Die UN im Süd-Sudan: Schutz der Bevölkerung muss Priorität werden

Will man die Konflikte im Südsudan verstehen, muss man auch über die Rolle der Vereinten Nationen in dieser Region im Bilde sein. Mit der „United Nations Mission in Sudan“ – kurz UNMIS – verfügen diese mit einer Personalstärke von 10.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Mitarbeitern über eine nicht zu unterschätzende Präsenz auf dem Gebiet des Südsudans und in den Übergangsregionen. Die anhaltende Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung im Südsudan zeigt jedoch, dass UNMIS nur unzureichend in der Lage ist diese zu schützen. Angesicht des drohenden Gewaltausbruchs im Zusammenhang mit dem Referendum im Januar 2011 gilt es die Mission umgehend zu stärken. Andernfalls wären die Vereinten Nation wiedereinmal dazu verdammt, inmitten tausendfachen Mordens dem Leiden hilflos zusehen zu müssen.

 

Die mit der Sicherheitsratsresolution 1590 am 24. März 2005 ins Leben gerufen UNMIS soll vor allem die Einhaltung und Umsetzung des „Comprehensive Peace Agreements“ gewährleisten. Sie ist dementsprechend als eine traditionelle Peacekeeping-Mission nach Kapitel VI der UN-Charta angelegt und leicht bewaffnet. Darüber hinaus enthält ihr Mandat jedoch auch Kapitel VII Elemente. Mit anderen Worten: Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen – bis hin zum Gebrauch von Schusswaffen – zum Schutz der Zivilbevölkerung ist eindeutig zulässig. So gesehen ist UNMIS mit einer größeren Handlungsfreiheit ausgestattet, als dies in früheren UN-Mission, der Fall war.

An dieser Stelle setzt jedoch auch bereits die Kritik an der Ausführung der Mission ein. Obwohl das Mandat durchaus den Schutz von Zivilisten als Aufgabe vorsieht, lag der Fokus von Anfang an auf der Beobachtung des Friedensabkommens. Dementsprechend wurde die Schutzkomponente bei der Planung nur unzureichend berücksichtigt. Dies schlug sich nicht zuletzt in der personellen Zusammensetzung nieder. Offensichtlich hat sich die UNMIS-Führung kaum Gedanken darüber gemacht, wie sie die Schutzkomponente ihres Mandates überhaupt erfüllen könnte. Konkrete Strategien und Konzepte zu deren Umsetzung blieben aus.

Diese Mängel traten auf blutige Weise zu Tage. Dass im März und April bei interethnischen Überfällen in der Provinz Jonglei mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder ums Leben kamen, zeigte mehr als deutlich, dass UNMIS trotz seines weitgehenden Mandates nicht in der Lage war, derartige Massenverbrechen zu verhindern. Die Massaker blieben auch nicht auf Jonglei begrenzt. Auch den Tod von 72 Zivilisten im „Upper Nile State“, nur wenige Wochen später, konnte UNMIS nicht verhindern. Bereits vorher war UNMIS nicht in der Lage Attacken, wie beispielsweise von der „Lord Resistace Army“ aus Uganda, zu unterbinden.

Da es immer deutlicher wurde, dass die Regierung des Süd-Sudan ebenso wenig in der Lage ist ihre Schutzverantwortung gegenüber ihrer Bevölkerung wahrzunehmen, ist es notwendig, dass UNMIS der Schutz von Zivilisten endlich höchste Priorität einräumt und nicht nur auf die Beobachtung des Waffenstillstandes beschränkt. Obwohl die UNMIS-Führung bereits im Vorfeld der oben genannten Massaker Kenntnisse über die akuten Spannungen in der Region hatte, versäumte sie es ihre Präsenz zu erhöhen und konfliktentschärfende Maßnahmen zu ergreifen. Stattdessen müssen die Kommandeure von UNMIS ein proaktives Verhalten an den Tag legen und ihr Mandat voll ausfüllen. Dass sie es bisher nicht tut, ist der UNMIS-Führung selbst bewusst. 2008 gab ein UNMIS-Kommandeur in einem Report zu: „Jeglicher Schutz von Zivilisten, den wir bieten könnten, wäre zufällig“. Dafür sei vor allem das zu geringe Truppenkontingent verantwortlich.

Es gibt jedoch Anzeichen, dass UNMIS zum Teil aus ihrem Versagen gelernt hat und dabei ist, dem Schutz von Zivilisten eine höhere Priorität einzuräumen und ihre Truppenstärke in besonders gefährdeten Gebieten zu erhöhen. Unzureichendes Personal, der Umstand, dass es der UN generell an einem Konzept für den Schutz von Zivilisten mangelt und die traurige Erfahrung, dass UN-Kommandeure im Zweifelsfall die Sicherheit der eigenen Soldaten gegenüber der der Zivilbevölkerung Vorrang einräumen, stimmt jedoch nicht gerade hoffnungsvoll, dass weitere Gewalt verhindert werden kann.

Tatsache ist, dass UNMIS nicht einmal in der Lage ist den Schutz von Zivilisten zu gewährleisten, solange offiziell Frieden herrscht. Dies führt einem vor Augen, welches Ausmaß an Gewalt und welch horrende Opferzahlen zu erwarten sind, wenn es im Zuge des Referendums zu einem erneuten offenen Krieg in der Region kommen würde. Schließlich war auch in Ruanda eine UN-Mission zur Überwachung eines Friedensabkommen vor Ort. Als das Abkommen zerbrach und der Völkermord begann, konnte diese schließlich nur noch zusehen.

In der für den Sudan kritischen Phase des Referendums ist es deshalb notwendig, die Kapazitäten von UNMIS entsprechend anzupassen. Vor allem die Fähigkeit auf aufflammende Gewalt rechtzeitig zu reagieren muss weiter ausgebaut werden. Selbstverständlich muss eine Lösung des Konflikts auf der politischen Ebene erfolgen und die Wurzeln der Gewalt müssen in einem umfassendem Ansatz angegangen werden. Dennoch ist  auch hierfür  Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung die Grundvorraussetzung.

Die Bundesregierung muss sich hier ihrer Verantwortung stellen, den deutschen Truppenanteil aufstocken, um den Konfliktparteien deutlich zu machen, dass ihr das Schicksal der Zivilbevölkerung nicht egal ist. Bereits jetzt könnte sich die Bundeswehr auf die Bereitstellung eines Kontingents vorbereiten. Im Fall der Fälle würde dann weniger wertvolle Zeit verloren gehen und tausende Menschen könnten gerettet werden.

