkeit von Ersterem ausgegangen werden. Dies entspricht der sog. „Do-no-harm“ Regel, die besagt, dass Interventionen nicht gerechtfertigt sind, wenn die dadurch entstehenden Konsequenzen die Situation in einem Konflikt absehbar verschlimmern.
Es muss daher zunächst Ziel einer jeden militärischen Operation sein, Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch Luftschläge und Artillerie zu verhindern und möglichst viele Menschen aus den Kampfzonen zu evakuieren.

In Libyen ist der NATO bei ihren Luftschlägen bis auf wenige Zwischenfälle gelungen,  zivile Opfer zu vermeiden und die libysche Bevölkerung bei ihrem Kampf gegen den Gewaltherrscher Ghaddafi zu unterstützen. Nun geht es darum, der Verantwortung für den Wiederaufbau und damit einhergehend auch der Präventionsverantwortung in dieser Post-Konflikt-Situation mit entwicklungspolitischen Maßnahmen in den Bereichen Sicherheitssektorreform, Verwaltungsaufbau und Förderung der Zivilgesellschaft gerecht zu werden. Eine neue Chance für Deutschland zu zeigen, dass man nicht nur auf dem Papier und bei Sonntagsreden internationale Verantwortung übernehmen will, wenngleich dies das Versagen im Sicherheitsrat nicht wieder gut machen wird.

Langfristig wird diese erfolgreiche Anwendung der Schutzverantwortung ein wichtiges Signal senden, da der Sicherheitsrat bewiesen hat, dass er nicht gänzlich handlungsunfähig ist und die Weltöffentlichkeit schwersten Menschenrechtsverbrechen in innerstaatlichen Konflikten nicht mehr hilflos gegenüber steht. Man muss die angesprochenen Probleme, die mit der Anwendung der Schutzverantwortung einhergehen, sehr ernst nehmen und insbesondere die Zivilgesellschaft muss hier ihre Rolle als kritische Wächterin spielen. Doch Libyen kann als erfolgreichen Stresstest für die Norm der Schutzverantwortung gewertet werden.

Quellen:

Sven Scheid

„Wer von Frieden redet darf von Menschenrechten nicht schweigen“ – Kommentar von Robert Schütte zum Antikriegstag

Wie jedes Jahr am 1. September gedenken die Deutschen am Antikriegstag dem Überfall Deutschlands auf Polen, der den 2. Weltkrieg einläutete. Die Pressemitteilungen und Zeitungsartikel haben den einhelligen Tenor: Für Frieden, gegen Kriege. Ganz ehrlich: Kann es angesichts weltweiter Gewalt etwas Sympathischeres geben als für Frieden zu demonstrieren? Schwerlich, denn wenn man den Friedensbewegten in unserer Gesellschaft eines sicherlich nicht absprechen kann, dann ist es, dass sie es gut meinen. Und doch habe ich mich bewusst und aus Gewissensgründen dazu entschlossen, dem pazifistischen Treiben Wasser in den Wein zu schütten. Ungewöhnlich für einen Menschenrechtler? Dem möchte ich mit reinem Gewissen widersprechen.

Man kann nicht nur, man muss für Frieden sein. Ich kenne in der Tat niemanden, der Krieg gut findet. So sehr ich aber für Frieden bin, so sehr bin ich auch für den Schutz von Menschenrechten. Wer ist denn heutzutage ernsthaft nicht mehr für den Schutz von Menschenrechten? Problematisch wird dies erst, wenn „Frieden“ und „Menschenrechtsschutz“ nicht mehr in Einklang zu bringen sind; wenn aus „Frieden“ „Friedhofsruhe“ wird. Spätestens seit den Völkermorden in Ruanda, Srebrenica und Darfur wissen wir doch, dass die Welt systematischen Massenverbrechen nicht tatenlos zusehen darf. Wenn ein Massenmord an unschuldigen Zivilisten nur noch durch den Einsatz von Militär zu verhindern ist, dann hat die Welt eine Verantwortung zur Rettung dieser Menschen, notfalls auch mit Gewalt. Das macht einen Krieg nicht zu etwas Gutem. Aber manchmal ist der Einsatz von Gewalt leider die am wenigsten schlechte verbleibende Option. In solchen Situationen kann man nicht zur gleichen Zeit Pazifist und Menschenrechtler sein. In solchen Situationen muss man eine Entscheidung treffen im Wissen, dass es manchmal leider keine guten, sondern nur mehr oder weniger schlechte Optionen gibt. Manchmal kann man leider nicht zugleich für Frieden und Menschenrechte sein. Die Frage ist eher, ob man diese bedrückende Tatsache anerkennt oder vor ihr die Augen verschließt.

