Wissenschaft des Völkermordes: Gender Studies und Genozid

Genozide und andere Massenverbrechen geschehen nie in einem gesellschaftlichen Vakuum, sondern werden durch gesellschaftliche Vorstellungen beeinflusst. Daher ist es wichtig, Gendernormen und -stereotype mitzudenken, wenn es um Konflikte und (Massen-)Gewalt geht. Das Ziel einer gender-sensiblen Perspektive ist es dabei nicht (nur), die Rolle von Frauen in Konflikten zu analysieren. Vielmehr geht es Forscher:innen in diesem Themenfeld darum, den analytischen Mehrwert einer „Gender lens“ hervorzuheben und zu zeigen, wie sehr Gendernormen Menschen aller Gender beeinflussen.

Wissenschaft des Völkermords: Völkermord und Volkswirtschaft

Häufig haben Völkermorde auch eine wirtschaftliche Komponente, folgen ökonomischen Anreizen oder werden mit diesen gerechtfertigt. Ebenso werden wirtschaftliche Mechanismen leider oft missbraucht, um Massenverbrechen anzustiften und zu steuern. Seit einigen Jahrzehnten versucht eine kleine Strömung innerhalb der Volkswirtschaftslehre, diese ökonomischen Dynamiken hinter Genoziden tiefer zu analysieren. Wie kann uns diese Forschung beim Verständnis von Völkermorden helfen?

Einführung: Wissenschaft des Völkermords

Wissenschaft des Völkermords: Glossar und Literaturhinweise

Was steckt hinter den Begriffen wie Massenverbrechen oder Völkermord? Was ist unter Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen zu verstehen? Dieses Glossar soll bei der Orientierung helfen und bietet einige Erläuterungen zu den verschiedenen Begriffen.


Massenverbrechen

Der aus dem englischen „mass atrocity crimes“ entlehnte Begriff „Massenverbrechen“ bezeichnet Völkermord, ethnische Säuberungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Massenverbrechen charakterisieren sich durch die Anwendung extensiver Gewalt. Zu den einzelnen Straftatbeständen zählen u.a. gezielte Tötungen und Folter im Rahmen und in Kenntnis eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung. Das Römische Statut des IStGH deifiniert diese Begriffe umfassend. Massenverbrechen unterscheiden sich von niedrigschwelligen Gewalttaten, wie Ausschreitungen, einzelnen Terrorangriffen und sogar einzelnen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, durch die  extensive Anwendung von Gewalt.

Völkermord

Völkermord setzt die Absicht des Handelnden voraus, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.

Dies beinhaltet:

  • die Tötung von Mitgliedern einer solchen Gruppe
  • die Verursachung von schweren körperlichen und seelischen Schäden
  • die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen, die geeignet sind, die körperliche Zerstörung einer solchen Gruppe ganz oder teilweise herbeizuführen
  • die Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung gerichtet sind
  • die gewaltsame Überführung von Kindern einer solchen Gruppe in eine andere Gruppe

Da der Beweis für die Absicht der Vernichtung einer Gruppe erbracht werden muss, ist Völkermord als völkerrechtliches Konzept ein sehr eng gefasster Tatbestand. Die Beweiserbringung gestaltet sich juristisch und praktisch als sehr schwierig.

Ethnische Säuberung

Bei einer als ethnische Säuberung einzustufenden Handlung liegt der Unterschied zum Völkermord bei der Zielsetzung der Akteure. Wenn eine der oben unter „Völkermord“ definierten Gruppen primär aus einem Gebiet entfernt werden soll, nicht aber die Zerstörung dieser Gruppe per se beabsichtigt ist, handelt es sich um keinen Völkermord, sondern um eine ethnische Säuberung.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Dieser Straftatbestand ist weiter gefasst als derjenige des „Völkermordes“. Es handelt sich hierbei um jeden systematischen und ausgedehnten Angriff auf die Zivilbevölkerung, ohne, dass es sich dabei um eine ganz spezielle Gruppe innerhalb der Zivilbevölkerung handeln muss. Somit sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit überall durch jeden und an jedem strafbar.

Kriegsverbrechen

Kriegsverbrechen sind schwere Verstöße gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts. Ihre Definition speist sich aus den Haager Konventionen von 1907, den Urteilen bei den Nürnbergern und Tokioer Kriegsverbrechertribunalen und  letztlich aus den Genfer Konventionen von 1949. Das Rom Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bekräftigte und vertiefte ihre Definitionen. Unter Kriegsverbrechen fallen neben dem Einsatz biologischer oder chemischer Waffen auch die Vertreibung, Geiselnahme, Folter und Ermordung von Zivilisten. Der Einsatz von sexueller Gewalt, wie Massenvergewaltigungen, als Kriegswaffe und Angriffe auf Krankenhäuser zählen ebenso als Kriegsverbrechen, wie die zur Erreichung militärischer Ziele überflüssige Zerstörung von Wohngebieten oder die Plünderung kultureller Güter.

Weiterführende Informationen:

» Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

» Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofes

» Internationales Komitee des Roten Kreuzes: Krieg und Völkerrecht (war & law)


Über dieses Projekt

Ziel dieses Projektes ist es, teilweise abstrakte Theorien und fachliche Perspektiven auf Ursachen, Entstehung und Ablauf von Völkermorden einer möglichst breiten, interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Redaktionelle Anmerkung: Um den Zugang für alle Interessierten zu erleichtern, hat sich das Projektteam entschieden, auf geschlechtergerechte Sprache im Sinne der Lesbarkeit zu verzichten. Selbstverständlich sind immer alle Geschlechter und sexuellen Identitäten gemeint.

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