Damit würde die Bundesregierung nicht nur entsprechend der auf dem UN-Weltgipfel 2005 beschlossenen Schutzverantwortung handeln, sondern auch das in dem fraktionsübergreifenden Antrag am 24. März 2010 im Bundestag gegebene Versprechen halten, „sich innerhalb der UN dafür einzusetzen, dass UNMIS gemäß dem Mandat mit dem erforderlichen Personal (Militär- und Polizeikräfte) und Material ausgestattet wird.“

Von Christoph Schlimpert

Referendum 2011 – Sudan am Scheideweg

Der Sudan sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Im kommenden Januar wird der Süden des Landes darüber entscheiden, ob er in Zukunft ein Teil des Sudans bleiben will oder sich abtrennen und ein eigener Staat werden möchte. Umfragen belegen, dass eine große Mehrheit sich für die Abspaltung des Landes aussprechen wird. Die große Frage wird dann sein, ob die herrschende Elite in Khartum diesen Schritt anerkennt oder ob es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommt. Der Süden ist reich an Erdöl und eine Abtrennung wäre ein harter Schlag für den Nord-Sudan, der sich bisher in erster Linie über Öl-Exporte finanziert. Es besteht also eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass es nach dem Referendum zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen wird. Sowohl der Süden und der Norden treffen bereits alle notwendigen Vorkehrungen, um im Fall der Fälle wortwörtlich gewappnet zu sein.

Wie konnte es zu all dem kommen? Nach einem zwei Jahrzehnte andauerndem Krieg mit fast 2 Millionen Toten einigten sich der Norden und Süden im Jahr 2005 auf einen umfassenden Friedensvertrag, das sogenannte Comprehensive Peace Agreement (CPA). Hierin vorgesehen waren unter anderem die Bildung einer nationalen Einheitregierung, demokratische Wahlen, das 2011 anstehende Referendum sowie verschiedene weitere Maßnahmen. Vieles ist umgesetzt worden, vieles allerdings auch nicht. Eine der entscheidenden Fragen im Moment ist die der Grenzziehung zwischen Norden und Süden, die für eine eventuelle Abtrennung des Südens die Voraussetzung ist. Genau hier hakt es aber. Bei der Grenzziehung können sich beide Parteien nach wie vor nicht einigen, was insbesondere erdölreiche Gebiete wie Abiye betrifft. Auf wessen Seite die Erdölvorkommen liegen ist strittig, nicht zuletzt weil dies über die damit verbundenen Einnahmen entscheiden wird. Es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, dass man bis Januar 2011 zu einer Lösung finden wird. Die Zeichen stehen auf Sturm.

Sollte es zu einem Waffengang kommen, wird die Zivilbevölkerung wie in den vergangenen kriegerischen Auseinandersetzungen das erste Opfer sein. Die im Land befindliche UN-Schutztruppe mit der Bezeichnung UNMIS wird kaum in der Lage sein, Zivilisten vor Gewalt zu schützen, wenn nicht bald eine massive politische und militärische Unterstützung der Truppe durchgeführt wird. Deutschland, die EU und die internationalen Gemeinschaft halten sich bisher zurück oder ignorieren die Situation. Es scheint, dass wie so oft in der jüngeren Geschichte ein verhinderbares Massaker an unschuldigen Zivilisten ignoriert wird, bis es zu spät ist. Spätestens wenn die ersten Bilder von Massengräbern, Flüchtlingen und vergewaltigen Mädchen und Frauen über westliche Mattscheiben flimmern, wird die Politik „haltet den Dieb“ schreien und fragen, „wie solch eine Katastrophe geschehen konnte“. Die Lage ist aber bereits heute klar, es soll also in 4 Monaten niemand behaupten, dass die Tragödie nicht absehbar war.

Sollte es tatsächlich zu einem erneuten Krieg zwischen Norden und Süden kommen, dann wird dies nicht nur schreckliche Konsequenzen für die Menschen im Sudan haben, sondern auch die gesamte Region destabilisieren. Zum einen werden die Rebellen in Darfur ihre Chance gekommen sehen, mit einem Zweifronten-Krieg ihre politischen Forderungen gegen Khartum durchsetzen zu können. Wahrscheinlich wird der Nord-Sudan die berüchtigte Lords Resistance Army (LRA) wie in der Vergangenheit für seine Zwecke einspannen und gegen den Süden in Stellung bringen. Dies könnte wiederum Uganda in den Krieg involvieren, das seit Jahren gegen die LRA kämpft. Auch die Reaktion der Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ist nur schwer einzuschätzen. International würde ein Krieg ebenfalls Wellen schlagen, wobei die offensichtlichste Frontstellung zwischen China auf Seiten Khartums und der USA und Europas auf Seiten des Südens wäre.

Noch besteht die Möglichkeit, dass der Sudan einen friedlichen Weg einschlägt. Noch besteht die Hoffnung, dass nicht abertausende Unschuldige ihr Leben verlieren. Hierfür ist vor allem von Nöten, dass die EU und die USA alle diplomatischen Kanäle nutzen, um den Nord-Sudan von jeglicher Gewalt abzuhalten. Über den notwendigen wirtschaftlichen Einfluss verfügt Europa als zweitgrößter Importeur sudanesischer Waren auf jeden Fall, auch wenn man dies in Deutschland als Exportnation nur ungern zur Kenntnis nimmt. Neben wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln sollte die UNMIS-Truppe mit einem eindeutigen politischen Mandat zum Schutz von Zivilisten sowie den notwendigen Ressourcen ausgerüstet werden. Eine Verstärkung der Truppe durch westliche Soldaten würde ein klares Zeichen setzen, dass Europa und die USA sich nicht abwenden werden. Wenn sich die internationale Gemeinschaft in ausreichendem Maße für eine friedliche Lösung des Konfliktes engagiert besteht eine realistische Hoffnung, dass das Schlimmste verhindert werden kann. Das wäre in der Tat ein Zeichen dafür, dass die Welt aus Ruanda, Srebrenica und Darfur gelernt hat.

  Robert Schütte

Der Bürgerkrieg im Sudan: Hintergründe des Nord-Süd-Konflikts

Sudans Geschichte seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien 1956 ist eine Geschichte von Bürgerkriegen und ethnischen Säuberungen, die Millionen von Menschen das Leben gekostet haben. In den vergangenen Jahren war Sudan vor allem durch den Völkermord in Darfur in den Medien präsent. Doch lange Zeit war der so genannte Nord-Süd-Konflikt zwischen der nord- und zentralsudanesischen Elite und dem Südsudan, der mit einer Unterbrechung von elf Jahren zwischen 1956 und 2005 tobte, der zentrale Konflikt im Sudan – und galt als Musterbeispiel für einen hochkomplexen, möglicherweise gar unlösbaren Bürgerkrieg. Zwei und drei Millionen Menschen fielen dem Krieg zum Opfer, und mehr als sieben Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.