Um im Bilde zu bleiben muss man leider feststellen, dass in der Friedensbewegung offenbar viele Augen verschlossen bleiben. So wird gegen die NATO, Israel und natürlich die Bundeswehr protestiert. Das ist legitim, vielfach ist dies auch angebracht. Auffällig ist aber, dass dort anscheinend niemand auf die Idee kommt gegen Gaddafi, die Taliban, Assad oder die Hamas zu demonstrieren. Wieso eigentlich nicht? Ist Gaddafi, der gegen seine eigene Bevölkerung zu Kriege zog und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt wird, denn kein Wort wert? Sind nicht auch die Taliban zu kritisieren, die laut Vereinten Nationen durch ihre Anschläge auf belebte Märkte und Straßen für mehr als 75% aller toten Zivilisten in Afghanistan verantwortlich sind? Ist nicht auch die Hamas dafür zu verurteilen, dass sie israelische Kinder in ihren Betten ermordet und ihre Raketen in Gaza aus Kindergärten und Krankenhäusern abschießt? Wo ist die Solidarität mit den syrischen Protestierenden, die von ihrer eigenen Regierung zusammengeschossen und gefoltert wird? Bei aller notwendigen Kritik am Westen frage ich mich, wie manche Teile der Friedensbewegung mit ihren noblen Intentionen einen solchen moralischen Blackout haben können.

Die Einseitigkeit mancher Antikriegsproteste konnte in diesem Jahr wieder einmal auf deutschen Ostermärschen beobachtet werden. So war auf einem Plakat zu lesen: „Zivilsten vor der NATO schützen!“ Gerade im Hinblick auf die humanitäre Intervention in Libyen kann man als Menschenrechtler bei solchen Aussagen nur mit den Augen rollen. Es waren die USA, Großbritannien und Frankreich, die im Auftrag der UN mit ihrer Intervention gerade noch rechtzeitig ein Massaker in Bengasi verhindert und das Ende des Gaddafi Regimes ermöglicht haben. Ich bin mir sicher: Wäre es nicht zu einem Eingreifen gekommen, würde sich heute alle Welt fragen, wie wir ein „zweites Srebrenica“ trotz eindeutiger Warnungen zulassen konnten. Mit deutschen Sanktionen hatte weder der Schutz der libyschen Zivilbevölkerung noch der Sturz Gaddafis zu tun. Danke NATO, nein danke Westerwelle möchte man da sagen.

Die humanitäre Intervention war und ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass westliche Soldaten im Notfall auch für die Menschenrechte arabischer und muslimischer Zivilisten kämpfen. Selbst wenn es zu keinem weiteren Einschreiten in Syrien oder am arabischen Golf kommt: Es ist besser, inkonsequent einigen Menschen das Leben zu retten, als konsequent keinen. Weltweit schützen mehr als 100.000 bewaffnete UN-Blauhelmsoldaten unzählige Frauen, Männer und Kinder vor Kriegsgewalt. In vielen Fällen wäre ein solcher Schutz ohne Waffen und Soldaten nicht zu schaffen. Ohne diese Friedenstruppen würden noch mehr Frauen im Kongo vergewaltigt, noch mehr Männer in Darfur ermordet und noch mehr Kinder zu Soldaten oder Sexsklaven gemacht. Selbst in Afghanistan sorgt der Einsatz der afghanischen Armee und ihrer internationalen Verbündeten (inklusive Deutschland) dafür, dass Menschenrechte inzwischen nicht wie unter den Taliban die letzte Geige spielen.

Natürlich kann man trotzdem begründet gegen Einsätze der Bundeswehr sein. Dennoch müssen auch knallharte Pazifisten vom ihrem hohen Ross der moralischen Überlegenheit absitzen, weil ihr grundsätzliches „Nein“ zu Militäreinsätzen seine eigenen Opfer fordert: Seien es Männer in Libyen, Frauen im Kongo oder Kinder in Darfur. Wer also am 1. September „nie wieder Krieg“ ruft, der sollte über ein „nie wieder Auschwitz“ nicht schweigen.