 

Wie die anderen Konflikte im Sudan auch ist der Nord-Süd-Bürgerkrieg nur zu verstehen, wenn man ihn im Zusammenhang fundamentaler Fehlentwicklungen eines postkolonialen Staates begreift. Der Staat, den die Briten in die Unabhängigkeit entließen, war keine historisch gewachsene Einheit, sondern ein willkürlich zusammengeworfener Raum der Größe Westeuropas, der mindestens 19 ethnische Gruppen mit rund 600 Untergruppen und hunderten von Sprachen beherbergt. Von Beginn an kontrollierte die überwiegend arabisch-islamische zentralsudanesische Elite im Norden – eine Minderheit – den Staat und seine Ressourcen. In der Wahrnehmung des Südens, deren Bewohner in der Regel weder Araber noch Muslime waren, hatte sich mit der Unabhängigkeit kaum etwas geändert. Waren zuvor die Briten ihre Kolonialherren gewesen, saßen die neuen Kolonialherren nun in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, definierten die Identität des Sudans arabisch-islamisch und hatten kein Interesse an einer Entwicklung des Sudans jenseits des Kernbereichs. Der Süden wehrte sich; der erste Bürgerkrieg, der bis 1972 dauern sollte, war die Folge. Im Friedensabkommen („Addis Abeba Agreement“) wurde dem Süden zunächst eine weitgehende Autonomie zugesprochen, die 1983 jedoch wieder durch Khartum aufgehoben wurde, was zum erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs führte.

In dieser Weigerung des Nordens, auf dem Verhandlungsweg föderale Strukturen zuzulassen, die allen Regionen eine politische Partizipation und eine gerechte Ressourcenverteilung ermöglicht, liegt der Kern aller Konflikte im Sudan. Die Zentrale hat jahrzehntelang systematisch und mit Erfolg daran gearbeitet, Macht, Privilegien und Wohlstand so wenig wie möglich teilen zu müssen und andere ethnische Gruppen in der „Peripherie“ des Landes zu marginalisieren. Statt politischer Prozesse, deren Ergebnis nur eine angemessene Partizipation aller Landesteile und Ethnien hätte sein können, entschied sich Khartum für eine Reihe von Unterwerfungskriegen, die – im Falle Darfurs – bis zum heutigen Tage anhalten.

Der Nord-Süd-Bürgerkrieg konnte 2005 mit dem Comprehensive Peace Agreement (CPA) vorerst beendet werden. Die zentralen Bestimmungen des Abkommens sahen zwar eine gerechte Verteilung der Ressourcen (vor allem der steigenden Öleinnahmen), eine Beteiligung der südsudanesischen Rebellengruppe SPLA/M (Sudan People’s Liberation Army/Movement) an der Regierung und eine weitgehende Autonomie des Südens vor. Die Umsetzung des Abkommens stockte jedoch von Beginn an, vor allem aus zwei Gründen. Zum einen war aus Sicht Khartums das CPA vor allem der Versuch, neue Spielräume für den Völkermord in Darfur zu gewinnen. Dementsprechend war die sudanesische Regierung natürlich nicht an einer schnellen Implementierung des CPA interessiert – im Gegenteil. Zum anderen war von Beginn an klar, dass eine Bestimmung ganz besonders über das Schicksal des Landes und über die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens entscheiden würde: die Festsetzung eines Referendums über die Unabhängigkeit des Südsudans, das für den 9. Januar 2011 angesetzt ist. Die genaue Festlegung der Grenze zwischen Nord und Süd durch eine Kommission ist zwar noch nicht abgeschlossen und steht vor großen Problemen, was vor allem daran liegt, dass die zwischen Norden und Süden umstrittenen Regionen zu den ölreichsten des Landes gehören. Doch sollte sich der Südsudan in wenigen Monaten für seine Unabhängigkeit entscheiden, und sich dabei möglicherweise ein Hauptteil der ölreichen Regionen vom Sudan abspalten, bräche Khartum nicht nur ein Teil seines Herrschaftsgebietes weg, sondern gleichzeitig auch eine Hauptvoraussetzung für Wohlstand und Macht in der Zukunft. Führt man sich vor Augen, wie Präsident Bashir und seine Regierung seit 2003 auf die Krise in Darfur reagiert haben, dann kann man ermessen, wie sie in einer möglicherweise existenziellen Frage wie der Unabhängigkeitserklärung eines ölreichen Südsudans reagieren könnte. In wenigen Monaten könnte dem Sudan ein neuer Konflikt von katastrophalen Ausmaßen und Konsequenzen für die Zivilbevölkerung bevorstehen.

Von Adrian Oroz

Deutschland und das Konzept der Schutzverantwortung

Zahlreiche schwerste Menschenrechts- verletzungen in der Vergangenheit, sei es der Völkermord in Ruanda 1994, das Massaker in Srebenica 1995, die ethnischen Säuberungen im Kosovo 1999 oder auch der Holocaust, haben die Menschheit auf härteste Weise über die Gefahren ungezügelter und unverantwortlicher Herrschaftsgewalt belehrt.

R2P
Betrachtet man die andauernden Konflikte im Sudan, im Kongo oder auch in Myanmar, so bleiben Völkermorde,  Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit  immer noch zu häufig auftretende Phänomene.

Im Jahre 2000 stellte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan eine entscheidende Frage:
Wenn humanitäre Intervention eine inakzeptable Verletzung der Staatssouveränität darstellt, auf welche Weise soll dann gegen schwerste und systematische Menschenrechtsverletzungen vorgegangen werden?

Ein Jahr später veröffentlichte die International Commission on Intervention and State Sovereignty (die Internationale Kommission zu Intervention und Staatensouveränität) ICISS einen 90-seitigen Bericht unter dem Titel „The Responsibility to Protect“ und führte damit erstmalig das Konzept der Schutzverantwortung ein.
Während das Prinzip der humanitären Intervention das Risiko der Nicht-Intervention birgt, wo eine humanitäre Intervention tatsächlich notwendig ist, also das „Recht zur Intervention“ im Ermessen  des zu intervenierenden Staates liegt und dieser ebenso gut auf dieses Recht verzichten kann, legt das Konzept der Schutzverantwortung den Fokus eher auf die Verpflichtung und Verantwortung eines Staates.
In dem Fall, dass ein Staat nicht in der Lage oder nicht willig ist, seine Bevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen, geht diese Verantwortung auf die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen über. Auf diese Weise kann Staatssouveränität nicht mehr als Ausflucht oder Schutzschild verwendet werden; Untätigkeit ist somit keine Option mehr.

Durch die Fehler Deutschlands zur Zeit des Nationalsozialismus ist massives Unrecht erfahren worden. Auch daher wird im Allgemeinen die Überzeugung geteilt, dass Wiederholungen solcher Erfahrungen wie des Holocausts mit allen Mitteln verhindert werden müssen.
Wie Sabine von Schorlemer in einem Policy Paper der Stiftung für Entwicklung und Frieden schreibt, empfinden insbesondere die Deutschen „[…] angesichts von Massenvertreibungen, Deportationen und willkürlichen Hinrichtungen schutzloser Zivilisten […] eine besondere Verantwortung“. (Zum vollständigen Policy Paper des SEF hier klicken.)
Weiterhin stellt sie in ihrem Antwortschreiben zu einer Anhörung des Bundestags zur Internationalen Staatenverantwortung im Februar 2009 dar: „Deutschland kann und sollte eine aktive Rolle bei der weiteren Ausgestaltung der Schutzverantwortung einnehmen. Dafür sprechen nicht nur die deutsche Vergangenheit und der Umstand, dass unser Wohlstand auf dem Prinzip der Einmischung beruht (vgl. Berlinblockade), sondern auch die besonderen Expertise und das Vertrauen, das sich Deutschland als „ehrlicher Makler“ in den internationalen Beziehungen  erworben hat. Hinzu kommt die hohe Leistungsfähigkeit deutscher Einsatzkräfte und Unterstützungskomponenten.“ (Zur vollständigen Stellungnahme: hier klicken)

Der Bundestag unterstützte aktiv das High-Level Panel, das 2004 zusammenkam und die Schutzverantwortung als eine „entstehende Norm“ bezeichnete.
Auch während des Weltgipfels 2005 stimmte Deutschland für die Resolution A/Res/60/1, die das Konzept der Schutzverantwortung als das Kernelement des Gipfeltreffens enthielt.
Das Konzept erfährt seitdem eine immer stärkere Rezeption von den deutschen Politikern und wird offiziell vom deutschen Bundestag unterstützt.
Im Weißbuch des Verteidigungsministeriums wird diese positive Einstellung zur Schutzverantwortung noch einmal bestätigt:
„Auch wenn die Staaten, die sich diese Lehre zu Eigen gemacht haben, wahrscheinlich noch nicht in der Mehrheit sind, prägt die Debatte um die „Responsibility to Protect“ doch zunehmend das Denken westlicher Länder. […] Deutschland stellt sich seiner Mitverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen.“

In der deutschen Stellungnahme zum Bericht des Generalsekretärs „Implementing the Responsibility to Protect“ wird vor allem betont, dass Deutschland das Konzept der Schutzverantwortung im Allgemeinen befürwortet, im Spezifischen jedoch Kooperation und Prävention als die Grundprinzipien der Schutzverantwortung ansieht. Es wird weiterhin betont, dass die primäre Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung bei dem betroffenen Staat liegt.

Generell fällt auf, dass Deutschland zwar die Verpflichtung , sich innerhalb der Gremien der Vereinten Nationen mit humanitären Konflikten auseinanderzusetzen und angemessene, friedliche Zwangsmaßnahmen zu diskutieren, nicht aber eine Verpflichtung zu militärischen Interventionen zum Schutz fremder Staatsbürger akzeptiert.

Betrachtet man einen spezifischen Fall wie die Krise in Darfur, so betont Deutschland auch hier, dass die primäre Schutzverantwortung bei dem sudanesischen Staat liege. Da die sudanesische Regierung dieser Aufgabe jedoch offensichtlich nicht ausreichend nachkommt, haben sich nun die Vereinten Nationen in Kooperation mit der Afrikanischen Union dem Problem angenommen und suchen eine Lösung für den Konflikt.
Die deutsche Politik drückt aus, dass die Schutzverantwortung in diesem spezifischen Fall besagt, dass die Staatengemeinschaft verantwortlich dafür ist, eine Lösung für die Krise zu suchen, nicht aber besage sie eine Verantwortung zu militärischer Intervention. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Verantwortung zu reagieren (responsibility to react) durch die Ausweitung des UNMIS Mandats auf Darfur und durch diplomatische Initiativen, welche durch den Menschenrechtsrat und die Generalversammlung der Vereinten Nationen angeregt wurden, schon erfüllt worden sei.

Andererseits muss man bemerken, dass die Bundesregierung, als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner des Sudans, bisher keine nennenswerten Schritte unternommen hat, ihren wirtschaftlich bedingten  Einfluss zugunsten von politischen und humanitären Zwecken im Sudan zu nutzen.
Ganz im Gegenteil – anstatt durch kluge Sanktionen Druck an den richtigen Stellen – nämlich auf die Verantwortlichen in Khartum – auszuüben, hat Deutschland seine Exporte in den Sudan zwischen 2003 und 2006 um 300% erhöht.
Im Jahre 2009 war der deutsche Außenhandel mit dem Sudan allerdings wieder rückläufig. Die Exporte sanken im Vergleich  zum Vorjahr um 4,2 Prozent auf 85,3 Millionen Euro – was immer noch ein erhebliches Potenzial birgt, wirtschaftlichen Einfluss geltend zu machen; vor allem auch, weil Deutschlands  Exportgüter in den Sudan – hauptsächlich Maschinen und Ausrüstungen, sowie Fertigerzeugnisse, Chemikalien, Lebensmittel und Textilien- von solcher Art sind, dass sie nur schwer durch Firmen anderer Länder geliefert werden könnten.
Auch innerhalb der Europäischen Union, die zurzeit der zweit-größte Handelspartner des Sudan ist, könnte Deutschland sich erheblich aktiver für gezielte Sanktionen gegen die Regierung in Khartum einsetzen.

Deutschland ist allgemein betrachtet, wie die deutschen Beiträge im Sudan gezeigt haben, ein verlässlicher Akteur, wenn es um humanitäre Hilfe oder die Unterstützung von Friedensmissionen geht.
So kann niemand behaupten, dass Deutschland Mühen oder finanzielle Aufwände scheut,  um humanitäre Hilfe zu leisten. Deutschland mag vielleicht den Militarismus  scheuen, es ist jedoch angesichts der Erfahrungen des Holocausts tief geprägt durch die Überzeugung des „Nie wieder“ und leistet daher immer noch bemerkenswerte  Beiträge zur Realisierung der Schutzverantwortung.

Nichtsdestotrotz, würde ein Mancher vielleicht ein aktiveres, leitenderes Engagement sowie drastischere Maßnahmen erwarten, um Massenverbrechen zu beenden – auch angesichts des historischen Hintergrundes Deutschlands.
Die Bundesregierung sollte daher alle ihre zu Verfügung stehenden Möglichkeiten, wie etwa die oben angeführten wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Regime in Khartum, ausschöpfen, um endlich die Krise in Darfur und somit das Leid unzähliger Zivilisten zu beenden.

Na-Hyeon Shin

Die Schutzverantworung als Element des Friedens – Policy Brief der Stiftung Entwicklung und Frieden

In einem aktuellen Policy Paper der Stiftung Entwicklung und Frieden (www.sef-bonn.org) setzt sich Sabine von Schorlemer mit dem Konzept der sog. Schutzverantwortung auseinander. Dieses Konzept bedeutet, dass staatliche Souveränität eine Verantwortung der Regierung für die Sicherheit der auf ihrem Territorium befindlichen Menschen impliziert, wobei der internationalen Gemeinschaft eine subsidiäre Verantwortung zum Schutz von Zivilbevölkerungen zukommt für den Fall, dass ein Staat nicht willens oder nicht fähig ist, seiner Schutzverantwortung gegenüber der Bevölkerung nachzukommen. Neben einer Erklärung der Entwicklung und Bedeutung des Konzepts, werden sinnvolle Empfehlungen zur Fortentwicklung und Ausgestaltung der Schutzverantwortung erläutert.