Robert Schütte (follow me on twitter: robert_schuette

Neue Publikation zur Schutzverantwortung: „Voices from Civil Society“

Akteure aus der Zivilgesellschaft waren für die Entwicklung der „Responsibility to Protect“ von Beginn an entscheidend. Um das Bewusstsein gegenüber der RtoP zu erhöhen und die Etablierung der Norm weiter voranzutreiben, ist ihre Überzeugungsarbeit gar unverzichtbar. Die Anstrengungen, welche in allen Teilen der Welt mit dem Ziel der Verhinderung von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unternommen werden, stellt die „International Coalition for the Responsibility to Protect„, dessen Mitglied Genocide Alert ist, in einer neuen Publikation vor.

Die PDF Version finden Sie unter diesem Link.

R2P – ein zivilisatorischer Fortschritt: Ein großer Schritt für die Menschheit

Das Eingreifen der NATO anhand eines UN-Mandats war das richtige Signal. Die Staatengemeinschaft hat gerade noch rechtzeitig ein libysches Srebrenica verhindern können. Die Schutzverantwortung ist der manifestierte Wille zum Schutz der Menschenrechte – eine Schande, dass Deutschland dabei nur zuguckt.

 

Mit der Autorisierung einer humanitären Intervention in Libyen hat die UN eine historische Entscheidung getroffen. Unter dem Banner der Schutzverantwortung (responsibility to protect, kurz: R2P) wurde eine internationale Koalition autorisiert, die Kriegsmaschinerie Gaddafis zu stoppen und weitere Menschenrechtsverbrechen zu verhindern. Zuvor hatte der libysche Machthaber Gaddafi eine brutale Säuberungsaktion angedroht und zivile Wohngebiete bombardieren lassen. Wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt inzwischen der Internationale Strafgerichtshof. Die Intervention kam gerade noch rechtzeitig, um ein Massaker in der Stadt Bengasi zu verhindern. Das Eingreifen der Alliierten hat somit letztlich Tausenden Menschen das Leben gerettet und ein libysches Srebrenica verhindert. Ohne die Intervention würde heute wohl diskutiert, wie die Welt trotz besseren Wissens ein solches Verbrechen zulassen konnte.
Ein libysches Srebrenica verhindert
Mit ihrem Eingreifen hat die UN die im Jahr 2005 einstimmig verabschiedete Norm der Schutzverantwortung umgesetzt: Wenn ein Staat seine eigene Bevölkerung nicht vor massiven Menschenrechtsbrüchen schützen kann oder will, dann muss die Weltgemeinschaft diese Schutzverantwortung übernehmen. Das Ziel ist hierbei kein Regime-Wechsel, sondern die Verhinderung von Massenverbrechen an wehrlosen Zivilisten. Als letztes Mittel ist dabei auch der Einsatz von Gewalt erlaubt, wenn alle zivilen Mittel wirkungslos geblieben sind.Trotz großer Unterstützung der Norm gibt es auch Gegenstimmen. Nassauer kritisiert beispielsweise, dass die R2P eine Aufweichung des internationalen Nichteinmischungsverbots sei und den entgrenzten Einsatz von Militär ermögliche. In der Tat ist die internationale Gemeinschaft nach den bitteren Erfahrungen der letzten 20 Jahre zu der Einsicht gekommen, dass kein Staat ein Recht auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen hat. Die Schutzverantwortung schreibt der Weltgemeinschaft deswegen eine klare Verantwortung für Leib und Leben bedrohter Bevölkerungen zu, wenn nationale Regierungen versagen oder sogar selbst für Massenverbrechen verantwortlich sind. Weltpolitisch ist das ein enormer Fortschritt. Auch das Völkerrecht wird mit der R2P vom Kopf auf die Füße gestellt. Es würde seinen ureigensten zivilisatorischen Zweck verfehlen, wenn es die Rettung unschuldiger Zivilisten vor schwersten Menschenrechtsverbrechen verhindern würde.