Si vis bellum, para pacem ? Wie Khartums präkäre Beziehungen mit dem Südsudan einen Frieden in Darfur erwirken könnte

Der Konflikt in Darfur hat bis ins Jahr 2010 schätzungsweise 400.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als 2,7 Millionen vertrieben. Nach jahrelangen Kämpfen wurde nun am 20. Februar eine 60-tägige Waffenruhe zwischen der Regierung und Vertretern des Justice and Equality Movement (JEM) unterzeichnet. Dies ist seit langem ein Zeichen der Hoffnung für Frieden in einer von Krieg und Zerstörung gebeutelten Region. Doch wurden bei kürzlichen Kämpfen wurden Einheiten der JEM verschont, andere Rebellengruppen aber nach wie vor ins Visier genommen. Und inwiefern finden die an und für sich begrüßenswerten Friedensbemühungen in einem Klima eines nach wie vor nicht ausgeschlossenen neuen Nord-Süd-Bürgerkriegs statt? Versucht der sudanesische Präsident, Omar al-Bashir, die Front in Darfur zu befrieden um den Rücken für eine erneute Auseinandersetzung mit dem sezessionswilligen Süd-Sudan frei zu haben?

Am 20. Februar war es soweit, das Abkommen wurde vom sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und JEM Führer Khalil Ibrahim in N’Djamena, der Hauptstadt des benachbarten Tschad, unterzeichnet. Diese Übereinkunft ist bemerkenswert, da die JEM bis Mai 2009 eine der wenigen Gruppen war, die nicht bereit war, den Konflikt mit der sudanesischen Regierung zu diskutieren. Darüber hinaus ist es die Sudan Liberation Army (SLA), die sich ebenfalls weigert, mit der Regierung zu sprechen bevor es nicht ein Ende der Gewalt gibt. Der Ort der Verhandlungen ist auch von Bedeutung, wenn man bedenkt, dass der Tschad bisher JEM und andere Rebellengruppen unterstützt hat und vielen vertriebenen Darfurern ein Zufluchtsort geworden ist. Ohne die Unterstützung des Tschads, welcher den Rebellen bis heute einen Rückzugsraum geboten hat, wären die Aufständischen gar nicht in der Lage gewesen, der Regierung Sudans Paroli zu bieten.

Trotz der kürzlich ausgehandelten begrüßenswerten Waffenruhe besteht jedoch die Gefahr, dass es sich um ein Manöver Bashirs handeln könnte, um sich die JEM zeitweilig vom Leibe zu halten. So finden parallel zu den Friedensverhandlungen mit zehn anderen Rebellengruppen in Doha Fliegerangriffe auf Siedlungen in Darfur statt. Rebellen in der Gegend berichten, dass innerhalb von zwei Tagen 50 Zivilisten Opfer von Kämpfen in der strategisch wichtigen Region in zentralen Darfur geworden seien. Die einzige Hilfsorganisation vor Ort ist gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Nach Angaben der Organisation Médecins du Monde, wurden 100.000 Menschen durch die Kämpfe vertrieben. Man kann die neuesten Angriffe als einen Versuch der Regierung interpretieren, die verbleibenden Rebellengruppen durch Gewalt zu einem Einlenken zu zwingen. In der Tat drängen die Vermittler der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen, die Gastgeber aus Katar und der US-Sondergesandte Scott Gration die Rebellengruppen, mit der Regierung Sudans parallel zu JEM zu verhandeln und am Ende beide Vereinbarungen miteinander zu verbinden.

Khartums plötzlicher Eifer, die Rebellengruppen zu einer Waffenruhe, wenn nicht sogar zu einem Frieden zu drängen, lässt sich mit Hinblick auf die mögliche Unabhängigkeit des Süd-Sudans und dem Unabhängigkeitsreferendum im Januar 2011 erklären. Falls sich der erdölreiche Süden nach dem Referendum zur Sezession entschließen sollte, würde dies aller Wahrscheinlichkeit nach erneut Krieg bedeuten. Aus der Perspektive Khartums wäre ein Frieden in Darfur vor allem deshalb wichtig, um nicht einen Zwei-Fronten-Krieg gegen den Süden und Westen des Landes führen zu müssen. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass die Furcht vor einer Abspaltung des Südens das Handeln der Regierung in Khartum ditkiert. Außerdem könnte Präsident Bashir im Sinn zu haben, die bevorstehenden nationalen Wahlen zu nutzen, um sich und die Herrschaft seiner Partei trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs zu legitimieren. „erfolgreiche“ Wahlen könnten als Argument missbraucht werden, Bashir nicht für seine Kriegsverbrechen und schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu machen.

Die internationale Gemeinschaft, die EU und Deutschland sind nun gefragt, die Waffenruhe zwischen Khartum und JEM zu unterstützen, weitere Rebellengruppen zur Teilnahme zu bewegen und letztlich einen umfassenden Friedensprozess in Darfur anzustoßen. Gleichzeitig sollte sich jedoch verstärkt darum bemüht werden, das für seine Skrupellosigkeit berüchtigte Regime in Khartum von jeglichen militärischen Aktionen gegen den Süd-Sudan im Falle einer Sezession abzuhalten. Noch besteht die Möglichkeit einer internationalen konzertierten Initiative in diese Richtung, in der vor allem die Volksrepublik China auf Grund ihrer engen wirtschaftlichen Kontakte mit Khartum in die Pflicht genommen werden sollte. Noch ist ein Krieg zwischen Norden und Süden abwendbar, der zweifellos die gesamte Region destabilisieren würde.

Johanne Kübler

Sudan vor den Wahlen – Prävention gegen neue Gewaltausbrüche gefragt

Auf den ersten Blick könnte man in den für April angesetzten Wahlen im gesamten Sudan – die ersten seit 1986 – und in dem für Anfang 2011 angekündigten Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans ein Hoffnungsschimmer für das von Gewalt geschundene Land vermuten. Doch sowohl die Wahlen, als auch das Referendum birgt die Gefahr eines neuen Aufflammens der Gewalt. Es wäre ein tödlicher Fehler der Internationalen Gemeinschaft, die damit verbundenen Risiken für die sudanesische Bevölkerung zu ignorieren.

Schon jetzt gibt es zahlreiche Berichte von Gewalttaten, welche neuerdings vor allem wieder vermehrt im Süden vorkommen. So gab es 2009 im Südsudan 2500 Gewaltopfer, sogar mehr als im gleichen Zeitraum in Dafur. 360000 Menschen mussten fliehen. Neben Stammeskonflikten und dem Eindringen der Lord Resistance Army aus Uganda, lässt sich dabei auch wieder eine Zunahme der Spannungen mit dem Norden feststellen. Die Ursprünge des Konflikts zwischen dem arabisch dominierten Norden und dem christlichen schwarzafrikanischen Süden des Sudans reichen dabei weit in die Vergangenheit zurück. Der bisher letzte offene Bürgerkrieg brach Anfang der 1980er Jahre aus und konnte erst im Januar 2005 mit dem sogenannten „Comprehensive Peace Agreement“ beigelegt werden. Darin einigten sich die Parteien neben der Schaffung einer Autonomen Provinz Südsudan und der Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ unter anderem auch darauf, bis spätestens Januar 2011 ein Referendum über eine staatliche Unabhängigkeit des Südsudans durchzuführen.