Deutschland auf der falschen Seite der Geschichte
In Libyen manifestiert sich der Wille der UN, Massenverbrechen zu beenden und zu bestrafen. Andernorts jedoch zögert der Sicherheitsrat, weshalb manche kritisieren: „Wenn wir nicht in Syrien, Darfur und Somalia eingreifen, dann bitte auch nicht in Libyen.“ Die Kritik an der selektiven Ausübung der R2P ist berechtigt, und dennoch muss man fragen: Ist es nicht besser, inkonsequent einigen Menschen das Leben zu retten als konsequent niemandem? Sollte nicht zumindest dort geholfen werden, wo eine Verhinderung von Massakern an Zivilisten international durchsetzbar ist? In Libyen wurde die Chance genutzt, zu beweisen, dass die R2P funktioniert und auch für muslimische, arabische und afrikanische Zivilisten gilt. Es ist tragisch, dass sich Deutschland bei dieser historischen Entscheidung auf die falsche Seite der Geschichte gestellt hat.
von Robert Schütte

Dieser Artikel erschien am 4. Mai 2011 auf der Websites von The European hier.

UN-Einsatz an der Elfenbeinküste: Die Rückkehr zum Verantwortungsbewusstsein

Was sich dieser Tage in Côte d’Ivoire ereignet, ist mit Blick auf internationale Schutzverantwortung ein Meilenstein. Gemeinsam mit den Geschehnissen in Libyen und der dort umfänglich wahrgenommenen Responsibility To Protect, steht die mutmaßliche Wende im andauernden Konflikt in dem westafrikanischen Land für eine neue Art und Weise seitens der internationalen Staatengemeinschaft, mit derartigen Situationen umzugehen. Neuer Mut sowie Ent- und Geschlossenheit, die theoretisch längst als wichtig und unabdingbar eingestuften Veränderungen auch mit praktischen Mitteln zu erreichen, scheint endlich Einzug zu halten.

 

Laurent Gbagbo, faktisch regierender Präsident Côte d’Ivoires seit 2000, befindet sich in Gesprächen mit französischen Botschaftern, die seinen Rückzug vom politischen Parkett beschließen sollen. Dem vorausgegangen sind massive Unruhen seit der Präsidentschaftswahl im Oktober 2010, in deren Folge der bis 2005 offiziell amtierende Präsident Gbagbo wie auch sein Kontrahent Alassane Ouattara den Eid leisteten und damit die Präsidentschaft annahmen.
Bürgerkriegsartige Zustände forderten seitdem hunderte Menschenleben und veranlassten über eine Million Menschen zur Flucht, so die Zahlen der UN.

Bereits seit 2004 ist die UN im Rahmen der Operation UNOCI (United Nations Operation in Côte d’Ivoire) in den Konflikt involviert, um mit Blauhelmtruppen das Ende der Kampfhandlungen sowie Entwaffnung und die Wiedervereinigung des Landes zu beobachten und zu unterstützen. Das Land ist seit dem Putschversuch gegen Gbagbo vom 19.September 2002 praktisch in zwei Hälften geteilt. In den von Oppositionellen besetzten Norden und den von regierungstreuen Truppen kontrollierten Süden. Infolge dieses Putsches entsendete die UN Blauhelme, die gemeinsam mit französischen Soldaten weitere Zusammenstöße zwischen Norden und Süden verhindern sollten. Während in den Folgejahren der Staatsapparat um Machthaber Gbagbo immer wieder neu angesetzte Präsidentschaftswahlen zu verhindern wusste, wurden diese nun am 31.10. (erster Wahlgang) resp. 28.11.2010 (Stichwahl Gbagbo/Ouattara) durchgeführt, wobei Ouattara mit 54.1% als Sieger aus ihnen hervorging. Allerdings missachtete Gbagbo dieses Ergebnis und ließ durch den regierungsnahen Verfassungsrat das Wahlergebnis manipulieren, um selbst im Amt bleiben zu können. Dies wurde von der internationalen Staatengemeinschaft weitgehend abgelehnt, so wurde u.a. seitens der Europäischen Union, der Afrikanischen Union sowie der USA der zweite Kandidat der Stichwahl, Ouattara, als rechtmäßiger Präsident anerkannt. Des Weiteren nahm der Unmut im Volk wieder zu, das sich eine Lösung des Konflikts durch die Präsidentschaftswahlen erhofft hatte.

Die seither immer heftiger gewordenen Auseinandersetzungen im Land veranlassten die UN, am 30.03.2011 die Resolution 1975 zu verabschieden, die das UNOCI Mandat um „alle notwendigen Maßnahmen“ zum Schutze der Zivilbevölkerung erweiterte.

Das so legitimierte Eingreifen der UN-Truppen in Zusammenarbeit mit der französischen Armee vor Ort markiert eine Zäsur in der Selbstsicherheit westlicher Staaten, die sich lange im Schatten der andauernden Konflikte am Hindukusch und im Irak verloren hatte. Es fehlte schlicht die Entschlossenheit, sich systematischer Gewalt von Despoten militärisch zu widersetzen. Dieser Zustand kollektiver Lethargie scheint nun überwunden zu sein. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy erklärte während seiner Ansprache zum Einsatz der französischen Luftwaffe in Libyen, dass, „jeder Herrscher verstehen muss […], dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Europas von diesem Moment an jedes Mal die gleiche sein wird: Wir werden auf der Seite der friedlichen Demonstranten sein, welche nicht mit Gewalt unterdrückt werden dürfen.“

Die Resolution 1975 zum Einsatz in der Elfenbeinküste und auch die humanitäre Intervention in Libyen zeigt, dass die Mitglieder der Vereinten Nationen ihre Schutzverantwortung jetzt ernst nehmen und auch bei zukünftigen Problemen durchaus zu agieren bereit scheinen. Diese erfreuliche wie notwendige Wende gilt es mitzutragen, speziell auch von Seiten der Bundesregierung, die als wichtiger Bestandteil der EU ihrem Führungsanspruch gerecht werden und sich klar zu ihrer Schutzverantwortung und der Wahrung von Menschenrechten weltweit bekennen muss.


Jan Dannheisig / Michael Barrabas

 

Humanitäre Intervention in Libyen: Eine historische Entscheidung

Es ist ein historischer Moment: Mit Resolution 1973 hat der UN-Sicherheitsrat ein Mandat zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen sowie aller notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlassen. Ausgenommen hiervon ist nur der Einsatz von Besatzungstruppen auf libyschem Boden. Endlich setzt die internationale Gemeinschaft ein Zeichen für Menschenrechte, inklusive der Ermächtigung, Deklarationen nun auch Taten folgen zu lassen. Es sind offenbar keine geo-strategischen Interessen, sondern humanitäre Motive, die die Welt endlich zu einem Eingreifen veranlasst haben. Spät, aber nicht zu spät macht die internationale Gemeinschaft klar, dass sie zur Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung gegenüber der libyschen Bevölkerung willens ist.

Für Gaddafi bedeutet dies, dass weitere Bombardierungen durch seine Luftwaffe künftig durch Kampfjets Frankreichs, Großbritanniens, Kanadas, der USA sowie weiterer Staaten verhindert werden. Außerdem ist auch ein Ausschalten von vorrückenden Panzern oder anderer Bodenziele abgedeckt, wenn diese die Zivilbevölkerung gefährden sollten. Bemerkenswert ist außerdem, dass es sich nicht um einen westlichen Alleingang handelt. Die arabische Liga hat nicht nur selbst die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert, sondern ist sogar bereit bei der militärischen Umsetzung zu helfen. Nach allem Zwist und bösem Blut der letzten zehn Jahre handelt es sich um einen bemerkenswerten Schulterschluss zwischen Orient und Okzident, wenn auch nur im speziellen Falle Libyens. Für die westliche Staatenwelt bedeutet die humanitäre Intervention zum Schutz des libyschen Volkes vor seiner eigenen Regierung eine Handreichung an die muslimischen Völker dieser Welt mit der Aussage: Auch für bedrohte Muslime ist der Westen bereit, das Leben eigener Soldaten aufs Spiel zu setzen. Angesichts einer Mehrheit kriegsmüder Wähler daheim und einer schwierigen Mission am Hindukusch ist dies eine mehr als beachtliche Entscheidung.

Zwar haben Russland und China nicht für Sicherheitsratsresolution 1973 gestimmt, sie haben aber auch nicht ihr Veto dagegen eingelegt. Dies allein kann schon als ein Schritt in die richtige Richtung gewertet werden wenn man bedenkt, dass beide Länder ansonsten jeglichem Eingriff in die Souveränität dritter Staaten zu Menschenrechtszwecken extrem skeptisch gegenüberstehen. Der wirkliche Wermutstropfen ist vielmehr die Enthaltung Brasiliens, Indiens und Deutschlands. Alle drei Staaten haben sich für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat beworben und haben nun doch bewiesen, dass sie offenbar zur Übernahme von Verantwortung im weltweiten Maßstab nicht in der Lage sind. Von den aufstrebenden Mächten Indien und Brasilien hätte man mehr erwarten können. Von Deutschland hätte man mehr erwarten müssen. Mit ihrer Enthaltung hat sich die schwarz-gelbe Bundesregierung im Westen isoliert, durch ihre Blockadehaltung hat sie die Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik verhindert. Vor allem aber hat sie mit ihrer ablehnenden Positionierung populistischen Pazifismus mit Friedens- und Menschenrechtspolitik verwechselt. Man muss von Glück reden, dass Deutschlands Stimme in der Welt kein Gehör gefunden hat. Die Bundesregierung hat sich für die falsche Seite der Geschichte entschieden.

von Robert Schütte, Vorsitzender von Genocide Alert

Responsibility to Protect – Pure Machtpolitik oder echte Menschenrechtspolitik?