Vor den jetzt anstehenden Abstimmungen darf man vor allem nicht vergessen, dass das Abhalten Wahlen allein noch keine Demokratie ausmacht. Dennoch steht für die Parteien im Sudan viel auf dem Spiel. So sollen ein Staatspräsident für Gesamtsudan, der Präsident für den Südsudan, die Gouverneure der 26 Bundesstaaten, sowie die Parlamente der Nationalversammlung in Khartum und in den Bundesstaaten gewählt werden. Im Hinblick auf die humanitäre Notlage und die immer noch mangelnde Sicherheit weiter Bevölkerungsteile – vor allem in Dafur und im Südsudan – sind wirklich fairen Wahlen nur begrenzt zu erwarten. Die Regierung von Präsident Omar al Bashir hat es in den vergangenen Jahren unterlassen, die notwendigen demokratischen Reformen durchzuführen, welche im „Comprehensive Peace Agreement“ von 2005 verlangt werden. Ohne verstärkte Aufmerksamkeit und Druck durch die Internationale Gemeinschaft wird es weder faire noch freie Wahlen geben.

Auch wenn die Wahlen im April ohne größere Verwerfungen und Gewaltausbrüche über die Bühne gehen sollten, droht Anfang 2011 mit dem Referendum, welches der südsudanesischen Bevölkerung die Aussicht auf einen eigenen Staat einräumt, ein erneuter offener Bürgerkrieg. Es ist zu erwarten, dass die Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden zunehmen, je näher das Referendum rückt. Schon jetzt wirft die südsudanesische Regierung dem Norden Waffenlieferung an einzelne Gruppen im Süden vor. Aber auch der Süden rüstet auf.

Es ist davon auszugehen, dass sich eine Mehrheit der Menschen im Südsudan für eine Unabhängigkeit entscheiden werden. Schwer vorstellbar ist jedoch, dass – trotz anderslautender Bekundungen – die Zentralregierung in Khartum die Loslösung des Südens und damit den Verlust von ölreichen Provinzen einfach hinnehmen wird. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass wichtige Fragen wie Grenzziehungen und die Verteilung der Öleinnahmen nach wie vor ungeklärt geblieben sind.

Die Zeit drängt und es sind entschlossene Schritte notwendig, um einem erneuten Ausbruch eines Bürgerkriegs vorzubeugen. So müssen die in einem Bericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vom 19. Januar 2010 geforderte Verstärkung der UNMIS und die notwendigen versprochenen Mittel für das UNDP sofort bereitgestellt werden. Sowohl die südsudanesische Regierung als auch die Internationale Gemeinschaft haben die Pflicht, umgehend ihre Anstrengungen für die Herstellung von kurz und langfristiger Sicherheit des Bevölkerung zu erhöhen. Die internationale Staatengemeinschaft hat dabei die Aufgabe, die Konfliktparteien zu Verhandlungen und zur friedlichen Beilegung von Konflikten zu drängen. In den verbleibenden Monaten vor dem Referendum muss mit aller Kraft an der Lösung der ungeklärten Fragen gearbeitet werden. Die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer Verstärkung der UN-Truppe zur Überwachung der Nord-Süd-Grenze im Vorfeld des Referendums sollten rechtzeitig geprüft und gegebenenfalls auch realisiert werden. Als einer der Garantie-Staaten des Friedensvertrags hat die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung, dem Sudan mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Christoph Schlimpert

Balance-Akt der afrikanischen Mitgliedstaaten des IStGH

Die Nachrichtenagentur Reuters meldete vor kurzem, dass die Afrikanischen Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) trotz der Anklage des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir ihre Mitgliedschaft nicht beenden würden.

Vom 8. bis 9. Juni trafen sich die Vertreter der 30 afrikanischen Mitgliedstaaten des IStGH, um ihre Reaktion auf die Anklage des sudanesischen Präsidenten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu diskutieren. Die allgemeine Haltung war, vom UN Sicherheitsrat einen Aufschub des Verfahrens unter Artikel 16 des Römer Statuts zu verlangen. Der von einigen Beobachtern befürchtete Rückzug der 30 afrikanischen Mitgliedsstaaten vom IStGH fand keinen Konsens. Lediglich Libyen, Senegal, Djibouti und die Komoren hatten sich dafür stark gemacht. Die afrikanischen Mitgliedsstaaten scheinen mehrheitlich die Position zu vertreten, dass der UN Sicherheitsrat das Verfahren um ein Jahr aufschieben solle. Diese Position hatte sich schon anlässlich eines Treffens der Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) im Februar diesen Jahres herauskristalisiert. Die Argumentation der AU ist, dass eine Strafverfolgung al-Bashirs einen Friedensprozess gefährden könne und deshalb Alternativen zur Lösung des Darfur Konflikts gefunden werden müssten. Gemäss einem Artikel der Sudan Tribune hatten die 19 Mitgliedsstaaten des COMESA (Market for Eastern and Southern Africa) diese Position auf ihrem Gipfeltreffen in Simbabwe vom 7. Juni erneut bestätigt. Im Vorfeld des Treffens der 30 Mitgliedstaaten haben 40 Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft eine Erklärung herausgegeben. In dieser so genannten Kapstadt Erklärung teilen die Vertreter der Zivilgesellschaft einerseits die Bedenken der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die westliche Dominanz und Politisierung der internationalen Strafgerichtsbarkeit, gleichzeitig fordern sie diese aber auch auf, den IStGH aktiv zu unterstützen und zu dessen gesteigerten Legimität beizutragen und gleichzeitig nationale und regionale Justizmechanismen zu stärken.

Khartum lehnt die Position der afrikanischen Mitgliedsstaaten mit der Argumentation ab, dass ein Bezug auf Artikel 16 des Römer Statuts die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkennen würde. Der Sudan hat das Statut nicht ratifiziert und hat bisher versucht den massiven Menschenrechtsverletzungen mit nationalen Justizmechanismen zu begegnen. Das Regime in Khartum nutzt diese beiden Gründe als Vorwand, um nicht mit dem Gerichtshof kooperieren zu müssen und eine mögliche Verurteilung al-Bashirs abzuwehren. Diese nationalen Bestrebungen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die im Darfur begangenen Gräueltaten zu schaffen sind höchst unzureichend und müssen deshalb als Abwehrstrategie gegenüber dem Strafgerichtshof bezeichnet werden.

Seit der IStGH im März 2009 einen internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten erlassen hat, hat al-Bashir mehrere Auslandsreisen in Länder getätigt, die allesamt keine Mitglieder des IStGH sind. Mit diesen Reisen in befreundete Staaten scheint al-Bashir einerseits Unterstützung von Verbündeten zu suchen und andererseits die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs untergraben zu wollen. Genocide-Alert hat diese Thematik an anderer Stelle in einem Artikel  analysiert.

Das kürzliche Treffen der 30 Mitgliedstaaten des IStGH und die dabei eingenommene Mittelposition zeigen, dass diese Staaten ihre eigenen Interessen und Agenden verfolgen. Eine Desavouierung des IStGH durch einen allgemeinen Rückzug der Mitgliedschaft wurde auf der einen Seite vermieden. Die Gründe dafür mögen vielschichtig sein. Die meisten afrikanischen Mitgliedsstaaten wollen sich bestimmt keinen Affront gegenüber den westlichen Mitgliedstaaten des IStGH leisten. Dazu kommt, dass für viele dieser Staaten ein Image-Verlust aufgrund eines Rückzugs vom IStGH zu verkraften wäre. Des Weiteren haben sie auch ein genuines Interesse an der Umsetzung des IStGH-Mandats, da die Beendigung einer Kultur der Straflosigkeit mittel- und langfristig zur inneren Stabilität beitragen kann. Sie setzen voraus, dass ihre Souveränität respektiert und nicht ungleiche Maßstäbe zwischen afrikanischen und westlichen Ländern angelegt werden. Auf der anderen Seite können die afrikanischen Staaten das Wirken des Gerichtshofs im Fall al-Bashirs jedoch nicht ohne weiteres gutheissen. Zum einen wollen sie einen Präzedenzfall vermeiden, in welchem ein amtierender Präsident verurteilt würde und zum anderen wollen sie einer befürchteten Politisierung der internationalen Strafgerichtsbarkeit entgegenwirken.

Angesichts dieser verschiedenen Beweggründe ist die eingenommene Mittelposition zu deuten. In welche Richtung sich dieser Balance-Akt der afrikanischen Mitgliedstaaten bewegt, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass diese Staaten mit ihrer „Artikel 16“-Mittelposition einen solchen Balance-Akt vollführen, macht sie empfänglich für Überzeugungsversuchen derjenigen Staaten und zivilgesellschaftlichen Vertreter, welche al-Bashir entweder politisch zu isolieren oder diesen zu verhaften und nach Den Haag zu überstellen versuchen. Es gilt nun die afrikanischen Mitgliedstaaten von der politischen Neutralität der internationalen Strafgerichtsbarkeit zu überzeugen, wobei diese Bekenntnisse auch durch eine entsprechende Praxis des UN Sicherheitsrates und Chef-Anklägers unterstrichen werden müssen. Der Strafgerichtshof muss von allen Mitgliedstaaten als legitimes und komplementäres Instrument zu nationalen und regionalen Justizmechanismen angesehen werden, welches die staatliche Souveränität nicht bedroht, sondern diese mittel- und langfristig zu stärken vermag. Gelingt dies, ist es wahrscheinlich, dass die Skepsis der afrikanischen Mitgliedstaaten beseitigt, der Gerichtshof gestärkt und al-Bashir ein für allemal isoliert und womöglich verhaftet werden kann.

Christoph Bleiker

Responsibility to Protect – Pure Machtpolitik oder echte Menschenrechtspolitik?

Die Internationalen Kommission zu Intervention und staatlicher Souveränität (ICISS) veröffentlichte im Jahre 2001 einen Bericht, der mit der benennung der Schutzverantwortung oder „Responsibility to Protect“ die Debatte über die sogenannte humanitäre Intervention neu entfacht. Robert Schütte und Johanne Kübler haben in einem Occasional Paper der Human Security Research Unit der Universität Marburg den Hintergrund der Kontroverse rund um Souveränität und Intervention analysiert und gängige Kritiken des Konzepts mithilfe von Theorien der Internationalen Beziehungen erklärt.

Conclusion: The Responsibility to Protect Between Concealed Power Politics and Principled Policy

Humanitarian objectives play an increasing role in the public discourse of politicians and media, which has even lead social scientists to identify a so called CNN effect influencing the public agenda profoundly. The mobilization of political support and financial aid in cases of human suffering brought to the attention of a wider international public indicates an increasing attachment to the needs and fears of people around the world. It has become a commonplace to assume that economic globalisation and liberal-democratic hegemony are contributing to or even causing the growing extent of interdependence throughout the world, thereby cumulatively reducing the importance of the factors time and space for social interaction. It is for this that classical concepts of security are increasingly queried with the aim to broaden the focus and analysis of the issue. Kofi Annan got this situation to the point stating that “today, no walls can separate humanitarian or human rights crises in one part of the world from national security crises in the other.“ In fact, the fall of the Berlin wall and the dissolution of the communist military and ideological counterpart to liberal democracy have greatly picked up the pace in favour of human rights. It is in this new global political context that the gap between expectations in a new human world order and the mind-shocking humanitarian catastrophes at the beginning of the 90s have provoked a controversy concerning the limits of sovereignty as well as the international community’s duty to react. Furthermore, the failure of the United Nations Security Council to overcome old lines of division has spread the opinion of a need to reform the global architecture of global security governance.

The present paper has outlined that, thanks to its long engagement for the humanitarian cause and its implementation of Human Security as official foreign policy doctrine, Canada has took up the task to find a viable answer to the question of humanitarian intervention and state sovereignty. The resulting report The Responsibility to Protect has elaborated and clarified a more comprehensive notion of sovereignty, which stresses the responsibility of a state to protect its citizens from harm. Given that a state is not able or not willing to provide for the security of its people, the international community is allowed to react under certain conditions. Such an interference in the domestic affairs of another state has to meet high criteria of legitimacy, adequacy, proportionality and prospect of success over the long run, therefore comprising also a responsibility to prevent and to rebuild, besides the already discussed responsibility to intervene. In this setting the Security Council plays the chief part, which can only be overridden in cases of an obvious defection on grounds of political mischief of a veto-power. Despite all efforts to avoid any possibility of voluntaristic exploitation of the rules stated by the ICISS, there is a line of division mainly between the liberal democratic sphere and the G-77. In order to account for the prevailing logic of approval and opposition to the reports proposition, the paper has outlined and discussed two theoretical approaches to the question: A Classical Realist position, drawing on E. H. Carr, identifying the support of the west and the resistance of the G-77 as a form of concealed powerpolitics. Furthermore a Constructivist perspective, which considers the enforcement of human rights a principled belief gaining a more salient role for the definition of national interests after the end of Cold War, thereby granting to normative ideas an independent and powerful role in the explanation of foreign policy. In any case, it is impossible to assign one of the approaches an a priori superiority. The Judgement of which paradigm serves better as an explication of the logic for support and opposition of a new notion of sovereignty is contingent on the preferences of the researcher, and maybe also on his cultural and political background.