Die Internationalen Kommission zu Intervention und staatlicher Souveränität (ICISS) veröffentlichte im Jahre 2001 einen Bericht, der mit der benennung der Schutzverantwortung oder „Responsibility to Protect“ die Debatte über die sogenannte humanitäre Intervention neu entfacht. Robert Schütte und Johanne Kübler haben in einem Occasional Paper der Human Security Research Unit der Universität Marburg den Hintergrund der Kontroverse rund um Souveränität und Intervention analysiert und gängige Kritiken des Konzepts mithilfe von Theorien der Internationalen Beziehungen erklärt.

Conclusion: The Responsibility to Protect Between Concealed Power Politics and Principled Policy

Humanitarian objectives play an increasing role in the public discourse of politicians and media, which has even lead social scientists to identify a so called CNN effect influencing the public agenda profoundly. The mobilization of political support and financial aid in cases of human suffering brought to the attention of a wider international public indicates an increasing attachment to the needs and fears of people around the world. It has become a commonplace to assume that economic globalisation and liberal-democratic hegemony are contributing to or even causing the growing extent of interdependence throughout the world, thereby cumulatively reducing the importance of the factors time and space for social interaction. It is for this that classical concepts of security are increasingly queried with the aim to broaden the focus and analysis of the issue. Kofi Annan got this situation to the point stating that “today, no walls can separate humanitarian or human rights crises in one part of the world from national security crises in the other.“ In fact, the fall of the Berlin wall and the dissolution of the communist military and ideological counterpart to liberal democracy have greatly picked up the pace in favour of human rights. It is in this new global political context that the gap between expectations in a new human world order and the mind-shocking humanitarian catastrophes at the beginning of the 90s have provoked a controversy concerning the limits of sovereignty as well as the international community’s duty to react. Furthermore, the failure of the United Nations Security Council to overcome old lines of division has spread the opinion of a need to reform the global architecture of global security governance.

The present paper has outlined that, thanks to its long engagement for the humanitarian cause and its implementation of Human Security as official foreign policy doctrine, Canada has took up the task to find a viable answer to the question of humanitarian intervention and state sovereignty. The resulting report The Responsibility to Protect has elaborated and clarified a more comprehensive notion of sovereignty, which stresses the responsibility of a state to protect its citizens from harm. Given that a state is not able or not willing to provide for the security of its people, the international community is allowed to react under certain conditions. Such an interference in the domestic affairs of another state has to meet high criteria of legitimacy, adequacy, proportionality and prospect of success over the long run, therefore comprising also a responsibility to prevent and to rebuild, besides the already discussed responsibility to intervene. In this setting the Security Council plays the chief part, which can only be overridden in cases of an obvious defection on grounds of political mischief of a veto-power. Despite all efforts to avoid any possibility of voluntaristic exploitation of the rules stated by the ICISS, there is a line of division mainly between the liberal democratic sphere and the G-77. In order to account for the prevailing logic of approval and opposition to the reports proposition, the paper has outlined and discussed two theoretical approaches to the question: A Classical Realist position, drawing on E. H. Carr, identifying the support of the west and the resistance of the G-77 as a form of concealed powerpolitics. Furthermore a Constructivist perspective, which considers the enforcement of human rights a principled belief gaining a more salient role for the definition of national interests after the end of Cold War, thereby granting to normative ideas an independent and powerful role in the explanation of foreign policy. In any case, it is impossible to assign one of the approaches an a priori superiority. The Judgement of which paradigm serves better as an explication of the logic for support and opposition of a new notion of sovereignty is contingent on the preferences of the researcher, and maybe also on his cultural and political background.

Following Kuhn’s explanation of normal science and paradigmatic shift, this is rather a socio-psychological question of persuading researchers than a task to consider what is right or wrong, because a paradigm “cannot be made logically or even probabilistically compelling for those who refuse to step into the circle” of its hermeneutical hard-core. Both approaches concede an intrinsic value to the understanding of world politics, and it lies basically with the prevailing researcher to estimate which one is more convincing. It remains still to be answered whether the Realist hegemony in International Relations Theory will be challenged by more sociologically influenced theories like that of Constructivism. In order to see further than the end of ones own epistemic nose, it is remarkable to note such a steady shift in economics translating in an incorporation of psychological and sociological, that is for our purpose ideational, variables in its research design: For his work on psychological factors in economics, Daniel Kahnemann even received the Nobel Price in 2002. In any case, to find adequate theoretical interfaces for the concept of Human Security in International Relations theory is a valuable field of research for the Human Security community, clarifying thereby the scope and precision of the concept to analyze question of security at the beginning of the 21st century.

Zusammenfassung des UN-Berichts zur Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) beschloss im Jahr 2005 einstimmig die Schutzverantwortung („responsibility to protect“) zur Prävention von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, veröffentlichte im Januar 2009 einen Bericht zur Umsetzung dieser Verantwortung, der auf drei Säulen basiert und insbesondere die Bedeutung einer rechtzeitigen Erkennung und Einleitung von Maßnahmen bei derartigen Verbrechen hervorhebt. Eine öffentliche Verabschiedung der Schutzverantwortung wird für das erste Quartal dieses Jahres erwartet. Nichtregierungsorganisationen bereiten sich bereits auf die kommende Sitzung der UNO-Generalversammlung vor.

 

Der UN-Generalsekretär

Generalsekretär Ban Ki-moon betont in seinem Bericht die Verantwortung aller Staaten, die sich auf ihrem Hoheitsgebiet aufhaltenden Menschen vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Eine angemessene und notwendige Reaktion auf diese Delikte beinhaltet verschiedene Präventions- und Schutzmaßnahmen durch die UNO-Mitgliedsstaaten, die UNO selbst, regionale und subregionale Organisationen sowie zivilgesellschaftliche Akteure. Dabei werden nicht nur die westlichen, sondern auch andere, insbesondere afrikanische Staaten miteinbezogen.

Ban Ki-moon erwähnte die drei Säulen der Schutzverantwortung erstmals im Juli 2008. Die in den drei Säulen genannten Maßnahmen sind in ihrer Bedeutung gleichwertig. Sie müssen jeweils unmittelbar nach Feststellung des Tatbestandes umgesetzt werden können.

Erste Säule:

Hier wird die Verantwortung jedes einzelnen Staates hervorgehoben, ihre Bevölkerung zu schützen. Sie stellt die Grundlage der Schutzverantwortung dar. Regierungen müssen demnach wirksame Maßnahmen ausarbeiten, um innerstaatliche Konflikte lösen zu können. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die Rechte von Frauen, Minderjährigen und Minoritäten gewahrt werden. Mit Hilfe des UNO-Menschenrechtsrats soll überprüft werden, ob Regierungen ihren Verpflichtungen nachkommen. Alle Staaten werden dazu angehalten, durch Selbstreflexion Risikofaktoren zu ermitteln, die zu Gräueltaten führen könnten. Die Zusammenarbeit von internationalen und nationalen Organisationen muss insbesondere für die Polizei und das Militär sowie das Rechtswesen, die Parlamente und die Menschenrechtsgruppen vereinfacht werden. Zivilgesellschaftliche Akteure und internationale Organisationen sollen helfen, nationale sowie transnationale Netzwerke für Überlebende zu gründen und weiterzuführen, um damit eine Wiederholung von Gräueltaten anderenorts zu verhindern.

Zweite Säule:

Hierbei wird die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft betont, den Staaten beim Schutz ihrer Bürger und bei der Beendigung schwelender Konflikte zu helfen. Dabei sollen Staaten ermutigt und unterstützt werden, den Forderungen der ersten Säule nachzukommen. Gemeinsames Engagement und aktive Partnerschaften von und zwischen der internationalen Gemeinschaft und einzelnen Staaten sind besonders dann gefragt, wenn die politische Führung eines Landes schwach, gespalten oder unsicher ist. Eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Interessengruppen (Mitgliedsstaaten, regionale und subregionale Institutionen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft) ist dabei unbedingt erforderlich. Bei der Vermittlung von humanitären Normen soll auf Dialog, Schulung und Training gesetzt werden. Regionale und subregionale Organisationen sollen auch hier eng zusammenarbeiten. Zivilisten und Polizisten müssen auf Notsituationen vorbereitet werden, um beim Ausbruch ethnischer Spannungen schnell reagieren zu können. Die vorbeugende Stationierung von Soldaten kann zur Stabilität unruhiger Regionen beitragen. Staaten sollten ihren eigenen Sicherheitsapparat ausbauen und damit Stabilität für alle in ihren Grenzen lebenden Bevölkerungsgruppen gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verstärkte Einbindung der sogenannten „Peacebuilding Commission“ in die Schutzverantwortung.