Following Kuhn’s explanation of normal science and paradigmatic shift, this is rather a socio-psychological question of persuading researchers than a task to consider what is right or wrong, because a paradigm “cannot be made logically or even probabilistically compelling for those who refuse to step into the circle” of its hermeneutical hard-core. Both approaches concede an intrinsic value to the understanding of world politics, and it lies basically with the prevailing researcher to estimate which one is more convincing. It remains still to be answered whether the Realist hegemony in International Relations Theory will be challenged by more sociologically influenced theories like that of Constructivism. In order to see further than the end of ones own epistemic nose, it is remarkable to note such a steady shift in economics translating in an incorporation of psychological and sociological, that is for our purpose ideational, variables in its research design: For his work on psychological factors in economics, Daniel Kahnemann even received the Nobel Price in 2002. In any case, to find adequate theoretical interfaces for the concept of Human Security in International Relations theory is a valuable field of research for the Human Security community, clarifying thereby the scope and precision of the concept to analyze question of security at the beginning of the 21st century.

Die Schutzverantwortung und die humanitäre Lage in Darfur

Die Schutzverantwortung („responsibility to protect“) wurde im Jahr 2005 einstimmig von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) zur Prävention von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschlossen. Wie ist sie in Bezug auf die derzeitige humanitäre Lage in Darfur zu interpretieren?

Die Schutzverantwortung soll in erster Linie dazu beitragen, dass Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen rechtzeitig von UNO-Mitgliedsstaaten, der UNO selbst, regionalen und subregionalen Organisationen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren erkannt und verhindert werden. Die Schutzverantwortung basiert auf drei Säulen, in denen festgelegt ist, dass der jeweilige Staat primär die Verantwortung zu tragen hat. Versagt eine Regierung dabei, ihre eigene Bevölkerung zu schützen, wird die Schutzverantwortung auf die internationale Gemeinschaft (2. Säule) und auf die UNO (3. Säule) übertragen, wobei Zwangsmittel wie Sanktionen oder sogar militärische Intervention nicht ausgeschlossen sind.

Nachdem der Internationale Strafgerichtshof am 4. März 2009 Haftbefehl gegen Sudans Präsident Omar al-Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur erließ, hat die sudanesische Regierung mehrere humanitäre Organisationen des Landes verwiesen. Die im Sudan verbliebenen Organisationen sind mit der Situation überfordert, eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an. Es fehlt an Wasser, Nahrungsmitteln, sanitären Anlagen und ausreichender medizinischer Versorgung. Die UNO sprach kurz nach der Ausweisung der Organisationen von ca. 1.1 Millionen Darfuris, die ohne Nahrung und Gesundheitsfürsorge auskommen müssen, und von einer weiteren Million ohne Zugang zu Wasser.

Die UNO hat gemeinsam mit der sudanesischen Regierung die gegenwärtige Situation in Darfur geprüft (Government of Sudan & United Nationes: Joint Assessment Mission to Darfur), wobei besonders auf die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Wasser, medizinischer Versorgung, Unterkünften und sanitären Anlagen geachtet wurde. Bei einer Pressekonferenz Ende März 2009 zur Bekanntgabe der Ermittlungen hat der Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten der UNO, John Holmes, für eine schnelle Aufhebung der Ausweisung zahlreicher internationaler Hilfsorganisationen plädiert: Obwohl die sudanesische Regierung, die UNO und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) versuchen, die klaffenden Versorgungslücken zu überbrücken, wird es ihnen nicht dauerhaft gelingen, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, ist die Instandhaltung von Wasserpumpen und sanitären Einrichtungen von besonders großer Bedeutung, kann aber in der momentanen Situation nicht gewährleistet werden. Die bevorstehende Regenzeit wird die Lage noch verschlimmern: Ganze Regionen können durch den anhaltenden starken Regen von der Außenwelt abgeschnitten werden, Notunterkünfte können überschwemmt werden, Krankheiten sich leichter ausbreiten. Ein anderes Problem stellt der Zugang von Regierungsmitarbeitern zu Flüchtlingslagern dar, da deren Bewohner oftmals regierungsfeindlich gestimmt sind.

Leider ist die internationale Antwort auf die sich anbahnende Notsituation zögernd, und die sudanesische Regierung bis jetzt nicht kooperativ. John Holmes betont, dass die Schutzverantwortung in erster Linie eine präventive Maßnahme ist: Wenn ein betroffener Staat keine humanitäre Hilfe in Anspruch nehmen möchte, kann er nicht dazu gezwungen werden. Die sudanesische Regierung hat sich zwar im oben genannten „Joint Assessment to Darfur“ dazu verpflichtet, die Arbeit der sich noch vor Ort befindlichen Hilfsorganisationen in vollem Umfang zu erleichtern. Das alleine wird aber nicht ausreichen, um eine Verschlechterung der humanitären Lage in Darfur zu verhindern. Nationale NGOs sollen nach Wunsch der sudanesischen Regierung die Aufgaben der ausgewiesenen Organisationen übernehmen, aber sie sind nicht in der Lage, sofort sämtliche Tätigkeiten auszuführen. Im Bericht der UNO heißt es, dass zumindest die meisten Engpässe (Versorgung mit Wasser und sanitären Anlagen) durch die internationalen und sudanesischen NGOs, die sudanesische Regierung und UNO-Behörden vor Ort behoben werden können, wenn die dazu erforderliche Finanzierung bereitgestellt wird.

Wird die UNO nun mit ihrem Vorgehen der Schutzverantwortung gerecht? Laut der dritten Säule der „Responsibility to Protect“ sind die internationale Gemeinschaft und die UNO zu einem rechtzeitigen und direkten Eingreifen aufgerufen, um unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern bzw. zu beenden. Das Unterlassen oder Verhindern von humanitärer Hilfe, welche sich zu einer menschlichen Katastrophe für eine ganze Region entwickeln könnte, könnte jedoch durchaus als Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden. Sollte es zu einer humanitären Katastrophe in Darfur kommen, ist jedoch fraglich, ob die fehlende Hilfeleistung der sudanesischen Regierung zur Last gelegt werden wird: Nachdem der tropische Wirbelsturm „Nargis“ Myanmar im Frühjahr 2008 schwer verwüstete, wurden die Behinderungen internationaler Hilfsmaßnahmen durch die Regierung Myanmars zwar weltweit stark kritisiert, Konsequenzen seitens der UNO hatte dies jedoch nicht zur Folge.

Um die Schutzverantwortung in Darfur zu verwirklichen, muss die UNO zu einem Konsens kommen, wobei auch die Afrikanische Union und die Arabische Liga miteinbezogen werden müssen. Solange sich jedoch die UNO nicht mit allen Beteiligten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann, werden die Verstöße gegen die Schutzverantwortung – so wie im Falle Myanmars auch – ohne Konsequenzen für die sudanesische Regierung bleiben. 

Katharina Zechne