Dritte Säule:

Versagen die ersten beiden präventiven Ansätze, dann ist die internationale Gemeinschaft dazu aufgefordert, direkt einzugreifen, um Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Rassendiskriminierung zu verhindern bzw. zu beenden. Dabei werden auch Zwangsmittel wie Sanktionen nicht ausgeschlossen. Der Sicherheitsrat, die UNO-Generalversammlung sowie der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen können einen Untersuchungsausschuss zur Ermittlung vermeintlicher Verstöße gegen internationales Recht einberufen. UNO-Missionen sollen dabei Staaten, die ihren Verpflichtungen in Bezug auf ihre Schutzverantwortung nicht nachkommen, frühzeitig warnen. Dies erleichtert ein rechtzeitiges Eingreifen der dazu befugten Institutionen wie der UNO-Generalversammlung, des Sicherheitsrates, des Internationalen Strafgerichtshofes, des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und des Sonderberaters zur Verhinderung von Völkermord. Die internationale Gemeinschaft kann im Falle einer Nichtbeachtung der Schutzverantwortung den Internationalen Strafgerichtshof einschalten. Weitere Maßnahmen sind gezielte diplomatische Sanktionen (Einschränkung oder Verbot bei Reisen und Geldtransfers sowie beim Kauf von Luxusgütern und Waffen). Die Zivilgesellschaft kann ebenso direkten Einfluss auf einzelne Bürger sowie auf öffentliche und private Investoren nehmen, die Geld in fraglichen Ländern anlegen. Dem Generalsekretär kommt dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu: Er muss den Sicherheitsrat und die Generalversammlung über sich abzeichnende Konfliktsituationen informieren. Die fünf Ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats werden dazu angehalten, ein erforderliches Eingreifen nicht durch ihr Veto zu blockieren. Die Generalversammlung beschließt die erforderlichen Maßnahmen, um Frieden und Sicherheit sowohl auf internationaler als auch regionaler Ebene zu überwachen. Die UNO-Mitgliedsstaaten und die Generalversammlung sowie der Sicherheitsrat müssen eine Strategie für ein schnelles militärisches Eingreifen entwickeln. Eine globale bzw. regionale Zusammenarbeit ist zur Kapazizätserweiterung und zur Frühwarnung ebenfalls notwendig.

Ban Ki-moon fordert die Generalversammlung auf, eine Strategie zur Umsetzung der Schutzverantwortung auszuarbeiten, die eine Präzisierung und Weiterentwickling der in der zweiten Säule festgelegten Maßnahmen beinhalten soll (internationale Hilfe und kapazitätserweiternde Maßnahmen). Des Weiteren soll durch eine möglichst regelmäßige Überprüfung der Mitgliedsstaaten festgestellt werden, ob sie ihre Schutzverantwortung auch einhalten. Dies könnte in Form einer halbjährlichen oder jährlichen Berichterstattung in den nächsten Jahren erfolgen.

Der Bericht warnt an verschiedenen Stellen vor den Folgen verspäteter Reaktionen und selektiver Berichterstattung. Ein reger Informationsaustausch zwischen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und die Berücksichtigung der Kenntnisse ortsansässiger Partner sind bei der Entwicklung neuer Strategien besonders wichtig.

Die Debatte um die Schutzverantwortung gibt dem Sicherheitsrat die Gelegenheit, seine Unterstützung nochmals zu beteuern. Des Weiteren können Aspekte geklärt werden, die derzeit noch zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen. Zivilgesellschaftliche Akteure weltweit werden noch bis Ende März an einer Strategie arbeiten, um die Erfolgsaussichten bei der Diskussion und Abstimmung dieser Angelegenheit in der kommenden Sitzung der UNO-Generalversammlung zu erhöhen.

Katharina Zechner